key: cord-0063880-kkhnh7ub authors: Gerlach, Stefanie title: Bedeutung der COVID-19-Pandemie für Menschen mit Adipositas date: 2021-06-15 journal: CV DOI: 10.1007/s15027-021-3507-3 sha: f67afc1efebe4a1e73d40abe6d5d3e1755ced5b4 doc_id: 63880 cord_uid: kkhnh7ub nan F ür Menschen mit Adipositas ist die Corona-Pandemie mit besonderen Herausforderungen verbunden. Das Leben im Lockdown kann ungesunde Lebensstile begünstigen, die Gewichtszunahmen fördern. So können höhere Mediennutzungszeiten und Homeoffice Bewegungsmangel fördern, erhöhte Stresspegel, häusliche Krisenszenarien und ein nicht adäquates Stressmanagement können den Konsum fett-, zucker-und salzreicher Fertigprodukte sowie Schlafmangel erhöhen, soziale Isolation kann Angststörungen und depressive Verstimmungen verstärken. Im Folgenden werden schwerpunktmäßig das COVID-19-Infektionsrisiko, das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe und die Konsequenzen für Menschen mit Adipositas beleuchtet. Derzeit gibt es aufgrund unzureichender Datenlage keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für SARS-CoV-2-Infektionen für Menschen mit Adipositas [1] , denn der Body-Mass-Index (BMI) wird bei Coronatestung nicht parallel erhoben und registriert. Auch ist die jeweils lokale Adipositasprävalenz nicht bekannt, da sie in Deutschland nicht flächendeckend erhoben wird, sodass Infektionszahlen einer Region nicht in Be-ziehung zur lokalen Adipositasprävalenz gesetzt werden können. Adipositas ist ein wichtiger Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf: Es kommt vermehrt zu Krankenhauseinweisungen, Intensivbehandlungen, Beatmungspflichtigkeit und Todesfolge [1, 2, 3] , auch unabhängig von Alter, Geschlecht und Komorbiditäten [2] . Eine kausale Beziehung zwischen Adipositas und schwerem Krankheitsverlauf kann derzeit nicht abgeleitet werden. Jedoch war der BMI bei COVID-19-Patient*innen, die einer Intensivbehandlung bedurften, höher als bei weniger schweren Verläufen ohne Intensivbehandlung [3] . Eine Zuweisung auf eine Intensivstation war bei COVID-19-Patient*innen außerdem assoziiert mit einem 30 % höheren Anteil an viszeralem Fettgewebe (30 %) und einem 30 % niedrigeren Anteil an subkutanem Fettgewebe, unabhängig vom BMI [3] . Dies deutet auf einen kausalen Zusammenhang der viszeralen Adipositas mit dem akuten Krankheitsgeschehen hin. Etwa die Hälfte der Krankenhauspatient*innen mit Einweisung aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion sind Menschen mit Adipositas, dies gilt auch für Patient*innen auf Intensivstationen auf-grund COVID-19 [4, 5, 6, 7] . Diese Aussagen müssen mit der lokalen Adipositasprävalenz in Beziehung gesetzt werden, um ableiten zu können, ob Adipositas einen eigenständigen Risikofaktor darstellen könnte. In einem größeren Kollektiv aus New York lag der Anteil von hospitalisierten Patient*innen mit Adipositas bei knapp 40 %, ein für die Adipositas-Prävalenz in dieser Region überdurchschnittlicher Wert [8] . In Krankenhäuser eingewiesen werden vor allem ältere Menschen im Alter zwischen 65 und 72 Jahren [6, 7, 9] . Betroffen sind Männer mit ca. 60 % etwas häufiger als Frauen [6, 9] . Fast 90 % der mit SARS-CoV-2 infizierten Patient*innen in Krankenhäusern präsentieren sich mit Vorerkrankungen, darunter Bluthochdruck (50 %), chronische Lungenkrankheiten (35 %), Herzerkrankungen (28 %) und Diabetes mellitus Typ 2 (28 %) [6] . Bei den 18-bis 64-jährigen Krankenhauspatient*innen mit CO-VID-19 war Adipositas die häufigste kardiometabolische Erkrankung [6] . Die CORONADO-Studie analysierte zwischen 10 [11] . In der CORONADO-Studie waren Prädiktoren für Tod bis Tag 7 nach Krankenhausaufnahme das Alter (OR 2,5; 95 %-KI 1,7-3,5), eine behandelte obstruktive Schlafapnoe (OR 2,8; 95 %-KI 1,5-5,4) sowie mikrovaskuläre (OR 2,1; 95 %-KI 1,2-3,9) und makrovaskuläre (OR 2,5; 95 %-KI 1,4-4,5) Komplikationen [10] . Hohes Alter und eine größere Zahl von Erkrankungen einschließlich Adipositas sind mit einer größeren Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Verlauf von COVID-19 assoziiert [2, 9, 11] . Das Todesrisiko war mit Adipositas dreifach und bei stark ausgeprägter Adipositas über siebenfach erhöht, selbst bei Patient*innen, die keine weiteren Begleit erkrankungen hatten [4] . Nach Hoong et al. ist das COVID-19-Sterberisiko mit Adipositas um 50 % erhöht [2] . Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft sieht ebenfalls wie die Deutsche Diabe-tes Gesellschaft keinen Anlass für eine über die allgemeinen Corona-Schutzmaßnahmen hinausgehende, pauschal begrenzte Teilhabe am sozialen Leben in Beruf, Kita, Schule und Freizeit für Betroffene -dies sei aus menschlichen, ethischen, juristischen, ökonomischen und psychosozialen Gründen weder sinnvoll noch zulässig [1] . Zwischen einem verordneten Selbstschutz vulnerabler Personen mit Adipositas und der Vermeidung von Härten verlängerter Kontaktsperren bzw. Isolation muss sorgfältig nach medizinischen, ethischen und rechtlichen Aspekten abgewogen werden, zumal Menschen mit Adipositas überdurchschnittlich häufig von Depressionen und Angststörungen betroffen sind [12] . Krisenszenarien und soziale Isolation können hier besonders ungünstig wirken. Bei Kindern und Jugendlichen mit Adipositas in Italien gab es erste Hinweise auf ungünstige Lebensstilveränderungen bereits nach drei Wochen im "Lockdown" ohne Schulanbindung: der Verzehr von Kartoffelchips, rotem Fleisch und zuckerhaltigen Getränken nahm zu, die Anzahl der Mahlzeiten pro Tag erhöhte sich um rund 1 (mehr bei Jungen als bei Mädchen), die Schlafdauer erhöhte sich um rund 40 Minuten pro Tag, sportliche Aktivitäten nahmen um mehr als 2 Stunden pro Woche ab und die Bildschirmzeit erhöhte sich um fast 5 Stunden an Tag [13] . Je nach Dauer des Lockdowns werden bleibende Schäden und eine Zunahme der Adipositas erwartet. Offenbar bietet der Schulalltag schützende Routinen durch tagesstrukturierende Mahlzeiten, Bewegung und Schlafgewohnheiten (Box 1). Wie sich das Ernährungs-und Bewegungsverhalten Erwachsener im Lockdown verändern, ist Gegenstand laufender Studien. Hamsterkäufe und anekdotische Selbstauskünfte lassen vermuten, dass Kühlschränke und Vorratsregale auch mit hochverarbeitetem und energiedichtem Convenience-Food aufgefüllt worden sind [14, 15] . Aufgrund der Datenlage zu Adipositas und schweren Krankheitsverläufen plädierte die Deutsche Adipositas-Gesellschaft bereits im Oktober 2020 in einem Offenen Brief an die Ständige Impfkommission (STIKO) der Bundesregierung für eine priorisierte COVID-19-Impfung für Menschen mit Adipositas. Die am 8. Februar 2021 mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft getretene "Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus Bedeutung der SARS-CoV-2-Pandemie für Menschen mit Adipositas. Fortschreibung des Positionspapiers der DAG vom 13 Obesity is associated with poor COVID-19 outcomes: A systematic review and metaanalysis Computed tomography highlights increased visceral adiposity associated with critical illness in COVID-19 Association of obesity with disease severity among Patients with COVID-19. Obesity (Silver Spring) Intensive Care COVID-19 and obesity study group: High prevalence of obesity in severe acute respiratory syndrome coronavirus-2 (SARS-CoV-2) requiring invasive mechanical ventilation Hospitalization Rates and Characteristics of Patients Hospitalized with Laboratory-Confirmed Coronavirus Disease MMWR Morb Mortal Wkly Rep The characteristics of 50 hospitalized COVID-19 patients with and without ARDS Factors associated with hospital admission and critical illness among 5279 people with coronavirus disease 2019 in New York City: prospective cohort study Features of 16,749 hospitalized UK patients with COVID-19 using the ISARIC WHO Clinical Characterization Protocol Phenotypic characteristics and prognosis of inpatients with COVID-19 and diabetes: the CO-RONADO study Obesity and mortality among patients diagnosed with COVID-19: a systematic review and meta-analysis Dicksein und Depression -die doppelte Last Effects of COVID-19 lockdown on lfestyle behaviors in children with obesity living in Verona, Italy: A Longitudinal Study I just need the comfort": Processed foods make a pandemic comeback Bundesgesundheitsministerium: Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung -CoronaImpfV) vom 8. Februar People who are at higher risk for severe illness Beschluss des Gemeinsamen Bundes-Ausschusses mit Wirkung vom 08.04.2020 zu Ausnahmeregelungen für Schulungen und Dokumentationen im Rahmen von DMPs Vorstand Deutsche Adipositas-Gesellschaft sgerlach8@aol