key: cord-0064441-fwg1dkrt authors: Gross, Manfred; Terjung, Birgit title: Neues zu COVID-19, Kolon & CED vom europäischen Gastroenterologie-Kongress date: 2021-06-24 journal: Gastro-News DOI: 10.1007/s15036-021-2348-3 sha: 4e98aa2f919311300afaae0444f780c886a802b6 doc_id: 64441 cord_uid: fwg1dkrt nan In einer retrospektiven monzentrischen Observationsstudie am Whittington Hospital, London, wurden die Krankheitsverläufe von 260 stationären Patienten mit COVID-19 ausgewertet [2] . 25 % der Patienten entwickelte im Verlauf der Erkrankung eine Diarrhö, die bei 6 % schon zu Krankheitsbeginn vorlag. Erbrechen trat bei 13 % der Patientin auf, bei 5 % bereits zu Krankheitsbeginn. Die mediale Zeit bis zum Auftreten der gastrointestinalen Symptome war fünf Tage für die Diarrhöen und vier Tage für Erbrechen. Erhöhte Leberwerte (Glutamat-Pyruvat-Transaminase [GPT] mindestens dreifach erhöht) wurden bei 10 % der Patientin festgestellt, der Maximalwert wurde im Durchschnitt am zwölften Tag der Erkrankung gemessen. Erhöhte Leberwerte waren wie in der zuvor zitierten Studie signifikant assoziiert mit einer Intensivpflichtigkeit im Laufe des stationären Aufenthaltes. Diarrhöen und Leberwerterhöhungen waren signifikant mit einem angestiegenem C-reaktiven Protein (CRP) assoziiert. Ein systematisches Review mit Metaanalyse untersuchte die Leberschädigung bei COVID-19 [3] . Insgesamt wurden 24 Studien mit 5.961 COVID-19-Patienten ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass eine Erhöhung von Transaminasen und von Bilirubin signifikant häufiger bei schweren Verläufen beobachtet wurden. Ein weiteres systematisches Review mit Metaanalyse untersuchte die Bedeutung einer vorbestehenden Lebererkrankung und erhöhter Leberwerte bei stationärer Aufnahme von Patienten mit COVID-19 [4] . Die Analyse zeigte, das schwere COVID-19-Verläufe gehäuft bei vorbestehender chronischer Lebererkrankung und bei erhöhten Transaminasen bei Aufnahme oder im weiteren Krankheitsverlauf auftraten. Das Fazit dieser Studien ist, das fast 60 % der COVID-19-Patienten auch gastrointestinale Symptome entwickeln. Die Symptome können zu den ersten Krankheitsmanifestationen gehören. Eine SARS-CoV2-Infektion muss also auch in der Differenzialdiagnose akuter gastrointestinaler Beschwerden wie Durchfall oder Erbrechen berücksichtigt werden. Gastrointestinale Symptome bei stationären Patienten sind unabhängige Prädiktoren für einen schweren Verlauf (Intensivpflichtigkeit) und für längere Krankenhausaufenthalte. Eine vorbestehende chronische Lebererkrankung oder erhöhte Transaminasen bei Aufnahme sind mit einer vermehrten Intensivpflichtigkeit und Mortalität assoziiert. Nicht geklärt werden konnte in diesen Studien, wie häufig die Leberbeteiligung zur Intensivpflichtigkeit führte, oder ob die Transaminasenerhöhung in erster Linie als Marker für einen schweren Krankheitsverlauf zu werten ist. Die Pipeline der möglichen Therapeutika bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist voll: Zahlreiche Biologika und auch verschiedene Small Molecules, die gegen diverse Zielstrukturen gerichtet sind, befinden sind in der Entwicklung. Neuzulassungen hat es im Jahr 2020 jedoch nicht gegeben. Vor Jahren schien es noch ein unerreichbarer Traum, jetzt aber sind für alle zuvor nur intravenös (i. v.) zu applizierenden Biologika auch subkutane(s. c.) Applikationsformen zugelassen und auf dem Markt. Und dies gerade zum richtigen Zeitpunkt, als in der COVID-19-Pandemie Kontakte der immunsupprimierten Patienten zum Gesundheitssystem wie Praxen und Kran-kenhäuser möglichst reduziert werden sollten. Allerdings, und das sollte immer auch bei der Umstellung beachtet werden, stellt die s. c. Wirkstoffapplikation deutlich höhere Anforderungen an die Compliance des Patienten. Nachdem zuvor schon Vedolizumab als s. c. Gabe nach einer infusionalen Induktionsphase zu Woche 0 und 2 im Frühjahr 2020 zugelassen worden war, ist jetzt auch eine s. c. Applikationsform von Infliximab verfügbar (Biosimilar CT-P13, bislang nur eine Firma). Auch hier kann analog zum Vorgehen bei Vedolizumab nach einer i. v. Induktionstherapie zu Woche 0 und 2 ab Woche 6 alle zwei Wochen Infliximab s. c. in einer festen Dosis von 120 mg (Autoinjektor, Fertigspritze) in den Indikationen jeweils mittelgradig aktiver bis schwer aktiver Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Zusätzlich war das Nebenwirkungsprofil, die Immunogenität und Bildung von Anti-Drug-Antiköpern gegen Infliximab bei beiden Applikationsformen vergleichbar. Bereits auf der DDW 2020 waren die Zulassungsdaten für die s. c. Gabe von Infliximab gezeigt worden, auf dem aktuellen Kongress der UEGW 2020 wurden zwei Post-Hoc-Analysen vorgestellt. Hierin bestätigte sich die Nichtunterlegenheit von s. c. Infliximab gegenüber infusionalem Infliximab [5, 6] . Insbesondere scheint die Immunogenität bei s. c. Applikationsformen geringer als bei der i. v. Gabe. Zudem können tendenziell höhere Infliximab-Wirkspiegel bei der zweiwöchentlichen s. c. Gabe gegenüber der i. v. Gabe erreicht werden [5] . Weiterführende Real-World-Beobachtungen werden mutmaßlich in Kürze vorgestellt werden. Für den Integrin-Antagonisten Vedolizumab konnte bei der Colitis ulcerosa und Morbus Crohn in den Zulassungsstudien (VISIBLE I: CU; VISIBLE II: MC) für s. c. Applikationsformen ein vergleichbares Ansprechen bei i. v. Gabe versus i. v./s. c. ab Woche 6 gezeigt werden. Für die Colitis ulcerosa wurden jetzt Daten zur Langzeitbeobachtung (OLE, Phase-IIIb-Multicenter-Studie, 288 Patienten) über zwei Jahre vorgestellt. Hier zeigte sich, dass eine klinische Remission auch zwei Jahre nach Therapieumstellung (Woche 108) noch unverändert nachweisbar war. Dies galt auch für sogenannte Late-Responder, die erst zu Woche 14 (hier konventionelle Gabe von drei statt zwei Infusionen mit Vedolizumab in der Induktionstherapie) ein klinisches Ansprechen zeigten [7] . Allerdings werden erst zukünftige Real-World-Untersuchungen zeigen, ob auch bei längerfristig mit i. v. Vedolizumab Vorbehandelten ein Wechsel auf Vedolizumab s. c. problemlos und ohne Effekte auf das klinische Ansprechen möglich ist. Ebenso werden weitere Daten evaluieren, ob ein Switch einer länger vorbestehenden i. v. Therapie bei Patienten mit individuell verkürztem/verlängertem Intervall mit gleicher Effektivität möglich ist. Erwähnenswert ist dabei, dass in der oben genannten Langzeitbeobachtung bei mindestens 4,5 % der s. c. mit Vedolizumab behandelten Patienten (deutliche) lokale Reaktionen an der Injektionsstelle beobachtet wurden, die teilweise eine Umstellung wieder auf die i. v. Gabe notwendig machten. Diese Beobachtung spiegelt die Erfahrungen in der Praxis wider. In diesem Kontext ist eine Analyse einer spanischen Arbeitsgruppe besonders erwähnenswert, die Daten zu lokalen Reak-tionen am Injektionsort nach Gabe von Adalimumab analysiert hat [8] . Hiernach zeigte sich besonders häufig eine lokale Reaktion bei denjenigen Adalimumab-Biosimilar-Präparaten, denen Zitronensäure zugesetzt wurde. Deutlich weniger Reaktionen fanden sich beim zitratfreien Originalpräparat und zitratfreien Biosimilars. Ähnliche Beobachtungen wurden auch von anderen Autoren international geteilt [9, 10] . Daher sollte bei Lokalreaktionen ein Wechsel auf ein anderes wirkstoffgleiches Präparat ohne säurehaltige Hilfsstoffe versucht werden. Auch Vedolizumab in der s. c. Applikationsform enthält Zitronensäure als Hilfsstoff. Im Falle einer deutlichen Lokalreaktion ist hier allerdings nur ein Zurückwechseln auf die Infusion möglich. Gut bekannt ist von der SONIC-Studie, dass Patienten mit einer Infliximab-Therapie von einer immunmodulatorischen Kotherapie mit Azathioprin/6-Mercaptopurin profitieren [11] . Es konnte eine reduzierte Immunogenität des Infliximab und damit eine niedrigere Rate an frühzeitigem sekundärem Therapieversagen bei immunmodulatorischer Komedikation gezeigt werden. Immer wieder diskutiert wird der Nutzen einer immunmodulatorischen Komedikation bei der Gabe von Non-anti-TNF-Biologika. In einer auf der UEGW vorgestellten Metaanalyse konnte kein belastbarer Zusatznutzen von Immunmodulatoren bei der Gabe von Vedolizumab oder Ustekinumab gefunden werden. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass diese Daten auf einer sehr heterogenen Datenlage beruhen und beispielsweise in nur zwei der eingeschlossenen Studien Endpunkte wie eine endoskopische Remission untersucht worden sind [12] . Kommt es zum Nachweis von Antikörpern gegen Anti-TNF Biologika (Anti-Drug-Antikörper, ADA), so zeigt eine Untersuchung aus den Niederlanden, dass eine Reduktion der ADA neben einer Dosisintensivierung/Intervallverkürzung des Anti-TNF-Biologikums auch durch eine Initiierung oder Dosisintensivierung einer bestehenden immunmodulatorischen Therapie effektiv und schnell zu erreichen ist [13] . Ist bereits ein sekundäres Therapieversagen eingetreten, dann kann eine klinische Remission am schnellsten und wirksamsten mit einem Substanzklassenwechsel des Biologikums bewirkt werden. Eine Reevaluation dieser retrospektiven Daten in größeren Kohorten ist notwendig. Dennoch gibt diese Studie erste wichtige Hinweise für den praktischen Alltag im Umgang mit ADA bei Anti-TNF-Biologika. Extraintestinale Manifestationen bei CED fordern Patienten und Arzt gleichermaßen. Nicht selten führen sie zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität von CED-Patienten. An dieser Stelle ist zu bemerken, dass in Zulassungsstudien für neue Biologika zumeist das Ansprechen der extraintestinalen Manifestationen, wie zum Beispiel Arthritis, Erythema nodosum, Uveitis, primär sklerosierende Cholangitis (PSC), Spondylarthropatien, nicht oder nur unzureichend erfasst werden. Wenige Daten, überwiegend Fallserien, liegen bis dato zur Wirksamkeit von Ustekinumab bei extraintestinalen Manifestationen vor. In einer auf der UEGW präsentierten Post-hoc Analyse der Zulassungsstudien für Ustekinumab und Morbus Crohn ergab sich im Vergleich zu Placebo ein signifikant besseres Ansprechen (Woche 6: 41 % Ustekinumab vs. 32 % Placebo, p = 0,0018) [14, 15, 16] . Nach den vorliegenden Daten könnte Ustekinumab eine Alternative zu den zumeist eingesetzten Anti-TNF-Therapeutika darstellen. Allerdings sind weitere Studien, insbesondere auch zur Wirksamkeit von Ustekinumab bei axialen Spondylarthropathien notwendig. Wie konsequent wird ein Screening auf eine latente Tuberkulose (Tbc) vor Einleitung einer Biologikatherapie durchgeführt? Eine Frage, die auch hierzulande immer mehr an Gewicht erhält, nicht zuletzt aufgrund der Migrantenströme mit einer höheren Tbc-Infektionsrate. Prospektiv erhobene, spanische Registerdaten (INFEEII-Register) haben ein alarmierendes Bild Dont's ▶ Don't reduce the dose of immunomodulators or biologics to prevent SARS-CoV2 infection. ▶ Don't switch to adalimumab in a stable patient, unless it is not possible to provide intravenous infusions ▶ Don't assume that IBD patients are at increased risk of being infected. ECCO aktuell gezeichnet. Von 1.239 eingeschlossenen Patienten haben 12 % kein Tbc-Screening vor Einleitung einer Anti-TNF-Therapie erhalten, bei 32 % der Patienten wurde entgegen der dort gültigen aktuellen Leitlinienempfehlungen nur ein Testverfahren angewendet [17] (▶Abb. 1). Bei Beginn einer Therapie mit einem Immunmodulator oder Biologikum erfolgte weiterhin nur bei zwei Drittel der Patienten mit latenter Tbc eine Chemoprophylaxe (z. B. mit Isoniazid). Mutmaßlich unterscheiden sich die Zahlen in Deutschland tendenziell nicht wesentlich von den spanischen Registerdaten und stellen einen wesentlichen Appell an alle Behandler dar, konsequent vor jeder immunsuppressiven Therapie ein leitliniengerechtes Tbc-Screening mit mindestens zwei Testmodalitäten (neben gezielter Anamnese Röntgen der Lunge und einem Gamma-Interferon-Release-Assay; ECCO, DGVS) durchzuführen und bei Nachweis einer latenten Tbc eine Chemoprophylaxe bei immunsuppressiver Therapie anzuschließen [18] . Die COVID-19-Pandemie stellte das zentrale Thema in zahlreichen Abstracts bei der UEGW 2020 dar und wurde daher als Vortrag von Prof. Dr. Manfred Gross getrennt zusammengefasst. Für die Behandlung von Patienten mit CED geben die Empfehlungen eines Addendums zu den deutschen S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eine sehr gute Orientierungshilfe für den praktischen Alltag [19] . Zusätzlich wurden von der Europäischen Crohn und Colitis Organisation (ECCO) zehn Do's and Don'ts erstellt, die in ▶Tab. 1 wiedergegeben sind [20] . Sämtliche Empfehlungen beruhen im Wesentlichen auf der Auswertung von Daten, die in der weltweiten Secure-IBD- Gastrointestinal Symptoms And Complications Of Covid-19, An International Multicenter Prospective Cohort Study (TIVU-RON PROJECT) UEG J 2020 Gastrointestinal Manifestations Of Covid 19: Prevalence And Temporal Characteristics Of Diarrhoea, Vomiting And Liver Dysfunction In Covid-19 Inpatients At A Uk General District Hospital A Systematic Review And Meta-Analysis Of The Covid-19 Associated Liver Injury Pre-Existing Liver Diseases And On-Admission Liver-Related Laboratory Tests In Covid-19: A Prognostic Accuracy Meta-Analysis With Systematic Review Exposure-response relationship of subkutaneous infliximab (CT-P13 SC) in patients with active Crohn's disease and ulcerative colitis: analysis from a multicentre, randomized controlled pivotal trial Evaluation of clinical relationship between fecal calprotectin and endoscopic findings in ulcerative colitis patients treated with infliximab (ct-p13) subkutaneous and intravenous therapy: results from a multicenter, randomized, controlled pivotal trial Long-term treatment with vedolizumab sc in ulcerative colitis: interim results from VISIBLE OLE The presence of citrate in adalimumab-based treatments correlates with the perception of pain after subkutaneous injection, in inflammatory bowel disease patients Impact of pain associated with the subkutaneous administration of adalimumab New adalimumab formulation associated with less injection site pain and improved motivation for treatment Infliximab, azathioprine or combination therapy for Crohn's disease No benefit of concomitant immunomodulator therapy on efficacy of non-anti-TNF biologics in inflammatory bowel diseases: a meta-analysis Switching out of class is the most effective strategy in IBD patients with immunogenicity against anti-TNF antibodies Ustekinumab improves extra-intestinal manifestations in Crohn's disease: a post hoc analysis of the UNITI studies Effectiveness of ustekinumab on Crohn's disease associated spondylarthropathy Utility of ustekinumab in articular pathology associated with Crohn's disease Low Adhesion To Latent Tuberculosis (Tb) Screeningrecommendations In Inflammatory Bowel Disease (Ibd) Patients: Results Of The Infeii Registry Of Geteccu Leitlinienreport der aktualisierten S3-Leitlinie Colitis ulcerosa der DGVS -Living Guideline Addendum zu den S3-Leitlinien Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Betreuung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in der COVID-19-Pandemie -offene Fragen und Antworten Inflammatory bowel disease management during the Covid-19 outbreak: the ten do's and don'ts from the ECCO-Covid Taskforce Impact of Covid-19 on patients with inflammatory bowel disease: update from an international registry Quelle: United European Gastroenterology Week (UEGW)