key: cord-0067853-3msamdtc authors: Bach, Michael; Bitterlich, Waltraud title: COVID-19 und Traumafolgesymptome: repräsentative Daten aus Österreich date: 2021-09-24 journal: psychopraxis DOI: 10.1007/s00739-021-00748-7 sha: 40a199f2c6bdb6a03a6455468878927007bd882b doc_id: 67853 cord_uid: 3msamdtc Using a representative sample of the population, a correlation between COVID-19 illnesses and increased trauma-related symptoms was observed in this study. Possible consequences for the development of post-traumatic stress disorder and other mental illnesses are discussed. Einleitung Zahlreiche Studien und Metaanalysen belegen inzwischen deutlich erhöhte Häufigkeiten für unterschiedliche psychische Beschwerden als Folge der Corona-Pandemie, insbesondere in den Bereichen Depressivität, Ängstlichkeit, Stresssymptome und Schlafstörungen [1, 10, 17, 18, 29] . Mittlerweile wird die Corona-Pandemie als globales Trauma angesehen [8, 13, 15, 19, 24, 30] . Das Hereinbrechen ohne Vorwarnung und Vorbereitung, persönlich empfundene Ohnmacht, Gefühle des Ausgeliefertseins mit Kontrollverlust sowie der unklare Ausgang sind typische traumaassoziierte Merkmale, die sich allerdings in einigen Punkten von bisherigen Traumadefinitionen und diagnostischen Kriterien zur posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) unterscheiden: So stellt die Corona-Pandemie weder ein singuläres, überwältigendes Ereignis (entsprechend Trauma Typ I) noch eine umschriebene, direkte und anhaltende Traumatisierung wie z. B. bei sexuellem Missbrauch (Trauma Typ II) dar, sondern bezieht sich auf ein äußerst komplexes globalisiertes Geschehen von unklarem Ausmaß und nicht absehbarer zeitlicher Dimension [15] . Während die bisherigen pathogenetischen Traumamodelle der Reaktionsbildung auf bereits erlebten Belastungssituationen in der Vergangenheit beruhen (sog. "A"-Kriterium der PTBS-Definition), ist bei der Corona-Pandemie eher von fortlaufenden bzw. zukünftigen Stressreaktionen auf mehr indirekte Traumaexposition auszugehen [4] . Erste Studien dazu belegen deutlich erhöhte Ausprägungen in den Traumafolgesymptomen Wiedererleben (sog. Flashbacks), negative Affektivität, dissoziative Symptome, Vermeidung und Arousal (sog. "B"-Kriterium), teilweise auch ohne Hinweise auf direkte Traumaerfahrung [4, 24, 29, 34] . Auch in Österreich fanden sich in bisherigen repräsentativen Bevölkerungsstichproben deutlich erhöhte Werte für Depressivität, Ängstlichkeit, Stresssymptome und Schlafstörungen [7, 27, 28] . Besonders betroffen sind dabei jüngere Personen, Frauen, Alleinstehende, Arbeitslose und Menschen aus niedrigen Einkommensschichten [9, 26] . Daten zum Ausmaß der Traumafolgesymptome und deren Zusammenhang mit anderen psychischen Beschwerden und soziodemographischen Variablen wurden bislang nicht veröffentlicht. Die vorliegende Studie widmet sich dieser Fragestellung anhand einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe. naire (PHQ, [31] ) in seiner deutschsprachigen Version ("Gesundheitsfragebogen für Patienten", PHQ-D, [20] ). Die Häufigkeit der 4 Symptome in den vergangenen 2 Wochen wurde anhand einer 4-stufigen Rangskala (1 = nie, 2 = an mehreren Tagen, 3 = an mehr als der Hälfte der Tage, 4 = an fast jedem Tag) eingeschätzt. Entsprechend bisherigen Validierungsstudien [16, 21] wurden für beide Screeningdiagnosen Schwellenwerte >3 definiert. Im Einklang mit bisherigen Studien in Österreich [7, 27, 28] zeigten sich auch in der vorliegenden repräsentativen Stichprobe eine deutliche Verschlechterung der psychischen und körperlichen Gesundheit infolge der Corona-Pandemie sowie deutlich erhöhte Häufigkeiten für generalisierte Ängstlichkeit und Depressivität. Insbesondere Frauen sowie Personen mit Migrationshintergrund sind betroffen. Unsere Ergebnisse bestätigen somit einen Zusammenhang zwischen COVID-19-Erkrankung und