key: cord-0066721-jrqbpq7o authors: Richter, Thomas; Johansson, Jessica; Castro, Silvia Rojas title: Zwischen Regulierung und Repression: Ein Beitrag zur Einordnung gesetzlicher Maßnahmen in Bezug auf die Auslandsfinanzierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen date: 2021-08-16 journal: Z Politikwiss DOI: 10.1007/s41358-021-00279-y sha: ddfd9610123e5a6fa552ca015dac21f043fcfc8b doc_id: 66721 cord_uid: jrqbpq7o Legal measures restricting the foreign funding of civil society organisations are seen as a central component of shrinking civic spaces. However, there is no consensus in the literature on what constitutes appropriate state intervention in this area. The article therefore develops a conceptual framework to empirically determine the restrictive character of state intervention more precisely. We make plausible our conceptual argument based on six short case studies on Germany, Austria, Turkey, Hungary, Uruguay, and Venezuela. In doing so, we contribute to the debate on shrinking civic spaces in three ways. First, we show that legal measures regarding foreign funding of civil society should not always be seen as part of a global repressive trend. Second, we propose a new classification of legal measures that goes beyond the hitherto dominant binary understanding that, especially regarding the Global South, assumes repressive tendencies to any adaptation of legal measures. Thirdly, we attempt to link a view of international human rights on the freedom of association with a perspective focused on national constitutional norms, to draw attention to the existing legal normative differences between these two levels in many countries around the world. vereinfachter Form hilft zu unterscheiden, ob es sich bei den jeweiligen in Gesetzesform formulierten staatlichen Maßnahmen um eine angemessene Regulierung, um eine gerechtfertigte Einschränkung oder eben möglicherweise um Repression handelt. Damit versuchen wir in dreifacher Art und Weise zu den bisherigen Debatten über schrumpfende zivilgesellschaftliche Räume beizutragen. Wir zeigen erstens, dass gesetzliche Maßnahmen in Bezug auf die ausländische Finanzierung von Zivilgesellschaft nicht zwangsläufig als Teil eines weltweiten repressiven Trends anzusehen sind. Zweitens schlagen wir eine diesem Einwand gerecht werdende neue empirischanalytische Einordnung vor, die über das bisher dominante Verständnis hinausgeht, welches gerade im Global Süden jeglicher Anpassung gesetzlicher Maßnahmen in diesem Bereich repressive Tendenzen unterstellt. Drittens versuchen wir, die internationale Menschenrechtsperspektive zur Vereinigungsfreiheit mit einer Perspektive in Verbindung zu bringen, die auf nationale verfassungsrechtliche Normen fokussiert, um damit besser auf die in vielen Ländern existierenden Widersprüche zwischen diesen beiden Ebenen aufmerksam zu machen. Unser Beitrag ist folgendermaßen aufgebaut. Im sich anschließenden zweiten Abschnitt diskutieren wir drei Defizite in der Literatur an der Schnittstelle von schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Räumen und ausländischer Finanzierung von ZOs. Darauf aufbauend schlagen wir im dritten Abschnitt einen konzeptionellen Rahmen vor, der eine präzisere Einordnung gesetzlicher Maßnahmen in diesem Bereich über eine größere Anzahl von Ländern hinweg ermöglicht. Um den empirischen Mehrwert unseres Vorschlags zu demonstrieren, führen wir im vierten Teil des Artikels eine Plausibilitätsprüfung durch. Dabei diskutieren wir den Charakter gesetzlicher Maßnahmen in Bezug auf die Auslandsfinanzierung von ZOs in sechs unterschiedlichen Staaten (Deutschland, Österreich, Türkei, Ungarn, Uruguay, und Venezuela) und ordnen die jeweilige nationale Gesetzgebung anhand des von uns vorgeschlagenen heuristischen Rahmens auf einer Skala von ermöglichender Regulierung, gerechtfertigter Einschränkung und ungerechtfertigter Einschränkung ein. Allein die letzte Kategorie bezeichnen wir als Repression. In unseren abschließenden Schlussfolgerungen unterstreichen wir das Potenzial unseres Beitrags für die zukünftige Forschung zu schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Räumen und verweisen auf eine Reihe von zukünftigen Forschungsdesiderata. Die Einhaltung der Vereinigungs-, Versammlungs-und Redefreiheit durch den Staat gilt als Voraussetzung für die Existenz einer lebendigen Zivilgesellschaft. Experten haben daher davor gewarnt, dass eine zusätzliche Regulierung der ausländischen Finanzierung von ZOs, Verpflichtungen im Rahmen des Völkerrechts und der internationalen Menschenrechten verletzen könnte (Kiai 2013 (Kiai , 2016 Buyse 2018; American Bar Association 2015) . Nach dieser Auffassung ist der uneingeschränkte Zugang zu Finanzmitteln eine notwendige Bedingung für die Ausübung dieser Grundrechte. Eine wie auch immer ausgestaltete Einschränkung der Finanzierung aus nationalen oder internationalen Quellen könnte direkt in die Vereinigungsfrei-K heit eingreifen (Kiai 2013) und müsste daher eine Reihe von Bedingungen erfüllen (Buyse 2018, S. 980) . Aufgrund des strukturellen Mangels an lokalen Finanzmitteln sind insbesondere weite Teile der Zivilgesellschaft im Globalen Süden faktisch abhängig von ausländischer Unterstützung. Dies gilt insbesondere für Organisationen, die sich in politisierten Bereichen wie Menschenrechte, Demokratie, Wahlen, Transparenz, Antikorruption und gute Regierungsführung engagieren. Eine Regulierung in Bezug auf ausländische Finanzierung kann sich darüber hinaus aber auch auf andere staatliche Funktionen auswirken. Sind doch in Bereichen wie Bildung, Gesundheit oder lokale Entwicklung zivilgesellschaftliche Organisationen aktiv, die im Auftrag oder an Stelle des Staates eine Grundversorgung bereitstellen oder andere essenzielle Dienstleistungen erbringen und dafür vorwiegend auf ausländische Finanzmittel angewiesen sind (Dupuy et al. 2015; Amnesty International 2016; Dupuy und Prakash 2018) . Der Großteil der bisherigen Literatur neigt dazu, neue gesetzliche Maßnahmen zur Auslandsfinanzierung als Teil des breiteren Phänomens schrumpfender zivilgesellschaftlicher Räume anzusehen (so z. B. Carothers 2006; Gershman und Allen 2006; Borgh und Terwindt 2012; Carothers und Brechenmacher 2014; Mendelson 2015; Rutzen 2015a, b; Buyse 2018) . Darin wird die Regulierung der Auslandsfinanzierung als eine staatliche Strategie interpretiert, die der aktiven und präventiven Unterdrückung von zum herrschenden Regime oder der gewählten Regierung alternativen politischen Positionen dient. Insbesondere soll damit der Einfluss oppositioneller politischer Kräfte eingedämmt werden. Deren Aufstieg ist als Teil externer Demokratieförderung in vielen Fällen maßgeblich durch finanzielle Unterstützung aus dem Ausland ermöglich worden (Christensen und Weinstein 2013; Kiai 2013; Carothers und Brechenmacher 2014; Rutzen 2015a) . Inwieweit jedoch gesetzliche Maßnahmen zur Regulierung einer ausländischen Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Tätigkeiten als Teil eines allgemeineren Trends von schrumpfenden Räumen anzusehen ist, bleibt umstritten. Selbst wenn Regierungen neue gesetzliche Maßnahmen in Bezug auf ausländische Finanzierung eingeführt haben, sind nicht in jedem Fall dazu zusätzliche Einschränkungen von zivilgesellschaftlichem Handeln implementiert worden (Carothers und Brechenmacher 2014, S. 16) . Daher haben einige Autor:innen vorgeschlagen, dass der Bereich der Auslandsfinanzierungsregulierung nicht zwangsläufig als ein Teil von restriktiverem staatlichem Handeln gegenüber Zivilgesellschaft anzusehen ist. Man solle sich daher nicht nur darauf konzentrieren, ob neue staatliche Maßnahmen erlassen werden, sondern vielmehr genauer prüfen von welcher Art die dadurch entstehenden Einschränkungen tatsächlich sind (Wolff und Poppe 2015) . Ein sich daran anschließendes Defizit in der existierenden Literatur ergibt sich in Bezug auf die empirische Messung von regulativen Einschränkungen im Bereich der Auslandsfinanzierung von ZOs. Die bisher an einer Hand abzuzählenden empirisch-vergleichenden Studien zu diesem Thema verwenden alle eine binäre Kategorisierung und messen damit entweder das Vorhandensein oder das Fehlen von neuen gesetzlichen Maßnahmen in diesem Bereich. Dabei nehmen diese Arbeiten an, dass mit einem neuen Gesetz Einschränkungen einhergehen (vgl. dazu insbesondere Dupuy et al. 2016; Reddy 2018; aber auch Wolff und Poppe 2015) . Ob dies aber tatsächlich der Fall ist oder welche Einschränkungsart sich durch eine spezifische staatliche Maßnahme tatsächlich ergibt, lässt sich mit dieser Vorgehensweise nicht feststellen. Zum Beispiel muss sich eine staatlich vorgeschrieben Berichtspflicht in Bezug auf ausländische Finanzierung nicht notwendigerweise negativ auf die Ausübung der Vereinigungsfreiheit auswirken. Eine neue Gesetzgebung könnte beispielsweise Gemeinwohl orientiert formuliert sein, um die finanziellen Transaktionen eines bisweilen chaotisch operierenden Sektors transparenter zu gestalten. Ein vollständiges oder teilweises Verbot von ausländischer Finanzierung hingegen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Tätigkeitsschwerpunkte und womöglich sogar in die Existenzgrundlage von ZOs eingreifen und damit die Vereinigungsfreiheit maßgeblich beschränken. Kurz gesagt, das Regulierungsdesign und das Ausmaß, in dem gesetzliche Maßnahmen in das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit eingreifen, scheint von Bedeutung für die empirische Einordnung zu sein, ob es sich dabei nur um einen regulativen oder bereits um einen repressiven Eingriff handelt. Über diese Unterscheidung wird in der bisherigen Literatur zur ausländischen Finanzierung von ZOs bisher nicht ausreichend reflektiert. Ein letzter defizitärer Bereich in der aktuellen Literatur betrifft die Auswahl der normativen Bezugspunkte, um zwischen einem regulativen und einem restriktiven Charakter von staatlichen Maßnahmen unterscheiden zu können. 2 Die Position, dass es sich bei der Mehrheit der neuen Auslandsfinanzierungsgesetze um nicht zu rechtfertigende Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit, d. h. möglicherweise sogar um staatliche Repression handeln könnte, wurde dahingehen kritisiert, dass sie deren möglichen umstrittenen Charakter im internationalen System der Staaten nicht ausreichend berücksichtigt. Beispielsweise wird oft übersehen, welche guten Gründe Regierungen haben, um eine ausländische Finanzierung der Zivilgesellschaft einzuschränken (Wolff und Poppe 2015 . In diesem Zusammenhang wurde Kritik an einer ausschließlich völkerrechtsbasierten Interpretation geübt, die die neuen Gesetzgebungen zur ausländischen Finanzierung als unumstößliches Indiz für staatliche Repression unter Verletzung internationaler Menschenrechtsverträge charakterisiert. So argumentieren z. B. Poppe und Wolff, "the political controversy over civil society support is characterized by norm contestation, and this contestation reveals competing perceptions of in/justice" (2017, S. 469). Bereits Breen (2015) Quellen konzentrieren, um eine präzisere Einordnung von gesetzlichen Maßnahmen vornehmen zu können. Zweitens ist die Ausübung der Vereinigungsfreiheit als Grundrecht nicht absolut. Einschränkungen von Grundrechten sind zulässig, wenn sie beispielsweise mit anderen gleichrangigen Rechten oder staatlichen Prinzipien kollidieren. Drittens kann die von uns gewählte Herangehensweise helfen eine bessere Bewertung der konkurrierenden normativen Annahmen abzugeben, die einem Teil der oben zusammengefassten Debatten über ausländische Finanzierung und schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Räumen zugrunde liegt. Mit einer solchen Vorgehensweise wird schließlich auch für Politikwissenschaftler:innen erkennbar, dass Staaten einerseits angemessene Gründe vorbringen können, um die ausländische Finanzierung von ZOs einzuschränken. Andererseits dürfen diese Gründe nicht willkürlich gewählt sein und sollten daher entweder nationalen oder internationalen Standards -in diesem Fall Rechtsnormen -unterliegen. Schließlich werden mit einer Gegenüberstellung von Rechtfertigungen für eine mögliche Einschränkung der Vereinigungsfreiheit auch die empirisch existierenden Unterschiede und Widersprüche zwischen internationalem Völkerrecht und jeweils nationalem Verfassungsrecht deutlicher. Daraus können sich daher interessante zusätzliche Impulse ergeben, die es wert sind, zukünftig ausführlicher untersucht zu werden. Auf Basis dieser Überlegungen schlagen wir