key: cord-0059512-xxhydcq8 authors: Schulz-Nieswandt, Frank title: Narrative Wissenschaft und die Notwendigkeit normativer Spiegelungen der empirischen Befunde date: 2021-03-20 journal: Gewährleistungsstaatlichkeit zwischen Wächterfunktion und Innovationsinkubator DOI: 10.1007/978-3-658-32916-7_2 sha: d2ab521a19a90baddae4bafb53b200b8eaa37e84 doc_id: 59512 cord_uid: xxhydcq8 Vom Leben handeln die Geschichten, welche die qualitative Sozialforschung trotz oder gerade wegen der engagierten Involvierung in ethnographischer Haltung methodischer Distanz als rekonstruktive Erzählungen nacherzählt. Ist Literatur Exegese des Lebens, so ist Sozialforschung als Wissenschaft ebenso eine poetische Exegese der Geschichten des Alltags der sozialen Wirklichkeit, selbst dann, wenn mathematische Modelle in der Datenanalyse genutzt werden, denn auch Mathematik ist eine an Symbolsysteme gebundene Sprache; die Bedeutung der erzeugten Datenlandschaften müssen aber erst zum Sprechen gebracht werden. Und dies geht nur im Lichte von normativ-rechtlichen Sinnhorizonten, die im Hintergrund anthropologisch im Axiom der Würde der Person fundiert sind. Lernens 7 zugleich als "Enhancement"-Dispositiv zur Kreativität. Aber tatsächlich ist Kreativität 8 zur Überwindung von Pfadabhängigkeiten wichtig. 9 Das Individuum ist in diesem Kontext gefragt, weil auch Organisationen bzw. Unternehmen nur als zweckgerichtete Kulturen von Funktionsfigurationen zu verstehen sind. 10 Aber wir folgen erneut dem Poststrukturalismus von Michel Foucault und der Psychoanalyse von Jacques Lacan, wenn wir von der methodologischen De-Zentrierung des Subjekts ausgehen und daher das Drehbuch der Institutionen verstehen müssen, das sich formend in den Subjekten einschreibt. Damit ist der Habitus der Individuen von zentralem Forschungsinteresse, aber eben auch der Programmcode der institutionellen Settings. Somit ist mit Blick auf die Innovationspfade doch auch das gemeint, was die Managementliteratur kulturelles Change Management der Unternehmensphilosophie, der Unternehmenskultur und strategischen Unternehmenspolitik sowie des Geschäftsmodells nennt. Bei authentischer Innovativität sozialer Innovationen müssen der Programmcode (als Sprache) und der implementative Habitus (als Sprechakte und entsprechende soziale Praktiken sowie symbolische Performativitäten) aber Inklusions-orientiert positiv skalierbar sein. Inklusion ist eine Leitidee des Sozialraums als gelingendes soziales Miteinander im Kontext der Normalisierung des Wohnens im Skalierungshorizont von Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Teilhabe (zusammengefügt zu einem SST-Modell) als grundrechtlich gefasste semantische Dimensionen des naturrechtlichen Axioms der personalen Würde (pW-Axiom). Die innere Hierarchie ist so zu verstehen: Die soziale Wirklichkeit (der sozialen Praktiken institutioneller Wohn-Care-Arrangements) wird konfrontiert -ihr wird ein Spiegel vorgehalten, der das Diktum von Rilke 11 transportiert: "Du musst dein Leben ändern" -mit den Wahrheitsansprüchen der Regulationsregime (RR), die in den normativ-rechtlichen Vorgaben des modernen sozialen Rechtsstaates UN → EU → GG → SGB → WTG inkorporiert sind und über die Funktionen des Wächterstaates (W) sowie der inkubatorischen Dialogik (iD) zu einem innovativen Konfliktmanagement (iKM) führen sollen: disponierend tief eindringt in Geist, Seele und Körper der Subjekte der modernen Gesellschaft. Aber in Bezug auf das vorliegende Thema des Sektors des Wohnens mit Behinderung und/oder Pflegebedarf ist eine weitere Modernisierung der Staatlichkeit 13 auch dann erforderlich, wenn (quasi im Rahmen einer dualen Wirtschaftsordnung mit