key: cord-0065310-egc2guy4 authors: Spranger, Julia; Niederberger, Marlen title: Big Data in der Gesundheitsförderung und Prävention: Ergebnisse einer Delphi-Studie mit einem Schwerpunkt auf vulnerable Gruppen date: 2021-07-01 journal: Präv Gesundheitsf DOI: 10.1007/s11553-021-00871-8 sha: 6fae4bbc0f29a2d9a689375466ebfa5a2f34bc74 doc_id: 65310 cord_uid: egc2guy4 BACKGROUND: The use of large and diverse amounts of data (Big Data) can lead to the gaining of health-related insights. The relevance is underlined by current challenges, for example in connection with digitization, health care in exceptional situations and the increasing importance of personalization processes in health research. The potential of Big Data for research on vulnerable groups is controversial, but particularly relevant against the background of relatively persistent socially determined health inequalities. OBJECTIVES: The study examines how experts in the field of health data analysis assess the potential of Big Data in health promotion and prevention, especially for research on vulnerable groups. MATERIALS AND METHODS: In a Delphi study, experts were surveyed in two rounds using an online questionnaire to identify consensus and dissent on the potential of Big Data. RESULTS AND CONCLUSIONS: From the experts’ point of view, Big Data holds potential for health promotion and prevention, especially in the clinical setting and in the personalization of health-related measures. People with rare diseases and older people could benefit from Big Data analyses, for example through faster diagnostic processes or personalized digital health applications. The experts disagreed on the extent to which research institutions, health insurers or companies should be allowed to use or share such data. Unter dem Schlagwort Big Data werden im Gesundheitsbereich große digitale Datenmengen sowie verschiedene Datenquellen und -strukturen diskutiert [2, 6, 15, 27] . Zwei Bedingungen, die maßgeblich zur Profilierung von Big Data beigetragen haben, sind der gesunkene Preis für Datenspeicherplatz sowie leistungsfähigere Computersysteme [17] . Sich stets ändernde Möglichkeiten der digitalen Datenerhebung und -analyse sowie unpräzise Formulierungen (bspw. was "große" Datenmengen sind) erschweren eine klare oder allgemeingültige Definition von Big Data [17, 34] . Oftmals wird Big Data über die drei V, den Datenumfang ("volume"), die Datenvielfalt ("variety/variability") und die Geschwindigkeit der Datengenerierung/-transferierung bzw. -auswertung ("velocity") charakterisiert [2, 21] . Der Erkenntnisgewinn beruht nicht nur auf der Datenmenge ("volume"), sondern ergibt sich v. a. aus der Kombination von etablierten, analogen und neuen digitalen Datenquellen ("variety/variability"; [2, 15] ). Die Geschwindigkeit ("velocity") der Analyse und Auswertung wird in Echtzeit angestrebt [2] . Die drei V "volume", "velocity" und "variety" sind auf einen Bericht aus dem Jahr 2001 von Doug Laney, ein Analyst eines weltweiten Marktforschungs-und Beratungsunternehmens (Gartner), zurückzuführen [18] . Im Gesundheitsbereich werden mittlerweile insbesondere die Datenqualität bzw. Verlässlichkeit ("veracity") als viertes V diskutiert. Diese bestimmt, wie valide und reliabel die Aussagen über medizinische Prognosen oder Erkenntnisse zu Therapie-und Präventionsmaßnahmen sind [2, 27] . Der Hype um das Schlagwort Big Data begann nach Daten von Google-Trends um 2010, v. a. zur Erfassung und Analyse von Unternehmenskennzahlen [17] . Der Einsatz von Big Data im Gesundheitsbereich wird maßgeblich von drei verschiedenen Trends bestimmt: 4 Das Thema Gesundheit nimmt in der Gesellschaft einen zentralen Stellenwert ein [23] . Moderne Technologien, wie Wearables oder Gesundheits-Apps, tragen dazu bei, dass Personen gesundheitsbezogene Faktoren, wie bspw. Schrittzahl, Herzschlag oder UV-Strahlung, selbst überwachen und die Ergebnisse zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens und auch langfristig zur Verbesserung des Gesundheitszustands nutzen können [1] . 