key: cord-0072856-y1ppok46 authors: Steinmair, D.; Ronge-Toloraya, A.; Löffler-Stastka, H. title: Veränderungen der Kontextfaktoren und deren Auswirkungen auf die Arzt-Patient-Beziehung date: 2022-01-05 journal: psychopraxis DOI: 10.1007/s00739-021-00774-5 sha: 460216ca2b927c4efcaadb891db97cc2e33e1db8 doc_id: 72856 cord_uid: y1ppok46 Therapeutic action is facilitated by favourable contextual factors whereby therapeutic interventions can also be an incentive to change contextual factors. Communication and therapy are only made possible by a good patient–therapist relationship, especially under difficult internal and external conditions. Der gesellschaftliche Rahmen menschlichen Agierens ist ein kontinuierlicher Prozess, der von individuellen Handlungen getragen eigene Regeln und Regelmäßigkeiten zeitigt, die wiederum auf das Handeln der Akteure einwirken. Ein beschleunigter gesellschaftlicher Wandel beinhaltet Begriffe wie Globalisierung, Produktivitätssteigerung, Technisierung/Digitalisierung [1] . AnDemokratisierungsprozesse knüpften politische Kämpfe an, um Freiheitsrechte einzufordern, aus welchen letztlich beispielsweise die PatientInnen-Empowerment-Bewegung hervorgegangen ist [2] . Paternalistische Sichtweisen innerhalb der Medizin wurden kritisiert und Zuschreibungen dem/r PatientIn als hilfsbedürftigem/r AkteurIn zurückgewiesen. Forderungen nach mehr Autonomie und einem Arzt-Patient-Verhältnis auf Augenhöhe wurden artikuliert [3] . Die Dominanz der ExpertInnen wird infrage gestellt, die Kompetenzen auf Seite der PatientInnen werden betont und wissenschaftliche Belege für dia-gnostisches und therapeutisches Tun gefordert [4] . Insgesamt wird eine Verschiebung vom Autoritäts-und Herrschaftsverhältnis zum Vertragsverhältnis konstatiert. Der Anspruch verändert sich: Aus dem Arzt-Patient-Verhältnis wird das Arzt-Kunden-Verhältnis [5] . Diese Perspektive birgt jedoch die Gefahr, die "Rationierung von Gesundheitsleistungen als ,Marktgeschehen'" zu interpretieren [6] . Krankenbehandlung bleibt -trotz Kritik am Paternalismus -auf Wissensbestände und institutionalisierte Kompetenzen der BehandlerInnen angewiesen [7] . Gleichzeitig bilden PatientInnen keine passiven "Objekte", sondern aktive Elemente ihrer eigenen Krankenbehandlung, treten als mehr oder weniger selbstbewusste Ko-ProduzentInnen [8] von Gesundheit auf; als "active patients" [9] , "informed patients" [10] oder "patients as experts" [11] , deren Mitarbeit auch zunehmend eingefordert wird. » Die gelungene partnerschaftliche Beteiligung der PatientInnen ist voraussetzungsvoll Insgesamt kann ein Wandel hin zu partizipativen Entscheidungsfindungen beobachtet werden, ohne dass paternalistische Elemente verschwinden. Vielmehr besteht beides fort als Pole eines Kontinuums. Sie werden je nach Behandlungssituation, Ausstattung der beteiligten Akteure, Art und Schweregrad der Erkrankung mehr oder weniger relevant und situativ aktiviert. In Kürze bleibt die Einsicht: Es gibt nicht "das" Arzt-Patient-Verhältnis, sondern eine Vielzahl von Verhältnissen und Begegnungen im zunehmend fragmentierten Behandlungsnetzwerk [12] . "Ein einfaches Rezept für eine ,gute Beziehung' ist daher kaum möglich" [13] . Die gelungene partnerschaftliche Beteiligung der PatientInnen ist voraussetzungsvoll und fordert ein hohes Maß an affektkognitiver und körperlicher Leistungsfähigkeit trotz Erkrankung, aber z. B. auch ausreichende "Health Literacy" [14, 15] . Trialogprozesse, die Angehörigenbewegungen inkludieren, sind noch nicht ausreichend als Elemente der Alltagskultur etabliert und Probleme sind hinsichtlich der Einführung eines entmetapsychologisierten Normierungssystems mit autonomen Technisierungsfolgen ohne systematische, prozesshafte Expertenprüfung angesprochen. Zum Mangel an validen, nur im Sinnzusammenhang interpretierbaren Daten tritt die Herausforderung, den Informations-Overload [16] zu be-und verarbeiten. Aus verfügbaren Informationen belastbares Wissen zu integrieren, erfordert eine gelungene Health-Literacy-Strategie, die wiederum auf Basis einer guten therapeutischen Beziehung -Adhärenz -entstehen kann. Die Generierung diffuser Ängste durch kurze Fehlschlüsse oder Fake News und die paranoiden Exzesse aufgrund fehlender Expertenbewertung führen zu kaum zu kontrollierenden, hoch emotionalisierten Fanatisierungsprozessen, die faktenbasierte reflexive Mentalisierungsprozesse nötig machen durch vertrauenswürdige ExpertInnen in den globalen Informationscommunities. Zweifellos hatte die COVID-19-Pandemie einen ungünstigen Einfluss auf die psychische Gesundheit [17] [18] [19] , während Therapien durch Kontaktbeschränkungen erschwert waren. Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie (Ausgangsbeschränkungen, Quarantäne, Kontaktverfolgung) führten zu zahlreichen Einschränkungen in der individuellen Selbstbestimmung, zum Schutz von Leben unter dem Vorzeichen der Solidarität, zur Sicherung der Freiheit ohne Gefährdung der Gemeinschaft durch den Einzelnen [20, 21] . Krisenbedingt wurde das Online-Setting zur neuen Normalität. Die bisherige Studienlage zur Güte der therapeutischen Beziehung unter diesen Bedingungen zeigte, dass die Arbeitsallianz im Videotelefonie-Setting dem Face-to-face-Setting unterlegen war [22] . Longitudinale Studien versprechen allerdings einen besseren Einblick in die Folgen der Pandemie [19] und Folgen von Veränderungen des therapeutischen Settings als die bislang überwiegend durchgeführten Querschnittstudien, welche sich vor allem auf Selbstberichte (von betroffenen Patient-Innen/TherapeutInnen) beschränken. Eine notwendige Adaptation therapeutischer Techniken und gleichzeitig das Vermeiden von Grenzverletzungen im Online-Setting können eine Herausforderung darstellen [23] . Lockdowns waren in Selbstberichten mit höherer Aggressionsbereitschaft, Ärger und Feindseligkeit in der Bevölkerung assoziiert, welche sich physisch und verbal äußerten [24] . Diese Entwicklung passt zur "Frustration-Aggression"-Hypothese von Berkowitz [25] : Wird die Erreichung eines gewünschten Zieles (Autonomie, Selbst-Effektivität, Beziehung/Bindung etc.) vereitelt, ist dies ausreichend für das Entstehen negativer Affektivität, welche dann eine Aggressionsneigung bedingt [24, 26] . Selbstberichtete Aggressivität muss sich nicht in entsprechendem Verhalten äußern, allerdings war während der Lockdowns auch Gewalt [27] [28] [29] [30] dokumentiert worden. Die Empfehlung an TherapeutInnen, PatientInnen hinsichtlich Zeichen erhöhter Aggressivität zu evaluieren, gilt besonders während Lockdowns [24] . Abstract Therapeutic action is facilitated by favourable contextual factors whereby therapeutic interventions can also be an incentive to change contextual factors. Communication and therapy are only made possible by a good patient-therapist relationship, especially under difficult internal and external conditions. Attachment · Empathic Care · Autonomy · Aggression · Reflection herausfordernd dies sein kann, wird besonders in dieser Begegnung mit einer Patientin sichtbar, welche externalisierend, projektiv-identifizierend und mittels Allmachtfantasien ihre Affekte reguliert. Affektives Containment und strukturierende Interventionen, welche Sicherheit und (Selbst-)Kontrolle vermitteln, sind nun notwendig [31, 32] . Den dominanten Affekt zu adressieren, stellt eine weitere effektive Intervention dar [33] . Der analytikerzentrierten [34] Intervention [35] [37] . Neben dem Schaffen entsprechender Arbeitsbedingungen wirkt sich eine Stärkung der Mentalisierungsfähigkeit in stressreichen, emotionalisierten Situationen positiv aus. Psychotherapeutische Interventionen zur Verbesserung von Schwierigkeiten im sozialen Umgang fokussieren zunehmend auf eine Verbesserung der Emotionsregulation und der kognitiven Fähigkeiten, welche für Anhedonie und Apathie relevant sind (e.g. Positive Emotions Program for Schizophrenia (PEPS) [39] ). Die Güte der Emotionswahrnehmung, die kognitive Leistung einschließlich der sozialen Fähigkeiten sowie die klinische Symptomatik sind signifikante Prädiktoren der Mentalisierungsfähigkeit schizophrener Patienten [40] . Kontextfaktoren sind für die therapeutische Allianz relevant [41] . The autonomous patient. Ending paternalism in medical care Vom Paternalismus zur Autonomie des Patienten? Medizinische Ethik im Spannungsfeld zwischen einer Ethik der Fürsorge und einer Ethik der Autonomie Vom Patienten zum Konsumenten? Nutzerbeteiligung und Nutzeridentitäten im Gesundheitswesen Der Ärztestand. Berufs-und wissenschaftssoziologische Durchleuchtung einer Profession Das virtuelle Krankenhaus -Ausweg oder Königsweg für die Krankenversorgung der Zukunft? In: Pelikan JM, Stacher A, Grundböck A, Krajic K (Hrsg) Virtuelles Krankenhaus zu Hause -Entwicklung und Qualität von Ganzheitlicher Hauskrankenpflege: Theoretische Konzepte, gesundheitspolitischer Kontext und praktische Erfahrungen in Europa. Facultas Making sense of patient expertise Researching the 'Informed Patient' . The case of online health information seekers Belief, knowledge and expertise: the emergence of the lay expert in medical sociology Von der Organisation Krankenhaus zum Behandlungsnetzwerk? Untersuchungen zum Einfluss von Medizincontrolling am Beispiel einer internistischen Abteilung Einleitung: Die Arzt-Patient-Beziehung aus soziologischer Sicht Health Literacy. Entwicklung und Bedeutung einer Schlüsselkompetenz für gesundheitsgerechtes Leben Medizinische Soziologie, 6. Aufl Der Computer als Medium und Maschine Prevalence of mental health problems during the COVID-19 pandemic: a systematic review and meta-analysis The prevalence of stress, anxiety and depression within front-line healthcare workers caring for COVID-19 patients: a systematic review and meta-regression The Lancet Psychiatry (2021) COVID-19 and mental health Freiheit in Krisenzeiten DGGG (2020) Statement der DGGG. Pressemitteilung vom 24.4.2020 Therapeutic alliance in videoconferencing psychotherapy: a review PsychotherapieinderCoronakrise. Trendwende in der Online-Psychotherapie Increasing aggression during the COVID-19lockdowns Frustration-aggression hypothesis: examination and reformulation The Wiley handbook of violenceand aggression Sheltering in place and domestic violence: evidence from calls for service during COVID-19 Child maltreatment during the COVID-19 pandemic: consequencesofparentaljoblossonpsychological and physical abuse towards children How did the number and type of injuries in patients presenting to a regional level I trauma center change during the COVID-19 pandemic with a stay-at-home order? Exploration of personality factors and their predictive impact on therapy utilization: the externalizing mode of functioning Phenotypic and genetic structure of traits delineating personality disorder Psychotherapy for borderline personality Problems of psychoanalytic technique: patient centered and analyst-centered interpretations Evaluating three treatments for borderline personality disorder: a multiwave study Interpretation and working through contemptuous facial micro-expressions benefits the patienttherapist relationship Kommunikativer Umgang mit Gewalt im Gesundheitswesen Professionelles Deeskalationsmanagement (ProDeMa) Praxisleitfaden zum Umgang mit Gewalt und AggressionindenGesundheitsberufen, 4. Aufl. Unfallkasse Impact of positive emotion regulation training on negative symptoms and social functioning in schizophrenia: a field test Emotion perception, nonsocial cognition and symptoms as predictors of theory of mind in schizophrenia Working alliance and outcome effectiveness in videoconferencing psychotherapy: a systematic review and noninferiority metaanalysis Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral