key: cord-0062189-f1f4jlrh authors: Meyer, Nikolaus; Alsago, Elke title: Soziale Arbeit am Limit?: Professionsbezogene Folgen veränderter Arbeitsbedingungen in der Corona-Pandemie date: 2021-04-22 journal: Sozial Extra DOI: 10.1007/s12054-021-00380-0 sha: 30087db850122536370b46728494316f51634a5c doc_id: 62189 cord_uid: f1f4jlrh Sozialer Arbeit kommt in der Corona-Pandemie eine mehrdimensionale Schlüsselfunktion bei der Bewältigung der Folgen ebendieser auf den Ebenen der Adressat_innen und der Gesellschaft zu. Gleichzeitig ist auch die Soziale Arbeit auf verschiedene Weisen von den Folgen der Pandemie betroffen. Der Beitrag thematisiert die Situation der Beschäftigten aus unterschiedlichen Handlungsfeldern und zeigt, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit während der Corona-Pandemie weiter verschlechtern. D as Auftreten des Virus SARS CoV-2 Ende 2019 und die von ihm ausgelöste Lungenerkrankung fungiert als Brennglas, in dem sich durch sie bereits bestehende Probleme und Disparitäten verschärfen: Menschen waren und sind sowohl von der Erkrankung als auch von deren Folgen völlig ungleich betroffen (vgl. Beuchat und Grob 2020; Huang 2020) . Zudem bewirken die Corona-Pandemie und die mit ihr verbundenen Schutzmaßnahmen bisher unbekannte wirtschaftliche, psychische und soziale Veränderungen (vgl. DIW 2020; DBSH 2020), die aktuell weder mit Blick auf konkrete gesellschaftliche noch auf individuelle Veränderungen abschließend beurteilt werden können (vgl. Meyer und Buschle 2021a) . Der Sozialen Arbeit kommt in dieser komplexen und unabgeschlossenen Gemengelage im Prozess der Bewäl-tigung der Krise und ihrer Folgen eine mehrdimensionale "Schlüsselfunktion" (IFSW 2020) zu. 1 Gleichzeitig ist Soziale Arbeit selbst von der Pandemie berührt. Dies zeigt sich in ersten Studien sowohl bei den Beschäftigten 2 (Meyer und Buschle 2020) als auch bei den Organisationen (BFS 2020). Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Aufgabenstellungen für die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit stellt der vorliegende Beitrag erste Tendenzen einer Onlinebefragung von 3064 Berufstätigen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit (vgl. Meyer und Siewert 2021) vor, die zwischen dem 9. November und dem 6. Dezember 2020 -also während des zweiten Lockdowns -stattfand. Mit den in der Befragung erhobenen Daten arbeiten wir in diesem Beitrag die aktuelle Beschäftigungssituation in der Sozialen Arbeit heraus und benennen exemplarisch Unterschiede zwischen ausgewählten Handlungsfeldern. Den Beitrag schließen wir mit einem Ausblick auf mögliche langfristige Folgen für die Soziale Arbeit durch die Corona-Pandemie, wobei eine abschließende Beurteilung angesichts der offenen Gesamtsituation derzeit unmöglich ist. Vielmehr werden aktuelle Gefahren für die Professionalisierung -wir verstehen hier den kollektiven Prozess "der Aufwertung und Institutionalisierung einer spezifischen Form von Beruflichkeit im Strom der Zeit" (Nittel 2011, S. 44 ) -Sozialer Arbeit beschrieben. Die Teilnehmenden (n = 3064) an der nicht-repräsentativen Befragung während des zweiten Lockdowns kommen aus den unterschiedlichsten Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit, vor allem aus den Bereichen Kinder-und Jugendhilfe (28,3 %), Elementarbildung (23,6 %), Soziale Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung (7, 9 %) , Soziale Arbeit in Schulen (7,4 %), Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (4,9 %), Soziale Arbeit im Kontext von Migration 3 (2,6 %), Soziale Arbeit mit Menschen in prekären Lebenslagen (2,3 %) oder Arbeitslosen (2,3 %) sowie Soziale Arbeit im Kontext von Flucht und Asyl 4 (2,2 %). Zum Zeitpunkt der Befragung waren Einrichtungen der Sozialen Arbeit -trotz des Lockdown lights ab dem 28. Oktober und der Verschärfung ab dem 25. November 2021 -tendenziell eher geöffnet. So war bei 89,8 % der Beschäftigten die Einrichtung für Mitarbeitende wie Adressat_innen geöffnet und lediglich bei 7,3 % der Teilnehmenden war nur Mitarbeitenden der Zutritt erlaubt. Vollständig geschlossen waren die Einrichtungen über alle Handlungsfelder hinweg nur bei 0,7 % der Befragten, was sich auch in der niedrigen Quote von Kurzarbeitenden (7,2 %) ausdrückt. Nach der Corona-Pandemie rechnen die Befragten der zweiten Befragungswelle wie auch bereits jene der ersten (Buschle und Meyer 2020) Die beschriebenen Veränderungen haben auf die Professionalität von Sozialarbeitenden in unterschiedlichen Dimensionen erheblichen Einfluss. Auf dieser Handlungsebene (Nittel 2011) sind die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit in der Pandemie zunächst mit einer neuen Paradoxie professionellen Handelns konfrontiert. Sie müssen im Alltag zwischen von außen kommenden arbeitsschutz-wie infektionsschutzrechtlichen Maßgaben, die oft nicht eingehalten werden, und den berufsgruppenimmanenten Wissensbeständen changieren. Anders ausgedrückt: Die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit stehen aktuell jeden Tag vor der Frage, wieviel Schutz bei wieviel Aufrechterhaltung professioneller Standards möglich ist. Hier sollten politische Entscheidungen künftig mit Vertreter_innen der Sozialen Arbeit vorab beraten werden, denn einerseits hat die Soziale Arbeit in der Pandemie eine zentrale gesellschaftliche Funktion (IFSW 2020) und verfügt andererseits über relevante Wissensbestände zur professionellen Gestaltung der komplexen Tätigkeit mit den Adressat_innen des jeweiligen Handlungsfeldes (Thole 2012) . Dieses Wissen könnte für die Planung von Schutzmaßnahmen sinnvoll genutzt werden und damit gleichzeitig ein wichtiger Beitrag für die eigenwahrgenommene Arbeitszufriedenheit geleistet werden. Immerhin beschreiben zahlreiche Beschäftigte in den offenen Antworten der Befragung einen zunehmenden Druck im Zuge der pandemiebedingten Schutzmaßnahmen auf ihre Handlungen durch als unpassend erlebte Vorgaben von außen. Gleichzeitig verändert sich auf dieser Handlungsebene das Arbeitsbündnis (Oevermann 1996) zwischen Beschäftigten und Adressat_innen -einem bedeutungsvollen Ort professionellen Handelns in der Sozialen Arbeit. So nehmen in der Wahrnehmung der Beschäftigten bei den Adressat_innen in der Pandemie vorhandene Problemlagen zu und gleichzeitig wachsen deren Armutsrisiken. Beides bewirkt eine Verschärfung der ohnehin oft prekären Lebensverhältnisse der Adressat_innen, was wiederum unmittelbaren Einfluss auf die professionelle Interaktion mit den Beschäftigten hat. Immerhin, darauf weisen Praktiker_innen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern hin (Meyer und Siewert 2021) , bedarf es im Zuge der Etablierung eines Arbeitsbündnisses zunächst einer Stabilisierung der Lebensverhältnisse, um Möglichkeiten der Adressierbarkeit zu schaffen. Gleichzeitig bringen Zuspitzungen der sozialen und/oder ökonomischen Bedingungen in der Lebenswelt der Adressat_innen auch in bereits etablierten Arbeitsbündnissen neue Krisen mit sich (Steinert und Ebert 2020; DGfE 2020; Müller 2020 ren Lebenslagen (74,7 %), mit älteren Menschen (68 %) oder dem Justizwesen (58,6 %) Zunächst haben drei Viertel der Teilnehmenden der Befragung (n = 1849) angegeben, in den letzten sieben Tagen (zum Zeitpunkt der Befragung) Kontakt zu den Adressat_innen gehabt zu haben; ein Viertel hat dies verneint Hier "gaben 19 % der Befragten an, dass in ihrer Einrichtung Hilfeprozesse früher als üblich beendet würden (n = 1561) Befragung zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Sozial-und Gesundheitswesen BARMER-Studie: Sozialberufe am stärksten von Corona betroffen Krisenzeiten verstärken sich die Ungleichheiten. SozialAktuell Soziale Arbeit als parzelliertes Feld: Von Handlungsfeldern zur sozialen Welt Handlungsfelder der Sozialen Arbeit. Der berufliche Alltag in Beschreibungen aus der Praxis Soziale Arbeit im Ausnahmezustand?! Soziale Passage Teilhabe auf Distanz? Sonderseite -Corona-Pandemie Vor dem Covid-19-Virus sind nicht alle Erwerbstätigen gleich Psychiater: Längerfristig umstellen statt Durchhaltetaktik Fachkräfte! Mangel! Die Situation des Personals in der Sozialen Arbeit. Sozialmagazin. Sonderband. (S. 8-10). Weinheim: Beltz Juventa Wie Corona soziale Ungleichheiten aufdeckt und verschärft Wörterbuch Soziale Arbeit 9. Aufl. Weinheim: Beltz Juventa Die Corona-Pandemie aus Sicht von Praktiker*innen der Sozialen Arbeit -veränderte Handlungen und ihre professionellen Folgen Handlungsfelder der Sozialen Arbeit Soziale Arbeit: das parzellierte Feld. Eine qualitative Inhaltsanalyse der Pressearbeit während der Corona-Pandemie Soziale Arbeit in der Corona-Pandemie Konsequenzen der Corona-Pandemie für Sozialarbeiter_innen: Folgen für die Adressat_innen? Dreizehn, 1, im Druck Schwere Zeiten für psychisch Kranke Grundkurs Organisation(en) in der Sozialen Arbeit Von der Profession zur sozialen Welt pädagogisch Tätiger? Zeitschrift für Pädagogik Theoretische Skizze einer revidierten Theorie professionalisierten Handelns Gewalt an Frauen und Kindern in Deutschland während COVID-19-bedingten Ausgangsbeschränkungen Die Soziale Arbeit -Praxis, Theorie, Forschung und Ausbildung Krankschreibungen wegen Covid-19: Erziehungs-und Gesundheitsberufe am stärksten betroffen