key: cord-0062073-7c9z9jwj authors: Wuchty, Bianca; Perneczky, Julian; Sellner, Johann title: Methanolintoxikation: ein Kollateralschaden der COVID-19-Pandemie: Akute und chronische neurologische Komplikationen der Methanolvergiftung date: 2021-04-17 journal: psychopraxis DOI: 10.1007/s00739-021-00721-4 sha: b110b9f5fde6c9d1e30ad9b2e64a75e1f215f4e1 doc_id: 62073 cord_uid: 7c9z9jwj An increasing number of cases of methanol poisoning have been reported in the wake of the COVID-19 (coronavirus disease 2019) pandemic. On the one hand, consumption of methanol-contaminated disinfectants or alcoholic beverages are a major cause of acute intoxication. The excessive cleansing of facial masks with methanol-containing substances was shown to be causal for chronic intoxication. Thus, methanol intoxication needs to be suspected in any case of unclear neurological disturbances and detection of severe anion gap metabolic acidosis. Treatment options for methanol poisoning include 4‑methylpyrazol, ethanol, gastric lavage, folic acid and sodium bicarbonate, respectively; hemodialysis is an option for severe cases. Bei Methanol handelt sich um eine der weltweit am meisten produzierten Che-mikalien. Die Substanz kann aber auch bei unsachgemäßer Herstellung von Spirituosen entstehen. Wiederholt wurden Fälle berichtet, in denen Methanol gezielt zugesetzt wurde, um alkoholhaltige Getränke zu strecken. Ein Pansch-Skandal in Tschechien im Jahre 2012, bei dem hochprozentige Spirituosen mit Methanol gestreckt wurden, hat mindestens 25 Menschenleben gefordert. Zuletzt wurden zwei hinsichtlich des Intoxikationsweges (Inhalation) [5] bzw. der zugrundeliegenden Flüssigkeit (Desinfektionsmittel) [6] ungewöhnliche Fälle einer Methanolvergiftung im Rahmen der COVID-19-Pandemie ("coronavirus disease" 2019) in der Literatur berichtet. In diesem Artikel fassen wir detailliert die Hintergründe dieser beiden exemplarischen Fälle zusammen. Darüber hinaus häufen sich Berichte über Personen, die Methanol im Glauben an einen antiviralen Effekt bzw. aufgrund von Coronaphobie eingenommen haben [4, 5] . Wir diskutieren das klinische Spektrum, die erforderliche Diagnostik und die bestmögliche klinische Versorgung dieser Kollateralschäden durch COVID 19. Ein Eine 56-jährige Frau wurde mit rasch fortschreitenden kognitiven Defiziten in einem nordspanischen Kranken-haus vorstellig. Dem Sohn war in den 4 Wochen zuvor eine zunehmende Einschränkung in den täglichen Aktivitäten aufgefallen, darüber hinaus Sprachverarmung, Gleichgültigkeit, Schlaflosigkeit, Verschwommensehen und Verlangsamung. Drei Monate zuvor litt die Patientin an Halsschmerzen und Husten verbunden mit einer zunehmenden Angst, an einer Infektion durch SARS-CoV-2 zu erkranken. In der körperlichen Untersuchung fanden sich eine exekutive Dysfunktion, deutliche Apathie, Dysphagie, Reduktion des Sprachflusses, parkinsonoide Symptome (Hypomimie, Verlangsamung und reduzierte Amplitude beim Fingertapping, Gangstörung mit Freezing), der restliche Status ergab keine Auffälligkeiten. In der Magnetresonanztomographie (MRT) des Neurokraniums fanden sich beidseitige T2-Hyperintensitäten im Globus pallidus, im Marklager und in den Kleinhirnhemisphären. Während sich die Nervi optici regelrecht im MRT darstellten, wurde in den visuell evozierten Potenzialen eine Latenzverlängerung nachgewiesen. Es zeigten sich ein normwertiger Vitamin-B12-Spiegel und ein regelrechter Liquorbefund. Die Abklärung auf neo-bzw. paraneoplastische, degenerative, entzündliche, infektiöse und vaskuläre Ursachen ergaben unauffällige Befunde. Die Blutspiegelbestimmungen von Ethanol, Methanol und Karboxyhämoglobin waren unter der Nachweisgrenze. Die wiederholten SARS-CoV-2-PCR und Antikörpertests verliefen allesamt negativ. Im EEG zeigte sich eine generalisierte intermittierende Verlangsamung mit normalem Grundrhythmus. In einer Bronchoskopie wurde lediglich eine Schleimhautirritation des Rachens als Hinweis auf lokale Reizung nachgewiesen. Eine probatorische Behandlung mit L-Dopa bzw. einem Dopaminagonisten blieb ohne Erfolg. In Zusammenschau von Klinik und Bildgebung wurde eine toxisch-metabolische Genese vermutet. In der erweiterten Anamnese war zu erheben, dass sich die Patientin ihre Gesichtsmaske während der ersten Pandemiewelle zunächst mit einer 97%igen Alkohollösung gereinigt hatte. Als ihr In westlichen Ländern ist die Methanolvergiftung inzwischen selten und macht nur mehr weniger als 1 % aller Vergiftungen aus [7, 8] . Die beiden in dieser Übersichtsarbeit berichteten und während der COVID-19-Pandemie aufgetretenen Fälle sind insofern interessant, da sie einerseits zeigen, dass Intoxikationen über unübliche Wege stattfinden können (Konsum von Desinfektionsmitteln, Kontamination der Maske). Andererseits zeigt uns der zweite Fall das seltenere Bild einer chronischen Intoxikation mit progredienten neurologischen Ausfällen [5, 6] . Die Methanolvergiftung kann inzwischen als Kollateralschaden der COVID-19-Pandemie angesehenwerden, wie eine Reihe von Berichten in der wissenschaftlichen Literatur aufzeigen [4] [5] [6] . Die Methanolkontamination von Händedesinfektionsmitteln scheint eine COVID-19bedingte Entwicklung zu sein, nachdem der Bedarf im Zuge der Pandemie exponentiell gestiegen ist und Qualitätssicherungsmaßnahmen unzureichend gewesen sein dürften. Die FDA hat nach Häufung von Methanolintoxikationen in den USA eine Untersuchung durchgeführt und eine Liste mit Handdesinfektionsmitteln erstellt, die mit Methanol verunreinigt waren [9] . Als weitere Gefahr ist der Irrglaube einer protektiven Wirkung von Ethanol auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 zu sehen. Vor allem in Ländern mit Konsumationsverbot von alkoholhaltigen Getränken dürfte die Menge an selbst gebranntem Alkohol und in der Folge die Kontamination mit Methanol gestiegen sein [4] . Dies lässt sich auch an den berichteten Zahlen aus dem Iran bestätigen, wo laut Associated Press zum 20. April 2020 insgesamt 2850 Fälle einer Methanolvergiftung und 480 Todesfälle berichtet wurden. Im Körper wird Methanol von der Alkoholdehydrogenase (ADH) zu Formaldehyd und dann weiter zu Ameisensäure oxidiert. Ameisensäure wird mit Tetrahydrofolsäure weiter zu CO2 und H2O oxidiert. Die Oxidation von Formaldehyd zu Ameisensäure verläuftsehrrasch,derAbbau der Ameisensäure erfolgt jedoch sehr langsam. Dadurch kommt es zu einer Akkumulierung der Ameisensäure und somit zu einer metabolischen Azidose [10] . Als Antidot kommt 4-Methylpyrazol (Fomepizol), ein potenter kompetitiver Inhibitor der ADH, intravenös zum Einsatz [10, 11] . Zu den weiteren Therapiemöglichkeiten gehört die Magenspülung, um die weitere Aufnahme von Methanol zu reduzieren [10] . Durch Ethanol ist die Toxizität, aufgrund der höheren Affinität der Alkoholdehydrogenase für Ethanol, verringert. Dies wird bei der Therapie genutzt, da dadurch die Umwandlung zu Formaldehyd und weiter zu Ameisensäure blockiert wird [10, 12, 13] . Es werden in der ersten Stunde 600 mg Ethanol/kgKG plus die Erhaltungsdosis 109 mg Ethanol/kgKG verabreicht, danach wird eine kontinuierliche Ethanolinfusion mit 109 mg Ethanol/kgKG/h fortgeführt, bis die Serum-Methanol-Konzentration unter 0,2 g/l sinkt. Während dieser kontinuierlichen Ethanolinfusion sollte stündlich der Ethanolspiegel gemessen und dieser bei etwa 0,8-1 ‰ gehalten werden [14] . Da für die Oxidation der Ameisensäure Tetrahydrofolsäure als Coenzym benötigt wird, sollte Folsäure substituiert werden [10, 15] . Natriumbikarbonat wird zum Ausgleichen der Azidose verwendet [10] . Die Hämodialyse kommt bei Zufuhr von Dosen über 15 ml bzw. bei neurologischen oder visuellen Symptomen zum Einsatz. Damit lässt sich das Methanol und die Ameisensäure rascher eliminieren und die Azidose kann gleichzeitig ausgeglichen werden [10, 13] . Initial Dystonia and hypokinesis with putaminal necrosis after methanol intoxication Parkinsonism and defects of praxis following methanol poisoning Putaminal necrosis after methanol intoxication The outbreak of methanol intoxication during COVID-19 pandemic: prevalence of brain lesions and its predisposing factors Chronic severe methanol intoxication after repeated mask cleansing for fear to COVID-19-a new risk of coronaphobia A geographically distinct case of fatal methanol toxicity from ingestion of a contaminated hand sanitizer product during the COVID-19 pandemic Accidental methanol ingestion: case report Methanol poisoning and long term sequelae-a six years follow-up after a large methanol outbreak FDA (2020) FDA updates on hand sanitizers consumers should not use Methanol and ethylene glycol poisoning: a case study and review of current literature Fomepizole for the treatment of methanol poisoning Antidotes for poisoning by alcohols that form toxic metabolites Treatment of methanol poisoning with ethanol and hemodialysis Standardized treatment of severe methanol poisoning with ethanol and hemodialysis Methanol toxicity: treatment with folic acid and 5-formyl tetrahydrofolic acid Prognostic factors in patients with methanol poisoning Estimations of the lethal and exposure doses for representative methanol symptoms in humans Prognostic factors in methanol poisoning Atypical presentation of COVID-19; an observational retrospective study Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral