key: cord-0067550-30gw6rkw authors: Freiherr von der Ropp, Klaus title: Mit vereinten Kräften: Letzte Chance einer Stabilisierung des neuen Südafrikas date: 2021-09-13 journal: Z Außen Sicherheitspolit DOI: 10.1007/s12399-021-00869-2 sha: ee94247d779f30a9ba9fd29757e367ee628b9519 doc_id: 67550 cord_uid: 30gw6rkw With the end of the Cold War, Great Britain and the United States saw themselves in a position to force South Africa to abandon its policy of apartheid, which had grown over the past 350 years. The ensuing path to democracy was fraught with numerous shortcomings. These include Germany’s ambitious attempt to “impose” the German constitutional model on South Africa. The model proved fragile and led the young democracy into the abyss. The article positions itself in favour of a stronger political involvement of the Afrikaner civil rights movement Solidariteit to limit the damage done. Anfang 2020 kam Covid-19 wie ein Orkan über Südafrika. Die Pandemie traf dabei auf ein Land, das nach Jahrzehnten nicht selten blutiger Auseinandersetzungen im Inneren sowie einem Vierteljahrhundert einer sehr anspruchsvollen Übergangsphase bereits am Boden lag (Pabst und Ropp 2011) . Schon zur Zeit des historischen Umbruchs im Mai 1994 befand sich die Wirtschaft der Kap-Republik in einer desolaten Verfassung (Roche 1998, S. 10) . Denn nach Phasen starken Wachstums zeigten die mit Beginn der 1960er-Jahre verhängten und seither immer härter gewordenen Sanktionen der Außenwelt sowie der wachsende Widerstand gegen Apartheid im Inneren Wirkung. So verzeichnete Südafrika in der Dekade vor der ersten demokratischen Wahl (April 1994) in vier von zehn Jahren ein negatives Wirtschaftswachstum (The World Bank 2021a). Gleichzeitig ist die Bevölkerungszahl rasant gestiegen: von 31,8 Mio. Menschen im Jahr 1984 auf 40,6 Mio. im Jahr 1994 Jahr 2020 (The World Bank 2021b). Mit Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 stieg, um hier nur einige wenige der vielfach desaströsen Wirtschaftsdaten anzuführen, die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit im engeren Sinn bis zum Ende des ersten Quartals des Jahres 2021 auf 32,6 % und die Arbeitslosigkeit im weiteren Sinn 1 auf 43,2 % (Statistics South Africa 2021, S. 15). In der Gruppe der 15-24-jährigen lag die Arbeitslosigkeit im engeren Sinn im ersten Quartal 2021 bei 63,3 % (Statistics South Africa 2021, S. 30). Und sehr viele Arbeitslose beziehen, wenn überhaupt, nur minimale Sozialleistungen. Umso größer sind die Einnahmen und Vermögen der "Fat Cats", der neuen Machthaber 2 . Alles Vorstehende ist vor dem Hintergrund eines negativen Wirtschaftswachstums von 7 % des BIP im Jahr 2020 (The World Bank 2021a) zu sehen. Covid-19 trifft Südafrika umso härter, da viele der Infizier-ten häufig unter sehr schweren Vorerkrankungen, vor allem Tbc und/oder HIV/Aids, leiden. Der vorliegende Beitrag zeigt Entwicklungen auf, die zu der aktuellen Lage Südafrikas beigetragen haben, die in Kap. 4 genauer beleuchtet wird. Die Darstellung der Entwicklungen setzt in der Zeit des Kalten Krieges an (Kap. 2). Denn nur so ist die besondere Rolle Deutschlands (Kap. 3) zu verstehen, das auf Betreiben Londons aus der gemeinsamen westlichen Diplomatie im Süden Afrikas mangels Sachkunde ausgeschlossen worden war. Umso engagierter war die Bundesrepublik in den 1990er-Jahren in dem Bestreben, durch die Entsendung hunderter von Beratern den Neuaufbau der Kap-Republik zu unterstützen. Diese hatten allerdings, wenn überhaupt, nur oberflächliche Landeskenntnisse, sodass das deutsche Engagement letztlich mit zur drohenden Implosion des neuen Südafrikas beitrug. Abschließend wird ein Lösungsansatz präsentiert, in dessen Mittelpunkt die afrikaanse Bürgerrechtsbewegung Solidariteit steht (Kap. 5 und 6). Ziel des Beitrags ist es, eine Diskussion über die prekäre Lage Südafrikas anzuregen, insbesondere da nicht nur in Deutschland viele Medien die Thematik nicht zu erfassen scheinen. 3 Dabei positioniert sich der Autor zugunsten einer stärkeren politischen Einbindung von Solidariteit. Der Weg hin zum Umbruch des Vielvölkerstaates zur Demokratie war mühselig. Dazu trug entscheidend bei, dass die Kap-Republik mit ihren sehr großen Vorkommen an weltweit seltenen Rohstoffen und ihren strategisch bedeutsamen See-und Flughäfen ein wichtiger Schauplatz des Kalten Krieges war. So sprach kein Geringerer als der große Stratege Egon Bahr davon, der Südafrika-Konflikt berge ständig die Gefahr des dritten Weltkrieges in sich, sollte für ihn keine Verhandlungslösung gefunden werden (Geschke und Mack 1977, S. 8 Erst mit der Wahl von Michail S. Gorbatschow zum Generalsekretär der KPdSU im Jahr 1985 und dem damit nahenden Ende des Kalten Krieges sahen sich London und Washington in der Lage, ihre Namibia-und Südafrikapolitik wieder aufzunehmen. Die Bundesrepublik wurde weiterhin nicht mit eingebunden. Frankreich und Kanada blieben der Namibia-und Südafrikapolitik aus freien Stücken fern. Eine wertvolle Hilfe für US-Botschafter Princeton Nathan Lyman und dessen britische Kollegen Sir Anthony Reeve, seit 1991 Nachfolger des legendären Sir Robin -"His Excellent Exellency" (Robertson 1991 , S. 14) -Renwick, war die Unterstützung ihrer Diplomatie durch den gleichfalls herausragenden russischen Botschafter Jewgeni Petrovich Gusarow. Seine Aufgabe war es, mäßigend auf die Unterhändler der Allianz aus ANC, South African Communist Party (SACP) und Congress of South African Trade Unions (COSATU) einzuwirken. Dieser Allianz war die UdSSR in Zeiten des Kampfes gegen Apartheid über Jahrzehnte eng verbunden gewesen. Die hochklassige britisch-amerikanisch-sowjetische/russische Diplomatie wurde schnell von Erfolg gekrönt: Gemäß Resolution 435 des UN-Sicherheitsrates wurde Namibia im März 1990 unabhängig. Ende 1991 nahm die südafrikanische Regierung, begleitet von der Androhung härtester Wirtschaftssanktionen durch die USA, mit den im Jahr zuvor entbannten Befreiungsbewegungen, zuvörderst der sehr gefolgschaftsstarken ANC/SACP/COSATU-Allianz, Verfassungsverhandlungen auf. Die Verhandlungen führten nach etwa zwei Jahren zur Verabschiedung einer im In-und Ausland hochgelobten demokratischen Verfassung. K Zu der Handvoll von Beobachtern, die erkannten, dass die südafrikanische Verfassung mangels einer demokratischen und rechtsstaatlichen Kultur in der Kap-Republik von Geburt an den Keim des Scheiterns in sich tragen würde, gehörte in Deutschland Egon Bahr. Angesichts der tiefen kulturellen Zerrissenheit des Landes hatte er bereits 1977 ein System des One man, one vote als für Südafrika untauglich bezeichnet. Stattdessen forderte er für Südafrika "ein bisher unbekanntes Modell des gleichberechtigten Zusammenlebens mit besonderem Schutz für Minderheiten" (Geschke und Mack 1977, S. 8) . Seine Warnung wurde jedoch überhört, ebenso wie die von Francis Fukuyama (1991) , der die Sorge aussprach, Südafrika werde sich in der Zukunft nicht von Vorstellungen lösen können, die die neuen Regierenden von ihren Lehrmeistern im Exil in der DDR, in Kuba und in der UdSSR mit an die Südspitze des afrikanischen Kontinents gebracht hatten. Bahrs Warnung vor einem Scheitern des sehr ehrgeizigen südafrikanischen Transformationsprozesses wurde in Deutschland einzig von dem späteren Präsidenten der Liberalen Internationalen, Otto Graf Lambsdorff, ernstgenommen und weiterentwickelt. Lambsdorff (1986) redete der Schaffung eines "Afrikaaner Israel", wahrscheinlich im westlichen Kap gelegen, das Wort. Dort sollten die Weißen (und sogenannten Coloured) Afrikaaner eine Fluchtburg (toevlugsoord) finden, die im übrigen, Schwarz dominierten Südafrika keine Zukunft für sich und ihre Kinder sähen. 4 Die geäußerten Bedenken fanden jedoch keinen Eingang in die "Weltmeinung", die in Deutschland inzwischen bei weitem nicht mehr nur von Genscher und seinen Parteigängern vertreten wurde und die einst in Teilen hochentwickelte Kap-Republik ins Verderben stürzen sollte. Künftige Historiker werden die Frage aufwerfen, weshalb das neue Südafrika diesen Weg in eine bloße Fassadendemokratie eingeschlagen hat. Sie werden darauf wohl zwei Antworten geben: zum einen das Versagen des auf der ganzen Linie in den Verhandlungen überforderten Staatspräsidenten Frederik Willem de Klerk und zum anderen die Beratung der Verfassungsgeber durch eine unüberschaubar große Zahl deutscher Fachleute, die allesamt Vertreter der "Weltmeinung" zur Neuordnung Südafrikas waren. Das kurz zuvor wiedervereinigte Deutschland war mehr als jeder andere Drittstaat bereit, bei dem verfassungsrechtlich-politischen Aufbau des neuen Südafrika mitzuwirken (Ropp 2013), nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demütigenden Ausschlusses aus allen Verhandlungen über Südafrika und Namibia seit Oktober 1978. Mit großem Aufwand wurden hunderte von Beratern an das Kap entsandt. Sie kamen u. a. aus dem Bundestag und etlichen Landtagen, aus dem Bundesrat, aus Bundes-und Landesministerien, aus einer Vielzahl von Kommunen, von allen sechs politischen Stiftungen, aus vielen Universitäten, vom Bundesverfassungsgericht, vom Bundesrechnungshof, von der damaligen Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, von der Bundeswehr, vom Deutschen Gewerkschaftsbund oder von der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Bundesrepublik sah sich dazu befähigt, Südafrika umfassend bei dem verfassungsrechtlich-politischen Aufbau zu beraten, weil sie infolge der Jahrhundertkatastrophe des Dritten Reichs seit 1949 bzw. 1990 eine zu Recht weltweit als vorbildlich anerkannte Verfassung hat (Grimm 2020) . Diese wurde dem Post-Apartheid-Südafrika von in-und ausländischen Beratern schlichtweg "übergestülpt" -mit Ausnahme ihrer föderalen Strukturen, die die ANC/SACP/COSATU-Allianz mit guten Gründen nicht bereit war zu übernehmen. Nicht erst heute stellt sich die Frage, ob sich die deutsche Verfassung so nahtlos wie seinerzeit gedacht auf einen völlig anderen Kulturkreis übertragen lässt. Zumindest den aus Deutschland angereisten Beratern hätte klar sein müssen, dass das deutsche Grundgesetz zunächst im Westen und dann auch im Osten nur unter sehr besonderen Umständen zustande gekommen war. In der Literatur wird das eifrige deutsche Engagement unterschiedlich bewertet. So kommt etwa der südafrikanische Verfassungsrechtler Lourens Marthinus du Plessis (2008) in seinem Aufsatz "German Verfassungsrecht under the Southern Cross" zu dem Schluss, dass das deutsche Verfassungsrecht eine wertvolle Quelle für das Zustandekommen der südafrikanischen Verfassung war. Dagegen stellte die hochqualifizierte US-Journalistin Patti Waldmeir (1991, S. 3) kurz und bündig fest: "Democratic niceties will have to wait upon the overwhelming need to restore stability". Denn auch für Südafrika gilt, was der Heidelberger Politikwissenschaftler Klaus von Beyme (2001) zum postsowjetischen Russland feststellte: "Demokratie ist nicht gegeben, Demokratie ist aufgegeben". Unabhängig von der generellen Frage der Übertragbarkeit von Verfassungssystemen enthielt der 1993/94 in Kempton Park Johannesburg verabschiedete Verfassungsentwurf eine für das kulturell tief zerrissene Südafrika fatale Unterlassung: Er verzichtete auf jeden substanziellen Minderheitenschutz. Daraufhin riefen die Botschafter Lyman und Reeve, denen die Warnungen Bahrs und Lambsdorffs vor der Instabilität des neuen Südafrika in allen Einzelheiten vorlagen, die Spitzen des ANC um Thabo Mbeki 5 und der Freedom Front 6 ab August 1993 zu Beratungen zusammen. Das Ziel war die Aushandlung des, so sein späterer offizieller Titel, "Accord on Afrikaner Self-Determination between the Freedom Front, the African National Congress and the South African Government/National Party". Der Accord wurde von den weltweit anerkannten afrikaansen Dissidenten Frederik van Zyl Slabbert (Grundlingh 2021) Die 1994 in allen Bevölkerungsgruppen durchaus vorhandene Zuversicht auf das Gelingen des demokratischen Neubeginns gründete sich vor allem auf die Einzigartigkeit des ersten gewählten südafrikanischen Staatspräsidenten Nelson R. Mandela (1994) (1995) (1996) (1997) (1998) (1999) Aus allen seit 1994 offenbar weitgehend korrekt 7 durchgeführten Parlamentswahlen ist die bis heute unangefochten alleinregierende ANC/SACP/COSATU-Allianz als deutlicher Sieger hervorgegangen. Entsprechend groß ist ihre Machtfülle, und so konnte sie von Anfang an ihre Politik der Affirmative Action verfolgen. Diese "is aimed at ensuring that black South Africans, women, and other disadvantaged groups who had been marginalized and unfairly discriminated against in the past, are provided with access to opportunities" (Makoba und Ntebeng 2002, S. 165 ). Die 7 Eine Besonderheit gilt allerdings für die erste Wahl. Im Interesse der schwächeren Parteien wurde nämlich ihr Ergebnis nicht an den Urnen ermittelt, sondern vorab "ausgehandelt" (Waldmeir und Holman 1994) . K südafrikanische Politik der Affirmative Action und insbesondere deren Umsetzung ist Gegenstand zahlreicher Betrachtungen, die zu unterschiedlichen Bewertungen kommen (Adam 1997; Makoba und Ntebeng 2002; Alexander 2007; Ratuva 2013; Erasmus 2015; Cuddihy 2016) . Affirmative Action führte u. a. zur Ersetzung einer sehr großen Zahl gut ausgebildeter, in der Regel Weißer, im westlichen Kap oft Coloured, Staatsdiener durch politisch genehme, jedoch oftmals wenig qualifizierter Schwarzer Beamter. Dieser Vorgang vollzog sich in Ministerien, bei der Polizei, bei Grenzsicherung/ Einwanderungskontrolle, im Justizwesen (inklusive Strafvollzug), in den Streitkräften, in den Kommunalverwaltungen, in den Universitäten, im Krankenhauswesen, bei der Trinkwasseraufbereitung und der Abwasserentsorgung. Mit Blick auf die Effizienz des öffentlichen Sektors hält Erasmus (2015, S. 107) fest: "Affirmative action policy in itself is not the key barrier to efficiency in this sector. Instead, ,cadre deployment' as a key method of affirmative action in South Africa's public sector is the primary cause of mediocre service delivery". Affirmative Action mit negativen Folgen gab es ferner bei vielen der ca. 300 staatseigenen Unternehmen (ESKOM, Trasnet, SAL, u. a.), weil viele der neuen Mitarbeiter ihren Aufgaben nicht gewachsen waren. Das alte Südafrika hatte sie im Rahmen seiner (rudimentären) Bantu Education nicht für diese Aufgaben ausgebildet. 8 Auch hier hat das Post-Apartheid-Südafrika die Chance eines Neubeginns verpasst. So gilt nach wie vor, was die in der Zeit der Apartheid lange Jahre gebannte Bürgerrechtlerin Mamphela Ramphele (2012a) verschiedentlich feststellte: Das heutige Schulwesen ist (noch) schlechter als dasjenige, für dessen Überwindung viele Jugendliche bei den Aufständen von 1976 starben. Ihr ist zuzustimmen, wenn sie weiterhin feststellt: "South Africa is seen to be in the grip of self-sabotage" (Ramphele 2012b Verschiedene Maßnahmen im Rahmen der Affirmative Action werden noch für sehr lange Zeit die Wurzel für den Absturz ganzer Regionen in die Anarchie sein. So sind etwa viele der sogenannten Townships wiederholt Ausgangspunkt gewaltsamer, krimineller Handlungen (Soest 2020). Hier bleibt den Opfern mangels öffentlicher Sicherheit und Ordnung oftmals bloß die Lynchjustiz. Im ländlichen Bereich ist das allerding da anders, wo an Stelle der seit 1994 gewählten Körperschaften jetzt wieder wie in Apartheidzeiten traditionelle Autoritäten ("traditional chiefs") das Sagen haben. Landesweit verbreitet ist schließlich eine hemmungslose Korruption epidemischen Ausmaßes (Bond 2014) . Viele der staatseigenen Unternehmen wurden von 8 "The Apartheid system created educational inequalities through overt racist policies. The Bantu Education Act of 1952 ensured that Blacks receive an education that would limit educational potential and remain in the working class" (Ocampo 2004) . Einen umfassenden Überblick zu der Thematik und zu den bis heute spürbaren Auswirkungen bietet Hunter (2019). Mitarbeitern, die sie der Affirmative Action wegen ("Zuptagate") einstellen mussten, geplündert (Swilling et al. 2017) . Der dramatische Niedergang Südafrikas wird sich weiter beschleunigen, sollte es dem bereits heute im ANC sehr gefolgschaftsstarken Generalsekretär Elias ("Ace") Magashule gelingen, den heutigen ANC-Präsidenten und Staatspräsidenten Cyril Ramaphosa aus seinen Ämtern zu verdrängen (Poplak 2021 Eine Orientierung in Richtung Magashule, Zuma und/oder Malema dürfte zu einer Umsetzung der aktuell noch strittig diskutierten Pläne führen, die Verfassung dahingehend zu ändern, dass sie künftig die entschädigungslose Enteignung privaten Eigentums (also nicht nur von Grund und Boden) zulässt. Bereits die bloße Möglichkeit einer solchen Gesetzesänderung hat in den zurückliegenden Jahren zu einem mangels zuverlässiger Statistiken nicht zu beziffernden Abfluss von aus-und inländischem Kapital geführt. Noch viel ernster ist die Abwanderung hunderttausender, in der Regel gut ausgebildeter Fachleute (Bröll 2008) . Ihren Exodus würde die Kap-Republik nach Einschätzung des Autors in den nächsten weit mehr als 50 Jahren nicht verkraften. Genau dies könnte aber aufgrund der genannten politischen Entwicklungen in einem großen Ausmaß erfolgen. Dazu beitragen wird ferner die Bevölkerungsentwicklung: Aufgrund der Zuwanderung 9 aus den bankrotten Nachbarstaaten 10 sowie eines deutlichen Geburtenüberschusses sind heute ca. 81 % der rund 59 Mio. Einwohner Südafrikas Schwarz. Nur noch rund 9 % gehören zur Gruppe der ganz überwiegend afrikaanssprachigen Coloureds; gut 2,5 % stammen aus Asien, insbesondere der früheren britischen Kolonie Indien. Die Weiße Bevöl-9 Einen differenzierten Überblick über diese Thematik bietet z. B. Runge (2015) . 10 Mangels effizienter Einwanderungskontrolle wanderten seit 1994 Millionen Bürger anderer afrikanischer Staaten und Pakistans illegal nach Südafrika ein. Allein aus dem bankrotten Simbabwe waren es laut inoffiziellen Schätzungen über drei Millionen. K kerungsgruppe umfasst noch knapp 8 %; ca. 61 % von ihnen sind afrikaanssprachig, die übrigen vorwiegend englischsprachig (Government of South Africa 2021). 11 Diese Entwicklung ist bei vielen Afrikaanern mit der Sorge einer Marginalisierung verbunden. Den drohenden Machtverlust vor Augen, mehrten sich bereits in den frühen 1990er-Jahren vor allem unter den Parteigängern Viljoens die Stimmen, die das Existenzrecht der afrikaanssprachigen und anderer ethnischer Minderheiten durch die Ausgliederung eines "Volksstaates" (Afrikaaner-Israel) aus Südafrika sicherzustellen bemüht waren. Sie griffen damit auf Überlegungen des konservativen, oftmals kritisch betrachteten (Ropp 2018; Weber 2011; Webster 2019), aber nach Einschätzung des Autors nicht reaktionären Theologen Carel Boshoff zurück, der seit den späten 1970er-Jahren an solchen Plänen arbeitete (Ropp 2017). Boshoff wiederum hatte hier wissenschaftliche Beiträge zu der Thematik vor Augen, die außer in Südafrika vor allem in Deutschland publiziert worden waren (Zollmann 2021) . Zumindest derzeit haben aber wohl noch die Worte des Politikwissenschaftlers Deon Geldenhuys (2021, S. 100) Gültigkeit: "Solidariteit regards as neither achievable nor workable under present conditions [...] an independent volksstaat for Afrikaners". Der regierenden Allianz sollte allerdings klar sein, wovor der einst mächtige Zuluführer Mangosuthu Buthelezi in Apartheidzeiten seine vielen Gegner mit Recht warnte: "Better than most I know the preparedness of South Africa's Whites to scorch the earth and to die in defense of the indefensible". Entsprechend stellte das liberale südafrikanische Institute of Race Relations Anfang 2020 in einem Flugblatt fest: "South Africa is again at the brink". In der Frage, ob das Land die Schwelle in den Abgrund überschreitet, könnte der afrikaansen Bewegung Solidariteit eine entscheidende Rolle zukommen. Die Afrikaaner könnten auch heute noch ein wichtiger Faktor in der Stabilisierung des neuen Südafrikas sein. Denn sie verfügen über die Erfahrung und das Potenzial, durch Mitarbeit in der staatlichen Verwaltung und in den staatseigenen Wirtschaftsunternehmen das Land zu stabilisieren. Sollte die ANC/SACP/COSATU-Allianz jemals bereit sein, der Empfehlung des chinesischen Botschafters in Pretoria, Liu Songtian, zu folgen und sich mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Benehmen zu setzen (Winning und Bavier 2019), sollte eine der ersten Maßnahmen dieser Kooperation sein, da wo Bedarf besteht, auf das Humankapital der nach 1994 angehalfterten Staatsdiener (inklusive der Mitarbeiter bei den staatseigenen Unternehmen) zurückzugreifen. So verfügt von allen ethnischen Minderheiten vor allem die der rund 4,7 Millionen Weißen Südafrikaner im neuen Südafrika noch über Ressourcen, die zur Überwindung verschiedener Probleme im Land beitragen könnten. Und sie weiß sie zu nutzen. Am deutlichsten wurde das 2001, als der sehr überzeugende Gewerkschaftsführer Flip Buys nach dem Vorbild der polnischen, bewusst christlichen Bürger-rechtsbewegung Solidarnosc deren südafrikanisches Pendant, Solidariteit, gründete. Sie erhält keine staatlichen Zuwendungen, finanziert sich mithin ausschließlich aus Beiträgen und Spenden. Außer an Solidarnosc orientiert sich Solidariteit mit ihren ca. 20 Institutionen an der Arbeit der israelischen Histradut. Ohne die Existenz von Solidariteit wäre der Aderlass an Fachkräften, der längst bedrohliche Ausmaße angenommen hat, noch viel größer. Denn immer mehr von ihnen würden es Anne Paton, der Witwe des Weißen Rebellen und Autors des weltberühmten Anti-Apartheid Romans "Cry the beloved country" Alan Paton gleichtun: Bereits vor einem Vierteljahrhundert verließ sie Südafrika mit den Worten: "Fly the beloved country". Unter (Geldenhuys 2021) . Seit kurzem unterhält Solidariteit schließlich eine private (!) Staatsanwaltschaft, die angesichts verbreiteter Passivität der National Prosecuting Agency Korruptionsdelikte, die andernfalls nicht geahndet werden, anklagt. Darüber hinaus engagiert sie sich gegen die weitere Verdrängung der afrikaansen Kultur aus der Öffentlichkeit, z. B. von Afrikaans als Unterrichts-und Behördensprache (Matthee 2016) . Das bisher ehrgeizigste Projekt ist das eines "Afrikaaner-Zions", einer im ariden und nur dünn besiedelten privaten (!) "Afrikaaner-Stadt" namens Orania am Oranjefluss (Scheen 2013; Drechsler 2015; Bröll 2019 Nicht anders als in Dakar taten sich die Vertreter des ANC auch jetzt in Kapstadt mit Kritik an seiner Politik schwer. Diese auch heute weltweit hofierte Bewegung ist es schlichtweg nicht gewohnt, kritisch gesehen zu werden. Auch werden in der Zeit des Exils in der kommunistischen Welt entstandene Vorbehalte gegen Minderheitenschutz weiterhin vorhanden sein. Zudem fehlt es dem ANC nach 350 Jahren eines rassistischen Regimes mit guten Gründen am Vertrauen dahingehend, dass die Unterdrücker von einst binnen eines Vierteljahrhunderts zu loyalen Bürgern der neuen Kap-Republik geworden sind. Dementsprechend wurden, so wie vor Jahr und Tag in Dakar, Problemkreise wie "sacrificial partition" 12 , d. h. die Schaffung eines Afrikaaner-Israel, mit keinem Wort angesprochen. 13 Zweierlei sollte aber für Südafrika bescheidene Hoffnung geben: Die Vertreter des Schwarzen Südafrikas waren in Kapstadt nicht nur bereit, die sehr deutlich vorgetragenen Klagen der Afrikaaner anzuhören, sondern sie auch in die gemeinsame Abschlusserklärung ("Joint Declaration") aufzunehmen (Politicsweb 2021) . Außerdem sind beide Seiten fest entschlossen, den für die Zukunft vielleicht von Solidariteit zu übernehmenden Meinungsaustausch mit Hilfe der bereits jetzt vorbildlich engagierten deutschen Stiftung fortzusetzen. Wenngleich es durchaus auch kritische Stimmen zu der Rolle von Solidariteit gibt (Zyl-Hermann 2018): Ohne den beschriebenen Austausch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Afrikaaner eine Teilung des Landes anstreben werden. Dies birgt die Gefahr eines südafrikanischen Bürgerkrieges, der viel verbrannte Erde zurücklassen würde. Vor einem solchen Szenario hat der Maler und in Apartheidzeiten langjährige politische Häftling Breyten Breytenbach bereits am 5. Juni 1991 im Gespräch mit der französischen Tageszeitung Le Monde gewarnt: "L'Afrique du Sud va bientôt explorer les variantes infinies de la barbarie" (Le Monde 1991, "Südafrika wird in absehbarer Zukunft die unendlichen Varianten der Barbarei entdecken", eigene Übersetzung). Danksagung Der Verfasser widmet seinen Beitrag seinem langjährigen Freund Professor Dr. Deon Geldenhuys, ehemals Randse Afrikaanse Universiteit, Johannesburg, Suid Afrika. 12 Dieser Ausdruck wurde von van Zyl Slabbert geprägt und wiederholt genutzt. 13 Diesen Punkt anzusprechen oblag in Dakar einem der ausländischem Mitglieder der Slabbert-Delegation (Ropp 1989a und 1989b). K The politics of redress: South African style affirmative action Affirmative action and the perpetuation of racial identities in post-apartheid South Africa Russland zwischen Anarchie und Autokratie South Africa's resource curses and growing social resistance Fachkräfte flüchten aus Südafrika Ein weißes Feld. Frankfurter Allgemeine Magazin A perspective on the Afrikaner talks with the Mbeki Foundation. www.politicsweb.co.za/ opinion/a-perspective-on-the-afrikaner-talks-with-the-mbek Brothers in war and peace. Constand and Abraham Viljoen and the birth of the New South Africa. Cape Town: Random House Struik White South Afrikans complain affirmative action policy is causing them to face discrimination Mit der Weisheit am Ende. Der Tagesspiegel, Bd The nation, its population and their re-calibration: South African affirmative action in a neoliberal age The next South Africa. The National Interest Non-territorial autonomy and decentralisation. Ethno cultural diversity governance Ohne Verhandlungslösung ist die Gefahr des dritten Weltkriegs ständig gegenwärtig". Interview mit Egon Bahr. Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 28, 8. Government Communication and Information System Das Grundgesetz -Ein Exportartikel Race for education: Gender, White tone, and schooling in South Africa Slabbert. Man on a mission. A biography Thinking about state failure (III) An almost indescribable mess Südafrika schlittert noch weiter in die soziale und wirtschaftliche Krise Teilung Südafrikas als Ausweg. Quick, Bd. 31. Juli (S Afrique du Sud/L'écrivain Breyten Breytenbach dénonce "culture stalinienne" de l'ANC Affirmative action policy and the search for racial equality identities in post-apartheid South Africa Die Ursachen für Chaos und Gewalt Taalbelang is stoffelijk belang! -In Südafrika ist die Sprache Afrikaans durch Einheitsenglisch bedroht A brief history of educational inequality from Apartheid to the present Südafrika und die Vereinten Nationen -Ein Rückblick auf die Jahre 1945 bis 1994 Eine kritische Würdigung der deutschen Südafrika Politik German Verfassungsrecht under the Southern Cross. Observations on South African-German interaction in recent history with particular reference to constitution-making in South Africa Declaration of the Afrikaner -Africa Conference Ace Magashule, South Africa's next president? Tell my people that I love them and that they must continue the struggle Conversations with my sons and daughters Politics of preferential development: trans-global study of affirmative action and ethnic conflict in Fiji, Malaysia and South Africa Sir Robin -his excellent excellency South Africa's capital crises Two years after Dakar, the dialogue continues Afrikaner -Israel kan'n tweede Lebanon verhoed. Vrye Weekblad Das neue Südafrika. Vom Umbruch zum Zusammenbruch? Eine deutsche Sicht Offener Brief an einen verstorbenen Freund: Hat Orania eine Chance? Das Post-Apartheid-Südafrika. Zu dem Treffen von Afrikanern und Afrikaanern in Dakar Der Niedergang des demokratischen Südafrika. Ein deutscher Beitrag der Wagenburg. Frankfurter Allgemeine Südafrika Faszinierende Lektüre. Akten zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurter Allgemeine, Bd Betrayal of the promise. How South Africa is being stolen. State Capacity Research Project Gewalt in Südafrika weitet sich aus Accord on Afrikaner self-determination 23 GDP growth (annual %) -South Africa Population total -South Africa Genscher und das südliche Afrika Farewell to the host with the most in South Africa Spirit of reconciliation sweeps aside letter of vote. The election was deeply flawed, but nearly everyone likes the outcome Carel Boshoff, founder of White redoubt in South Africa, dies at 83. The New York Times An indictment of South Africa: Whites-only town Orania is booming Ramaphosa is last hope for SA, says Chinese ambassador The Global competitiveness report Make Afrikaners great again! National populism, democracy and the new white minority politics in post-apartheid South Africa