psychosozialen Faktoren [9, 26] . Erstmals in Österreich konnte auch eine massive Häufung von Traumafolgesymptomen belegt werden, die deutlich über den Erwartungswerten internationaler Studien liegen [14] . Abstract Using a representative sample of the population, a correlation between COVID-19 illnesses and increased trauma-related symptoms was observed in this study. Possible consequences for the development of post-traumatic stress disorder and other mental illnesses are discussed. Pandemic · Trauma-related symptoms · Sociodemographic factors · Representative population study einer COVID-19-Erkrankung bei nahestehenden Personen war assoziiert mit signifikant höheren Traumafolgesymptomen. Wir schließen daraus, dass die Entwicklung depressiver Symptome eher als Folge der allgemeinen psychosozialen Belastungen und Einschränkungen der Corona-Pandemie, wie z. B. Social Distancing, aufzufassen ist, während Angstund Traumasymptome möglicherweise spezifische Muster der Erlebnisverarbeitung nach COVID-19-Erkrankungen darstellen. Solche Symptome treten häufig nach akuter Traumatisierung auf, zeigen einen stadienhaften Verlauf und remittieren bei der Mehrzahl der Betroffenen spontan, auch ohne weitere Interventionen [11] . Als klinisch relevanter Schwellenwert für eine Diagnose gilt laut DSM-5 [2] das Vorliegen von 9 oder mehr Symptomen (Kriterium B) sowie das Zeitkriterien (Kriterium C) von mind. 3 Tage und max. 1 Monat. Allerdings ist die Abgrenzung einer akuten Belastungsstörung von "normalen" Stressverarbeitungsreaktionen fließend [5] . Weiters wird gegenwärtig diskutiert, inwieweit auch subsyndromale Verläufe von einigen wenigen Symptomen und/ oder kürzerer Dauer einen möglichen prädiktiven Wert für die Entstehung späterer psychischer Störungen aufweisen [6, 22, 33] . In der vorliegenden Befragung wurden daher bewusst die Zeitkriterien ausgesetzt, da es sich ja bei der Corona-Pandemie um eine fortlaufende -und nicht um eine einmalige -Belastung handelt; weiters wurde -neben dem Schwellenwert von 9 oder mehr Symptomen als kategoriales Diagnosekriterium (Diagnose ja/nein) -auch die Häufigkeit einzelner Traumafolgesymptome erhoben. Hier zeigt sich in der schrittweisen linearen Regression ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ausprägungsgrad von Traumafolgesymptomen und dem Vorliegen von Depressivität und Ängstlichkeit, was auf eine klinische Relevanz von auch subsyndromalen Ausprägungsformen hinweisen könnte. » Eine COVID-19-Erkrankung führt häufig zu Traumafolgesymptomen und generalisierter Ängstlichkeit Von besonderem Interesse ist die prädiktive Relevanz der Beschwerden für die Entwicklung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), was sich aus einer reinen Querschnittsuntersuchung allerdings nicht ableiten lässt. Betrachtet man beispielsweise die Diagnose einer PTBS mit verzögertem Beginn (Vorliegen der Kriterien nach frühestens 6 Monaten [3] ), die heute als eigener diagnostischer Subtyp in der DSM-5 geführt wird [2] , so belegen erste Studien dazu, dass auch hier bereits innerhalb der ersten 6 Monate subsyndromale Beschwerden vorliegen dürften [12, 25, 33] . Für die Diagnose einer PTBS sind in erster Linie die drei Symptomgruppen Intrusion, Vermeidung/Betäubung und Hyperarousal über einen Zeitraum von mehr als 1 Monat relevant (DSM-5, [2] ). Die Beobachtung insbesondere der beiden ersten Symptommuster in unserer Stichprobe könnte genau auf so eine Entwicklung hinweisen. Wünschenswert wären hierzu nun Längsschnittuntersuchungen mit mehreren Befragungen der gleichen Stichproben zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Der Zusammenhang von ausgeprägteren Traumafolgesymptomen bei vor allem jüngeren Personen kann einerseits damit zusammenhängen, dass jüngere Generationen noch weniger Lebenserfahrungen und Stressbewältigungsfertigkeiten -und daher