key: cord-0069649-uupq0dwk authors: Fuchs, Sebastian; Sack, Detlef title: Corporatism as usual? – Staat und organisierte Wirtschaftsinteressen in der Coronakrise date: 2021-11-09 journal: Z Politikwiss DOI: 10.1007/s41358-021-00296-x sha: 654cb8a3cd3ef13c2ac17637b712ff44a416f347 doc_id: 69649 cord_uid: uupq0dwk The article explores the relationship between the state and organised business interests in Germany during the Covid-19 crisis of 2020. Two questions are addressed: Whether and how do employers’ associations, business interest associations and economic chambers articulate themselves in the context of the Covid-19 crisis? Does their interaction with the state follow the pattern of a dedicated ‘crisis corporatism’? The starting point is the concept of path-dependence and the revitalisation of established patterns of state-business-interaction in the crisis. The study focuses on the period between March 2020 and February 2021. Based on an investigation of the forms and frequencies of state-business-interactions, three phases are identified and then analysed in detailed case studies. For the early phase of the Covid-19 pandemic (March–June 2020) a) information offers and political demands of employers’ associations, business interest associations and economic chambers are examined quantitatively and b) the congruence between the groups’ demands and the political measures introduced with the economic stimulus package is investigated. For the second phase (July–September 2020) a case study of the branch-specific ‘automotive corporatism’ during the crisis is presented. Finally, the analysis focuses on the growing distance between business’ demands and government in the third phase (October 2020–February 2021). As a result, the article observes a ‘corporatism without combustion engine’, which is characterised and maintained by resource dependencies, network ties and a crisis-corporatist exchange between government and organised business interests. Wirtschaftsverbände und Wirtschaftskammern in Deutschland und deren Leistungsfähigkeit bei (Schroeder und Weßels 2017) . Wir schließen an Überlegungen zum Krisenkorporatismus (Urban 2012; Rehder 2021) an, über die wir empirisch wie auch theoretisch hinausgehen. Der Artikel nimmt den Zeitraum zwischen März 2020 und Februar 2021 in den Blick. Wir gehen wie folgt vor: Die Diskussion des Forschungsstandes mündet in die Formulierung der Untersuchungshypothesen. Es folgt die Darstellung und Erläuterung der Interaktionen zwischen Staat und Wirtschaft auf Grundlage der Chronologie dokumentierter Treffen organisierter Wirtschaftsinteressen und der Bundesregierung. Hier können drei Phasen unterschieden werden, denen sodann eingehende Fallstudien gewidmet werden: Zwischen März und Juni 2020 (Verabschiedung des Konjunkturpakets) gab es eine intensive wirtschaftspolitische Aktivität, die auch durch die Interessenartikulation der Wirtschaftsverbände und -kammern geprägt wurde. Hier gehen wir auf die Informationsangebote und Forderungskataloge von 136 Verbänden und Kammern in der Frühphase der Coronapandemie ein. Als Schlüsselereignis und zugleich Abschluss dieser ,Schockphase' der Pandemie untersuchen wir die Kongruenz verbandlicher Positionen und der politischen Maßnahmen des Konjunkturpakets. Die relative Beruhigung der Coronalage mündete seit Juli 2020 in eine Phase, in der im Rahmen bestehender korporatistischer Formate über strukturelle Probleme und staatliche Fördermaßnahmen beraten wurde. Für diese Phase nehmen wir insbesondere die Automobilindustrie und die Ausformung des branchenspezifischen "Automobilkorporatismus" (Rehder und van Elten 2019; Rehder 2021) in der Coronakrise in den Blick. Diese Phase überlappt sich teilweise mit der Krisenverschärfung ab Oktober 2020, den unterschiedlichen Unternehmenshilfen und der zunehmenden Kritik an diesen. Wir zeichnen hier zunächst nach, wie sich das Staat-Verbände-Verhältnis im Oktober, November und Dezember 2020 deutlich verändert. Sodann gehen wir auf den Wirtschaftsgipfel vom 16.02.2021 als weiteres Schlüsselereignis ein, mit dem ,die' Wirtschaftsverbände die Corona-Krisenpolitik der Bundesregierung (zwischenzeitlich) bilanzierten. Wir untersuchen für diese Phase insbesondere die Veränderung der Interaktion zwischen Verbänden und Politik. Im Ergebnis identifizieren wir einen ,Korporatismus ohne Verbrennungsmotor' , der durch wechselseitige Ressourcenabhängigkeit und Vernetzungen geprägt und erhalten wird. Die Darstellung der Chronologie basiert auf der Auswertung einschlägiger Bundestagsdrucksachen und von Medienberichten. Den Erkenntnissen zu den Informationsangeboten und Forderungskatalogen der deutschen Arbeitgeberverbände, Wirtschaftsverbände und -kammern liegt eine quantitative Analyse der entsprechenden Websites zugrunde . Die Untersuchung der Verbandspositionen und Interaktionsmuster in den drei Phasen basiert auf der qualitativen Analyse der manifesten Inhalte (Miles et al. 2014) von Verbandsstellungnahmen (n = 98), validiert durch die Auswertung von Medienberichterstattung. 1 Ein erster Strang der Forschung zu organisierten Wirtschaftsinteressen in Deutschland hat sich, neben Übersichtswerken (Sebaldt und Straßner 2004; Schroeder und Weßels 2017) , in den vergangenen Jahren auf organisationsbezogene Fragestellungen fokussiert. Im Mittelpunkt stehen ihre Organisierbarkeit (Behrens (2011) für Arbeitgeberverbände), ihr Organisationserhalt und Wandel im Kontext sich verändernder Umwelten für Industrie-und Handelskammern; Grote et al. (2008) und Kohler-Koch et al. (2021) für Industrieverbände), ihre Konkurrenzbeziehungen (Vorholt 2019) oder die Veränderung der Zahl von Verbänden im Zeitverlauf (Klüver und Zeidler 2019) . In weiteren Arbeiten geht es um interne Organisationsdynamiken und die Legitimität aus Sicht der Mitgliedsunternehmen und van Elten 2018 . Die organisierten Interessen der deutschen Wirtschaft werden auch entlang ihrer spezifischen Funktionen differenziert. Für die Arbeitgeberverbände geht es dabei wesentlich um die Tarifpolitik (Silvia und Schroeder 2007; Behrens 2017; Haipeter 2016 Haipeter , 2017 Silvia 2017) . Hierbei steht die in der deutschen Wirtschaftsverbandsforschung etablierte Unterscheidung dreier Typen organisierter Wirtschaftsinteressen -Arbeitgeberverbände, Wirtschaftsverbände und Wirtschaftskammern (Grote et al. 2007; Schroeder und Weßels 2017; Kohler-Koch et al. 2021 ) -jedoch zunehmend in Frage. So erodierte die Distinktion von Arbeitgeberverbands-und Wirtschaftsverbandsfunktionen durch einen generellen Rückgang der Tarifbindung, staatliche Interventionen in die Lohnpolitik aber auch produktmarktbezogene Regulierungen (Ellguth und Kohaut 2020; Lesch 2017) . Die Wirtschaftskammern unterlagen in den letzten 15 Jahren einem institutionellen Wandel, der mit der verwaltungsrechtlichen Einhegung ihrer Interessenartikulation einherging Kluth 2021 Es geht bei der Einbeziehung der organisierten Interessen der Wirtschaft jedoch nicht nur um die Einflusslogik (Schmitter und Streeck 1999) und das Lobbying (Baumgartner et al. 2009; Klüver 2012; Dür et al. 2019) , sondern auch um die "participation in public policy" (Traxler 2010, S. 163 (Lehmbruch 1978 (Lehmbruch , 1983 (Rehder 2021, S. 217) . Die Einbindung von Verbänden eröffne dem Staat ein wesentliches "Politikinstrumentarium" (Rehder 2021, S. 217 ) für die Bewältigung (ökonomischer) Krisen. Mit Blick auf die Interessenintermediaton zeige sich, dass "unter wirtschaftlichen Krisenbedingungen die korporatistische Tradition [..] immer wieder revitalisiert wird" (Rehder 2021, S. 217) . Wir knüpfen hier an diesen Begriff des ,Krisenkorporatismus' im Sinne Rehders an. Unser Interesse richtet sich damit auf einen Ausschnitt korporatistischer Interessenintermediation, nämlich die Interaktion organisierter Wirtschaftsinteressen auf der einen und der deutschen Bundesregierung auf der anderen Seite in einer zeitlich begrenzten Krisensituation (Coronakrise 2020/21). 3 Wir stehen weder an, Korporatismus in seiner ganzen Bandbreite zu vermessen, noch können wir hier einen zeitlichen Vergleich leisten. Der Beitrag fokussiert auf eine krisenspezifische Ausprägung des Korporatismus, der sich von der regelmäßigen korporatistischen Konzertierung unterscheiden kann; dessen genaue Ausformung jedoch empirisch zu bestimmen ist. Gemeinsam mit der policy-analytischen Frage, ob und wie organisierte Wirtschaftsinteressen auf die Krisenpolitik einwirken, werden also die Muster der Einbeziehung organisierter Wirtschaftsinteressen in der spezifischen Situation der Coronakrise untersucht. Auf Grundlage der vorangegangenen theoretischen Überlegungen können zwei untersuchungsleitende Hypothesen abgeleitet werden. Die erste Hypothese greift die Überlegungen zum Krisenkorporatismus (Rehder 2021) auf und pointiert diese wie folgt: Aufgrund des Zeit-und des Problemdrucks wird in der Krise korporatistische Handlungskoordination konfliktvermeidend und effizienzorientiert pfadabhängig "revitalisiert". (H1) Im Anschluss an diese Überlegungen, aber auch die Hinweise zur erwarteten Problemlösungsfähigkeit von Verbänden bei korporatistischer Handlungskoordination lässt sich eine zweite Hypothese formulieren: Aufgrund der gesellschaftlichen Problemlösungsfähigkeit ressourcenstarker Verbände werden diese von der Regierung aktiviert und in die Definition und Umsetzung der Krisenstrategie einbezogen. (H2) Vor dem Hintergrund ihrer (einstmals?) starken Stellung gilt ein besonderer Fokus in der Debatte um den Krisenkorporatismus der Automobilindustrie. Rehder (2021) diagnostiziert hier längerfristige mit der Dieselgate-Affäre verbundene "Legitimitätsverluste" und eine Erosion des "Automobilkorporatismus" (S. 217). Hieran anschließend interessiert uns, ob während der Krise tatsächlich eine ,geschwächte' Rolle der Automobilindustrie zu identifizieren war. Dies ist eine Überprüfung für die konkrete Situation. Eine grundlegende Analyse der Veränderungen des "Automobilkorporatismus" bedarf längerer Zeiträume. Gleichwohl ist die Beobachtung der Staat-Verbände-Beziehungen in diesem Sektor ein wichtiger Baustein, um Kontinuitäten, Anpassungen und Veränderungen zu erfassen. Festzuhalten bleibt, dass es bislang an einer eingehenden empirischen Überprüfung der dargestellten Überlegungen zum aktuellen Krisenkorporatismus fehlt. Hier liegt dann auch der Mehrwert der Studie. Um die Frage nach dem "Krisenkorporatismus" bzw. dessen Plausibilität in den Blick zu nehmen, haben wir zunächst Frequenz und Formen der nachvollziehbaren Interaktion zwischen Staat und (assoziierter) Wirtschaft (vgl. Rehder 2021, S. 216-217) zwischen März 2020 und Februar 2021 4 ausgewertet. Wir fokussieren auf die Interaktion von Arbeitgeberverbänden, Wirtschaftsverbänden und Wirtschaftskammern (Handwerkskammern, Industrie-und Handelskammern) mit der Bundesregierung. Auf die Interaktion mit dem Parlament oder auf die EU-und Bundesländerebene konnten wir in den folgenden Untersuchungsschritten ebenso wenig eingehen wie auf die Rolle der Gewerkschaften in der Krise (s. oben). Die Erhebung basiert auf der Recherche auf den Websites der Bundesministerien und der Auswertung einschlägiger Bundestagsdrucksachen (Onlinematerial 1). Wir kommen zu zwei Ergebnissen: Zum einen lassen sich unterschiedliche Typen von Kooperationsformaten identifizieren. Zum anderen zeigt sich eine Periodisierung der Staat-Verbände-Interaktion im ersten Jahr der Coronapandemie. Mit Blick auf die Interaktionsformate müssen a) solche Treffen und Foren, die der (ad-hoc) Bearbeitung akuter Krisenfolgen dienen, von b) etablierten (korporatistischen) Formaten der Interessenkonzertierung unterschieden werden, die bereits vor der Krise eingerichtet wurden (z. B. Allianz für Aus-und Weiterbildung). Letztgenannte sind inhaltlich vor allem auf Fragen der Branchenentwicklung (z. B. Digitalisierung, Verkehrswende) in mittel-bis langfristiger Perspektive ausgerichtet. Im Kontext der Coronakrise werden damit jedoch selbstverständlich immer auch Maßnahmen zur Krisenfolgenbewältigung thematisiert. Es geht uns hier also um den Fokus der Gespräche und nicht um eine exklusive Zuordnung. Die Periodisierung der Staat-Verbände-Interaktion ist mit der wirtschaftspolitischen Aktivität der Bundesregierung kongruent ). Diese orientiert sich wesentlich an der Entwicklung des Infektionsgeschehens, da die restriktiven, die ökonomische Aktivität beschränkenden Maßnahmen der Bundesregierung sich am Hygieneschutz ausrichteten. Die erste Phase (März-Juni 2020) ist von der engen und regelmäßigen Abstimmung der Wirtschaftsverbände mit der Bundesregie-rung geprägt. Inhaltlich war die Interaktion von der unmittelbaren Bewältigung der Coronakrise bestimmt. Es dominierten Treffen, die eigens zur Bewältigung krisenspezifischer Fragen der Wirtschaftspolitik eingerichtet wurden. Hierzu zählen insbesondere die ,Verbänderunden' im Bundeskanzleramt. Die Kooperation folgte einem klaren Muster: Einbezogen wurden Verbände, die einem ,korporatistischen Ideal' der Interessenvertretung entsprechen, also große Branchen-und Spitzenverbände (z. B. BDA, BDI, DIHK, HDE) 5 mit einer hohen Repräsentationsstärke und ,Verpflichtungsfähigkeit', die zugleich für die Krisenbekämpfung relevante Wirtschaftsbereiche repräsentieren. Formate staatlich-verbandlicher Koordinierung, die bereits vor dem Beginn der Coronakrise eingerichtet wurden, wurden nur am Rande zur Krisenbewältigung reaktiviert. Dies gilt in dieser ersten Phase v. a. für die mittelstandspolitische Interessenkonzertierung; so wurden die entsprechenden Verbände über das ,Netzwerk Mittelstand' des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWE) zweimal nachweislich eingebunden. 6 Die etablierten Formate wurden aber dann vor allem mit Beginn der zweiten Phase (Juli-Oktober 2020) wichtiger. Nicht zuletzt aufgrund des deutlichen Rückgangs der Infektionszahlen dominierten sie über die Sommermonate und im Frühherbst, während die Zahl solcher Gespräche, Treffen und ,Gipfel' deutlich nachließ, die sich mit akuter Krisenbewältigung befassten. Nur der Handelsverband Deutschland (HDE) kam mit dem BMWE zu einem dezidiert Corona-bezogenen ,Austausch' zusammen. Im Oktober fand (nach langer Pause) ein weiterer ,Verbändegipfel' in größerer Runde statt. Zu den dann quantitativ überwiegenden erprobten korporatistischen Formaten zählen insbesondere die von hoher medialer Aufmerksamkeit begleiteten Treffen der Bundesregierung mit der Automobilindustrie im Rahmen der etablierten ,Konzertierten Aktion Mobilität' (Deutscher Bundestag, BT-Drs. 19/11025). Dies gilt auch für den ,Runden Tisch Luftfahrtindustrie' und den ,Nutzfahrzeuggipfel', die zwar auch im Zeichen der Coronapandemie standen, jedoch insbesondere Fragen der branchenspezifischen Entwicklung thematisierten. Die dritte Phase der Staat-Verbände-Interaktion (November 2020-Februar 2021) begann mit dem abermaligen Lockdown im Herbst 2020 infolge der erneuten Infektionswelle. Diese Phase ist durch eine auffällige Inaktivität 7 gekennzeichnet: Weder fanden hier nennenswerte ad-hoc-Krisentreffen statt, noch wurde eine große Zahl etablierter Formate einberufen. Lediglich zwei ,Verbändegespräche' im Oktober 2020 und Februar 2021 sowie obligatorische Antrittsbesuche neuer Verbandspräsidenten im BMWE (Wolf, Gesamtmetall und Dulger, BDA) sind hier zu verzeichnen. Kennzeichnend für diese Phase sind die relative Begrenzung der Restriktionen auf die ,kundennahen' Bereiche des Handels, der Gastronomie und des Tourismus sowie die Einführung und Fortsetzung distributiver Maßnahmen der Bundesregierung ("Überbrückungshilfen"). Zusammenfassend lässt sich erstens mit Blick auf die Formen und Teilnehmer der Staat-Verbände-Interaktion in allen drei Phasen ein ausgeprägter Krisenkorporatismus identifizieren. Mit Blick auf die Einbeziehung repräsentations-und ressourcenstarker Verbände knüpft er an etablierte korporatistische Praktiken an, ist jedoch auch spezifisch. So ist die Zahl der einbezogenen Verbände kontinuierlich höher als in ,klassischen' korporatistischen Formaten. Überdies erfolgt die Interaktion öffentlich durchaus sicht-und nachvollziehbar. Beides kann als eine spezifische Reaktion auf die Coronakrise verstanden werden. Denn diese zeichnet sich, auch im Vergleich mit vorherigen Krisensituationen (z. B. Finanzkrise 2008/09), sowohl durch eine umfassende Betroffenheit und ein damit einhergehendes Interesse von Gesellschaft wie Wirtschaft als auch durch eine Vielzahl bereichsspezifischer Problemstellungen (z. B. Betriebsschließungen in Handel und Gastronomie vs. Beeinträchtigung von Lieferketten in der Industrie) aus. Schließlich zeigt sich zweitens, dass die Frequenz der Interaktion in den drei Phasen deutlich variiert (Abb. 1). Diese ,Bestandsaufnahme' der Interaktionsmuster stellt die Hintergrundfolie für die nachfolgende Analyse der Staat-Verbände-Beziehungen in den drei Phasen dar. In der Frühphase der Coronakrise unterschieden sich 136 deutsche Arbeitgeberverbände, Wirtschaftsverbände und Kammern 8 anhand der Online-Angebote und politischen Statements deutlich in ihrem Aktivitätsniveau: Während sich 38 Verbände und Kammern ausgesprochen passiv verhielten, d. h. höchstens eine Information vorgehalten bzw. politische Forderung gestellt haben, waren 62 Verbände und Kammern mit mehr als fünf Informationen und/oder politischen Forderungen präsent. Dabei fällt auf, dass die Wirtschaftskammern vergleichsweise stark präsent waren, wenn es um Dienstleistungsangebote und Informationen für ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit ging. Dies liegt an ihrer institutionellen Funktion und relativen Ressourcenstärke . Ebenfalls erwartungsgemäß orientierten sich die politischen Forderungen mehrheitlich an der Frage nach finanziellen Unterstützungen für Unternehmen. Im Bereich der Informationen waren quantitativ branchenspezifische Informationen über die Virusprobleme, arbeitsrechtliche/-organisatorische Belange und die Betriebsorganisation bestimmende Themen. Die Forderungen nach der finanziellen Unterstützung von Unternehmen stechen quantitativ besonders hervor. Nachrangig sind in dieser ersten Phase der Pandemie Forderungen nach Änderungen bei den Arbeitsbeziehungen (Kurzarbeit, Sozialversicherungsbeiträge oder Mindestlohn) und nach der Aufhebung des Lockdowns. Forderungen nach steuerrechtlichen Erleichterungen und der raschen Umsetzung der staatlichen Finanzhilfen für Unternehmen wurden in diesem Zeitraum von mehr als 35 Wirtschaftsverbänden und -kammern artikuliert. Mit Blick auf die Maßnahmen der deutschen Bundesregierung gibt es hier eine hohe Kongruenz bei den kurzfristig angelegten Policy-Maßnahmen. Die faktische Aussetzung des Insolvenzrechts und die staatliche Beteiligung an Unternehmen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds spielten keine besondere Rolle. Es deutete sich aber bereits an, dass die konkrete Umsetzung der Policies von den Verbänden thematisiert wird . Für die ,Schockphase' ab März 2020 funktioniert der Krisenkorporatismus also in großen Teilen in Form eines unmittelbaren Informations-und Serviceangebots für die Mitglieder und von Forderungen, um die aktuelle Überlebensfähigkeit der Unternehmen (und damit Arbeitsplätze) zu sichern. Diese korrespondieren mit der Bereitschaft der Regierung, distributive Policies mit einem hohen Finanzmitteleinsatz als Krisenstrategie zu verfolgen. Es ist insoweit eine wechselseitige Ressourcenabhängigkeit sichtbar, als die Wirtschaftsverbände und -kammern seitens der Politik für die Bereitstellung von Informationen und Dienstleistungen genutzt werden, die insgesamt der Implementation der Infektionsschutzmaßnahmen 9 dienen. Wissen 8 Zur Anlage und Methode der Auswertung der Verbandsaktivitäten siehe Fuchs et al. (2021) . 9 Als Beitrag der Wirtschaftsverbände und -kammern zur Implementation der Infektionsschutzmaßnahmen können u. a. die Beratung und ,Verpflichtung' der Mitglieder auf die Umsetzung von Hygienekonzepten (v. a. Handel und Dienstleistungen), die Umsetzung des Infektionsschutzes in Betrieben (inkl. der Ermöglichung von Homeoffice) oder die Beratung bei und die Koordinierung von Produktionsumstellungen (Masken, Desinfektionsmittel) verstanden werden. K und (implementationsrelevante) Leistungen der Verbände können in dieser (informierten) Weise regierungsseitig nicht unmittelbar zur Verfügung gestellt werden. Sie werden mit distributiven, krisenentschärfenden Maßnahmen für Unternehmen entgolten. Es handelt sich insofern um einen ,krisenkorporatistischen' Tausch (vgl. Lehmbruch 1978 Lehmbruch , 1983 Abseits der grundsätzlich zustimmenden Positionen waren es nur Verbände der Tourismuswirtschaft, die vor dem Hintergrund der hohen Betroffenheit der Branche umfassend Kritik übten (BTW u. a., 04.06.2020). Diese machte sich vor allem am Fehlen einer für die Branche essentiellen Regelung zu Kundengeldrückerstattungen und andauernden Betriebsverboten fest. In diesem Fall fehlte anscheinend eine entsprechende ,Vergütung' für die Kooperation und Implementationshilfe (Umsetzung des Infektionsschutzes, Arbeitsplatzerhalt) der Verbände; der krisenkorporatistische Tausch funktioniert in diesen Fällen nicht. Die zweite Phase der Staat-Verbände-Interaktion ist durch branchenspezifische Interessenkonzertierung und Handlungskoordination in etablierten korporatistischen Formaten geprägt. Wir fokussieren hier auf den Einzelfall der Automobilindustrie. Denn diese stand mit eigenen ,Autogipfeln', sowohl in der Frühphase der Pandemie als auch im weiteren Verlauf des Jahres 2020, im besonderen Fokus. Vor dem Hintergrund der Diskussion über eine schleichende Erosion und Legitimitätsverluste des "Automobilkorporatismus" (Rehder und (VDA u. a., 08.07.2020; VDA, 21.09.2020 VDA, 21.09. , 23.10.2020 VDA, 21.09. , 28.10.2020 VDA, 21.09. , 13.11.2020 dezidiert strukturpolitische Komponente; nämlich die Erwartung der Regierung, dass die Automobilhersteller ihre Produkte mittelfristig im Sinne klimapolitischer Vorgaben erneuern (während die Regierung die Ladeinfrastruktur fördert und bereitstellt). Obwohl unsere Befunde also insgesamt auf die Persistenz des Automobilkorporatismus hinweisen, zeigt sich auch eine graduelle Veränderung in der Coronakrise; nämlich im Sinne eines grün gefärbten ,Korporatismus ohne Verbrennungsmotor' ). Die Übereinstimmung von Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden ließ mit Beginn der Diskussionen um einen erneuten (Teil-)Lockdown ab Oktober 2020 deutlich nach. Dies gilt zugleich für die korporatistische Handlungskoordination: Die Verbände waren ganz offenkundig nicht mehr derart eng in die Krisenbewältigung eingebunden wie in der Frühphase der Pandemie. An die Stelle ,korporatistischen' Kompromisses und Tauschs trat die exekutive Entscheidung zu restriktiven Infektionsschutzmaßnahmen in Bund-Länder-Konferenzen, die (aus Sicht der Verbände) nur teils kompensiert wurden (Überbrückungshilfen) und welche die Verbände wiederum öffentlich kritisierten. Die Positionen der Verbände unterschieden sich im Vorfeld des ersten (Teil-)Lockdowns 17 nur graduell. So wurde gefordert, einen "erneuten Shutdown [zu] vermeiden" (Börner, Präs. BGA in FAZ.net 2020e) oder vor der Gefahr "immer neuer unbegründeter Verbote" (Zöllick, Präs. DEHOGA, 27.10.2020) gewarnt. Sichtbar wird, dass zwar einerseits die unmittelbar betroffenen Branchen deutlich offensiver auftraten (Einzelhandel, Tourismus, Gastronomie), andererseits aber innerhalb der Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Auswertung von Verbandsstellungnahmen (Onlinematerial 1) a Es werden nur Verbände aufgeführt, die in diesem Zeitraum einschlägige Stellungnahmen und Positionen veröffentlichten b Der bevh organisiert auch ,Multichannel'-Händler, die von Geschäftsschließungen betroffen waren Wirtschaft das Verständnis davon vorherrschte, dass alle Bereiche eng miteinander verzahnt sind, wie etwa Vertreter der Industrie argumentierten, z. B. der VDMA (FAZ.net 2020c). Bereits im Vorfeld wurde zudem der Ruf nach Kompensationen und Hilfsgeldern im Falle erneuter Geschäftsschließungen laut (F.A.Z. 2020a). Nach Beschluss über einen (Teil-)Lockdown und dessen Inkrafttreten im November 2020 zeigten sich dann deutlichere Unterschiede zwischen Branchen und Wirtschaftsbereichen, die sich vor allem aber nicht nur an der unmittelbaren Betroffenheit von den Infektionsschutzmaßnahmen ausdifferenzieren. Hinsichtlich der Inhalte der öffentlichen Forderungen lassen sich drei Gruppen von Verbänden im Kontinuum von Zustimmung bis fundamentale Ablehnung identifizieren (Tab. 3). So wurden die Maßnahmen entweder grundsätzlich als verhältnismäßig akzeptiert, nach außen ,resigniert' hingenommen oder es wurde grundsätzlich das bis dahin unter den Verbänden (öffentlich) weitgehend akzeptierte Primat des Infektionsschutzes infrage gestellt. Hinter diesen inhaltlichen Ausprägungen lassen sich auch dezidierte Lobbying-Strategien einzelner Verbände erkennen. Nur wenige Verbände bewerteten die Infektionsschutzmaßnahmen im November und Dezember 2020 trotz ihrer Kritik als grundlegend positiv, vollumfänglich notwendig und verhältnismäßig. So betonte u. a. der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) die Notwendigkeit des Infektionsschutzes, auch für die Funktionsfähigkeit der (Handwerks-)Betriebe: "Persönlicher Gesundheitsschutz ist insofern immer auch Betriebe-Schutz" (Wollseifer, Präs. ZDH, 25.11.2020). Dies galt auch für den VDMA, der die Maßnahmen als "richtig und notwendig, um die Ansteckungswelle zu brechen" bezeichnete (Haeusgen, Präs. VDMA, 29.10.2020). Auffällig ist, dass es sich um Vertreter solcher Wirtschaftsbereiche handelt, die nicht unmittelbar von Schließungen und Einschränkungen (in größerem Umfang) betroffen waren. Allerdings war auch unter diesen Verbänden die Haltung zu den politischen Beschlüssen kritisch, z. B. mit Blick auf fehlende Planungsperspektiven oder den Umfang von Hilfsmaßnahmen. So forderte z. B. der BDI trotz Befürwortung der Maßnahmen "das Risiko von Jo-Jo-Shutdowns für Wirtschaft und Gesellschaft zu reduzieren" (Kempf, Präs. BDI in FAZ.net 2020e). Die Bewertung der Maßnahmen fiel durch Vertreter stark betroffener Branchen wie dem Einzelhandel oder der Gastronomie erwartungsgemäß deutlich kritischer aus, wenn auch die Notwendigkeit von tiefgreifenden Maßnahmen nicht infrage gestellt wurde. Insgesamt schien es im Sinne einer Lobbying-Strategie das Ziel zu sein, ,Schlimmeres zu verhindern', während die Beschlüsse nach außen ,resignierend' zur Kenntnis genommen wurden. So rückten Forderungen nach umfassenden und schnellen Hilfsmaßnahmen oder technische Aspekte in den Mittelpunkt der Verbandspositionen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) konzentrierte sich z. B. auf Detailforderungen wie nach einer Vergrößerung der zulässigen Kundenzahl/ Verkaufsfläche oder der genauen Umsetzung der ,November-und Dezemberhilfen' (HDE, 28.10.2020a (HDE, 28.10. /b, 05.11.2020 (HDE, 28.10. , 26.11.2020 . Besonders eindrücklich ist die ,Resignations'-Strategie jedoch im Fall des Deutschen Hotel-und Gaststättenverbands (DEHOGA) nachzuvollziehen. Dieser war in der unmittelbaren Reaktion auf