key: cord-0070187-tpt9y2tb authors: Steiner, Johann; Vasilevska, Veronika title: Inflammation und psychische Erkrankung date: 2021-11-19 journal: InFo Neurologie DOI: 10.1007/s15005-021-2121-3 sha: 118976b983124c47a4331259149843c5657c6493 doc_id: 70187 cord_uid: tpt9y2tb nan Am Beispiel "COVID-19" sind vielfältige Aspekte erkennbar, wie Inflammation und psychische Erkrankung miteinander verbunden sein können. Im zurückliegenden SARS-CoV-2-Pandemie-Jahr traten auch in der nicht am Virus erkrankten Allgemeinbevölkerung häufiger Ängste und Depressionen auf [1] . Neben existenziellen und gesundheitlichen Sorgen spielten vermutlich soziale Einschränkungen wie beispielsweise Kontaktbeschränkungen, Quarantäne und Homeoffice eine wichtige Rolle. COVID-19-Erkrankte entwickelten relativ häufig reaktiv psychische Beschwerden. Dazu gehörte zum Beispiel die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in etwa 30 % der Fälle mit schwerem Krankheitsverlauf und Intensivbehandlung [2] . Davon abzugrenzen sind psychische und neurologische Krankheitssymptome infolge einer direkten Störung der Hirnfunktion durch das Virus oder sekundär durch die Immunabwehr. SARS-CoV-2 konnte im Gehirn mittels Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) und Immunhistochemie zwar nachgewiesen werden, aber die bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es sich hauptsächlich in Gefäßund Immunzellen befindet, ohne Neurone direkt zu infizieren [3, 4] . Durch das Virus können Riechverlust, Kopfschmerzen, Veränderungen des Bewusstseins und Verhaltens, Delir und Agitation verursacht werden. Sekundär durch die Immunabwehr kommt es zu zytokininduzierter axonaler Degeneration, Gerinnungs-und Blut-Hirn-Schranken-Störung mit ischämischem oder hämorrhagi-schem Schlaganfall oder zur Bildung von Autoantikörpern, die zum Beispiel eine Autoimmunenzephalitis oder ein Guillain-Barré-Syndrom verursachen können [4, 5, 6] . Schon lange ist das sogenannte "zytokininduzierte Krankheitsverhalten" (Englisch: sickness behaviour) bekannt, welches zum Beispiel im Rahmen eines grippalen Infektes, einer Impfreaktion, autoimmunen oder tumorbedingten Erkrankung auftritt. Dabei produzieren Immunzellen entzündungsfördernde (proinflammatorische) Zytokine, die auf das Gehirn einwirken und depressionsähnliche psychische und Verhaltensänderungen hervorrufen, wie zum Beispiel gedrückte Stimmung, emotionale Labilität, Konzentrationsschwäche, Antriebs-/Motivationsverlust, sozialer Rückzug, Appetitmangel, Schlafstörungen und verminderte Körperpflege [7] . Wenn die Aktivierung des peripheren Immunsystems anhält, zum Beispiel bei chronischen Infektionen, autoimmunen oder tumorbedingten Erkrankungen, kann durch entzündungsfördernde Botenstoffe wie Interleukin (IL)-1β, IL-6, Interferon(IFN)-γ und Tumornekrosefaktor (TNF)-α im Gehirn prädisponierter Personen eine Persistenz des Krankheitsverhaltens entstehen, mit Symptomen einer Depression, denn diese Zytokine verringern die Verfügbarkeit von Serotonin und der Vorstufe Tryptophan im Gehirn; daneben wird das Gleich gewicht körpereigener N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptor-Modulatoren verändert [8] . Solche Veränderungen könnten neben psychoreaktiven Faktoren für die erhöhte Prävalenz von Depressionen bei den oben genannten somatischen Erkrankungen mitverantwortlich sein. Veränderungen entzündlicher Zytokine wurden auch im Blut von Patienten mit "genuinen psychiatrischen Erkrankungen" wie zum Beispiel schizophrenen oder affektiven Störungen gefunden. Eine Metaanalyse von 68 Studien fand zum Beispiel diskret erhöhte Spiegel der proinflammatorischen Zytokine IL-6 und TNF-α bei akut erkrankten Patienten mit Schizophrenie, bipolarer Störung und majorer Depression (MD) im Vergleich zu gesunden Vergleichspersonen [9] . Nach Behandlung der akuten Erkrankung sanken die IL-6-Spiegel sowohl bei Schizophrenie als auch bei MD signifikant. Bei chronisch kranken Patienten waren die IL-6-Spiegel bei Schizophrenie, euthymer bipolarer Störung und MD im Vergleich zu Kontrollen signifikant erhöht. Insgesamt gab es Ähnlichkeiten im Muster der Zytokinveränderungen bei Schizophrenie, bipolarer Störung und MD während der akuten und chronischen Krankheitsphasen, was die Möglichkeit gemeinsamer zugrundeliegender Pfade einer Immundysfunktion aufwirft. Möglicherweise sind die dargestellten Zytokinveränderungen Ausdruck einer chronisch schwelenden Entzündungsreaktion im Sinne einer insuffizienten oder fehlgeleiteten Immunantwort auf Krankheitserreger bei einer Patientensubgruppe [10] . Interessanter Weise fanden große epidemiologische Stu dien aus Dänemark tatsächlich Hinweise dafür, dass Krankenhausaufenthalte wegen Infektionskrankheiten und Autoimmunerkrankungen ein erhöhtes Risiko für die Manifestation einer Schizophrenie oder affektiven Störung nach sich ziehen [11, 12, 13] . Im Blut akut kranker und noch unmedizierter Schizophreniepatienten fanden sich vermehrt neutrophile Granulozyten, Monozyten und Proteine, welche mit der Immunabwehr bakterieller Infektionen assoziiert sind [14] . Solche Hinweise auf Infektionen oder autoimmune Fehlreaktionen bei Patienten mit psychischen Erkrankungen sind jedoch nicht als monokausal ursächlich zu betrachten, sondern eher im Sinne des Vulnerabilitäts-Stress-Konzeptes als zusätzlicher Stressor beziehungsweise Trigger bei vulnerablen Menschen (z. B. genetische Disposition oder Störung der prä-/perinatalen Hirnentwicklung). Es ist seit Langem bekannt, dass systemische Autoimmunerkrankungen mit Beteiligung des zentralen Nervensystems, beispielsweise systemischer Lupus erythematodes, eine auf Steroide ansprechende Enzephalopathie bei Autoimmunthyreoiditis (SREAT/ Hashimoto-Enzephalopathie) oder neuroinflammatorische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder zerebrale Vaskulitiden zu einer organischen schizophreniformen oder affektiven Symptomatik führen können [15] . Am Autoantikörper, die mit der GluN2-Untereinheit (synonym NR2) des NMDA-Rezeptors reagieren und diesen überstimulieren [16] . Dadurch kommt es zum Zelltod von nachgeschalteten Nervenzellen und einer Störung der glutamatergen Erregungsübertragung, was das Auftreten von Psychosen begünstigt. Auch Menschen mit Autoimmunthyreoiditis scheinen häufiger verschiedene Antikörper gegen neuronale Zelloberflächen-beziehungsweise Synapsenproteine zu bilden [17] . Bezüglich der Entstehung antineuronaler Antikörper wird vermutet, dass hier eine "molekulare Mimikry" eine Rolle spielt. Damit ist gemeint, dass verschiedene Krankheitserreger ihre Proteine und Kohlenhydrate teilweise denjenigen ihres Wirtes angleichen, um dem Immunsystem zu entgehen (immune escape). Dadurch können immunologische Kreuzreaktionen mit Angriffen auf körpereigene Strukturen entstehen, zum Beispiel auch gegen Nervenzellen. In den letzten Jahren hat sich in der klinischen Neurologie und Psychiatrie eine neue diagnostische Entität etabliert: Autoimmunenzephalitiden mit schizophreniformer beziehungsweise schizoaffektiver Symptomatik durch antineuronale Antikörper gegen synaptische Rezeptoren und Oberflächenproteine wurden als seltene, jedoch potenziell behandelbare Ursache psychotischer Störungen identifiziert. Der Nachweis spezifischer antineuronaler Antikörper der IgG-Klasse ist dabei charakteristisch für Autoimmunenzephalitiden. Für die klinische Praxis wurde ein Stufenschema entwickelt, das geleitet durch klinische Warnsignale eine zügige und sichere Diagnosestellung sowie die Einleitung einer Immuntherapie ermöglicht [15] . Bei psychiatrischer Symptomatik sollte das zusätzliche Auftreten fokaler neurologischer Zeichen, Bewusstseins-/Orientierungs-/Merkfähigkeitsstörungen, autonomer Instabilität oder epileptischer Anfälle/EEG-Auffälligkeiten immer eine erweiterte Liquoranalyse mit Bestimmung antineuronaler Autoantikörper nach sich ziehen [15, 18] . Diese entzündlichen Erkrankungen des Gehirns werden nun auch in der aktualisieren Fassung der S3-Leitlinie Schizophrenie als Differenzialdiagnose berücksichtig (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.html). Zur Illustration verweisen wir auf ▶Abb. 1. Die Kasuistik beschreibt eine Patientin mit Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis (IgG-Autoantikörper im Liquor gegen die GluN1a-Untereinheit [synonym NR1a] des NMDA-Rezeptors). Dabei handelt es sich um die häufigste Form der Autoimmunenzephalitiden. Andere spezifische Antikörper mit erhöhtem Psychoserisiko sind gegen folgende synaptische und neuronale Zelloberflächenproteine gerichtet: LGI1/ leucine-rich glioma inactivated 1 (Transmembranprotein, assoziiert mit spannungsabhängigen Kaliumkanälen), Caspr2/Contactin-assoziiertes Protein 2 (Transmembranprotein, assoziiert mit spannungsabhängigen Kaliumkanälen), AMPA/ α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazol-Propionsäure-Rezeptor (ionotroper Glutamat-Rezeptor), DPPX/Dipeptidyl-Peptidase-like Protein-6 (Membranprotein, bindet an spannungsabhängige Kaliumkanäle), GABA-/γ-Aminobuttersäure-Rezeptor (metabotrop), mGluR5/metabotroper Glutamatrezeptor 5 und GlyR/Gyzin-Rezeptor (ionotrop, ligandengesteuerter Chlorid-Ionenkanal) [15] . In einer Beobachtungsstudie an 501 Patienten mit Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis bewirkte eine immunmodulierende Therapie eine Besserung bei der Hälfte der Erkrankten innerhalb der ersten vier Wochen [19] . Lediglich 12 % aller Probanden erlitten einen Rückfall innerhalb der ersten 24 Monate und nur 4 % hatten mehrere Rückfälle. Eine Reaktivierung der Erkrankung fiel in der Regel milder aus als die erste Episode der Enzephalitis. Eine verspätete Therapie sowie eine Intensivpflichtigkeit der Patienten waren mit einem schlechteren Outcome verbunden und zogen mehr Rückfälle nach sich. Somit ist, obwohl nur eine kleine Gruppe psychiatrischer Patienten von einer Autoimmunenzephalitis betroffen ist, eine rechtzeitige und korrekte Diagnose von hoher therapeutischer und prognostischer Relevanz, da eine frühe und intensive Immuntherapie oft zu einer guten Prognose trotz schwerer Erkrankung führt. Unter Berücksichtigung internationaler Expertenempfehlungen ist eine Immunsuppression durch Kortikosteroidtherapie (1 g Methyl-Prednisolon/ Tag für 5 Tage) beziehungsweise intravenöse humane Immunglobulingabe (0,4 g/kg/Tag für 5 Tage), Immunadsorption oder Plasmapherese zur schnellen Entfernung der pathogenen Autoantikörper Therapie der ersten Wahl bei Patienten mit definitiver Autoimmunenzephalitis [15] . Schlägt die Therapie fehl, sollte die Behandlung innerhalb weniger Tage erweitert werden, vorzugsweise mit Rituximab (2 × 1.000 mg i.v. oder s.c. in Abständen von zwei bis vier Wochen). Auch eine Kombination mit Cyclophosphamid (750 mg/m 2 Körperoberfläche alle vier Wochen), Mycophenolatmofetil oder Methotrexat kann erforderlich sein, um ein klinisches Ansprechen zu erreichen [15] . Zudem kann für Patienten mit Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis, die eine künstliche Beatmung auf der Intensivstation benötigten und unzureichend auf die im mun suppressiven und B-Zell-depletierende Standardmedikamente ansprechen (Kortiko steroide, IV-Immunglobuline, Plasmaaustausch, Immun adsorption, Rituximab, Cyclophosphamid), Bortezomib eine wertvolle Option für die Eskalationstherapie darstellen (1-6 Zyklen von 1,3 mg/m 2 Körperoberfläche für jeweils 21 Tage) [20] . Bortezomib ist ein Proteasominhibitor, der dazu beiträgt, Plasmazellen zu eliminieren. Neben der klinischen Verbesserung kann eine Normalisierung pathologischer cMRT-und EEG-Befunde zur Beurteilung des Therapieerfolgs herangezogen werden. Antineuronale Serum-und Liquor-Antikörpertiter sollten bei erfolgreicher Therapie abnehmen (Kontrolle nach einigen Wochen) [15] . Für die symptomatische Therapie psychotischer Symptome sollten Antipsychotika mit geringen ex trapyramidalen Nebenwirkungen bevorzugt werden, da das Risiko neuroleptikainduzierter Komplika tionen bei Autoimmunenzephalitiden er-höht ist [15] . Kurzwirksame Benzodiazepine können zur Anxiolyse und Sedierung und in höheren Dosen zur Behandlung katatoner Symptome eingesetzt werden. Beim Nachweis einer Autoimmunenzephalitis sollte ein Tumorscreening durchgeführt werden, da antineuronale Antikörper paraneoplastisch auftreten können (Ganzkörper-CT/MRT/-PET, transvaginaler Ultraschall/Ultraschalluntersuchung der Hoden). Die Weiterbehandlung der Patienten sollte multidisziplinär erfolgen und sowohl Psychiater und Neurologen als auch Immunologen und Onkologen einbeziehen, auch um potenzielle Rezidive rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Ohne Nachweis einer Infektion (aber: sekundäre Autoimmun-Enzephalitiden nach Virus-Enzephalitis möglich!). 1 Warnhinweise auf eine Autoimmunenzephalitis bei Patienten mit psychotischen Symptomen und gestufte Diag nostik [18, 43, 44] zertifizierte fortbildung Beim Nachweis von NMDA-Rezeptor-Autoantikörpern im Liquor sollte vorsorglich auch eine virologische Diagnostik durchgeführt werden. Virale Infektion als prädisponierender Faktor für eine Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis simplex-Virus 1-Infektionen ohne Enzephalitis und dem Auftreten einer Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis sind bekannt [23] . Herpes-simplex-Virus 1 teilt Epitope mit dem NMDA-Rezeptor, was zur Auslösung von Kreuzreaktivität führen kann. Dementsprechend kann die Produktion antineuronaler Autoantikörper und einer Enzephalitis als sekundäre Reaktion auf die Viruserkrankung auftreten. Vice versa sollte deshalb beim Nachweis von NMDA-Rezeptor-Autoantikörpern im Liquor vorsorglich auch eine virologische Diagnostik durchgeführt werden. Auch eine Assoziation von Influenza-A-Seropositivität mit der Bildung von NMDA-Rezeptor GluN1-Antikörpern wurde beschrieben [24] . Hier könnten Kreuzreaktionen dadurch entstehen, dass der M2-Kanal des Influenza-A-Virus und der NMDA-Rezeptor einen Liganden teilen, nämlich Amantadin [25] . Die Pandemie der "spanischen Grippe" im Jahr 1918 bis 1919 zog tatsächlich eine erhöhte Prävalenz psychischer Erkrankung nach sich. Vor allem Psychosen, katatone Symptome, unkontrollierbare Schlafanfälle und temporäre parkinsonartige Beschwerden traten auf und wurden als "Encephalitis lethargica" beschrieben [25] . Nach der Pandemie 1889 bis 1894, der sogenannten "russischen Grippe" konnten ähnliche Symptome beobachtet werden. Heutzutage gibt es allerdings Hinweise darauf, dass diese Pandemie nicht von Grippe-/Influenzaviren sondern vom humanen Coronavirus HCoV-OC43 ausgelöst wurde, das sich zu einem mittlerweile "harmlosen" Erkältungsvirus entwickelt hat (https://nzzas.nzz.ch/wissen/ coronavirus-er-hat-schon-vor-130-jahren-die-weltgelaehmt-ld.1573590?reduced=true). Neue Annahmen über die Mutationsrate ließen die Forscher darauf schließen, dass dieses Virus um 1890 vom Rind auf den Menschen gesprungen sei, weshalb der Erreger der "russischen Grippe" ein Coronavirus gewesen sein könnte [26] . Im Kontext der Pandemie 1889 bis 1894 wurden erhöhte Suizidraten beobachtet. Bei der Mehrheit der Betroffenen wurde kurz vor dem Selbstmordversuch ein "temporärer Wahnsinn" mit depressiver, psychotischer, manischer oder Zwangssymptomatik beschrieben [27] . Es wurde auch ein gehäufter Verlust des Geruchsinns beschrieben [27] , ähnlich wie heutzutage bei COVID-19. Es bleibt abzuwarten, ob sich SARS-CoV-2 ebenfalls zu einem harmlosen Erkältungsvirus entwickeln wird. Hier scheinen IL-6 und Th17-Zellen eine wichtige Rolle zu spielen [28, 29] . Die IL-6-abhängige Th17-Aktivierung und Differenzierung ist essenziell für die Migration neutrophiler Granulozyten [30] . Experimentelle Arbeiten zeigten, dass SARS-CoV-2-infizierte Gliazellen vermehrt IL-6 und TNF-α sezernieren [5, 31] . IL-6 kann die neuronale und gliale Aktivität beeinflussen und deren Zelltod induzieren, wie zum Beispiel bei einem Riechverlust oder in Axonen eine Hyperphosphorylierung von Tau-Protein induzieren und deren Degeneration auslösen. Mehrere Publikationen zum Thema SARS-CoV-2 berichten über einen starken Zusammenhang zwischen hohen IL-6-Spiegeln im Serum und einem schweren Krankheitsverlauf oder einer ZNS-Beteiligung bei COVID-19, selbst bei Abwesenheit respiratorischer Symptome (IL-6 über 80 pg/ml im Serum [30] , Referenzwerte nach Harbarth et al. zwischen 2,6 und 11,3 pg/ml im Serum [32] ). Die neu entwickelte Leitlinie "Neurologische Manifestationen bei COVID-19 -Update vom 22.2.2021" (https://dgn.org/leitlinien/neurologische-manifestationen-bei-covid-19) nennt außer IL-6 auch IL-2, IL-7, GCSF, TNF-α als Biomarker zur Abschätzung des Risikos schwerer Verläufe oder einer Enzephalopathie. Die IL-6-Erhöhung im Serum scheint mit dem Anstieg im Liquor zu korrelieren (Referenzwerte sind laborabhängig, von einer Erhöhung spricht man bei Werten über 5,9-7 pg/ml) [30] . Das Auftreten affektiver und psychotischer Symptome im Kontext COVID-19 wird durch IL-6 begünstigt, vermutlich weil es zum Beispiel die serotonerge und glutamaterge Neurotransmission im Gehirn stört [33] . Yapici-Eser et al. [6] beschrieben zudem eine mögliche Mimikry zwischen der GluN2a-Untereinheit (synonym NR2a) des NMDA-Rezeptors und viralem Nichtstrukturprotein 9 (NSP9) sowie der GluN1-Untereinheit (synonym NR1) und viralem Nichtstrukturprotein 8 (NSP8), basierend auf Vergleichsanalysen zwischen dem menschlichen Genom und der RNA-Sequenz von SARS-CoV-2. Dieses Phänomen kann zur Entwicklung von IgG-Antikörpern gegen den NMDA-Rezeptor nach einer Coronainfektion führen [34, 35, 36, 37, 38, 39] . Für interessierte Leser verweisen wir auf eine systematische Übersicht zu diesem Thema [40] . Th17-Zellen der COVID-19-Erkrankten könnten ein begünstigender Faktor sein, da deren unphysiologische Aktivierung mit dem Auft reten von Autoimmun er kran kungen in Verbindung gebracht wurde. Mikrovaskuläre Schäden könnten im Rahmen der entzündlichen Antwort auf SARS-CoV-2 ebenfalls das Auftreten einer Enzephalopathie begünstigen [5] . Entzündliche Botenstoffe können zur Endothel-Entzündung, erhöhter Gefäßpermeabilität, Ödemen sowie zu erhöhter Synthese und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren beitragen (typischer Befund: erhöhte D-Dimere-Werte bei den Patienten mit einem schweren COVID-19-Verlauf). Gerinnsel können thromboembolische Ereignisse zum Beispiel der Hirnarterien und Sinusvenenthrombosen auslösen. Die erhöhte Gefäßpermeabilität führt aber auch zu Störungen der Blut-Hirn-Schranke [5] . In Obduk tionsberichten von COVID-19-Erkrankten wurde ein deutlicher Fibrinogenaustritt aus den kleinen Hirngefäßen sowie eine (reaktive) perivas- zertifizierte fortbildung kuläre Makrophagozytose "trotz" Abwesenheit des Virus im Hirngewebe festgestellt [41] . Diese Sekundärprozesse können chronifizieren. Anhaltende Beschwerden jenseits einer Zeitspanne von vier Wochen ab Infektion werden als "Long-COVID-Syndrom" und bei Persistenz von mehr als zwölf Wochen als "Post-COVID-Syndrom" bezeichnet. Dabei werden häufig Fatigue, Luftnot und eine ein geschränkte körperliche Leistungsfähigkeit beschrieben. "Fatigue" tritt auch nach anderen Viruserkrankungen als "postvirales Müdigkeitssyndrom" beziehungsweise "postvirales Erschöpfungssyndrom" auf. Vermutlich handelt es sich um ein chronifiziertes "zytokininduziertes Krankheitsverhalten" mit Symptomen, die einer atypischen Depression ähneln können [42] . ◯ IL-6 und TNF-alpha sind als proinflammatorische Marker spezifisch für die Schizo phrenie. Mental burden and its risk and protective factors during the early phase of the SARS-CoV-2 pandemic: systematic review and meta-analyses Posttraumatic Stress Disorder in Patients After Severe COVID-19 Infection Neuropathology of patients with COVID-19 in Germany: a post-mortem case series Olfactory transmucosal SARS-CoV-2 invasion as a port of central nervous system entry in individuals with COVID-19 Elucidating the Neuropathologic Mechanisms of SARS-CoV-2 Infection Neuropsychiatric Symptoms of COVID-19 Explained by SARS-CoV-2 Proteins' Mimicry of Human Protein Interactions From inflammation to sickness and depression: when the immune system subjugates the brain Kynurenines in the mammalian brain: when physiology meets pathology A meta-analysis of blood cytokine network alterations in psychiatric patients: comparisons between schizophrenia, bipolar disorder and depression Identification of subgroups of schizophrenia patients with changes in either immune or growth factor and hormonal pathways Autoimmune diseases and severe infections as risk factors for schizophrenia: a 30-year population-based register study A nationwide study on the risk of autoimmune diseases in individuals with a personal or a family history of schizophrenia and related psychosis Autoimmune Diseases and Severe Infections as Risk Factors for Mood Disorders: A Nationwide Study Innate Immune Cells and C-Reactive Protein in Acute First-Episode Psychosis and Schizophrenia: Relationship to Psychopathology and Treatment Autoimmune encephalitis with psychosis: Warning signs, step-by-step diagnostics and treatment Losing your nerves? Maybe it's the antibodies Association of thyroid peroxidase antibodies with anti-neuronal surface antibodies in health, depression and schizophrenia -Complementary linkage with somatic symptoms of major depression Autoimmune psychosis: an international consensus on an approach to the diagnosis and management of psychosis of suspected autoimmune origin Treatment and prognostic factors for long-term outcome in patients with anti-NMDA receptor encephalitis: an observational cohort study Bortezomib for treatment of therapyrefractory anti-NMDA receptor encephalitis Clinical experience and laboratory investigations in patients with anti-NMDAR encephalitis Postviral autoimmune encephalitis: manifestations in children and adults Anti-NMDA receptor encephalitis and nonencephalitic HSV-1 infection Neuropsychiatric disease relevance of circulating anti-NMDA receptor autoantibodies depends on blood-brain barrier integrity Schizophrenia and Influenza at the Centenary of the 1918-1919 Spanish Influenza Pandemic: Mechanisms of Psychosis Risk Complete genomic sequence of human coronavirus OC43: molecular clock analysis suggests a relatively recent zoonotic coronavirus transmission event The Russian influenza in the United Kingdom TH17 responses in cytokine storm of CO-VID-19: An emerging target of JAK2 inhibitor Fedratinib Neutrophils mediate Th17 promotion in COVID-19 patients IL-6: Relevance for immunopathology of SARS-CoV-2 Taste and Smell Disorders in COVID-19 Patients: Role of Interleukin-6 Diagnostic value of procalcitonin, interleukin-6, and interleukin-8 in critically ill patients admitted with suspected sepsis Bridging the gap between the immune and glutamate hypotheses of schizophrenia and major depression: Potential role of glial NMDA receptor modulators and impaired blood-brain barrier integrity Anti-NMDA receptor encephalitis in a psychiatric Covid-19 patient: A case report Palilalia as a prominent feature of anti-NMDA receptor encephalitis in a woman with COVID-19 Anti-NMDA receptor encephalitis presenting as new onset refractory status epilepticus in COVID-19 N-Methyl-d-Aspartate Receptor Encephalitis Associated With COVID-19 Infection in a Toddler Pediatric anti-NMDA receptor encephalitis associated with COVID-19 Neurological manifestations temporally associated with SARS-CoV-2 infection in pediatric patients in Mexico Molecular mimicry of NMDA receptors may contribute to neuropsychiatric symptoms in severe COVID-19 cases Long COVID -Langzeitfolgen durch chronische Neuroinflammation? Atypical depression as a secondary symptom in chronic fatigue syndrome Autoimmune encephalitis as a differential diagnosis of schizophreniform psychosis: clinical symptomatology, pathophysiology, diagnostic approach, and therapeutic considerations Autoimmunenzephalitis mit psychotischer Symptomatik. Diagnostik, Warnhinweise und praktisches Vorgehen Potential Cross-Links of Inflammation With Schizophreniform and Affective Symptoms: A Review and Outlook on Autoimmune Encephalitis and COVID-19 Aktuelle CME-Kurse aus der Psychiatrie