stärkere Reaktionsmuster -haben; andererseits könnte dies auch bedeuten, dass die Auswirkungen der Pandemie gerade für Jüngere eine höhere Tragweite aufweisen als für fortgeschrittenere Altersgruppen. Aus diesen Beobachtungen lässt sich unseres Erachtens ableiten, die Konsequenzen von Traumareaktionen gerade bei jüngeren COVID-19-Betroffenen stärker als bisher in Präventions-und Interventionsprogramme einfließen zu lassen. Prevalence of stress, depression, anxiety and sleep disturbance among nurses during the COVID-19 pandemic: a systematic review and meta-analysis Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5. APA 2013 Bd. 2. Hogrefe Delayed-onset posttraumatic stress disorder: a systematic review oft he evidence Why the COVID-19 pandemic is a traumatic stressor The diagnostic spectrum of trauma-related disorders Acute stress disorder: what it is and how to treat it Severe mental health symptoms during covid-19: a comparison of the united kingdom and Austria The complex trauma spectrum during the COVID-19 pandemic: a threat for children and adolescents' physical and mental health. Letter to the editor Mental health during the covid-19 lockdown over the christmas period in austria and the effects of sociodemographic and lifestyle factors The prevalence of depression, anxiety, and sleep disturbances in COVID-19 patients: a meta-analysis Empirical characterization of heterogeneous posttraumatic stress responses is necessary to improve the science of posttraumatic stress Rizzo A (Hrsg) Future directions in post-traumatic stress disorder. Prevention, diagnosis, and treatment Traumatic stress in the age of COVID-19: A call to close critical gaps and adapttonewrealities National estimates of exposure to traumatic events and PTSD prevalence using DSM-IV and DSM-5 criteria The impact of COVID-19 traumatic stressors on mental health: is COVID-19 a new trauma type Anxiety disorders in primary care: prevalence, impairment, comorbidity, and detection Mental burden and its risk and protective factors during the early phase of the SARSCoV-2 pandemic: systematic review and meta-analyses Prevalence of depression, anxiety and posttraumatic stress disorder in health care workers during the COVID-19 pandemic: A systematic review and metaanalysis Prevalence and predictors of PTSS during COVID-19 outbreak in Chinahardest-hitareas: Genderdifferencesmatter Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D). Manual und Testunterlagen, 2. Aufl Detecting and monitoring depression with a 2-item questionnaire (PHQ 2) Posttraumatische Belastungsstörungen, 3. Aufl Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen. DIPSOpen Access für DSM-5 Vulnerability to COVID-19-related disability: the impact of posttraumatic stress symptoms on psychosocial impairment during the pandemic Ecological disasters and mental health: causes, consequences, and interventions Health-related and socio-economicburdenoftheCOVID-19pandemic in Vienna The effect of age, gender, income, work, and physical activity on mental health during coronavirus disease (COVID-19) lockdown in {Austria Comparing mental health during the COVID-19 Lockdown and 6 months after the Lockdown in Austria: a longitudinal study Prevalence of stress, anxiety, depression among the general population during the COVID-19 pandemic: a systematic review and meta-analysis Surviving the trauma of COVID-19 Validation and utility of a self-report version of PRIME-MD: the PHQ primary care study Österreichische Gesundheitsbefragung 2019: Hauptergebnisse des Austrian Health Interview Survey (ATHIS) und methodische Dokumentation Peritraumatic distress: A review and synthesis of 15yearsofresearch PTSD among Healthcare workers during the COVID-19 outbreak: a study raises concern for nonmedical staff in low-risk areas Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral