key: cord-0065309-mc64dx26 authors: Butt, Jan-Hendrik; Scholz, Felix; Abel, Pascal title: Crisis and Change: Fallstudie zur Untersuchung der Resilienz als Erfolgsfaktor von Partizipationsplattformen während der Coronakrise date: 2021-07-01 journal: HMD DOI: 10.1365/s40702-021-00756-6 sha: dcf04d3922ac1b1584d9fe4bb3e62e729d8242ec doc_id: 65309 cord_uid: mc64dx26 The corona crisis is hitting large parts of the global economy hard and severely reducing social life. The severely restrictive measures to minimize social contacts would also lead to a decrease in interest of the shared design of the urban environment. However, the opposite is true. Participation platforms for the design of urban space have changed in order to face the crisis and find answers to the current challenges. This article examines why participation platforms are becoming more successful despite or due to the corona crisis and would like to research the causes of this resilience. For this purpose, 26 participation platforms in urban space serve as a basis for research. All platforms offer the highest level of participation in self-governance, so that citizens can design their living space independently. On the basis of three case studies, the persistence, adaptability and transformability of the platforms are described. The reasons for this were, among other things, the close ties to the project initiators and the strong sense of social responsibility as well as flat hierarchies and a lived error culture. Bürger*innen möchten den urbanen Raum, in dem sie leben, zunehmend selbst gestalten. Sie nähen Pullover für Straßenlaternen, pflanzen Blumen in ungenutzten urbanen Räumen (Fabian und Samson 2015) oder gestalten öffentliche Gegenstände und Plätze neu. Sichtbar ist der Trend des "Do-it-yourself-Urbanismus" (Iveson 2013 ) oder bottom-up Urbanism in Europa und Nordamerika. In diesen Regionen war seit der modernen Ära die Gestaltung der Stadt erst allein von der Politik geprägt und hat sich im Laufe der Jahrzehnte durch mächtige privatwirtschaftliche Interessen verändert (Arefi und Kickert 2019) . Das Verlangen nach Partizipation der Bürger*innen wächst und mit ihr entspringen neue Formen wie Partizipation verwirklicht wird. Ein weiterer Trend sind Online-Communities, in denen sich zunehmend mehr Menschen organisieren. Diese sind seit ihrer Entstehung vor über 20 Jahren mittlerweile die beliebtesten Dienste des Internets (Malinen 2015) . Die wachsende Beliebtheit von Online-Communities zeigt sich auch durch Partizipationsplattformen für die Gestaltung des urbanen Raums. Diese ermöglichen es Bürger*innen, sich in einem virtuellen Netzwerk zu organisieren. Das Ziel solcher Partizipationsplattformen ist das Ermöglichen von verschiedenen Ebenen des Engagements für Bürger*innen und unterschiedlicher Intensität der Beteiligung (Falco und Kleinhans 2018) . Ein Beispiel ist die Partizipationsplattform "Raumpioniere 1 ". Auf dieser können die Bürger*innen selbst Projekte initiieren, ihre Ideen durch Crowdfunding realisieren, Ideen sammeln und Mitstreiter*innen gewinnen können. Partizipationsplattformen ermöglichen ein digitales Zusammenfinden von Menschen, was gleichzeitig zu einem wachsenden Online-Netzwerk führt. Als Ergänzung von Offline-Communities fördern sie die Interaktion und erhöhen die Möglichkeiten zur Beteiligung (Gil de Zúñiga und Valenzuela 2011) . Ende des Jahres 2019 und Anfang des Jahres 2020 beginnt auf der gesamten Welt die Coronapandemie. Als Folge dessen entsteht eine weltweite Wirtschaftskrise, die insbesondere die Gastronomie und Veranstaltungsbranche trifft. Hingegen erzielen beispielsweise Internetplattformen wie Amazon ein enormes Wachstum. Durch die starken Einschränkungen zur Minimierung der Ausbreitung des Coronavirus wäre ein Rückgang des Interesses für die gemeinschaftliche Gestaltung des urbanen Raumes auf Partizipationsplattformen zu erwarten gewesen, was sich in der Nutzeraktivität auf diesen widerspiegeln sollte. Jedoch zeigt sich am Beispiel der amerikanischen Partizipationsplattform "Ioby 2 " (Akronym für "in our backyards"), dass genau das Gegenteil eingetreten ist. In dem Zeitraum von Januar bis November 2020 haben sich die eingeworbenen Mittel im Vergleich zum Vorjahrszeitraum mehr als verdreifacht (ca. 4,5 Mio. US $). Dabei sind ebenfalls die erfolgreich gestarteten Projekte im gleichen Zeitraum gegenüber des Vorjahreszeitraums leicht gestiegen (Ioby 2020) . Es scheint, als wäre die Plattform resilient gegenüber den Auswirkungen der Coronakrise. Resilienz ist überwiegend als psychologische Widerstandsfähigkeit z. B. gegenüber Schicksalsschlägen wie dem Tod eines nahen Angehörigen bekannt. Doch auch im Zusammenhang von Systemen wird der Begriff der Resilienz genutzt z. B. als ein kontinuierliches Verändern und Anpassen, um innerhalb eines funktionierenden Stabilitätsbereiches zu bleiben (Folke et al. 2010) . Diese Arbeit fokussiert die folgende Forschungsfrage: Wie trägt die Resilienz von Partizipationsplattformen zu einem Erfolg während der Corona-Pandemie bei und worin liegen die Ursachen der Resilienz? In dieser Studie wurden drei Plattformen betrachtet, um Merkmale von Resilienz anhand von Kategorien aus der Literatur zu untersuchen. Dabei konnte gezeigt werden, dass es sich bei den Plattformen um resiliente Systeme handelt und es wurden die Ursachen dafür aufgezeigt. Damit wollen wir den Blickwinkel der Resilienz für Praktiker*innen verdeutlichen und anhand der Ursachen und Beispiele Inspiration für die Gestaltung der eigenen Plattformen geben. Eine schwerwiegende Krise, wie sie die Corona-Pandemie darstellt, führt zu Veränderungen, die Systeme, wie z. B. Partizipationsplattformen, betreffen. Sie können dazu führen, dass bisherige Angebote und Geschäftsmodelle ausgehebelt werden. Wenn die Reaktionen und entsprechenden Anpassungen dazu führen, dass die Plattformen wieder erfolgreich sind und weiterhin bestehen können, sprechen wir von Resilienz. Nach Folke et al. (2010) setzt sich Resilienz aus drei Aspekten zusammen: Ausdauerfähigkeit (engl. persistence), Anpassungsfähigkeit (engl. adaptability) und Wandlungsfähigkeit (engl. transformability). Unter Ausdauerfähigkeit ist die Fähigkeit zu verstehen, innerhalb eines Stabilitätsbereichs trotz störender Faktoren zu bleiben. Die Anpassungsfähigkeit ist die Fähigkeit, Antworten auf sich verändernde externe Einflüsse und interne Prozesse zu finden, wobei diese Veränderungen innerhalb des derzeitigen Stabilitätsbereichs und Entwicklungspfads stattfinden (Folke 2010) . Die Wandlungsfähigkeit geht darüber hinaus und liegt vor, wenn neue Entwicklungspfade beschritten werden, wodurch neue Stabilitätsbereiche geschaffen sowie bestehende Schwellenwerte überschritten werden. Ein Beispiel, welches diese Fähigkeit verdeutlicht, bietet Amazon. Neben dem Marketplace ist Amazon mit der Sparte "Web Services" einer der führenden Dienstleister für Cloud-Computing. Dies zeigt die Wandlungsfähigkeit des Unternehmens, das sich von einem Onlineversandhändler zu einem der führenden Technologieunternehmen der Welt entwickelt hat. Die Coronakrise ist die Ursache für tiefgreifende Veränderungen, die unter anderem die Wirtschaft und das gesellschaftliche Zusammenleben stark beeinflussen und sich damit direkt auf das System einer Partizipationsplattform auswirken. Die Auswirkungen sollen anhand des Erfolges betrachtet werden. Hier messen wir den Erfolg anhand der selbstgesetzten Ziele sowie positiver Entwicklungen, die sich während der Krise ergeben haben. Für die Untersuchung der Resilienz als Erfolgsfaktor von Partizipationsplattformen wurde ein empirischer, qualitativer Forschungsansatz gewählt. Aufgrund der Aktualität der durch die Coronakrise entstandenen Wirtschaftskrise eignet sich besonders der Einsatz von Fallstudien. Konkret werden drei Partizipationsplattformen ausgewählt, die auf ihrer Webseite Anpassungen in Bezug auf die Coronakrise vorgenommen haben. Um eine fundierte Datenbasis zu erheben, werden halb-strukturierte Interviews geführt, die darauf abzielen Resilienz zu ermitteln, Erfolg über den Zeitraum der Coronakrise festzustellen und herauszufinden, ob der Erfolg aus der Resilienz resultiert. Zur Auswertung der Daten wird die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) Die Inhaltsanalyse der Interviews erfolgt nach Mayring (2010) qualitativ orientiert. Die Kategorien werden anhand eines deduktiven Prozesses gebildet, was bedeutet, dass die Daten den vorab definierten Kategorien "Erfolg", "Resilienz" und "Ursache der Resilienz" zugeordnet werden. Die Kategorien leiten sich aus der Fragestellung sowie der Literatur zu Erfolg und Resilienz ab und finden Berücksichtigung im Interviewleitfaden bei der Datenerhebung. Die Partizipationsplattformen Sandkasten, Raumpioniere und Rabryka wurden interviewt, um herauszufinden wie Veränderungen zu Anpassungen führen. Der nachfolgenden Tab Folke et al. (2010) . Gleichzeitig könnte sich dieser Wandel vor der Coronakrise abgezeichnet haben oder sogar als langfristige Strategie festgelegt worden sein, K doch gleicht die Rolle der Pandemie der eines Katalysators, der diesen Wandel beschleunigt. Nachdem festgestellt wurde, dass die drei Plattformen resiliente Systeme sind, wurden die Ursachen (U01 bis U03) für die Resilienz untersucht. U01 Ausdauerfähigkeit: Enge Verbundenheit zu den Projektinitiatoren und Verantwortungsgefühl Die Verantwortung des Projekterfolges obliegt den Initiatoren, dennoch existiert eine enge Zusammenarbeit zwischen ihnen und den Plattformbetreibern. Die Plattform Raumpioniere beschreibt die Zusammenarbeit wie folgt: "Wir sind immer mit dabei, beim Launch, beim Start oder beim Abschluss des Projektes. Insofern gibt es keinen Evaluierungskatalog. Es gibt aber den stetigen Kontakt und somit haben wir immer ein Auge auf die Projekte". Sie betreuen die Projektinitiatoren, indem sie eine beratende Funktion einnehmen, die Verantwortung liegt dennoch beim Projektinitiator. Das Team um Rabryka initiiert selbst Projekte, für die sie die volle Verantwortung tragen. Durch die Nähe zu den Projekten, ist die Wichtigkeit von Ausdauerfähigkeit bekannt und wird selbst erfahren. Das Rabryka Team nimmt selbst die Nutzerrolle ein und trainiert so die eigene Ausdauerfähigkeit und kann authentischer die Situationen, in denen Durchhalten gefragt ist, erkennen und vermitteln. Durch enge Verbundenheit zu den Initiatoren wird eine Beziehung zwischen Rabryka und den Projektteams aufgebaut, die ein erhöhtes Verantwortungsgefühl erzeugt und somit die Ausdauerfähigkeit beider Seiten steigert. Bei Sandkasten ist eine enge Verbindung von den Mitarbeitenden zu den Projektteams vorhanden und die Mitarbeitenden sind häufig selbst ehrenamtlich aktiv. Auch zeigt sich die Ausdauerfähigkeit der Projektteams dadurch, dass nach dem Abschluss des Studiums die Projekte fortgeführt und betreut werden. U02 Anpassungsfähigkeit: Kein ökonomischer Druck und kurze Entscheidungswege "Wir sind anpassungsfähig, weil wir keinen ökonomischen Druck verspüren", berichten die Raumpioniere. Das Team sei nicht auf die Einnahmen der Plattform angewiesen, weshalb es möglich ist, ein Angebot wie den Verzicht auf Provision aus Projektfinanzierungen umzusetzen. Nicht zwingend einen bestimmten Gewinn erzielen zu müssen, ermöglicht es, riskantere Entscheidungen zu treffen und damit Auswirkungen besser entgegenzuwirken. Ein solcher ökonomischer Druck kann entweder negativ zu einer Schockstarre führen oder zu positiver Schaffenskraft antreiben. Darüber hinaus heben die Raumpioniere die flachen Strukturen der Plattform hervor, die der Grund sind, weshalb Entscheidungen schnell getroffen werden können. Die Plattform Rabryka pflegt eine Grundphilosophie des "Trial-and-Error". Projektangebote werden retrospektiv bewertet und daraus werden die nächsten Schritte abgeleitet. Wenn es von der Community angenommen wird, wird es in der Folge verbessert, vergrößert oder standardisiert. Sollte die Reaktion der Community zurückhaltend oder gar negativ ausfallen, wird das Projektangebot überdacht, verbessert oder fallen gelassen. Die Community dient als Indikator für die Bewertung von Projekten. Außerdem wird damit eine Fehlerkultur geschaffen, wobei Fehler als wichtiger Bestandteil für die Entwicklung der Plattform gesehen werden. Bei Betrachtung der Ergebnisse ist sowohl zu berücksichtigen, dass ein Interviewer-Bias vorliegt, als auch dass die Ergebnisse der subjektiven Meinung der interviewten Experten entstammen. Eine weitere Limitation besteht darin, dass lediglich drei Partizipationsplattformen untersucht wurden. Die Ergebnisse sind deshalb nicht repräsentativ. Sie können jedoch als Grundlage für die Herleitung von Hypothesen bei umfangreicheren Studien dienen. Das Auswerten des Verhaltens in einer Krise, wenn die Krise noch nicht durchgestanden ist, ist ein weiterer Punkt der Unsicherheit. Aktuell können die Plattformen als resilient bezeichnet werden, jedoch könnte ein längeres Anhalten der Krise neue Herausforderungen bereithalten, die nicht überwunden werden können. Zukünftige Arbeiten sollten versuchen, ein Verfahren zur Messung der Resilienz für Partizipationsplattformen zu verbessern und zu objektivieren. Diese Verfahren könnten von den Plattformen selbst genutzt werden, um beispielsweise Krisen widerstandsfähiger zu begegnen. Durch eine Selbstbewertung könnten Stärken und Schwächen aufgedeckt und geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz entwickelt werden. Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL. Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de. The shape of participatory platforms for bottomup urbanism: a definition and study for success factors The Palgrave handbook of bottom-up urbanism Claiming participation-a comparative analysis of DIY urbanism in Denmark Digital participatory platforms for co-production in urban development: a systematic review Resilience thinking: integrating resilience, adaptability and transformability The mediating path to a stronger citizenship: online and offline networks, weak ties, and civic engagement Cities within the city: do-it-yourself urbanism and the right to the city Understanding user participation in online communities: a systematic literature review of empirical studies Qualitative Inhaltsanalyse Preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses: the PRISMA statement