gemeinwirtschaftlichen Ausnahmesektoren 14 ) die (kontroverse) österreichische Burgenland-Politik 15 der Vorrangigkeit der Gemeinnützigkeit in der Gewährleistungspraxis des Staates durch Neuauslegung des bislang hegemonialen verfassungsrechtlichen Gebots der Gleichbehandlung 16 mit Blick auf die horizontale Subsidiarität zwischen freien und privaten Leistungsanbietern im Sinne des funktionellen Unternehmensbegriffs des EU-Wettbewerbsrechts 17 zur Anwendung käme. Denn: Auch freigemeinnützige Unternehmen bedürfen des Wechselspiels zwischen Innovationsbereitschaft und -fähigkeit einerseits und der inkubatorischen Dialogik des (dazu ebenfalls erst zu befähigenden) Regulationsstaates im Spiegel der normativ-rechtlichen Vorgaben andererseits. Und auch eine rein öffentliche Lösung im Sinne des Inhouse-Prinzips bedürfte der Implementation einer Kultur permanent lernender Organisationen: Auch öffentliche Unternehmen mit einem höheren Grad an Managementspielräumen (z. B. auch in der rechtlichen Form als Anstalten des öffentlichen Rechts) im Governance des Unternehmens auf der Grundlage der Sachzieldominanz 18 des öffentlichen Auftrages bedürfen der Regulation. Heben wir diese strakten Formulierungen der Ebene einer "Staatlichkeit im Wandel" nochmals auf eine anders gelagerte Abstraktionsebene einer "Philosophie wahrheitsfähiger sozialer Innovationen": Henri Bergson hatte den Fokus seiner Idee der schöpferischen Evolution 19 auf das "Werden" im Strom der Zeit (die der Mensch -z. B. depressiv 20 -als "Dauer" erlebt) gelegt. Der "élan vital" ist ontowie phylogenetisch der Wille zur Formbildung und zur Differenzierung. Bergson Und wenn die Evaluation angesichts der bisherigen Lebenszeit der neuen Philosophie der Beratungs-und Prüfbehörden nur als Zwischenevaluation angesehen werden kann, so wäre sogar der Spruch, wir wären "guter Hoffnung", eine Redeweise, die voller Theologeme ist. 55 Um Schwangerschaft, Pubertät und frühe Adoleszenz des Projekts in seiner Biographie geht es nicht mehr; aber dennoch ist die Güte der Idee eine Funktion der Zeit, sofern sie zur Reifung 56 genutzt wird. Man muss den Dingen ihre Zeit geben, zwar nicht einfach "laufen lassen", sondern beobachtend begleitend fördern. 57 Wenn man so will, hat die Politik eine pädagogische Aufgabe gegenüber (der Kultur) ihrer Administration, die also kultiviert werden muss, womit die Metapher der Gartenarbeit 58 nicht falsch ist. Im Hiatus zwischen Natur (Wildheit der Unternehmen im Markt im "Spinnennetz" des Kapitalismus) und Kultur (regulative Politik als Zivilisierung der Natur) wird man, um die Angst zu bewältigen, verantwortungsvoll mit Geduld den transzendentalen Mut zum Experiment haben müssen. Wenn man so will, geht es um die zentrale Weichenstellung der Phase der Adoleszenz 59 im Lebenszyklus: Welchen Weg soll die Gesellschaft einschlagen? Der Damit sind nochmals grundlegende Fragen des Wandels (moderner) Staatlichkeit 72 angesprochen. Staatlichkeit ist, wie weiter oben schon angesprochen, nicht mehr vereinfacht als zentrale Regierungslehre eines in einem Territorium siedelnden Volkes zu verstehen. Mag sein, dass mit Blick auf die "mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates" 73 dergestalt an die Reichsbildungsbemühungen der "Karolingischen Staatlichkeit" 74 gedacht wird. Die Debatte um die weitere Evolution der Staatlichkeit in Deutschland muss natürlich vor dem Hintergrund der Staatsentwicklung in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts 75 gesehen werden. Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft als politisches System verweist uns heute auf eine andere als die (variantenreich vertragstheoretisch fundierte) vertikale Geometrie des Politischen und der Politik in der Tradition einer nationalstaatlichen Reichsidee der (typologisch unterschiedlich fassbaren) Herrschaft einer Regierung. Der Rechtsstaat bleibt an das Monopol legitimer physischer Gewalt gebunden, will er nicht -in der Tradition mafiöser Strukturen oder von Clan-Strukturen -eine Neuauflage der antiken Antigone-Tragödie ("Familie versus Staat") zur Entfaltung bringen. Der Rechtsstaat als Akteur in seiner materialisierten Form als Sozialstaat muss im Fall von Fehlverhalten in der Wirtschaft (hier im Sinne von Erwachsenschutz 76 ) und in der Gesellschaft, so z. B. auch in der Familie im Sinne der Güterabwägung des Grundrechts des Kindes auf Kindeswohl und dem natürlichen Recht der Eltern auf Erziehung intervenieren, muss aber mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das Gewaltmonopol an die Heuristik der Befähigung der Akteure (in Wirtschaft und Gesellschaft) binden, demnach "partizipativ empowern", bevor der Souverän der Volksherrschaft legitime Gewalt anwendet. Das dialogische Verfahren im Fall der Qualitätsregulierung bei Marktunternehmensversagen (freier wie privater, aber auch öffentlicher Einrichtungsträger) ist also eine Form institutionenbezogener Subjektivierungsformung, um im Lichte der "gouvernementalen Regierungslehre" von Michel Foucault zu argumentieren. Die Frage ist, ob in den Grenzen einer kapitalisierten Logik des sozialethisch missbilligt wird. 80 Hier geht es um das problematische Spiel auf dem Feld der Care-Landschaften. Doch wenn die Kritik dem Spiel den Spiegel vorgehalten hat, stellt sich die Frage nach den Wegen aus dem Käfig der Pfadabhängigkeit, der Verblendung, der Verlogenheit heraus. Wie kann die Pfadabhängigkeit der Replikation des Spieles verlassen werden und eine wahrheitsfähige (also in Übereinstimmung mit den normativ-rechtlichen Vorgaben stehende) alternative Reise in die inklusive Kommune als Sozialraum begonnen werden? Einzubringen ist in einer Theorie der Vergesellschaftung 81 also immer auch der kreative homo ludens. Schon der soeben erwähnte altgriechische Chor war nicht nur Agentur der Polis-Erziehung, sondern enthielt dionysische 82 Elemente des Überstiegs, eher an eine "Poetik des Satyrspiels" 83 erinnernd. Das Prinzip der Reziprozität 84 (als System von Geben und Nehmen nun im rechtsethnologischen Sinne der Logik von Tat und Vergeltung) ist modern, aber eben auch schon archaisch, weil es ubiquitär in der Diachronie und Synchronie der Kulturgeschichte ist. Daher muss es -wie im Fall der aktualisierenden Re-Mythisierung des Mythos -auf die Jetzt-Zeit appliziert werden. Und hier denke ich, muss der Rechtsstaat dort, wo lerntheoretisch die Innovationsprognose mit Blick auf die Leistungserstellungsanbieter positiv ist, in das dialogische Verfahren eintreten, um das Potenzial zu aktivieren und die Erträge zugunsten der sozialen Wohlfahrtsentwicklung abzuschöpfen. Der Betrieb kann ja nicht vollständig eingestellt werden; der Bedarf muss gedeckt werden. Daher muss man den Entwicklungen eine Chance geben. Diese Haltung bleibt riskant; die Angst vor dem Scheitern kann (darf) aber nicht dergestalt dominieren, dass es zur Schockstarre (stupor bis hin zur politischen Katalepsie) kommt. Wenn also in die Praxisidee der Dialogizität (in die Kultur einer dialogischen Begegnung 85 ) das Vertrauen als Kapital investiv eingebaut werden soll oder sogar muss, so wird man in der landesgesetzlich ermöglichten regionalen Sozialraumbildung neue Wege gehen müssen, die nicht ohne Risiko, aber eben auch -das ist die naturgegebene Tautologie des Themas -nicht ohne Chancen ist. Kurzum: Ohne Mut zur Verantwortung wird es nicht gehen. Das mag philosophisch wie soziologisch trivial sein, psychologisch (gar psychoanalytisch), wenn der konkrete Mensch im Alltag in den Blick gerät, ist es dies nicht. Die "Angst vor der Freiheit" Ergrauung -gegen die zum Teil der Mensch durch die Einfärbung kämpft 98 -ist die Farbe des Alterns, des Herbstes nach der letzten kurzen Phase des Aufblühens im goldenen Oktober/November (in den USA: Indian Summer), bevor sich alles vernebelt. Der "Altweibersommer" ist insofern eine meteorologische Singularität: ein "Wärmerückfall" im Herbst. 