key: cord-0061920-m5m28n3z authors: Spiekermann, Karsten; Subklewe, Marion; Hildebrandt, Martin; Humpe, Andreas; von Bergwelt-Baildon, Michael title: COVID-19 aus Sicht der Hämatologie und Hämostaseologie date: 2021-02-17 journal: nan DOI: 10.1055/a-1309-7275 sha: 3d818c82ab0e9acbff90b4cf2d380891e1ea2faf doc_id: 61920 cord_uid: m5m28n3z Infection with SARS-CoV-2 leads to a number of pathologies in the haematopoietic system, which have a significant impact on clinical symptoms and mortality. Activation of the coagulation system also leads to a significantly increased incidence of thromboembolism. The article presents pathomechanisms, relevant diagnostic parameters and the current status of passive immunisation through convalescent plasma. Die Infektion mit SARS-CoV-2 führt zu einer Reihe von Pathologien im hämatopoetischen System, die die klinische Symptomatik und die Mortalität erheblich beeinflussen. Auch kommt es durch die Aktivierung des Gerinnungssystems zu einer deutlich erhöhten Inzidenz an Thromboembolien. Der Beitrag stellt Pathomechanismen, relevante diagnostische Parameter und den aktuellen Stand zur passiven Immunisierung durch Rekonvaleszentenplasma vor. Infection with SARS-CoV-2 leads to a number of pathologies in the haematopoietic system, which have a significant impact on clinical symptoms and mortality. Activation of the coagulation system also leads to a significantly increased incidence of thromboembolism. The article presents pathomechanisms, relevant diagnostic parameters and the current status of passive immunisation through convalescent plasma. Übersicht (TNF-α) und IL-10 [2] . Vor allem IL-6 spielt dabei eine zentrale Rolle. Patienten, die ein CRS nach einer Antikörpertherapie entwickeln, zeigen häufig erhöhte IL-6-Werte (analog zur Behandlung mit CAR-T-Zellen, die in ca. 90 % ein CRS mit klassischerweise erhöhten IL-6-Werten induziert [3] ). Bereits die Coronaviren SARS und MERS führten in schwer verlaufenden Fällen zur Entwicklung eines CRS mit erhöhten IL-6-Werten [4] . Die klinische Präsentation, das Hyperinflammationssyndrom sowie das Laborbild mit erhöhtem IL-6 und Hyperferritinämie, welches bei schweren COVID-19-Fällen beobachtet wird, erinnern an die seltene, lebensbedrohliche Krankheit hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH). Neben der genetisch bedingten primären HLH gibt es eine erworbene Form, die sekundäre HLH (sHLH), hauptsächlich bedingt durch externe Ursachen wie Infektionen, Malignome oder Arzneimittel. Viren stellen einen häufigen Auslöser dar, sowohl bei Gesunden im Rahmen einer Primärinfektion als auch bei Immunsupprimierten durch eine Reaktivierung. Patienten mit hämatologischen Neoplasien sind besonders anfällig [5] . Merke Prognostische Relevanz haben D-Dimer-Spiegel (> 1000 ng/ ml), das Ausmaß der Lymphopenie (< 0,8 G/l) und der IL-6-Spiegel (≥ 80 pg/ml). Diese Grenzwerte korrelieren mit der Mortalität, Intubationswahrscheinlichkeit und Schwere der Infektion. Erste Beobachtungen an COVID-Patienten zeigten multiple Auffälligkeiten in den Globalparametern der Gerinnung. Hierzu gehören ▪ eine geringe Verlängerung der aPTT bei meist normalen oder leicht erhöhten Thrombozytenzahlen sowie ▪ eine Erhöhung des Fibrinogens [8] . ▪ Die D-Dimere sind als Ausdruck einer erhöhten Fibrinolyse deutlich erhöht und zeigen eine auffällige Assoziation mit verschiedenen Outcomeparametern wie Intubationsfrequenz und Letalität. ▪ Die Aktivität von Faktor VIII und Von-Willebrand-Faktor-Antigen sind z. T. deutlich erhöht, was auf eine Endothelschädigung hinweisen kann. Von noch unbekannter klinischer Signifikanz ist der Nachweis von Lupus-Antikoagulans bei bis zu 90 % bei Patienten mit PTT-Verlängerungen. Venöse Thromboembolien Patienten mit SARS-CoV-2-induziertem ARDS weisen eine deutlich erhöhte Rate an thromboembolischen Ereignissen auf gegenüber Patienten mit nicht SARS-CoV-2-induziertem ARDS. In einer multizentrischen prospektiven Kohortenstudie fanden sich bei 77 Patienten mit SARS-CoV-2-ARDS vs. 145 Patienten mit Non-SARS-CoV-2-ARD ▪ mehr venöse Thromboembolien: 11,7 vs. 4,8 % (OR 2,6; 1,1-6,1) und ▪ Lungenembolien: 11,7 vs. 2,1 % (p < 0,008) [9] . Eine Kohortenstudie in den Niederlanden konnte bei 198 hospitalisierten SARS-CoV-2-infizierten Patienten eine kumulative VTE-Inzidenz an Tag 21 von 42 % zeigen [10] . Interessanterweise trat die erhöhte VTE-Inzidenz unter meist prophylaktischer, aber z. T. auch unter therapeutischer Antikoagulation auf. Erste klinische Beobachtungen legen nahe, dass auch arterielle ZNS-oder Extremitätenthrombosen häufiger bei COVID-Patienten vorkommen. In Autopsiepräparaten von an SARS-CoV-2 Verstorbenen konnten mikrovaskuläre Thrombosen in der Lunge nachgewiesen werden. Die zugrunde liegenden Mechanismen beinhalten die systemische Hyperkoagulabilität, Komplementaktivierung, aber auch direkte Endothelläsionen. Eine Endotheliitis mit Nachweis einer Infektion von Endothelzellen durch SARS-CoV-2 konnte ebenfalls in Sektionen gezeigt werden [11] . Blutungen bei SARS-CoV-2-Patienten sind insgesamt deutlich seltener und können z. B. im Rahmen der Antikoagulation auftreten. Der Begriff "pulmonary intravascular coagulopathy" (PIC) wurde von McGonagle eingeführt und beschreibt die Immunfaktoren, die zur Erkrankung beitragen [12] : ▪ diffuser Alveolarschaden und Inflammation, ▪ diffuse interstitielle Inflammation, ▪ extensive pulmonale Makrophagenaktivierung (MAS-like), ▪ Dysregulation der pulmonalen angeborenen Immunantworten, z. B. verminderte ACE2-(Angiotensin Converting Enzyme 2-)Rezeptor-Expression, ▪ adaptive Immunantworten gegen SARS-CoV-2, ▪ Aktivierung der angeborenen Immunantworten mit höherem Alter, ▪ altersassoziierte Veränderungen in der Hämostase sowie ▪ mechanische Beatmung mit Auswirkungen auf virale immunstimulatorische Moleküle in der Mikrovaskulatur und Begünstigung von Immunthrombosen. Merke Aufgrund der disseminierten pulmonalen Inflammationsreaktion spielt die Lunge eine entscheidende Rolle bei der COVID-assoziierten Koagulopathie (CAC). Die deutlich erhöhte Rate an VTE legt nahe, dass eine Intensivierung der Antikoagulation die thromboembolischen Ereignisse reduzieren und somit möglicherweise auch die Mortalität bei schwerkranken Patienten auf der Intensivstation verbessern könnte. Eine Studie aus Frankreich untersuchte hierzu die Rate von VTE mittels Duplexultraschall bei SARS-CoV-2-Patienten unter Antikoagulation. Interessanterweise traten bei 26 mechanisch beatmeten Patienten trotz prophylaktischer (31 %) oder therapeutischer (69 %) Antikoagulation hohe VTE-Raten von 69 % auf [13] . Diese Daten legen ein systematisches VTE-Screening und eine frühe therapeutische Antikoagulation in dieser Patientenkohorte nahe. Die nationalen und internationalen Fachgesellschaften für Hämostaseologie haben früh auf die Beobachtungen der mit SARS-CoV-2 assoziierten Koagulopathie reagiert und entsprechende Empfehlungen publiziert [14] . Die Gesellschaft für Thromboseund Hämostaseforschung (GTH) hat praxisnahe Empfehlungen zusammengefasst zur konsequenten Thromboseprophylaxe bei stationären Patienten und zur Überprüfung der Indikation bei ambulanten Patienten. Die Infobox 3 zeigt eine Auswahl der Empfehlungen der GTH. Die vollständige Liste findet sich im Internet (vgl.: http://gth-online.org sowie [15] ). Rekonvaleszentenplasma: valide Therapieoption oder Verzweiflungstat? Der Einsatz von Rekonvaleszentenplasma (RKP) als Therapieoption wurde im Rahmen der COVID-19-Pandemie verstärkt diskutiert, wie schon zuvor beim schweren akuten respiratorischen Syndrom (SARS) oder bei den letzten Ebolaausbrüchen; gleichzeitig sind über Einzelfallberichte hinaus wenige Daten publiziert, die den klinischen Einsatz rechtfertigen [16] . Bedingt ist dies möglicherweise dadurch, dass RKP eher eine überbrückende Rolle einnimmt im Übergang von therapeutischer Aporie hin zur strukturierten Entwicklung spezifischer Therapien. Der Arbeitskreis Blut (AK Blut) hat 2015 das Thema der Rekonvaleszentenspende vor dem Hintergrund fehlender Evidenz geordnet, um zukünftigen Pandemien einen strukturierten Rahmen für den Einsatz von RKP zu geben [17] für die jetzige COVID-19-Pandemie eine hilfreiche Basis und zugleich ein Prüfstand. Als SARS-CoV-2 Europa und die USA erreichte, stellte sich angesichts fehlender zugelassener Medikamente die Frage nach der Bereitstellung von RKP. Mehrere Blutspendeeinrichtungen sprachen sich untereinander und mit den zuständigen Behörden ab, um vorrangig über eine Gestattung gemäß § 79 Abs. 5 AMG eine auch seitens der Politik gewünschte Bereitstellung von RKP zu ermöglichen. Rückenwind erhielten Aktivitäten wie diese durch erste Kasuistiken zum erfolgreichen Einsatz im bereits stark betroffenen asiatischen Raum [18] . Zeitgleich verständigten sich die kooperierenden Universitätskliniken in Deutschland auf die Planung einer gemeinsamen klinischen Prüfung mit dezentraler Herstellung des Prüfpräparats. Diese bettet sich in ein Umfeld ähnlicher Studien (z. B. CAPSID, CONCOVID, CORIPLASM, ConPlas-19), wobei neben der Wahl des Behandlungszeitpunkts wohl auch die Kooperation verschiedener Institutionen Bedeutung haben dürfte. In den USA hat die FDA ein Open-Access-Programm zur breiten Verfügbarkeit und zum Einsatz von RKP im Rahmen einer randomisierten Studie gestartet. Mit Ende des Programms zum 30.11.2020 aufgrund der "emergency use authorization" waren über 105 000 Patienten behandelt worden. Während die Daten noch ausgewertet werden, wird in Kooperation der EU-Kommission und der European Blood Association eine Datenbank ähnlichen Formats errichtet, bei bisher bereits erkennbarer Sicherheit und Verträglichkeit des Rekonvaleszentenplasmas [20] . In der Summe bietet die COVID- Wie könnte der Effekt spezifischer Antikörper als wirksames Agens belegt werden? RKP könnte auch gegenüber regulärem Gefrierplasma getestet werden, zumal hämostaseologisch relevante Effekte von Plasmabestandteilen zumindest vorstellbar sind [21] . Eine lediglich dem Placeboeffekt dienende Verwendung regulären Gefrierplasmas wird jedoch wegen des anwendungsassoziierten Risikos zumeist abgelehnt. Bemerkenswert ist, dass gerade erst im vergangenen Jahr eine randomisierte, placebokontrollierte Studie den Einsatz von RKP bei Influenza untersuchte und gegenüber dem herkömmlichen Plasma keinen Vorteil belegen konnte [22] . Dies wiederum muss nicht auf SARS-CoV-2 übertragbar sein, ist jedoch zumindest ein Warnzeichen. Tatsächlich können Daten erster prospektiver randomisierter Studien noch nicht die Wirksamkeit von RKP hinreichend belegen [23] , was zumindest das Erfordernis, eine geeignete Zielgruppe herauszuarbeiten, belegt. INFOBOX 5 Voraussetzungen für die Gewinnung bzw. den Einsatz von RKP Risiken der Gabe von RKP schließen jene der Gabe herkömmlichen Gefrierplasmas ein; ferner ist das Fenster für eine Quarantänelagerung inmitten der Pandemie zu kurz. Der zweifelsfreie Beleg der stattgehabten Erkrankung wie auch der Rekonvaleszenz ist daher Mindestvoraussetzung der RKP-Spende, ebenso die Testung auf Virusfreiheit und Unauffälligkeit weiterer Infektionsmarker gemäß den Richtlinien Hämotherapie der Bundesärztekammer [19] . Ob die Gabe von Plasma allgemein einen befürchteten prothrombotischen Effekt von SARS-CoV-2 befeuert [24] , bleibt zu beweisen. Auch die Möglichkeit eines "Enhancements" (also einer Verstärkung der Erkrankung durch Unterdrückung der angeborenen Immunantwort mittels subtherapeutischer Antikörperkonzentrationen) wird zwar z. B. bei Dengue diskutiert, ist in SARS-CoV-2 bislang jedoch noch nicht beschrieben worden. Complex Immune Dysregulation in COVID-19 Patients with Severe Respiratory Failure Cytokine release syndrome CAR T cell-induced cytokine release syndrome is mediated by macrophages and abated by IL-1 blockade The cytokine release syndrome (CRS) of severe COVID-19 and Interleukin-6 receptor (IL-6R) antagonist Tocilizumab may be the key to reduce the mortality Adult haemophagocytic syndrome The Role of Cytokines including Interleukin-6 in COVID-19 induced Pneumonia and Macrophage Activation Syndrome-Like Disease Prognostic value of interleukin-6, C-reactive protein, and procalcitonin in patients with COVID-19 Thromboinflammation and the hypercoagulability of COVID-19 High risk of thrombosis in patients with severe SARS-CoV-2 infection: a multicenter prospective cohort study Incidence of venous thromboembolism in hospitalized patients with COVID-19 Endothelial cell infection and endotheliitis in COVID-19 Immune mechanisms of pulmonary intravascular coagulopathy in COVID-19 pneumonia High incidence of venous thromboembolic events in anticoagulated severe COVID-19 patients COVID-19 and Thrombotic or Thromboembolic Disease: Implications for Prevention, Antithrombotic Therapy, and Follow-up Coagulopathy in COVID-19 and Its Implication for Safe and Efficacious Thromboprophylaxis Position paper on collection and use of convalescent plasma or serum as an element in filovirus out-break response Stellungnahme zur Gewinnung und Nutzung von Rekonvaleszentenplasma (RKP) als Therapieoption bei Ausbrüchen schwerer Infektionen Treatment of 5 Critically Ill Patients With COVID-19 With Convalescent Plasma Meldungen -Empfehlung zur Gewinnung und Herstellung von COVID-19-Rekonvaleszentenplasma. Im Internet Early safety indicators of COVID-19 convalescent plasma in 5000 patients COVID-19: Implications for Prognosis and Treatment? J Thrombos Haemostas 2020 Anti-influenza immune plasma for the treatment of patients with severe influenza A: a randomised, double-blind, phase 3 trial A Randomized Trial of Convalescent Plasma in Covid-19 Severe Pneumonia Testing an Old Therapy Against a New Disease: Convalescent Plasma for COVID-19