key: cord-0071720-bhqnfvb4 authors: M. Heim, Thomas title: Post-COVID meist mit kognitiven Defiziten date: 2021-12-17 journal: InFo Neurologie DOI: 10.1007/s15005-021-2195-y sha: 9c30214a9aadac627b1ac22209e8ef7621311c5c doc_id: 71720 cord_uid: bhqnfvb4 nan "Nur wir als Neurologen können diese Erkrankung gut und richtig diagnostizieren," betonte PD Dr. Anne Weißbach, Institut für systemische Motorikforschung, Universitätsklinik Lübeck. Der betroffenen Person die Diagnose "funktionelle Bewegungsstörungen" zu vermitteln, sei bereits ein Schlüsselmoment der Behandlung. Nur, wenn die erkrankte Person dem von den Behandelnden vermittelten Krankheitskonzept zustimmen könne, würde sie sich auf die Behandlung einlassen. Da physio-und psychotherapeutische Elemente, gegebenenfalls flankiert durch Ergotherapie oder Logopädie, dabei meist eine zentrale Rolle spielen, sei das eigene Zutun der Betroffenen unverzichtbar. Bei der Vermittlung der Diagnose ist es laut Weißbach wichtig zu betonen, dass "funktionelle Bewegungsstörungen" keine Ausschlussdiagnose ist, sondern dass dabei positive klinische Zeichen aufgezeigt werden können. Von Begriffen wie "dissoziativ" oder "psychogen" solle man sich im Gespräch mit den Betroffenen distanzieren. "Nur auf einen Teil der Patienten trifft das zu, und der Großteil identifiziert sich nicht mit diesen Begrifflichkeiten," warnte Weißbach. Vielmehr gelte es, im Rahmen der Psychoedukation herauszuarbeiten, dass der Erkrankung zwar keine strukturelle Läsion im Nervensystem zugrunde liege, aber eine mit geeigneten Methoden nachweisbare, gestörte Informationsverarbeitung. Die Erkrankten haben keine bewusste Kontrolle über den gestörten Teil ihres Bewegungssystems, machen aber die Erfahrung, dass Aufmerksamkeit, Erwartung und Emotionen die Symptome erheblich beeinflussen. Dysfunktionale Erwartungen und Konzepte erzeugen im Verlauf der Erkrankung mehr und mehr automatisierte und schließlich anhaltende Fehlanpassungen der Motorik. Hier setzt Weißbach zufolge die Neurophysiotherapie an, indem sie schrittweise die Aufmerksamkeit von den gestörten auf gut funktionierende Bewegungsmuster refokussiere. Das Training beginne mit einfachen Bewegungen und umfasse nach und nach immer komplexere Abläufe. Ziel sei es schließlich, physiologische Bewegungen bei den Alltagsaktivitäten wiederherzustellen, die bislang Schwierigkeiten bereiteten. Visuelles Feedback unterstützte diesen Genesungsprozess. Typisch für das klinische Bild eines Post-COVID-Syndroms sind nicht nur Fatigue und Kurzatmigkeit. Sehr häufig geht es auch mit kognitiven Defiziten einher. Die Symptomatik kann stark variieren und umfasst eine Bandbreite von über 50 psychischen und somatischen Symptomen. Der Begriff "Post-COVID-Zustand" ist seit 6. Oktober 2021 klar definiert. An diesem Tag veröffentlichte die WHO eine Definition, die zuvor in einem Delphi-Konsensusprozess erarbeitet wurde [1] . Dr. Christiana Franke, Neurologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin, bestätigt die in der WHO-Definition beschriebene Vielfalt an somatischen und psychischen Symptomen. Eine große Metaanalyse habe, so Franke, mehr als 50 Langzeiteffekte von COVID-19 identifiziert, davon am häufigsten Fatigue (58 %), Kopfschmerz (44 %), Aufmerksamkeitsstörungen (27 %), Haarausfall (25 %) und Atemnot (24 %) [2] . Dass kognitive Defizite bei Post-COVID sehr oft vorkommen, belegt laut Franke unter anderem eine kürzlich veröffentlichte Registerstudie aus den USA. Die häufigsten kognitiven Störungen nach durchgemachter COVID-19-Erkrankung betrafen die Prozessgeschwindigkeit (18 %), Exekutivfunktionen (16 %), phonematische (15 %) und kategoriale Wortflüssigkeit (20 %), Enkodierung (24 %) und Abruf (23 %) von Erinnerungen [3] . Franke und Mitforschende evaluierten im Rahmen einer Studie die Symptomatik bei 100 Post-COVID-Betroffenen, die sich mindestens drei Monate nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion in der neurologischen Post-COVID-Ambulanz der Charité vorgestellt hatten [4] . Bei 89 % davon war die akute Infektion leicht und ohne Hospitalisierung verlaufen. Zwei Drittel der Erkrankten waren weiblich. Kognitive Defizite wurden in fast drei Viertel der Fälle berichtet und bildeten damit in dieser Kohorte die häufigste Symptomkategorie, gefolgt von Fatigue in zwei Drittel der Fälle sowie Kopfschmerz und persistierende Hyposmie, von denen jeweils rund ein Drittel betroffen waren. Bei 5,5 % der Betroffenen fanden Franke und Mitforschende Zeichen einer schweren Depression [4] . Vortrag im Rahmen der Sitzung "COVID-19 World Health Organization. 6.10.21, www.who