key: cord-0064282-sl7d7klg authors: Limmeroth, Julia; Hagemann, Norbert; Heussner, Florian; Scheid, Volker title: Gelingensbedingungen eines digitalen Sportangebots: Projektvorstellung date: 2021-06-10 journal: Forum Kind Jugend Sport DOI: 10.1007/s43594-021-00030-z sha: ebd9794c31cf47192051cf7c8cebf6b7684bb873 doc_id: 64282 cord_uid: sl7d7klg nan Welche Bausteine sind geeignet, um ein digitales Sportangebot für Kinder im Grundschulalter attraktiv zu gestalten? Das interdisziplinäre Projekt "Get Up -Stand Up -Move Up" untersucht das. Seit Anfang des Jahres 2020 befindet sich die Welt in einer außergewöhnlichen, krisenhaften Situation. Die Menschen sehen sich mit der Covid-19-Pandemie konfrontiert und in den meisten Ländern -auch in Deutschland -gelten Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung. Dies hat auch für den (organisierten) Sport schwerwiegende Konsequenzen. Sportvereine -ausgenommen der Profisportwaren respektive sind weiterhin gezwungen, ihre Trainingseinheiten einzustellen beziehungsweise auf digitale Formate umzustellen. Damit einher gingen Saisonabbrüche in den Mannschaftssportarten. Allerdings blieb es vereinzelt möglich, zu zweit sportlich aktiv zu sein. Mit Verlängerung des zweiten Lockdowns, der im November 2020 als Lockdown "light" startete, spitzt sich auch die Situation für die Sportvereine zu. Besorgniserregend sind die Zahlen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen (unter 18 Jahren). Dort verzeichnete beispielsweise der Landessportbund Hessen zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 1. Januar 2021 einen Mitgliederrückgang um 6,8 %. Für Hessen bedeutet das, dass fast 63 % aller Mitgliederverluste auf Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre zurückzuführen sind (Landessportbund Hessen 2021). Besonders betroffen sind Sportarten, die nicht draußen stattfinden können, sowie generell Kontaktsportarten. Es zeigte sich darüber hinaus, dass zwei Drittel der Heranwachsenden in Deutschland besonders stark unter den Belastungen der Covid-19-Pandemie leiden. Sie weisen eine signifikant niedrigere gesundheitsbezogene Lebensqualität, mehr psychische Gesundheitsprobleme und höhere Angstzustände als vor der Pandemie auf (Ravens-Sieberer et al. 2021) . Laut Guan et al. (2020) , deren Studienergebnisse sich auf 15 verschiedene Länder beziehen, zeigt sich, dass Kinder während der Schul-und Vereinsschließungen weniger körperlich aktiv waren, mehr gesessen und schlechter geschlafen haben im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie. Grundsätzlich lassen die Befunde und Trends darauf schließen, dass sich die immensen Einschränkungen des Sport-und Bewegungsangebots auf die Kinder und Jugendlichen und deren Aktivitätsverhalten nachhaltig negativ auswirken werden. In diesem Zusammenhang wird im Vierten Deutschen Kinder-und Jugendsportbericht unter anderem aufgezeigt, dass sportbezogenes soziales Lernen während des ersten Lockdowns kaum möglich war. Außerdem wurde die generelle Sozialisation zu Sport und Bewegung beeinträchtigt, was die Bindung von Kindern und Jugendlichen an die Institution Sportverein mit einbezieht (Breuer et al. 2020) . scher Distanzierung mehr denn je aufgefordert, digital zu arbeiten und zu kommunizieren sowie soziale Kontakte digital zu organisieren (. Abb. 1). Bereits zuvor hat die Digitalisierung die bekannten Kulturtechniken durchdrungen und ist im Begriff, diese weiter zu verändern (Kerres 2017 Das Projekt "Digitales Sportangebot für Kinder im Grundschulalter: Get Up -Stand Up -Move Up" widmete sich den angesprochenen Herausforderungen in mehrfacher Weise. Die Kooperation verschiedener regionaler Akteure, des Instituts für Sport und Sportwissenschaft der Universität Kassel (Arbeitsbereiche "Psychologie und Gesellschaft" sowie "Erziehung und Unterricht"), des Transfer-und Anwendungszentrums Sport in Kassel (TASK) sowie des Fördervereins Handballjugend der TSG Wilhelmshöhe e. V., möchte zum einen mittels eines Bewegungsprogramms einen gesellschaftlichen Beitrag in dieser Krisensituation leisten. Zum anderen liegt der Fokus darauf, den Sport-und Bewegungsausfall von Kindern im Alter von fünf bis zehn Jahren aufzugreifen, ihm entgegenzuwirken sowie das Programm entsprechend wissenschaftlich zu begleiten. Dabei standen sowohl das gemeinsame Bewegen als auch die soziale Interaktion, die Beziehungsarbeit sowie die Förderung und Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse im Vordergrund (Deci und Ryan 1985) . Die inhaltliche Gestaltung: Auf inhaltlicher Ebene wurden zunächst für diese Altersstufe zentrale Bewegungsfelder wie "Laufen, Springen, Werfen", "Bewegen an und mit Geräten", "Gymnastik, rhythmisches Bewegen, Tanzen" sowie "Spielen" in den Mittelpunkt gerückt. Neben vielfältigen Bewegungserfahrungen stand vor allem die Partizipation aller Kinder im Vordergrund. Die erste Einheit widmete sich dem Thema Laufen, Springen, Werfen ("Schnell wie ein Reh: Olympiade zu Hause"), gefolgt von einer turnerischen Einheit, die entsprechende koordinative und konditionelle Fähigkeiten fokussierte ("Turnen wie ein Äffchen: Das eigene Zuhause ganz neu erkunden"). Als dritte Einheit folgten ästhetische und gestalterische Formen von Bewegung ("Bunt wie ein Chamäleon: Karneval des Sports zu Hause"). Die vierte Einheit fokussierte sich auf den Ball und entsprechende Einsatzmöglichkeiten in den eigenen vier Wänden ("Ballspielfreudig wie ein Delfin: Der Ball muss nicht immer ins Eckige"). In den nachfolgenden Einheiten wurden die Schwerpunkte individuell auf die jeweiligen Gruppen angepasst, wobei Wünsche von Seiten der Kinder stets in die Planung mit einbezo-gen werden sollten. Neben der wöchentlichen Live-Einheit gab es ergänzende themenspezifische Übungen, die den Kindern über die Website des Fördervereins in Form von Bildreihen und PDF-Dokumenten zur Verfügung gestellt wurden. Dadurch sollte ein selbstgesteuertes, auf der Einheit aufbauendes Sportreiben -unabhängig vom Bildschirm -unterstützt werden. Grundsätzlich waren alle Übungsleitenden angehalten, jedes Kind mindestens einmal pro Einheit individuell anzusprechen und mit einzubeziehen sowie Feedback zur Ausführung der Übungen zu geben und zu motivieren. Es wurden Formen der Mitbestimmung gewählt, die zum Beispiel dazu anregen, Spiele wie "Feuer, Wasser, Luft" weiterzuentwickeln oder eigene Übungsideen zu integrieren (zum Beispiel bei "Ich packe meinen Koffer"). Durch die Arbeit im Tandem (Übungsleitende plus Jugendliche*r) konnten die Gruppen jeweils weiter aufgeteilt werden, sodass auch in kleineren Gruppen eigene Inhalte (zum Beispiel eine rhythmische Choreografie mit dem Ball) entwickelt werden konnten und die Kleingruppen sich gegenseitig etwas beibrachten. Darüber hinaus hat sich der Einsatz von Musik als überaus motivierend und spaßfördernd erwiesen. Es gilt hervorzuheben, dass es durch die Fokussierung auf die soziale Interaktion und die Förderung und Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse unabdingbar war, mit Bild (Kamera an) sowie Ton (Mikro an) zu arbeiten. Das stellte für alle Beteiligten eine Herausforderung dar, hatte jedoch die gewünschte Interaktion und das Entstehen eines Gefühls des gemeinsamen Sporttreibens zur Folge. Insbesondere in dieser unmittelbaren und direkten digitalen Interaktion besteht der Mehrwert dieses Projekts. Darin besteht auch der Unterschied zu Angeboten, bei denen nur die Übungsleitenden im Bild zu sehen sind und die Teilnehmenden das Mikro aushaben, oder auch zu Videos, die asynchron eingesetzt werden. Des Weiteren nimmt das Verhalten der Übungsleitenden einen zentralen Stellenwert ein und zielt darauf ab, soziale Eingebundenheit zu fördern sowie Kompetenz-und Autonomieerleben auf Seiten der Kinder zu ermöglichen (Ryan und Deci 2000) . Der Spaß und die Freude an der Bewegung sollen vermittelt und "live" vorgelebt werden. Insbesondere in der digitalen Anleitung sind die Übungsleitenden die zentralen Figuren, um positives Erleben auf Seiten der Kinder zu unterstützen. Durch ihr jeweiliges Verhalten und die Gestaltung der sportlichen Angebote werden die psychologischen Grundbedürfnisse angesprochen und beeinflusst. Positives Feedback, Ermutigungen, Anpassung des Schwierigkeitsgrads, wahrhaftiges Interesse und emotionale Qualität, um nur einige Aspekte zu nennen, wirken sich direkt auf das Erleben der Kinder aus. Es ist davon auszugehen, dass sich positive Zusammenhänge mit Freude und Vergnügen aufzeigen lassen, die auch in vorliegenden Studien gezeigt werden konnten (zum Beispiel White et al. 2018) . Bezugnehmend auf die Lebensphase der Kindheit treten in dieser zahlreiche Veränderungen in der Entwicklung zutage, die von einer stärker werdenden Differenzierung und Integrationsleistung geprägt sind. Dies zeigt sich sowohl im motorischen als auch im kognitiven Bereich. Ebenso werden Gefühle zunehmend ausdifferenzierter, und auch widersprüchliche Gefühlslagen müssen integriert werden. In diesem Sinne beschreibt Oerter (2008) mit Bezugnahme auf das Konzept der Entwicklungsaufgaben von Havighurst (1952) , dass ab der Kindheit und besonders im Jugendalter die "peers" zu bedeutenden Bezugspersonen avancieren. Der Entwicklung des Sozialverhaltens sowie des Verständnisses des eigenen Selbst kommt daher eine zentrale Aufgabe zu. Im Zentrum stehen die Ausbildung sozialer Kompetenzen sowie die Emotionsregulation, sodass in diesem Zusammenhang das Freundschaftsverständnis und die Entwicklung von Freundschaften in den Fokus der Betrachtung rücken. Das Spielen in Gruppen und das Arbeiten im Team sowie generell soziale Kooperationen müssen zunächst erlernt und entwickelt werden. Das gemeinsame Sporttreiben kann in diesem Sinne als ein zentraler Ort des sozialen Austausches und sozialen Miteinanders angesehen werden. Neben der Forum Kinder-und Jugendsport Abb. 3 8 In der Pandemie schränken die Rahmenbedingungen vielfach reale Trainingseinheiten ein. Foto: LSBNRW/Andrea Bowinkelmann für das ganze Leben zentralen Bedeutung eines körperlich aktiven Lebensstils ist es Sportvereinen wichtig, Werte wie ein soziales Miteinander oder Fairplay zu vermitteln, die im Einklang mit den entsprechenden Entwicklungsaufgaben des Kindesalters stehen (Breuer und Feiler 2019) . Darüber hinaus stellt das zivilgesellschaftliche Engagement in diesem Projekt für die jugendlichen Helfer*innen einen positiven Anker in krisenhaften Zeiten dar. Ihre Verantwortungsübernahme sollte sich auf zweifache Weise positiv auswirken: Erstens können sich die Jugendlichen als wirkungs-und bedeutungsvoll erfahren. Zweitens können sie durch das soziale Engagement ihre Bereitschaft und Fähigkeit zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung stärken, wodurch ein Gefühl des Zusammenhalts und der Teilhabe entstehen kann (Düx et al. 2009 ). In Lockdown-Zeiten fiel diese Möglichkeit vielerorts weg oder war stark eingeschränkt. Buhl und Kuhn (2005) betonen die Bedeutung, die freiwilliges Engagement unabhängig von Familie, Freundeskreis oder Schule einnehmen kann und sehen darin die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, die für die Entwicklung des Selbstkonzepts, der moralischen Entwicklung sowie der gesellschaftlichen Verortung von grundlegender Bedeutung sind. In diesem Sinne wird mit dieser Art der Verantwortungsübernahme und des gesellschaftlichen Engagements sowohl ein persönlichkeitsbezogenes, individuelles als auch ein gesellschaftliches (Bildungs-)Ziel auf dem Weg in das Erwachsenenalter verfolgt (Düx et al. 2009 (Bandura 1986) . Das heißt, dass sie durch das eigene Handeln wahrnehmen, ihre Lebenssituation wirkungsvoll beeinflussen zu können (Hurrelmann und Quenzel 2016 Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de. Reaktion auf Coronavirus: ALBAs tägliche digitale Sportstunde für Kinder und Jugendliche Social foundations of thought and action: a social cognitive theory Sportvereine in Deutschland: Organisationen und Personen. Sportentwicklungsbericht für Deutschland Vierter Deutscher Kinder-und Jugendsportbericht Erweiterte Handlungsräume im Jugendalter: Identitätsentwicklung im Bereich gesellschaftlichen Engagements Intrinsicmotivation and selfdetermination in human behavior Wir machen Kinder stark -fit mit dem DHB, Folge 2 Kompetenzerwerb im freiwilligen Engagement Körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland -Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends Digitale Medien im Sportunterricht der Grundschule -Ein Update für die Sportdidaktik?! InM.Thumel,R.Kammerl&T.Irion(Hrsg.),Digitale Bildung im Grundschulalter. Grundsatzfragen zum Primat des Pädagogischen Promoting healthy movement behaviours among children during the COVID-19 pandemic Developmental tasks and education Lebensphase Jugend: Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Das Virus, der Sport und die Herausforderungen Digitalisierung als Herausforderung für die Medienpädagogik Konstruktion eines Fragebogens im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie der Motivation im außerschulischen Sport im Kindesalter Corona sorgt für schrumpfende Sportvereine Sport and exercise in times of self-quarantine: How Germans changed their behaviour at the beginning of the Covid-19 pandemic Kindheit Impact of the COVID-19 pandemic on quality of life and mental health in children and adolescents in Germany Intrinsic and extrinsic motivations: classic definitions and new directions Interviews mit Kindern. Grundlagen A qualitative investigation of the perceived influence of adolescents' motivation on relationships between domainspecific physical activity and positive and negative affect Freizeit: Hobbys und Mediennutzung