vor, gesetzliche Maßnahmen zur Auslandsfinanzierung von ZOs, anhand der drei folgenden Kategorien zu unterscheiden: Die Einordnung einer Einschränkung auf Basis von nationalen verfassungsrechtlichen Rechtsnormen zielt gleichermaßen darauf hin, zu bestimmen, ob neue gesetzliche Maßnahmen ein Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit einschränken. Und wenn ja, ob diese Einschränkung (nicht) zu rechtfertigen ist. Leider gibt es für ein solches Vorgehen keine global einheitliche normative Rechtsquelle. Eine Einordnung ist daher im Rahmen des jeweils spezifischen nationalen Verfassungsrechts zu erfolgen. Allerdings ist es auch hier möglich, sich an den Grundelementen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu orientieren (Alexy 2002; Sweet und Mathews 2008; Barak 2012) , die zunehmend auch für international vergleichende Verfassungsanalysen herangezogen werden. Ganz ähnlich wie für den Bereich der internationalen Menschenrechte gilt es die folgenden vier Prinzipen für eine Einordnung heranzuziehen: (I) Rechtmäßigkeit, (II) Legitimität, (III) Angemessenheit und (IV) Notwendigkeit. In Bezug auf Rechtmäßigkeit (I) ist also zunächst erneut zu prüfen, ob neue gesetzliche Maßnahmen den rechtlichen Gepflogenheiten des jeweiligen Landes entsprechend erlassen wurden. Bei der weitergehenden Einschätzung in Bezug auf Legitimität (II) geht es darum herauszufinden, ob der im jeweiligen Gesetz benannte Grund für die spezifische Einschränkung so auch in der jeweiligen Verfassung als legitimer Grund für eine mögliche Einschränkung einer Grundrechtsnorm benannt ist (Barak 2012, S. 245 ff.; Jackson 2014, S. 3111-3113) . 7 Dies kann nur nach einer Analyse der jeweils relevanten Gesetzestexte, der Verfassung und gegebenenfalls weiterer Sekundärliteratur erfolgen. Sollte ein im Sinne des nationalen Verfassungsrechts formulierter legitimer Grund für die Einschränkung nachgewiesen werden, wäre im dritten Schritt zu prüfen, ob es möglich ist, die im Gesetzestext erwähnte Einschränkungen als angemessen (III) einzuordnen. D. h. es ist zu beurteilen, ob eine mögliche Einschränkung in einem nachvollziehbaren und sinnvollen Zusammenhang mit dem unter (II) formulierten Ziel der Einschränkung steht (Sweet und Mathews 2008, S. 76 ) und ob die dabei formulierte konkrete Regel tatsächlich zur Realisierung dieses Ziels beitragen kann (Barak 2012, S. 303 ff.) . Sollte dies mit ja beantwortet werden können, ist abschließend eine Entscheidung über die Notwendigkeit (IV) der Einschränkung abzugeben. Ähnlich wie auf der internationalen Ebene wäre hier zu zeigen, dass die im Gesetzestext formulierte, einschränkende Regel -im Vergleich zu anderen Einschränkungen -die am wenigsten restriktive ist (Alexy 2002; Barak 2012) . Sind alle diese Bedingungen erfüllt, dann kann eine in der Gesetzgebung formulierte Einschränkung auch auf der nationalen Ebene als gerechtfertigt einschränkende Regulierung eingeordnet werden. Sollten allerdings bei einer dieser vier Bedingungen Zweifel bestehen, dann ist eine Gesetzgebung als ungerechtfertigt einschränkende Regulierung anzusehen. Vor dem Hintergrund unseres konzeptionellen Vorschlages zur präziseren Einordnung gesetzlicher Maßnahmen zur Auslandsfinanzierung von ZOs diskutieren wir im folgenden Teil des Artikels den konkreten Charakter solcher Maßnahmen in Deutschland, Österreich, der Türkei, Ungarn, Uruguay und Venezuela. Damit möchten wir den vergleichend-analytischen Mehrwert unserer Heuristik besser verdeutlichen. Methodisch verstehen sich diese sechs kurzen Fallstudien als eine Plausibilitätsprüfung (George und Bennett 2005; Levy 2008), "to give the reader a ,feel' for a theoretical argument by providing a concrete example of its application, or to demonstrate the empirical relevance of a theoretical proposition by identifying at least one relevant case" (Levy 2008, S. 6-7). Bei der Auswahl dieser sechs Fälle habe wir uns von zwei zentralen Kriterien leiten lassen. Erstens sollten alle Länder den ICCPR (UN General Assembly 1966) ratifiziert haben und damit im Prinzip dem Gültigkeitsbereich der internationalen Menschenrechte unterliegen. Zweitens sollten in allen zu diskutierenden Fällen spätestens seit Ende der 1990er-Jahre das Thema der Auslandsfinanzierung von Zivilgesellschaft als politisches Problem aufgetreten sein. D. h. es sollte mindestens einen politischen Diskurs über die Notwendigkeit einer verbesserten Regulierung in diesem Bereich gegeben haben. Mitte der 2010er-Jahre wurde in der Bundesrepublik debattiert, ob es notwendig sei, für sogenannte Moscheevereine, die Möglichkeit einer Auslandsfinanzierung zu begrenzen. Beflügelt durch die aufstrebende Alternative für Deutschland (AfD) und teilweise unterstützt von Vertretern der Christlich-Sozialen Union (CSU), sprach sich eine Reihe von Politikern für ein zukünftiges Verbot der Auslandsfinanzierung für diesen Teil der Zivilgesellschaft aus (z. B. Tagesspiegel 2016; Welt 2016). Trotz einer intensiv geführten öffentlichen Debatte stellte sich schnell heraus, dass es in Deutschland nicht nötig ist, zusätzliche gesetzliche Maßnahmen für diesen Bereich zu formulieren. Obwohl im Fall der Bundesrepublik das Problem der Auslandsfinanzierung als politisches Problem nur für eine sehr kleine und spezifische Gruppe von ZOs diskutiert wurde, bietet eine zusammenfassende Erläuterung der Gründe, warum es schließlich zu keinen neuen staatlichen Maßnahmen kam, einen anschaulichen Anwendungsfall für die von uns entwickelte Heuristik. Weder Damit kann Deutschland als ein Fall eingeordnet werden, der exemplarisch für eine Klasse von Ländern steht, in denen die Auslandsfinanzierung von ZOs zwar als politisches Problem thematisiert wurde, dies aber aufgrund der Anerkennung der Vereinigungsfreiheit als Rechtsnorm auf nationaler, wie auch auf internationaler Ebene zu keiner zusätzlichen gesetzlichen Maßnahme geführt hat. Auch im österreichischen Vereins-und Stiftungsrecht existieren keine spezifischen Beschränkungen zur Auslandsfinanzierung. Verbunden mit dem Aufstieg der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), die seit 2005 einen aggressiven islamophoben Wahlkampf führte (Hafez 2015) , hat sich zu Beginn der 2010er-Jahre allerdings eine Diskussion über die