den erneuten Lockdown dezidiert kritisch und stellte Verhältnismäßigkeit wie Sinnhaftigkeit der Maßnahmen infrage; auch unter Androhung von Klagen (Hartges, Hauptgf. DEHOGA in F.A.Z. 2020a; FAZ.net 2020d) . Nach dieser anfänglichen und öffentlichkeitswirksamen ,Entrüstung' fokussierte der Verband jedoch -analog zum HDE -in deutlich konzilianterem Ton auf die schnelle Umsetzung von Hilfsmaßnahmen (F.A.Z. 2020b), "um das Vertrauen von Unternehmern in das gesprochene Wort der Politik" (Zöllick, Präs. DEHOGA, 03.11.2020) zu erhalten. Insgesamt wurden im November und Dezember durch den DEHOGA nur noch (scheinbare) Rückzugsgefechte geführt und Detailfragen adressiert, als z. B. längere Öffnungsphasen für Hotels, statt kurzer Öffnungen über die Weihnachtsfeiertage gefordert wurden (F.A.Z. 2020c). Hierbei beinhaltete die offensive Reaktion eine Botschaft an die eigenen Mitglieder, während der Verband in Zurückhaltung und Resignation zugleich anschlussfähig für die weitere Interessenabstimmung mit der Bundesregierung blieb -und sich als ,zuverlässiger Partner' eben nicht in die Fundamentalopposition gegen die Maßnahmen begab. 18 Eine dritte Gruppe von Wirtschaftsverbänden trat deutlich offensiver und teils polemisch gegen die Maßnahmen an. Hier überwog die grundsätzliche Infragestellung des bisherigen Konsenses (Primat des Infektionsschutzes) und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Als Vertreter einer stark betroffenen Branche wird dies für den Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) deutlich, der die Branche auf dem Weg zum "dauerhaften willkürlichen Spielball der Coronapolitik" (Rabe, Generalsekr. BTW, 25.11.2020) sah. Es wurde sodann eine neue Abwägung, nämlich jene der "Balance zwischen gesundheitlicher Prävention und volkswirtschaftlicher Prosperität" (Rabe, BTW, 29.10.2020), vorgenommen und die "Sinnhaftigkeit [der Maßnahmen] bei der Bekämpfung der Virusverbreitung" hinterfragt (Rabe, BTW, 29.10.2020). Kritisiert wurde zudem -und dies unterstreicht den Befund fehlender Abstimmung von Wirtschaftsverbänden und Politik -die mangelnde Einbindung der Wirtschaft in die Planung der Maßnahmen (BTW, 25.11.2020). Noch deutlicher wird die ablehnende Haltung im Fall des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW). Dieser war bereits seit August 2020 offensiv gegen die Regierungspolitik angetreten, u. a. mit einem ,Brandbrief' an die Politik, in dem vor dem "Schreckgespenst eines zweiten Lockdown[s]" als "Todesstoß" für viele mittelständische Unternehmen gewarnt, Massenarbeitslosigkeit prognostiziert und "überzogener Infektionsschutz" kritisiert wurde (BVMW, 25.08.2020) . Im Mittelpunkt standen dann ab Herbst Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und deren politischer ("am Bundestag vorbei") wie rechtlicher ("[fraglich ob] im Einklang mit unserer Verfassung") Legitimation (Ohoven, Präs. BVMW, 29.10.2020). Insgesamt kann für Oktober bis Dezember 2020 eine zunehmende Distanz zwischen Wirtschaftsverbänden und Bundesregierung konstatiert werden. Diese lässt sich an der Verlagerung der Auseinandersetzung in die Medien, strategischem Lobbying und der inhaltlichen Distanzierung des Gros der Wirtschaftsverbände festmachen. Dem prägenden krisenkorporatistischen Tausch -Einbeziehung und Be-18 Diese Strategie lässt sich bereits in der ersten Phase beobachten. Hier bewertet der DEHOGA gemeinsam mit anderen Tourismusverbänden (BTW u. a., 04.06.2020, s. oben) Zwei Fragen standen im Mittelpunkt unseres Beitrags: Ob und wie artikulieren sich organisierte Wirtschaftsinteressen in der Coronakrise? Nimmt die Interaktion zwischen Regierung und Wirtschaftsverbänden den Charakter eines "Krisenkorporatismus" (Rehder 2021 ) an? Wir haben sowohl die Einbindung deutscher Arbeitgeberverbände, Wirtschaftsverbände und -kammern in die Aushandlung der (ökonomischen) Krisenbewältigungsstrategien als auch ihren Beitrag zur Umsetzung der Wirtschaftspolitik im Sinne korporatistischer Handlungskoordination untersucht. Unsere eingehende empirische Validierung bestätigt erste Beobachtungen zum "Krisenkorporatismus" (Rehder 2021) im von uns fokussierten ersten Jahr der Coronakrise (März 2020-Februar 2021). Der ,Krisenkorporatismus 2020/21' schließt an (bereits zuvor in Veränderung befindlichen) Traditionen korporatistischer Praktiken an. Es zeigt sich also -und wir beziehen uns hier auf den Ausschnitt der benannten Krisensituation -ein hohes Maß an Kontinuität, Stabilität und Pfadabhängigkeit (Pierson 2004 K gesellschaftliche Problemstellung einerseits und der inhaltlich spezifischen sowie in ihrem Ausmaß differenten Betroffenheit einzelner Wirtschaftsbereiche andererseits. Allerdings ist der Krisenkorporatismus in 2020/21 durch ausgeprägte Konjunkturen gekennzeichnet: Es ist vor allem die erste Phase der akuten Krisenbewältigung, in der organisierte Wirtschaftsinteressen eng in die wirtschaftspolitische Bewältigung der Krise eingebunden sind. Ihre Aktivierung als Ressource -sei es durch die umfassende Information der Mitgliedsunternehmen oder die Bereitstellung von Dienstleistungen zur Bewältigung der Krise -wird gegen die Berücksichtigung ihrer Vorschläge bei der Ausgestaltung wirtschaftspolitischer Maßnahmen ,getauscht'. Im weiteren Verlauf, insbesondere im Herbst 2020, zeigt sich jedoch, dass die Kooperationsbereitschaft organisierter Interessen -ganz im Sinne der korporatistischen ,Tauschlogik' (Lehmbruch 1978 (Lehmbruch , 1983 ) -immer auch von ihrer kontinuierlichen Einbindung und der Berücksichtigung ihrer Forderungen abhängt; letzten Endes sind Wirtschaftsverbände wie -kammern Interessenvertreterinnen und Repräsentantinnen der (sie finanzierenden und unterstützenden) Mitgliedsunternehmen. Auffällig ist hier, dass es im Kontinuum von Unterstützung bis Ablehnung der politischen Maßnahmen eine nennenswerte Zahl von Verbänden gibt, die sich ,resignierend' nur noch technischen Details und Kompensationsfragen widmen, ohne substantielle eigene Vorschläge einzubringen. Wir sehen hierin eine dezidierte Strategie, um abseits der öffentlichen Diskussion -und damit für uns hier nicht einsehbar -weiterhin einbezogen zu werden. Dies ändert sich Anfang 2021 mit Vorschlägen für konkrete ,Öffnungsstrategien'. Hier deutet der Versuch von Politik wie von Verbänden, eine Revitalisierung enger Abstimmung und der Einbindung der Wirtschaftsverbände zu erreichen, wiederum auf die Persistenz korporatistischer Praktiken hin. Wir kommen daher zu dem Ergebnis, dass die Zwischenphase der merklichen Distanzierung der organisierten Interessen von der Politik der Bundesregierung keiner grundlegenden Abkehr vom Krisenkorporatismus geschuldet ist. Zeichen der graduellen Veränderung zeigen sich damit nur am Rande. Veränderungen finden sich, wie am Beispiel der Automobilindustrie aufgezeigt wurde, vor allem auf inhaltlicher Ebene und in der Frage, wie Ergebnisse korporatistischer Politikverhandlung öffentlich kommuniziert werden. Es geht hier keineswegs um einen fundamentalen Wandel korporatistischer Praktiken, sondern um leichte Anpassungen -im Fall der Automobilindustrie sprechen wir von einem ,Korporatismus ohne Verbrennungsmotor' ) Beobachtungen in der fachwissenschaftlichen Debatte (von Winter und Willems 2007; Rehder und van Elten 2019), dass es anhaltende und tiefgreifende Veränderungen des Korporatismus insgesamt gibt, lassen sich für das Krisenjahr 2020/21 nicht bestätigen. Anders ausgedrückt: Krise revitalisiert Korporatismus. Als reproduktive Mechanismen der pfadabhängigen Interaktionsmuster (Pierson 2004 ) lassen sich einerseits der Ressourcentausch zwischen Wirtschaftsverbänden und Regierung und anderseits die bestehenden formellen Netzwerke identifizieren. Unsere Ergebnisse können somit als Ausgangspunkt einer weiterführenden fachwissenschaftlichen Debatte dienen. Dahingehend steht die Interessengruppenforschung, sowohl mit dem Blick nach vorne als auch zurück in die Geschichte der unterschiedlichen "Konjunkturen des Korporatismus" (Czada 1994) , vor der Aufga-be, die beschriebenen krisensituativen Interaktionen zwischen Staat und Verbänden weiter empirisch zu prüfen und konzeptionell zu diskutieren. Zusatzmaterial online Zusätzliche Informationen sind in der Online-Version dieses Artikels (https://doi. org/10.1007/s41358-021-00296-x) enthalten. Danksagung Wir bedanken uns bei Fynn Spilling für die hervorragende und ausdauernde Unterstützung bei der Datenerhebung. Für wichtige inhaltliche Hinweise zu einer früheren Version des Beitrags danken wir Kai Wegrich und Tanja Klenk sowie Miriam Hartlapp, Sven T. Siefken und Ralf Kleinfeld. Für ihre konstruktive Kritik bedanken wir uns zudem bei den beiden anonymen Gutachter*innen der Zeitschrift für Politikwissenschaft. Gundula Karpf gilt unser Dank für wertvolle Hilfe bei der Literaturverwaltung. Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL. Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de. Lobbying and policy change. Who wins, who loses, and why Das Paradox der Arbeitgeberverbände. Von der Schwierigkeit Strukturen der Interessenvertretung in den Verbänden der Wirtschaft BMVI -Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. 2020c. Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge BMVI -Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. 2020a. Infopapier zur Förderung von Ladesäulen, 6. Oktober 2020 Nutzfahrzeuggipfel: Mit alternativen Antrieben auf dem Weg zur Nullemissionslogistik auf der Straße, 10 Minister Altmaier und VDA-Präsidentin Müller würdigen Einsatz der Automobilindustrie in Corona-Krise. Pressemitteilung Wir wollen, dass der Wohlstand wieder wächst Altmaier im Vorfeld des heutigen Wirtschaftsgipfels Gestärkt aus der Krise, gemeinsam die Mobilität der Zukunft gestalten. 3. Spitzengespräch der Konzertierten Aktion Mobilität. Pressemitteilung 316 v. 08 Transformation unterstützen, Wertschöpfungsketten stärken Business interests, public interests, and experts in parliamentary committees. Their impact on legislative amendments in the German Bundestag Konjunkturen des Korporatismus: Zur Geschichte eines Paradigmenwechsels in der Verbändeforschung Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -Drucksache 19/10473. Ziele, Beginn und Zeitrahmen der "Konzertierten Aktion Mobilität Drucksache 19/21363. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Friedrich Straetmanns, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE -Drucksache 19/20275. Einflussnahme von Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung -Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Claudia Müller, Erhard Grundl, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -Drucksache 19/21467. Entstehung der Hilfen für Soloselbständige in der Corona-Pandemie, 02 Petra Sitte, Friedrich Straetmanns, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE -Drucksache 19/21601 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Luksic, Frank Sitta, Bernd Reuther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -Drucksache 19/25329. Maßnahmen und Ergebnisse der bisherigen "Autogipfel dram:article_id=475685. Zugegriffen: 25. März Ministerialverwaltung und Interessengruppen. Neues und Vergessenes zu einem alten Thema The political influence of business in the European Union Mit Neokorporatismus durch die Krise? Die Rolle des sozialen Dialogs in Deutschland The more, the merrier? Interest groups and legislative change in the public hearings of the German parliamentary committees Tarifbindung und betriebliche Interessenvertretung. Aktuelle Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel Profession und Selbstverwaltung. Die Legitimationspolitik von Wirtschaftsund Berufskammern Die Bundesregierung erwägt, die Gastronomie zu schließen Der Staat zeigt sich beim zweiten Lockdown großzügiger. Das könnte bei den erwarteten Streitigkeiten helfen. Von Corinna Budras und Julia Löhr, 30 Es ist ein furchtbares Durcheinander. Vor dem Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin kritisieren Gastronomen die neuen Pläne zum Lockdown für die Branche. Von Jacqueline Vogt Fahrplan für Öffnung gefordert Der Möchtegern-Kümmerer. Kaum Geld, kaum eine Perspektive: Die Kritik an Wirtschaftsminister Altmaier wächst. Ein Gipfel soll Abhilfe schaffen. Doch ein Problem bleibt. Von Julia Löhr Wirtschaftsminister Altmaier verspricht den geschlossenen Betrieben mehr finanzielle Hilfe und einen Öffnungsplan. Doch den Verbänden ist das nicht genug. Von Julia Löhr FAZ.net. 2020a. Regierung will bis Juni über Kaufprämien für Autos entscheiden. 05. Mai 2020 FAZ.net. 2020b. Geld nur für E-Autos. Von Ilka Kopplin und Kerstin Schwenn FAZ.net. 2020c. Trotz Corona-Welle. Altmaier korrigiert Wachstumsprognose nach oben. Von Julia Löhr, 26. Oktober 2020 FAZ.net. 2021a. Vor Bund-Länder-Gipfel. Wirtschaft fordert Lockerungen der Corona-Maßnahmen. 09. Februar 2021 FAZ.net. 2021b. Lockdown-Verlängerung. Handelsverband wirft Politik Wortbruch vor. 11. Februar 2021 FAZ.net. 2021c. Neue Corona-Beschlüsse. Scharfe Kritik an Plänen für Schulen und Handel. 11. Februar 2021 Ein völliges Wegducken ist nicht die Lösung". Von Christoph Schäfer und Fynn Spilling. 2021. Function, shock or resources?-Organised business and the Covid-19 crisis in Germany. Working paper series 'comparative governance', Bd Organized business interests in changing environments. The complexity of adaptation Germany. In Handbook of business interest associations, firm size and governance Arbeitgeberverbände ohne Tarifbindung in Deutschland OT-Mitgliedschaften und OT-Verbände Changes in interest group access in times of crisis: no pain, no (lobby) gain Das zweite DIHK-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und seine Folgen Die Macht der Informationen: Eine empirische Analyse von Lobbyingerfolg in der Europäischen Union Explaining interest group density across economic sectors. Evidence from Germany Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken Verbände mit Zukunft? Die Re-Organisation industrieller Interessen in Deutschland Uppsala. Lehmbruch, Gerhard. 1983. Neokorporatismus in Westeuropa: Hauptprobleme im internationalen Vergleich Administrative Interessenvermittlung Mindestlohn und Tarifgeschehen. Die Sicht der Arbeitgeber in betroffenen Branchen. IW-Report, Bd. 13/2017. 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Chambers of commerce in Europe. Self-governance and institutional change Wirtschaftskammern und Parlamente. Einflussmöglichkeiten, Ressourcendependenz und parteipolitische Koalitionen Vom Lockdown in die Staatsbeteiligung? Wirtschaftspolitik in der Covid-19 Pandemie Legitimität und Self-Governance. Organisationen, Narrative und Mechanismen bei Wirtschaftskammern Lobbyisten am runden Tisch: Einflussmuster in Koordinierungsgremien von Regierungen und Interessengruppen Reflections on where the theory of neo-corporatism has gone and where the praxis of neo-corporatism may be going The organization of business interests. Studying the associative action of business in advanced industrial societies. MPlfG Discussion Paper 2017. Handbuch Arbeitgeber-und Wirtschaftsverbände in Deutschland Verbände in der Bundesrepublik Deutschland Mitgliederentwicklung und Organisationsstärke der Unternehmerverbände Why are German employers associations declining? Arguments and evidence Ein Härtefallfonds ist für bisher vernachlässigte Unternehmen geplant. Verbände fordern weitere Korrekturen. Von Francesca Polistina Wer am lautesten schreit. Abwrackprämie, Elektroautos, Verkehrswende -und jede Menge Jobs in Deutschland: Vor dem Autogipfel im Kanzleramt bringen sich die größte deutsche Industriebranche und Umweltschützer in Position. Mittendrin die Kanzlerin und drei Bund plant hohe Kaufprämien für E-Autos -Verbrenner sollen nicht gefördert werden The long-term development of organised business and its implications for corporatism. A cross-national comparison of membership, activities and governing capacities of business interest associations Crisis corporatism and trade union revitalisation in Europe Konkurrenzausschluss bei deutschen Wirtschaftsverbänden: Eine populationszentrierte Untersuchung Dimensionen des Korporatismus. Strukturmuster der Verbändebeteiligung in der Gesundheitspolitik Peter Altmaier hält Öffnungen auch bei höherer Inzidenz für möglich. 1. März