4 Der demographische Wandel prägt und verändert die Anforderungen an das Gesundheitswesen insbesondere in der Gesundheitsversorgung und Pflege [2, 14] . verbessert werden [28] . Weitere positive Erfahrungen belegen Studien zu psychischen Erkrankungen, wie unipolare Depression, Schizophrenie oder Autismus-Spektrum-Störungen [30] . Durch Analysen in gesundheitsbezogenen Datenbanken gelang es, neue Informationen über Risikofaktoren, Medikation und Prognose zu gewinnen, wobei die nationale Datenlage stark variiert und internationale Vergleiche erschwert [30] . Auch im Zuge der COVID-19-Pandemie ("coronavirus disease 2019") werden Big-Data-Analysen genutzt, um durch Tracking von positiven Fällen die Ausbreitung des Virus zu modellieren und Prognosen zu erstellen [33] . Ob und ggf. wie Big Data zur Erforschung vulnerabler Gruppen beitragen kann, wird kontrovers diskutiert. Kritisch gesehen wird z. B. der derzeit vorherrschende Fokus auf biomedizinische Daten als Input für Big-Data-Analysen oder die Gefahr der Ausgrenzung durch das Nicht-Vorhandensein oder -Einbeziehen digitaler Daten von bestimmten Gruppen (Populations-/Sampling-Bias bzw. algorithmischer Bias) [7, 8, 24] . Unter Gesichtspunkten relativ stabiler sozialbedingter gesundheitlicher Ungleichheit sind spezifische Gruppen, wie bspw. Menschen mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende oder Arbeitslose, für die Gesundheitsförderung und Prävention jedoch hochrelevant [31] . Vulnerabilität zeigt sich hier durch vergleichsweise hohe Erkrankungs-, Behinderungs-und Sterbewahrscheinlichkeiten und einem erschwerten Zugang zur Gesundheitsversorgung [29] . Zudem gelten vulnerable Gruppen als schwer erreichbar und "selten gehört" sowohl für die Forschung als auch für die Praxis von Gesundheitsförderung und Prävention [26, 36] . Das Potenzial von Big Data in der Forschung der Gesundheitsförderung und Prävention, insbesondere für vulnerable Gruppen, wurde in einer Delphi-Studie aus dem Blickwinkel einschlägiger Expert*innen untersucht. Big Data wurde dabei als die Nutzung, großer und vielfältiger digitaler Datenmengen zur Gewinnung neuer Erkenntnisse definiert [17, 35] . Delphi-Verfahren sind mehrstufige, strukturierte Befragungsverfahren. Ziel ist es, die Einschätzungen und das Wissen von Expert*innen systematisch über mehrere Runden zu erfassen, meist mit dem Ziel Konsens in den Urteilen zu erhalten. Das Besondere ist, dass die Expert*innen ab der zweiten Runde ein Feedback über die Ergebnisse der vorherigen Runde erhalten und so ihre Urteile überdenken können [9] . Die Delphi-Methode ist ein etabliertes Verfahren zur Einschätzung wissensbasierter Urteile von Expert*innen mit dem Ziel der Identifikation von Konsens bzw. Dissens [9, 22] . In der vorliegenden Delphi-Studie wurden die Expert*innen in zwei Delphi-Runden mit einem Onlinefragebogen befragt. Ein Überblick über das methodische Vorgehen gibt . Abb. 1. Ziel war es, Konsens in den Urteilen zu erhalten. Die Konsenskriterien wurden vorab festgelegt (. Tab. 1). Die Festlegung von 70 % Zustimmung als Konsenskriterium ist dabei typisch für Delphi-Verfahren in den Gesundheitswissenschaften [22] . Digitale Datenmengen · Gesundheit · Vulnerable Gruppen · Delphi-Verfahren · Expertenbefragung Big Data in health promotion and prevention. Results of a Delphi study with a focus on vulnerable groups Abstract Background. The use of large and diverse amounts of data (Big Data) can lead to the gaining of health-related insights. The relevance is underlined by current challenges, for example in connection with digitization, health care in exceptional situations and the increasing importance of personalization processes in health research. The potential of Big Data for research on vulnerable groups is controversial, but particularly relevant against the background of relatively persistent socially determined health inequalities. Objectives. The study examines how experts in the field of health data analysis assess the potential of Big Data in health promotion and prevention, especially for research on vulnerable groups. Materials and methods. In a Delphi study, experts were surveyed in two rounds using an online questionnaire to identify consensus and dissent on the potential of Big Data. Results and conclusions. From the experts' point of view, Big Data holds potential for health promotion and prevention, especially in the clinical setting and in the personalization of health-related measures. People with rare diseases and older people could benefit from Big Data analyses, for example through faster diagnostic processes or personalized digital health applications. The experts disagreed on the extent to which research institutions, health insurers or companies should be allowed to use or share such data. Bürger*innen durch Big-Data-Analysen eine permanente Überwachung befürchten (Big-Brother-Narrativ; [13] ). Ob Ergebnisse aus Big-Data-Analysen eine Chance oder ein Risiko darstellen, entscheidet der Umgang mit den gewonnenen Erkenntnissen in Wissenschaft, Politik, Unternehmen und deren mediale Kommunikation [13, 35] . Die Akzeptanz von Big Data durch Bürger*innen hängt von der Risikokommunikation, der Datensicherheit, einer mündigen Teilhabe bzw. Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen und dem Vertrauen in Entscheidungsträger*innen ab [5, 13] . Zwischen den Expert*innen besteht Konsens, dass digitale Bildung und Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung Schlüsselfaktoren sein werden. Auf der Seite der Praxisakteure im Gesundheitsbereich geht es um die Data Literacy, d. h. den kompetenten Umgang mit Daten, welche bislang auch in der gesundheitswissenschaftlichen und medizinischen Ausbildung eine Herausforderung darstellt [16, 25] . In der Delphi-Studie konnten Bedingungen der Datennutzung konsentiert werden, welche u. a. bereits in der Bitkom-Leitlinie zum Einsatz von Big Data festgehalten sind [1] Leitlinien für den Big-Data-Einsatz Weiterentwicklung der eHealth-Strategie Potenzialeinschätzung von Big Data Mining als methodischer Zugang für Foresight Using thematic analysis in psychology Partizipative Risikokommunikation Big data in healthcare: management, analysis and future prospects Big data and the study of social inequalities in health: expectations and issues Data work: meaning-making in the era of data-rich medicine Considerations for ethics review of big data health research: a scoping review Initiative D21 (2020) Wie digital ist Deutschland? D21 Digital Index 19/20. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft Risk forecasting in the light of big data Hrsg) (2019) Die Big-Data-Debatte. Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft Alternde Bevölkerung: Herausforderung für die Gesetzliche Kranken-und für die soziale Pflegeversicherung. IW-Reports, Köln Big Data im Gesundheitswesenkompakt 3D data management: controlling data volume, velocity, and variety Diskriminierungen und Verzerrungen durch Künstliche Intelligenz. Entstehung und Wirkung im gesellschaftlichen Kontext Requirements of data visualisation tools to analyse big data: a structured literature review Erschließung von Patientendaten -ein Überblick Delphi technique in health sciences: a map The big data agenda. Data ethics and critical data studies. CDSMS (critical digital and social media studies) What is critical big data literacy and how can it be implemented? Selten Gehörte" für partizipative Gesundheitsforschung gewinnen: Herausforderungen und Strategien Große Datenmengen in der medizinischen Forschung -Big Data? Risk of febrile convulsions after MMRV vaccination in comparison to MMR or MMR+V vaccination Gesundheitliche Ungleichheit im Lebensverlauf: Neue Forschungsergebnisse für Deutschland und ihre Bedeutung fürdiePrävention Big data' in mental health research: current status and emerging possibilities Verwundbarkeit" als politiksensibilisierende Metapher in der Beschreibung gesundheitlicher Ungleichheit Individualisierung und Personalisierung -Gesundheitsleistungen 4.0 entlang des Behandlungspfades Modeling and tracking Covid-19 cases using big data analytics on HPCC system platform Big Data -Anwendungen in der Marktforschung Big Data im Gesundheitsbereich. ABIDA -ASSESSING BIG DATA Gesundheitsberichterstattung des Bundes am Robert Koch-Institut -Status quo und aktuelle Entwicklungen