key: cord-0071608-h0oqnac9 authors: Schuir, Julian; Pöhler, Ludger; Teuteberg, Frank title: Zwischen Preisjägern, Datenschützern und Tech-Enthusiasten: Segmentierung des Virtual-Reality-Marktes am Beispiel Oculus date: 2021-12-14 journal: HMD DOI: 10.1365/s40702-021-00817-w sha: e5a7cf99fb1e5639b5bcc3844ed6be7fdcbcf826 doc_id: 71608 cord_uid: h0oqnac9 Due to significant technological advances, virtual reality (VR) has increasingly established itself on the consumer market in recent years. In particular, the standalone headset Quest 2, manufactured by Facebook subsidiary Oculus, achieved high sales figures and became the top-selling VR glasses to date. At the same time, the privacy policy of Oculus, which links the use of the Quest 2 to a Facebook account, triggered a controversial debate among privacy experts. The introduction of this privacy policy faced consumers with a dilemma: They have to decide whether to share sensitive data with Facebook when using low-cost Oculus devices or pay higher prices for alternative VR headsets. The Federal Cartel Office then initiated data misuse proceedings against Facebook, resulting in a halt of sales of the Quest 2 in Germany. In this paper, we examine how German consumers perceive this dilemma. Based on a conjoint analysis, we compare the relative importance of privacy policies, hardware features and prices in the purchase decision for VR headsets. We identify three distinct market segments with different purchasing decision heuristics. The findings result in seven recommendations for action to help VR manufacturers, developers, and consumer advocates adopt VR technology responsibly and broadly in the consumer market. Oculus-Geräten seit Oktober 2020 an ein Facebook-Konto gekoppelt ist, hat Facebook Zugriff auf sensible Informationen wie Bewegungsdaten, die Rückschlüsse auf Verhaltensmuster, Emotionen und Identitäten der Benutzer zulassen (Miller et al. 2020 , Oculus 2021 . Endverbraucher stehen seither vor einem Dilemma: Sie müssen sich zwischen der Preisgabe sensibler Daten an Facebook im Falle der Nutzung kostengünstiger Oculus-Geräte und höheren Preisen anderer VR-Headsets entscheiden. In Deutschland führte diese Entwicklung zu einem temporären Verkaufsstopp der Quest 2, da Facebook Teil eines Streitverfahrens mit dem Bundeskartellamt ist. Das Bundeskartellamt (2020) wirft Facebook vor, seine marktbeherrschende Position auszunutzen, um Oculus-Benutzer an seine Dienste zu binden. Diese Bindung verstoße gegen das Kopplungsverbot der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Trotz dieser Kontroverse konnte Oculus zwischen Oktober 2020 und März 2021 nach Expertenschätzungen weltweit mehr als fünf Millionen Einheiten der Quest 2 absetzen. Die Absatzzahlen des Produktes übertreffen damit die kumulierten Verkäufe aller zuvor erschienenen Oculus-Geräte. Folglich avancierte die Quest 2 zum bisher meistverkauften VR-Headset (Lang 2021) . Doch wie beurteilen deutsche Konsumenten diese Entwicklungen? Empirische Endverbraucherstudien zeigen, dass hedonistische und pragmatische Benefits als Kernmotivation für die individuelle Adoption von VR fungieren, während Risiken wie etwa die Angst vor Datenmissbrauch die Diffusion bremsen (Herz und Rauschnabel 2019) . Ähnlich dazu verdeutlicht der AR/VR Survey Report von Perkins Coie (2020), dass die Benutzerprivatsphäre die größte rechtliche Herausforderung für VR-Anbieter darstellt. Viele Hersteller versuchen sich zudem durch die Entwicklung und Patentierung innovativer Features von der Konkurrenz abzugrenzen. Diese Abgrenzung ist jedoch mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden. Vor diesem Hintergrund ist es für VR-Anbieter essentiell, die Endverbraucherpräferenzen für VR-Headsets zu verstehen, um Kundensegmente zielgerichtet adressieren zu können. Daher lautet die diesem Beitrag zugrundeliegende Forschungsfrage: Inwiefern beeinflussen Datenschutzbestimmungen im Vergleich zu Preisen und Hardwareeigenschaften die Kaufentscheidungen für Virtual-Reality-Headsets? Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage untersucht der vorliegende Beitrag die Endverbraucherpräferenzen für VR-Headsets auf Basis einer Conjoint-Analyse. Am Fallbeispiel Oculus wird analysiert, welchen Einfluss verschiedene Datenschutzbestimmungen im Vergleich zu Hardwareeigenschaften (z. B. Displayauflösung) und Preisen auf Kaufentscheidungen haben. Es resultieren drei Marktsegmente mit unterschiedlichen Präferenzmustern. Aus diesen Ergebnissen werden schließlich sieben Handlungsempfehlungen für VR-Anbieter, -Entwickler und -Benutzer sowie Verbraucherschützer abgeleitet, die zur weitreichenden und nachhaltigen Diffusion der Technologie dienen sollen. K 2 Virtual Reality im Endverbrauchermarkt Im Jahr 2016 kam mit der Oculus Rift erstmals ein erschwingliches und performantes VR-Headset auf den Endverbrauchermarkt. Seither erfreut sich die immersive Technologie insbesondere im amerikanischen, chinesischen und europäischen Raum zunehmender Beliebtheit (Bezegová et al. 2018) . Einer Bitkom-Befragung zufolge stieg die Nutzungsbereitschaft in der deutschen Bevölkerung zwischen den Jahren 2018 und 2020 von 17 auf 37 %. Zu den populärsten Einsatzfeldern gehören Computerspiele, virtuelle Reisen sowie der Multimediakonsum (Klöß 2020 (Egliston und Carter 2020) . Folglich zahlen Endverbraucher Oculus-Geräte nicht nur monetär, sondern auch durch die Preisgabe ihrer Daten. Um ein tiefergehendes Verständnis für dieses Geschäftsmodell und die damit einhergehenden Datenschutzaspekte zu gewinnen, werden diese nachfolgend beleuchtet. Zur Darbietung einer immersiven Erfahrung erfassen VR-Headsets eine Vielzahl von Informationen über spezifische Sensoren. Stationäre Systeme (z. B. HTC Vive) verwenden Accelerometer, Laser-Positionsmesser und Gyrosensoren, um die Positionen und Bewegungen der Benutzer zu erfassen. Im Gegensatz dazu nutzen Standalone-Systeme vorrangig Inside-Out-Tracking, das die Bewegungen mittels integrierter Kameras erfasst. Die Quest 2 verfügt beispielsweise über vier Ultra-Weitwinkelkameras, die das Umfeld sowie die Bewegungen des Benutzers erkennen und Hand-Tracking ermöglichen. Diese Sensordaten werden jedoch nicht nur lokal auf den Geräten verarbeitet. Einer Netzwerkverkehrsanalyse zufolge werden die Trackingdaten auch für analytische Zwecke an Facebook-Server gesendet (Trimananda et al. 2021 (Funk et al. 2012) . Auch Oculus platziert seit dem Jahr 2021 immersive Werbeanzeigen in Apps und Spielen. In der aktualisierten Datenschutzbestimmung behält sich Facebook außerdem vor, Teile dieser Daten an weitere Unternehmen der Facebook-Gruppe zu übermitteln (Oculus 2021 Um die zuvor skizzierten Forschungslücke zu schließen, wurde für den vorliegenden Beitrag eine auswahlbasierte Conjoint-Analyse durchgeführt. Diese Präferenzmessmethode stammt ursprünglich aus der Marketingforschung und basiert auf der Annahme, dass Konsumenten ein Produkt als eine Kombination von Attributen (z. B. Preis) sehen, die verschiedene Ausprägungen haben (z. B. C10, C20; Green und Srinivasan 1978) . Im Rahmen einer auswahlbasierten Conjoint-Analyse durchlaufen die Befragten verschiedene Auswahlsituationen, in denen sie sich zwischen fiktiven Produktangeboten (Stimuli) entscheiden. Auf Basis der getroffenen Entscheidungen werden anschließend die Teilnutzenwerte einzelner Ausprägungen sowie die relative Wichtigkeiten der Attribute berechnet (Backhaus et al. 2016) . Der vorliegenden Untersuchung liegt ein vierstufiges Vorgehen zugrunde. Im ersten Schritt wurde eine Vorstudie durchgeführt, um die Attribute und Ausprägungen der Stimuli zu bestimmen. Im zweiten Schritt wurde ein Online-Fragebogen konzipiert und implementiert. Anschließend wurden eine Hierarchical-Bayes-Schätzung (HB-Schätzung) und eine Clusteranalyse durchgeführt, um die Teilnutzenwerte sowie die Marktsegmente zu bestimmen. Für die Auswahl der Attribute und Ausprägungen sichteten die Autoren zunächst Online-Shops sowie VR-Blogs. Die Vorauswahl der Attribute wurden anschließend in acht Interviews mit VR-Benutzern validiert und priorisiert. Die Befragten waren zum Interviewzeitpunkt durchschnittlich 24,6 Jahre alt. Von den acht Befragten waren zwei weiblich und sechs männlich. Während der Interviews betonten alle Befragten die Relevanz des Preises für die Kaufentscheidung. Sie gaben an, dass sie im Durschnitt maximal 900 C für ein VR-Headset bezahlen würden. Unter Einbezug der in Abschn. 2 verglichenen VR-Headsets wurden die Ausprägungen 400 C, 650 C und 900 C in das Versuchsdesign integriert. K Gleichzeitig beeinflusst das Attribut Displayqualität die Auswahlentscheidungen mit einer relativen Wichtigkeit von 22,35 % stärker als in Segmenten 1 und 2. Insgesamt besitzen diese beiden Produkteigenschaften damit eine relative Wichtigkeit von mehr als 52 %, während das Attribut Preis deutlich geringere Relevanz aufweist als in den anderen beiden Segmenten. Aufgrund der Präferenz für Systeme mit moderner technischer Ausstattung ist die Relevanz des Attributes Datenschutzbestimmung in Segment 3 clusterübergreifend am geringsten (12,91 %). Um die verschiedenen Motivationen zur Priorisierung und Vernachlässigung der Attribute zu verstehen, wurden die Freitextantworten ausgewertet. In diesem Prozess wurden 16 verschiedene Einflussfaktoren identifiziert. Abb. 2 visualisiert die Einflussfaktoren und ihre Wirkungen auf die Gewichtung der Attribute. Preis: Die hohe Relevanz des Preises in Segment 1 ist primär auf das verfügbare Budget der Befragten zurückzuführen. So wurden in den Freitextfeldern wiederkehrend Preisgrenzen zwischen 500 und 600 C genannt. Komplementär dazu betonten insbesondere Mitglieder von Segment 3 ihr Qualitätsbewusstsein. Sie seien bereit dazu, höhere Preise für "hochqualitative, innovative und komplexe Produkte" zu bezahlen, um "langfristig etwas von diesen Produkten zu haben". Schließlich gehe mit einer Preissteigerung eine höhere Qualität sowie eine gesteigerte Langlebigkeit technischer Produkte einher. Interaktion: Hinsichtlich der hohen Bedeutung der Interaktionsmodalitäten betonten insbesondere Befragte aus Segment 3 die Rolle der Immersion, um "tiefer in die virtuelle Welt eintauchen und das Erlebnis mehr genießen zu können". Dieses "deutlich bessere Erlebnis" sei ein entscheidender Vorteil der VR-Technologie gegenüber konventionellen Benutzerschnittstellen. Ebenso verhelfe Hand-Tracking dazu, die "virtuelle Welt realistischer wahrzunehmen". Für Befragte, die der Interak- Der vorliegende Beitrag stellt die Ergebnisse einer Conjoint-Analyse mit 225 Befragten vor. Er präsentiert drei verschiedene Segmente aus dem VR-Markt, die sich in ihren Kaufentscheidungsheuristiken für VR-Headsets erheblich voneinander unterscheiden. Während für die Preisjäger (Segment 1) die Anschaffungskosten das wichtigste Kaufkriterium darstellen, sind die Datenschützer (Segment 2) dazu bereit, höhere Preise für VR-Headsets mit einem hohen Datenschutz zu bezahlen. Im Gegensatz dazu streben die Tech-Enthusiasten (Segment 3) nach VR-Endgeräten mit einem möglichst hohen Innovationsgrad. Sie bevorzugen in den simulierten Kaufentscheidungen insbesondere Produkte, die über eine 4K-Auflösung verfügen oder innovative Interaktionsmodalitäten unterstützen. Diese Erkenntnisse sollen Hardwareanbietern, Entwicklern, Verbraucherschützern und Regulatoren dabei helfen, die aktuellen Entwicklungen im VR-Ökosystem besser zu verstehen. Bei der Interpretation der Ergebnisse dieses Beitrages sind Limitationen zu beachten, die Ansätze für zukünftige Forschungsarbeiten liefern. Erstens hängen die Ergebnisse einer Conjoint-Analyse stark von der Auswahl und Formulierung der Attribute und Ausprägungen ab. So repräsentieren die ausgewählten Attribute nicht alle Attribute eines VR-Headsets, da z. B. Faktoren wie das Sichtfeld oder der Tragekomfort nicht abgefragt wurden. Zukünftige Forschungsarbeiten können untersuchen, welchen Einfluss weitere Attribute auf die Auswahl von VR-Headsets haben. Zweitens kann durch die ungleichmäßige Verteilung der Ausprägungen je Attribut der sog. Number-of-Levels Effekt aufgetreten sein, der die Gewichtung der Attribute verzerrt (Wittink et al. 1992 Ethics emerging: the story of privacy and security perceptions in virtual reality State of the art of virtual reality technology Auswahlbasierte Conjoint-Analyse Wie Facebook mit VR-Daten Künstliche Intelligenz gewinnt Virtual reality and its potential for Europe Bundeskartellamt überprüft die Verknüpfung von Oculus mit dem Facebook-Netzwerk Oculus imaginaries: the promises and perils of Facebook's virtual reality Vergleich von Geschäftsmodellen sozialer Netzwerke Conjoint analysis in consumer research: issues and outlook Understanding the diffusion of virtual reality glasses: the role of media, fashion and technology Zukunft der Consumer Technology -2020 Marktentwicklung, Trends, Mediennutzung, Technologien, Geschäftsmodelle. Berlin: Bitkom -Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e Quest 2 May be selling thrice as fast as the best selling VR headset Personal identifiability of user tracking data during observation of 360-degree VR video If privacy dies in VR, it dies in real life Mordor Intelligence (2021) Virtual reality (VR) market | growth, trends, and forecasts Interpreting conjoint analysis data Augmented and virtual reality survey report-industry insights into the future of Immersive technologies Antecedents to the adoption of augmented reality smart glasses: a closer look at privacy risks Understanding the Augmented and Virtual Reality Business Ecosystem: An e3-value Approach Impact of the recreational use of virtual reality on physical and mental wellbeing during the Covid-19 lockdown Seven myths on crowding and peripheral vision OVRSEEN: Auditing Network Traffic and Privacy Policies in Oculus VR Un)informed consent: studying GDPR consent notices in the field Let's do Design Thinking Virtually: Design and Evaluation of a Virtual Reality Application for Collaborative Prototyping XR Safety Initiative (2020) The XRSI privacy framework