mögliche Einschränkung der Auslandsfinanzierung von islamischen Religionsgesellschaften -die in Österreich als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind -entspannt. Im Gegensatz zum deutschen Nachbarn hat dies in der Alpenrepublik im Februar 2015 zur Verabschiedung einer Novelle des bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter der Österreichisch-Ungarischen Monarchie entstandenen Islamgesetzes geführt. K mit der Ausweisung Dutzender Imame. Diese Imame wurden, wie die österreichische Regierung ausführte, direkt vom türkischen Staat bezahlt (Löwenstein 2018) , was nach österreichischem Recht, wie oben beschrieben, rechtswidrig sei. Später im selben Jahr reichten zwei dieser Imame eine Klage beim österreichischen Verfassungsgerichtshof ein. Im März 2019 veröffentlichte der Gerichtshof sein Urteil, in dem er die Ausweisung jener Imame bestätigte, die von einer für religiöse Angelegenheiten zuständigen türkischen Regierungsorganisation bezahlt wurden (Möchel und Schreiber 2019) . Der Verfassungsgerichtshof begründete sein Urteil mit einer ersten Interpretation der Reichweite von Artikel 6 Absatz 2 des österreichischen Islamgesetzes. Dem Gerichtshof zufolge bezieht sich dieser spezielle Absatz darauf, den Einfluss ausländischer Staaten auf religiöse Gesellschaften in Österreich zu unterbinden. Auch wenn damit das Grundrecht der islamischen Religionsgesellschaften, ihren Bestand durch die freie Wahl von finanziellen Mitteln abzusichern, eingeschränkt wird, erscheint diese spezifische Einschränkung sowohl legitim als auch angemessen. Auf Basis der österreichischen Verfassung muss die Unabhängigkeit aller religiöser Gesellschaften von jeglicher staatlichen Einflussnahme gewahrt sein. Das gilt natürlich auch für andere als den österreichischen Staat. 9 Abgesehen von diesem Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofes, welches ausschließlich das Verbot der Finanzierung durch ausländische Regierungen als verfassungskonforme Einschränkung bestätigt, scheint unter österreichischen Verfassungsexperten Einigkeit darüber zu bestehen, dass ein grundsätzliches Verbot der Auslandsfinanzierung für islamische Religionsgemeinschaften den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Gleichheit und Parität widerspräche (so z. B. Sterkl 2014; Dautović und Hafez 2019, S. 18). Ein gleichlautender Einwand kann -ähnlich wie oben im Fall von Deutschland dargestellt -sowohl aus europäischer als auch aus Sicht der internationalen Menschenrechte formuliert werden. Zudem ist im relevanten Artikel 6 Absatz 2 des Islamgesetz kein Verweis auf ein der in Artikel 22 ICCPR aufgeführten legitimen Ziele zu finden. Aus Sicht der internationalen Menschenrechte und der von uns vorgeschlagenen Heuristik folgend, muss das Verbot von Auslandsfinanzierung im österreichischen Islamgesetz daher als ungerechtfertigt einschränkende Regulierung eingeordnet werden. Zusammenfassend ist Österreich damit als ein Fall zu charakterisieren, für den aus einer nationalen verfassungsrechtlichen Sicht eine zweigeteilte Einordnung vorgenommen werden muss, wobei wichtig ist anzumerken, dass sich die hier behandelten Einschränkungen ausschließlich auf einen spezifischen Teil der österreichischen Zivilgesellschaft beziehen. Während das Verbot der Finanzierung von islamischen Religionsgesellschaften durch andere Staaten als gerechtfertigt einschränkende Regulierung einzuordnen ist, kann ein Verbot für nichtstaatliche ausländische Akteure als ungerechtfertigt einschränkende Regulierung angesehen werden. Aus einer internationalen menschenrechtlichen Perspektive hingegen ist das Verbot der Auslands-finanzierung eindeutig als ungerechtfertigt einschränkende Regulierung zu klassifizieren. Nachdem der Türkei Ende der 1990er-Jahre in Aussicht gestellt wurde, möglicherweise in die EU aufgenommen werden zu können, kam es bis Mitte der 2000er-Jahre zu einer umfassenden Reform der türkischen Gesetzgebung. Nicht nur wurden alle einschlägigen menschenrechtlichen Konventionen ratifiziert, sondern es wurden gleichfalls weite Teile der türkischen Gesetzgebung an europäische Anforderungen angepasst (Özçetin und Özer 2015) . In diesem Kontext entstand 2004 auch ein neues Vereinsgesetz (Gesetz Nr. 5253), dem 2008 eine Novelle des Stiftungsgesetzes (Gesetz Nr. 5737) folgte (Akbaş 2014) . In beiden Gesetzen werden gleichlautende Regeln zur Auslandsfinanzierung formuliert. Obwohl spätestens mit der Ausrufung des landesweiten Ausnahmezustandes nach dem gescheiterten Militärputsch vom 20. Juli 2016 in der Türkei massiv in die Vereinigungsfreiheit und andere Grundrechte eingriffen wurde, verwenden wir die beiden in den 2000er-Jahren entstandenen Gesetze, um sie exemplarisch mit Hilfe unserer Heuristik zu analysieren und anschließend einzuordnen. Aus Platzgründen diskutieren wir im Folgenden allerdings ausschließlich das Vereinsgesetz. Obwohl weite Teile des Gesetzestextes ausschließlich ermöglichende Regulierungen enthalten, werden in Bezug auf die Auslandsfinanzierung in Artikel 21 zwei einschränkende Regeln formuliert. Zunächst heißt es dort, dass der Erhalt ausländischer Mittel bei den örtlichen Behörden anzuzeigen ist (Republic of Turkey 2004, S. 10) . Zudem wird festgelegt, dass Auslandsfinanzierung nur über ein Bankkonto entgegengenommen werden darf (Republic of Turkey 2004, S. 10) . Aus Sicht der internationalen Menschenrechte stellen beide Maßnahmen eine gerechtfertigt einschränkende Regulierung dar, weil sowohl die Bedingung der Rechtmäßigkeit (i), des legitimen Ziels (ii), als auch der Notwendigkeit (iii) erfüllt sind. Nicht nur liegen die Einschränkungen als Teil eines Gesetzes vor, sie fallen ebenfalls unter die in der Präambel genannten Ziele. Artikel 1 definiert als Zweck des Gesetzes die Regulierung der Aktivitäten, der Pflichten und der Rechnungsführung von Vereinen. Interpretiert man diesen Zweck als staatliches Bestreben Transparenz herzustellen, um beispielsweise Betrug, Korruption, Geldwäsche oder der Finanzierung von Terrorismus vorzubeugen, so fällt dies nach allgemeiner Auffassung unter die legitimen Ziele des ICCPR (Bílková et al. 2019, S. 26-28) . Zudem erscheint auch die Pflicht zur Anzeige des Zahlungseingangs und die Anforderung ausländische Finanzmittel ausschließlich über das Bankensystem zu beziehen zu den am wenigsten restriktiven Maßnahmen zu gehören, um das oben genannten Ziel des Gesetzes zu erreichen. Ein Blick auf die nationale verfassungsrechtliche Ebene ergibt ein ganz ähnliches Bild, da auch hier argumentiert werden kann, dass alle vier von uns diskutierten Bedingungen (Rechtmäßigkeit, Legitimität, Angemessenheit und Notwendigkeit) erfüllt sind. Zunächst ist erneut festzustellen, dass es sich um rechtmäßige Einschränkungen handelt, da sie in Form eines Gesetzes vorliegen. Die türkische Verfassung schreibt die Vereinigungsfreiheit in Artikel 33 fest (Republic of Turkey 1982) . Allgemeine Einschränkungen dafür sind in Artikel 13 definiert und umfassen z. B. staatliche Integrität, nationale Souveränität und Sicherheit sowie öffentliche Ordnung, Moral und Gesundheit (Akbaş 2014) . Alle in Artikel 1 des Gesetzes genannten Gründe können damit als legitime Ziele anerkannt werden, um den Erhalt finanzieller Zuwendungen aus dem Ausland durch die definierten Regeln einzuschränken. Sie beziehen sich auf das staatliche Ziel den zivilgesellschaftlichen Sektor zu regulieren, mit einem besonderen Blick auf die Rechnungsprüfung. Letzteres erscheint als angemessenes Mittel zur Herstellung von Transparenz, um damit Betrug und Korruption bekämpfen oder Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern zu können. Die Pflicht zur Anzeige der Zahlungen aber auch das Erfordernis, alle ausländischen Zahlungen über ein Bankkonto zu leiten, werden einer Einschätzung der Venedig-Kommission zufolge dafür als angemessene staatliche Mittel betrachtet (Bílková et al. 2019, S. 18) . Nicht zuletzt kann argumentiert werden, dass beide Maßnahmen, die am wenigsten restriktiven sind. Damit ist auch das Kriterium der Notwendigkeit in einer demokratischen Ordnung erfüllt. Die im türkischen Vereinsgesetz formulierten Einschränkungen sind daher im Rahmen der von uns vorgeschlagenen Heuristik auch im Kontext des nationalen Verfassungsrechts als gerechtfertigt einschränkende Regulierung einzuordnen. Nachdem die rechtskonservative Fidesz-Partei 2010 mit einem erdrutschartigen Sieg die ungarischen Parlamentswahlen gewonnen hatten, begannen der daraufhin erneut zum Ministerpräsidenten gewählte Viktor Orbán und seine Gefolgsleute, das existierende politische System Ungarns zu ihren Gunsten umzubauen. Als Teil davon wurde ab etwa Mitte der 2010er-Jahre versucht, dem besonders regierungskritischen Teil der Zivilgesellschaft -ZOs die in der Mehrheit durch Geber aus dem Ausland unterstützt wurden -die Existenzgrundlagen zu entziehen (Móra 2018) . Ein im Juni 2017 vom ungarischen Parlament verabschiedetes Gesetz, stellte den vorläufigen Höhepunkt dieser Bemühungen dar. Es schreibt eine Reihe von Einschränkungen der ausländischen Finanzierung von Vereinen und Stiftung fest -beide Organisationsformen sind in Ungarn als Rechtssubjekte anerkannt (Szalai und Svensson 2017) . Dazu gehört insbesondere die Pflicht zur Offenlegung ausländischer Finanzierung gegenüber den Behörde, deren öffentliche Benennung auf der Webseite und in Publikationen der Organisation, sowie eine zusätzliche Registrierung im Vereinsregister, sobald eine Organisation mehr als 7,2 Mio. Forint (zum damaligen Zeitpunkt ca. 24.000 C) pro Jahr aus dem Ausland erhalten hat (Móra 2018; Bílková et al. 2019, S. 16) . Das Gesetz formuliert in seiner Präambel, dass es durch die Erhöhung von Transparenz innerhalb der Zivilgesellschaft, besser möglich sei, Geldwäsche zu unterbinden und Terrorismus vorzubeugen. Beides sind Gründe, die in Artikel 22 des ICCPR als legitime Ziele einer Beschränkung der Vereinigungsfreiheit aufgeführt werden (z. B. Bílková et al. 2019, S. 19, 26-27; Bárd 2020) . In der ungarischen Verfassung wird die Vereinigungsfreiheit in Artikel 63 garantiert, ohne dass dort auf Bedingungen einer möglichen Einschränkung hingewiesen wird. Allerdings sieht Artikel 7 Absatz 1 der Verfassung vor, das innerstaatliches Recht mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen ist. Mit Hilfe dieser Harmonisierungsklausel, können im un-K garischen Fall die in Artikel 22 des ICCPR benannten legitimen Ziele ebenfalls auf der nationalen Ebene zur weiteren Einordnung herangezogen werden. Gleichzeitig bietet diese verfassungsrechtliche Eigenschaft die Möglichkeit alle weiteren Schritte für die internationale und nationale Ebene gemeinsam zu diskutieren. Während die im ungarischen Fall formulierten Einschränkungen unter Verwendung legitimer Gründe begründet werden, scheint das Kriterium der Notwendigkeit dafür nicht erfüllbar zu sein. Erstens geht die Einführung neuer, zielgerichteter Transparenzvorschriften weit über die bereits bestehenden staatlichen Prüfungsanforderungen hinaus, so wie sie in anderen ungarischen Gesetzen formuliert sind. Im Zweifel können die Behörden daher bereits auf Informationen zur Auslandsfinanzierung zugreifen (Amnesty International 2017). Zweitens kann eine ZO, die gegen das Gesetz verstößt, auch mit ihrer Auflösung bestraft werden. Dies ist bei weitem nicht die am wenigsten restriktive Maßnahme, die ein Staat zur Verfügung hätte. Gerade die Auflösung einer Organisation gilt unter Experten zudem als ausgesprochen restriktiv (European Center for Not-for-Profit Law 2017). Drittens sind diese Maßnahmen, wie der EU-Gerichtshof kürzlich festgestellt hat, nicht gerechtfertigt, um das öffentliche Interesse Ungarns zu schützen. Einerseits ist die Annahme des Gesetzgebers, dass alle ausländischen Finanzmittel eine Bedrohung des öffentlichen Interesses darstellen, diskriminierender Natur, und andererseits scheint die Höhe der im Gesetz festgelegten finanziellen Schwellenwerte nicht notwendig zu sein, um Ungarn vor einer wahrgenommenen Bedrohung zu schützen (C-78/18 -Commission v Hungary (Transparence associative) 2020, S. 18). Damit kann abschließend festgehalten werden, dass die im Jahr 2017 vom ungarischen Parlament verabschiedeten Einschränkungen der ausländischen Finanzierung von ZOs sowohl aus Sicht der internationalen Menschenrechte als auch im Kontext des nationalen Verfassungsrechts als ungerechtfertigt einschränkende Regulierung eingeordnet werden müssen. Im uruguayischen Rechtssystem wird grundsätzlich zwischen Vereinen und Stiftungen als jeweils eigenständigen Rechtssubjekten unterschieden (Bettoni und Cruz 1999) . Nach dem Ende der Militärdiktatur 1985 durchlief das Land einen umfassenden Demokratisierungsprozess, zu dem auch eine Modernisierung seines Rechtssystems gehörte. In diesem Zusammenhang wurde 1999 ein neues Stiftungsgesetz verabschiedet (General Assembly of Uruguay 1999), welches wir im Folgenden als zentrale Quelle einer Einordnung heranziehen. 10 Das Stiftungsgesetz hat einen allgemeinen Charakter und formuliert insbesondere Regeln für die Gründung, Änderung und Auflösung von Stiftungen. In Bezug auf finanzielle Mittel schreibt es vor, dass bei einer Stiftungsgründung das Startkapital und deren Verwendungszweck benannt werden müssen (Artikel 2 und 3). Das Gesetz unterscheidet jedoch nicht zwischen der in-oder ausländischen Herkunft dieser Mittel (Bettoni und Cruz 1999) . Darü-10 Zu einer vergleichbaren Modernisierung im Vereinsrecht Uruguays ist es bis heute nicht gekommen. Das dafür relevante Gesetz stammt aus dem Jahr 1980. Es fällt daher nicht in den zeitlichen Kontext der Debatten zu schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Räumen, in die wir unsere Analyse in diesem Artikel einbetten. K ber hinaus existieren keine spezifischen Regeln mit Bezug auf eine ausländische Finanzierung. Aufgrund seines allgemeinen Charakters ordnen wir das Gesetz daher sowohl aus Sicht der internationalen Menschenrechte als auch aus einer nationalen verfassungsrechtlichen Perspektive als ermöglichende Regulierung ein. Im Rechtssystem Venezuelas wird ähnlich wie in allen anderen diskutieren Fällen grundsätzlich zwischen Vereinen und Stiftungen als die zwei zentralen rechtlich anerkannten ZOs unterschieden. In Folge der zunehmend autoritäre Züge annehmenden Präsidentschaft Hugo Chávez, die einherging mit einer massiv ansteigenden Einschränkung von Grundrechten, wurde seit etwa 2010 damit begonnen verschiedenen Teilen des venezolanischen Rechtssystems an die Bedürfnisse der Exekutive anzupassen. In diesem Zusammenhang wurde im Dezember 2010 das Gesetz zur Verteidigung der politischen Souveränität und nationalen Selbstbestimmung durch das Parlament verabschiedet. Darin wurden neue staatliche Maßnahmen in Bezug auf die Auslandsfinanzierung von ZOs formuliert. So beschränkt Artikel 4 die finanziellen Mittel aller ZOs mit einer politischen Orientierung und solcher, die sich für den Schutz von politischen Rechten einsetzen, auf ausschließlich nationale Quellen (La Asamblea Nacional de la República Bolivariana de Venezuela 2010). Obwohl das Gesetz formal das Kriterium der Legalität erfüllt, ist es aus Sicht der internationalen Menschenrechte nicht in der Lage dem nachgelagerten Kriterium des legitimen Ziels gerecht zu werden. Das z führt diesbezüglich den Schutz der Souveränität und nationalen Selbstbestimmung Venezuelas vor ausländischen Interventionen als Rechtfertigungen auf. Beide Aspekte entsprechen allerdings nicht den in Artikel 22 des ICCPR aufgeführten legitimen Ziele für mögliche Einschränkungen. Aus einer Sicht der internationalen Menschenrechte muss dieses Gesetz daher als eine ungerechtfertigt einschränkende Regulierung eingeordnet werden. Was die nationale Ebene anbelangt, so ist in Venezuela die Vereinigungsfreiheit als Grundrecht in der Verfassung festgeschrieben und explizit mit der Ausübung von politischen Tätigkeiten verbunden (Bolivarian Republic of Venezuela 1999 Artikel 67). Zudem genießen in Venezuela ratifizierte internationale Menschenrechtsverträge einen verfassungsrechtliche Vorrang (Bolivarian Republic of Venezuela 1999 Artikel 23). Daher kann gleichlautend zur Einordnung auf Basis der internationalen Menschenrechte auch aus verfassungsrechtlicher Sicht das Gesetz als ungerechtfertigt einschränkende Regulierung eingeordnet werden. Der Vollständigkeit halber halten wir es allerdings für angemessen eine kurze weitergehende Einschätzung dazu abzugeben, wie das Gesetz hätte eingeordnet werden können, wenn Artikel 23 der venezolanischen Verfassung nicht gelten würde. Gemäß Artikel 1 des Gesetzes wird die Einschränkung des Mittelbezugs auf nationale Quellen mit dem Schutz der politischen Souveränität und nationalen Selbstbestimmung begründet, um damit eine mögliche Einmischung von außen in die inneren Angelegenheiten Venezuelas verhindern zu können. Da in Artikel 1 der Verfassung unter anderem Souveränität und Selbstbestimmung als Gründungsprinzipien der Nation verankert sind, könnte das Ziel des Gesetzes damit als legitim eingestuft werden. Allerdings erscheint die im Gesetz formulierte Einschränkung mit einem Blick auf ihre Notwendigkeit als nicht unmittelbar mit dem legitimen Ziel verbunden. Der Zugang zu oder die Verwendung von ausländischen Geldern stellt nicht per se eine Bedrohung für staatliche Souveränität und Selbstbestimmung dar. Es könnte als eine solche Bedrohung bewertet werden, wenn ausländische Geldgeber beispielsweise den Bezug von Finanzmitteln an Bedingungen oder Aktivitäten knüpften, die diese Prinzipien potenziell untergraben würden. Allerdings stellen nicht alle der Aktivitäten, die im Gesetz als politische motiviert aufgeführt werden eine unmittelbare Gefährdung von Souveränität und Selbstbestimmung dar. Maßnahmen, welche beispielsweise Formen der politischen Teilhabe fördern, die wiederum die Selbstbestimmung bestimmter bisher marginalisierter Bevölkerungsgruppen erhöhen, würden im Gegensatz dazu beitragen die diese Gruppen betreffenden Teile der Souveränität und Selbstbestimmung zu verbessern. Kurz gesagt bleibt in diesem Zusammenhang unklar, warum es notwendig ist, zum Schutz der politischen Souveränität und nationalen Selbstbestimmung ein vollständiges Verbot ausländischer Finanzierung zu erlassen. Zusammengefasst müsste daher selbst aus einer Perspektive, die den verfassungsrechtlichen Vorrang internationalen Menschenrechtsverträge ignoriert, die im Gesetz formulierten Einschränkungen als eine ungerechtfertigt einschränkende Regulierung eingeordnet werden. In Tab. 1 haben wir die wichtigsten Dimensionen unserer Plausibilitätsprobe, d. h. der sechs kurzen Fallstudien zu Deutschland, Österreich, der Türkei, Ungarn, Uruguay und Venezuela zusammengefasst. Zunächst sei uns die Bemerkung gestattet, dass auf Basis unserer Heuristik eine Bewertung der im jeweiligen nationalen Recht kodifizierten restriktiven Qualität der Regulierung von Auslandsfinanzierung für ZOs deutliche differenzierter ausfällt als bisher in der Literatur üblich. Obwohl aus Platzgründen auf eine Analyse weiterer Länderbeispiele verzichtet werden musste, hat sich bereits mit Blick auf die sechs diskutierten Fälle gezeigt, wie vielfältig staatliche Maßnahmen auf einer Skala zwischen ermöglichender Regulierung und Repression sein können und das es als keineswegs ausgemacht gilt, dass jegliche zusätzliche gesetzliche Maßnahme in diesem Bereich automatisch als Restriktion einzuordnen ist (vgl. dazu insbesondere die Spalte zur "Einordnung anhand der internationalen Menschenrechte" zwischen den sechs Fallstudien und zudem mit der Spalte "Einordnung anhand des nationalen Verfassungsrechts" in Tab. 1). Eine weitere ursprünglich wenig naheliegende Beobachtung wird mit einem Blick auf die beiden Spalten "Zeitpunkt" und "politisches Problem" deutlich. Beim Thema Auslandsfinanzierung für ZOs handelt es sich aus einer empirischen Sicht um ein Phänomen, welches global gesprochen zeitlich weit gestaffelt aufgetreten ist, zudem auf ganz unterschiedlichen politischen Problemlagen beruht und -wie das Beispiel Deutschland zeigt -nicht zwangsläufig in eine Neugestaltung staatlicher Regulierung münden muss. Gleichzeitig und darauf verweist gerade die Spalte zum "Geltungsbereich der neuen gesetzlichen Maßnahmen", existiert auch in diesem Bereich ein bereits früher in der Literatur diagnostiziertes Problem für den länderübergreifenden Vergleich von nationalen Rechtsquellen. Für ähnliche politische Probleme und soziale Organisationen existieren länderabhängige Differenzen in Bezug auf re- Die weltweite Zunahme gesetzlicher Maßnahmen zur Beschränkung der ausländischen Finanzierung von ZOs hat eine Debatte ausgelöst, in der die überwältigende Mehrheit der Stimmen argumentiert, dass der historisch einmalige Anstieg staatlicher Eingriffe in diesem Bereich ausschließlich als eine Zunahme an Repression zu interpretieren ist. Damit werden staatliche Maßnahmen in diesem Bereich zu einem wichtigen Bestandteil, der seit knapp 20 Jahren zu beobachtenden Welle von schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Räumen. Im Gegensatz dazu hat eine Minderheit von Autor:innen argumentiert, dass Staaten gute Gründe haben können, um den externen Zufluss von Finanzmitteln an die Zivilgesellschaft einzuschränken. Angeregt von dieser Debatte, haben wir in diesem Artikel einen Vorschlag formuliert, um die genaueren Unterschiede des einschränkenden Charakters gesetzlicher Maßnahmen im interregionalen Vergleich besser als bisher sichtbar zu machen. Dabei schlagen wir auf Basis der Interpretation von kodifizierten Rechtsquellen vor, gesetzliche Maßnahmen in Zukunft valider auf einer Skala von ermöglichender Regulierung, über gerechtfertigt einschränkender bis hin zu ungerechtfertigt einschränkender Regulierung einzuordnen. Damit, so glauben wir, steht eine Möglichkeit zur Verfügung, die bisher dominante binäre politikwissenschaftliche Sicht auf einen Teilbereich der staatlichen Regulierung von Zivilgesellschaft zu revidieren. Welches sind abschließend die vielleicht relevantesten Forschungsdesiderate, von denen sich im Anschluss an die in diesem Beitrag dargestellten Überlegungen eine Bearbeitung anbieten würde. Um einen möglichst umfassenden empirischen Überblick über die Ausprägung des Phänomens zu erhalten, wäre es, erstens, sinnvoll das kodifizierte nationale Recht von möglichst vielen Ländern unter Zuhilfenahme der hier diskutierten Heuristik zu untersuchen und entsprechend einzuordnen. Erst dadurch würde sich ein wirklich repräsentatives und globales Bild in Bezug auf die Einschränkung der Auslandsfinanzierung von ZOs ergeben. Darüber hinaus wäre es mit einer breiteren Datenverfügbarkeit möglich, in einer stärker auf kausale Zusammenhänge fokus-sierenden vergleichenden Analyse den Ursachen von tatsächlichen Beschränkungen und Repression auf den Grund zu gehen. Vorausgesetzt es wäre in Zukunft möglich, eine größere Anzahl von Fällen anhand des von uns vorgeschlagenen Schemas zu kodieren, ergäben sich damit zudem interessante Fragestellungen hinsichtlich einer getrennten Erklärung für den Beginn von ermöglichender auf der einen und gerechtfertigt einschränkender Regulierung auf der anderen Seite. Dies könnte wiederum neue Perspektiven auf die Forschung zur Auslandsfinanzierung von Zivilgesellschaft im engeren Sinne eröffnen, aber auch zu einer pointierteren Debatte über schrumpfende zivilgesellschaftliche Räume insgesamt beitragen. Zweitens ließe sich auf Basis einer breiteren Datenverfügbarkeit zukünftig gezielter der von uns gemachten Einschränkung auf eine rechtsimmanente Analyse begegnen. Gerade für nichtdemokratische politische Systeme wäre es im Anschluss an die Kodierung eines globalen Samples sinnvoll den Einfluss von rechtfertigenden öffentlichen Diskursen im Vorfeld der Änderung gesetzlicher Maßnahmen, die Reaktion der Adressaten von einschränkender Regulierung sowie der politischen Opposition oder, wenn verfügbar, die Rechtsprechung nationaler und internationaler Gerichte mit in eine weiterführende Rechtfertigungsbewertung einzubeziehen. Zudem wäre es für diese politischen Regimetypen ebenfalls nötig, einen genaueren Blick auf rechtswidriges Verhalten durch staatliche Stellen, die Rolle von vage gehaltenen gesetzlichen Bestimmungen und die Reaktion staatlicher Entscheidungsträger auf "unwillkommene" Rechtsauslegungen durch nationale oder internationale Akteure zu werfen. Damit könnte über unseren in diesem Artikel gemachten Vorschlag hinausgehend, eine mögliche Instrumentalisierung von Recht durch illiberale Akteure empirisch sichtbar gemacht werden. 11 Drittens wäre zu prüfen, ob es möglich und sinnvoll ist, einige der von uns vorgeschlagenen konzeptionellen Elemente für die vergleichende und länderübergreifende Analyse anderer Grundrechtseinschränkungen heranzuziehen. Insgesamt könnte mit so einer Horizonterweiterung insbesondere ein Beitrag zur allgemeineren politikwissenschaftlichen Repressionsforschung geleistet werden, die bekanntlich Repression überwiegend als gewalttätiges Verhalten bzw. dessen Androhung durch staatliche Akteure operationalisiert. Der von uns vorgeschlagene rechtswissenschaftlich inspirierte und im Kern stärker strukturelle Repressionsbegriff wäre eine interessante Ergänzung zu den bisher dominierenden Forschungsansätzen. Viertens eröffnet unser konzeptioneller Vorschlag der Einordnung von kodifiziertem nationalem Recht eine Möglichkeit, die vor allem in der politikwissenschaftlichen Subdisziplin der internationalen Beziehungen geführten Debatten über globale Normenkonflikte, durch eine präzisere Operationalisierung anzureichern. Dies ist perspektivisch möglich, weil wir mit unserem konzeptionellen Rahmen über die Analyse diskursiver Begründungen von Politik durch staatliche Akteure hinausgehen und zudem die Verletzung von Rechtsnormen sowohl aus Sicht der internationalen Menschenrechte als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht inklusive der dabei existierenden Unterschiede sichtbar machen können. Introduction: the politics of public justification Nonprofit law in Turkey. Working papers, Bd. 51. Baltimor: The Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project A theory of constitutional rights International and comparative law analysis of the right to and restrictions on foreign funding of non-governmental organizations Agents of the people. Four years of "foreign agents" law in Russia: consequences for the society Hungary: NGO law a vicious and calculated assault on civil society Civil society challenged: towards an enabling policy environment Civil society in times of change: shrinking, changing and expanding spaces Legal foreign funding restrictions on civil society organizations (CSOs) worldwide Proportionality: constitutional rights and their limitations The Hungarian "lex NGO" before the CJEU: calling an abuse of state power by its name COVID-19 as a threat to civic spaces around the world The state and civil society: regulating interest groups, parties, and public benefit organizations in contemporary democracies Civil society under assault: repression and responses in Russia Allies or adversaries? Foundation responses to government policing of crossborder charity und Thomas Carothers. 2020. How will the coronavirus reshape democracy and governance globally? Squeezing civic space: restrictions on civil society organizations and the linkages with human rights Herdís Kjerulf Thorgeirsdottir, und Pieter van Dijk The backlash against democracy promotion Closing space: democracy and human rights support under fire Defunding dissent: restrictions on aid to NGOs Max Planck encyclopedia of public international law Institutionalizing Islam in contemporary Austria: a comparative analysis of the Austrian Islam act of 2015 and Austrian religion laws with special emphasis on the Israelite act of 2012 Ausländische Finanzierung von Vereinen Rethinking civil society: toward democratic consolidation Do donors reduce bilateral aid to countries with restrictive NGO laws? A panel study Who survived? Ethiopia's regulatory crackdown on foreign-funded NGOs Hands off my regime! Governments' restrictions on foreign aid to non-governmental organizations in poor and middle-income countries Diffusion and the constitutionalization of Europe European Center for Not-for-Profit Law. 2017. Hungarian law on foreign funded NGOs. The Hague: European Center for Not-for-Profit Law Hungary: joint opinion on the provisions of the so-called stop Soros draft legislative package which directly affect NGOs (in particular draft article 353A of the criminal code on facilitating illegal migration European Commission for Democracy through Law, Venice Commission, und OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights, OSCE/ODIHR Islamgesetz: Warum Österreichs Islamgesetz kein Vorbild ist The assault on democracy assistance Das IslamG im Kontext islamophober Diskurse. Eine Policy Frame-Analyse zum Politikgestaltungsprozess des IslamG Constitutional law in an age of proportionality Regulation inside government: public interest justifications and regulatory failures Report of the Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association. Human A/HRC/23/39 Analysis on international law, standards and principles-applicable to the foreign contributions regulation act 2010 and foreign contributions regulation rules 2011. Info Note Case studies: types, designs, and logics of inference Islamgesetz in Österreich: Gehaltsschecks aus der Türkei Why governments target civil society and what can be done in response: a new agenda Politischer Islam: Staatliche Auslandsfinanzierung von Imamen bleibt verboten. Kurier Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen öffentlicher Finanzierung muslimischen Lebens in Deutschland Democratic backsliding and civil society response in Hungary The current policy environment for civil society in Turkey. Comparative nonprofit sector working paper The contested spaces of civil society in a plural world: norm contestation in the debate about restrictions on international civil society support Ungebetene Gäste -Es gibt kein Recht auf Hilfe für die Zivilgesellschaft in anderen Ländern Do good fences make good neighbours? Neighbourhood effects of foreign funding restrictions to NGOs Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften -Islamgesetz Reduced scope for action worldwide for civil society Civil society under assault Aid barriers and the rise of philanthropic protectionism A cautionary note about the frame of peril and crisis in human rights activism Experten kritisieren geplantes Islamgesetz Proportionality balancing and global constitutionalism. Columbia Contested forms of solidarity: an overview of civil society organisations in Hungary and their impact on policy and the social economy. Working paper series AfD streitet über Moscheen-Verbot International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR) Civil society under pressure -shrinking -closing -no space Scheuer will ausländische Finanzierung von Moscheen verbieten From closing space to contested spaces: re-assessing current conflicts over international civil society support Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. 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