99 Grau verweist als Grauen auch auf die Erfahrung böser Geister bzw. von Untoten (der "Manen" bei Homer und den alten Griechen 100 ). Das Grauen bzw. Grausen oder auch das Gruseln sind Ausdrucksweisen der Umgangssprache für ein gesteigertes Gefühl der Angst oder des Entsetzens. Dieses ist meist mit der Wahrnehmung von etwas Unheimlichem, Ekligem oder Übernatürlichem verknüpft, nicht selten in der dialektischen Figur des Numinosen, das anzieht (fasziniert) und zugleich abstößt. Diesem Problem ist meine Studie über die apotropäische Hygieneangst nachgegangen (Schulz-Nieswandt, 2020e). Grau ist die Farbe des Trübsinns; eintönige Menschen werden oft als "graue Maus" bezeichnet. Es gibt graue Literatur, graue Eminenzen, Grauzonen. Grau kann auch für Eleganz stehen. Es ist aber eben "unbunt". Schwarzsehen und Lichtung: "Ich seh' Schwarz" ist eine nun düstere Prognose. Der Abstieg "nach unten" (in den Hades 101 ) ist der Gegensatz zum Aufstieg "nach oben", zum Licht der Berge 102 mit der weiten Aussicht statt der Enge "da unten" in den Tälern. Landschaften und Farben sind Seelenbilder. Lichtung ist daher eine klassische Metapher der Philosophie, von der Antike bis zu Heidegger und Jaspers in den Variationen der modernen Existenzphilosophie. Grau (farblos) ist die Welt des depressiven Menschen, dessen Zeitverlust eben auch ein Verlust an weltoffener Perspektive "nach vorne" ist. Lichtmetaphysik war daher immer die Domäne der Onto-Theologie der Landschaften 103 , die transgressive Selbsttranszendenz ermöglicht: Räume der Werdung der Gestaltwahrheit ermöglicht. dramatischen Gedicht von Henrik Ibsen, in der Tradition der romantischen Musik stehend) und Sonnenuntergangs, morgens aber krasser, abends stiller und milder. 104 Rot drückt Kraft aus. "Ich seh' rot": Dies meint eben auch Wut, im Film "Ein Mann sieht rot" 105 auch als Hymne auf die Selbstjustiz als Ausdruck US-amerikanischer Gewaltregelung in der Gesellschaft einer schwachen Rechtsstaatstradition (die ja im Sinne der herrschaftssoziologischen Typologie von Max Weber an das staatliche Monopol legitimer physischer Gewalt geknüpft ist), an die Ideologie der Westernfilm-Tradition anknüpfend. Was wären die pädagogischen Ecksteine 113 eines institutionenbezogenen Befähigungsansatzes? Beraten, zeigen, organisieren, arrangieren, lehren. Es geht also um mehr als nur um Information und Wissen. Es geht um organisationskonzeptionelle Neuaufstellung in Bezug auf eine sich wandelnde Umwelt, um Auslösung infolge von selbsttransformativen sozialen Lernprozessen, orientiert an zeigbaren Vorbildern, die nicht naiv zu kopieren sind, sondern an denen man sich motivational kräfteschöpfend ausrichten kann, sich demnach vor dem Hintergrund neuer normativer Sinnhorizonte ganz anders zu arrangieren, eine neue Lehre in der Führung ("oben") und ("nach unten" hin) in Personalentwicklung zu implementieren usw. Sofern ansonsten der Capability Approach im Sinne einer investiven Sozialpolitik 114 oftmals die Angehörigen in das "Visier" 115 nimmt und in der Idee der Caring Communities der Fokus auf das Potenzial des bürgerschaftlichen Engagements gesetzt wird, geht es nun um die Capability der Organisationen in der Leistungserstellung sowohl mit Blick auf das Innenraum-Geschehen als auch mit Blick auf das Verhältnis zum Außenraum. Denkbar wäre eine weitgehende Auflösung des "Einrichungs"charakters im Sinne 2 GG), über die Vorgaben im System der Sozialgesetzbücher (vgl. § 1 SGB I) bis hinunter zu den Landesgesetzgebungen und dem entsprechenden Landesverordnungswesen (vgl. die WTG), die bedeutsam sind, um ein Referenzsystem einer Skalierung der Normalisierung des Wohnens im Alter heranzuziehen. Maßstab jeder evaluativen Skalierung der Innovativität des Wandels des Sektors ist das Menschenbild des sozialen Rechtsstaates auf der personalistischen Grundlage der in der Natur des Menschen eingeschriebenen Würde (Art. 1 GG) in der Daseinsführung des Menschen, die sich in ihrer Semantik konkretisiert als Axiom der teilhabenden Selbstbestimmung (Art. 2) im möglichst selbstständigen Modus ihrer Praxis im Alltag der Daseinsführung des Menschen. Es versteht sich, dass dieses moderne Naturrecht der unantastbaren Würde als "heilige Ordnung des säkularen Rechtsstaates" angesichts der conditio humana immer bedingte Autonomie meint, da die menschliche Existenz nicht von absoluter Freiheit geprägt ist, sondern von relativer, d. h.: in ein Feld sozialer Relationen eingelassener Freiheit im Modus des gelingenden sozialen Miteinanders. Die Grenze der individuellen Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung ist eben das Grundrecht auf genau diese Freiheit des Mitmenschen, so dass sich an diese Freiheit a priori die Rücksichtnahme knüpft (Sittengesetz im Art. 2 GG, Abs. 1, zweiter Satzteil nach dem Komma). Der Mensch in seiner Selbst-Konzeption ist immer nur der Knotenpunkt seiner sozialen Beziehungen. Deshalb knüpft sich die Selbstbestimmung an die Teilhabe im Miteinander als "Miteinanderverantwortung". Dies ist die Differenz zwischen der Ideologie des atomistischen Individualismus einerseits und der ontologisch fassbaren Gestaltwahrheit der Personalität andererseits, die, um in der physikalischen Metaphorik zu bleiben, nicht atomistischer, sondern molekularer Art ist: Der Mensch entfaltet sein Wesen immer nur als Netzwerkwesen in der Wechselwirkung bzw. Gegenseitigkeit der Rolle des Mit(einander)menschen: in sozialen Verkettungen, lebensgeschichtlichen Verstrickungen, kulturellen Einbettungen, geschichtlichen Bindungen, räumlichen Möglichkeiten, aber eben auch in diesbezüglichen Überstiegen, Grenzüberschreitungen, individueller Plastizität (Selbsttranszendenz) und kollektiven Lernprozessen kreativer Überwindung von Pfadabhängigkeiten. Der Netzwerkbegriff und der Begriff der Verkettungen sind hier formaler Natur (im Sinne der Tradition der Soziologie der Formen, der formalen Soziologie) und nicht a priori nur positiv besetzt. Es gibt auch schmutzige, kriminelle und böse Netzwerke. Der empirische Befund zum status quo der Versorgungslandschaft, der leitenden Wertewelt und Organisationskultur seiner Einrichtungen und Dienste sowie der Haltungskultur der Professionen ist daran zu messen, wie groß das Delta, die Kluft zwischen Ist und Soll (was hier gar nicht so technisch gemeint ist, wie es klingen mag) ausfällt. Leitend ist hier der Blick 29 aus der Perspektive Kritischer Theorie: Wie kann das Wesen des Menschen Wirklichkeit werden, also Gestaltwahrheit annehmen, in einer unwahren (weil von Entfremdung geprägten) Welt? Sozialraumöffnung ist ein Strukturelement im Wachstum unserer Kultur des Miteinanders in den sozialen Praktiken des Umgangs mit dem höheren und hohen Alter. Es knüpft an am Quartierskonzept der Care-Landschaften und beruht auf der Differenzierung der Wohnformen im Alter. Ein Sozialraum ist die von sozialer Vernetzung und Einbettung geprägte Lebenswelt im Alltag des Daseins. Die dringend anstehende große, gesellschaftspolitisch gedachte SGB XI-Reform ist wohnmorphologisch geprägt von der Idee der Normalisierung des Wohnens des Alters in differenzierten Formen, wobei der nach wie vor unter De-Institutionalisierungsdruck und Ent-Hospitalisierung (und Kasernierung unter Corona-Bedingungen) stehende Heimsektor sich einerseits nach innen normalisieren muss, andererseits sich nach außen öffnen muss, um nicht nur (im Sinne der Aktualgenese) im Binnenraum der Einrichtung ein Wachstum der Person durch aktivierende Teilhabechancen zu fördern, sondern auch im sozialen Austausch im Quartier die Partizipation im Quartier als Normalisierung des Wohnens zu ermöglichen. Hieran knüpft sich die Idee der kommunalen Steuerung solcher Sozialraumbildungen bis hin zur Idee lokaler Caring Communities in transsektoral integrierten Infrastrukturen der Daseinsvorsorge, immer um die Ankerfunktion des Wohnens zentriert und das Daseinsthema der Mobilität mit Blick auf die Teilhabe am Gemeinwesen einbeziehend. Um diese Öffnung von innen nach außen, um das Da-draußen nach innen zu holen, dreht sich die realexperimentelle Feldstudie GALINDA als Beobachtung, Evaluation und Begleitung kollektiven Lernens als kulturelles Change Management von Einrichtungen, die den Willen zur Selbstveränderung aufbringen, sich aber auch lernend zur Fähigkeit der transgressiven Selbsttranszendenz entwickeln müssen. Es geht um Veränderungsprozesse auf der institutionellen Mesoebene von Einrichtungen, die als solche das Setting von Care-Prozessen, in die die Mikroebene der Professionen (mit ihren Habitusformen), in komplexen Interaktionsordnungen mit den Bewohner*innen, Angehörigen, bürgerschaftlich Engagierten, Betreuer*innen und externen Regulationsakteur*innen der Sozialversicherungen und des Landes figurativ eingelassen, eingebunden ist. Von den Faktoren des Gelingens bzw. Scheiterns, von den Entwicklungspotenzialen und den Blockaden, den Pfadabhängigkeiten, von Unsicherheiten und Ängsten, von Offenheiten und Verschlossenheiten, Ich betone das, weil -und das ist eine Sisyphos-Erfahrung in der universitären Lehre -ich mich tief betroffen fragen muss, wie ich es fachlich an Wissenschaft (Philosophie, Ethik, Theorien, Methoden …) oftmals völlig desinteressierten und deshalb überforderten Studierenden beibringen soll, das mein Standpunkt gerade nicht auf Exklusion der Menschen, wohl aber kapitalismuskritisch angelegt ist, wie unmittelbar nahe ich als Beamter an den Verfassungsvorgaben bin, an den anthropologisch fundierten normativ-rechtlichen Geboten, die uns ohne Disposition als Ewigkeitsartikel der Verfassung vorgegeben sind. Diese konstitutive Ursünde des obligatorischen Kontrahierungszwangs treibt die freien Träger in der Konkurrenz mit den privaten Leistungsträgern in das "Spinnennetz des Kapitalismus", das nun zunehmend in der Logik der unternehmerischen Formalzielorientierung von transnationalen Kapital-Anleger-Modellen kolonialisiert wird, die Bedarfsdeckungswirtschaft zum Nebenziel erklärt und das Rendite-Dispositiv als Logik des Wirtschaftens dominieren lässt. Gewiss, es ist nicht nur der externe Konformismusdruck; auch intrinsisch gesehen ist die intellektuelle und kulturelle (also habituelle) Resilienz der Führung in Verbänden, Trägern und Einrichtungen gegenüber der falsch verstandenen Ökonomisierung prekär: Es fehlt oftmals (nicht immer: es geht also auch anders!, wie ich z. B. in jahrelanger Zusammenarbeit mit der Kölner Josefs-Gesellschaft erfahren durfte) an authentischer, tief verankerter Wertebindung; stattdessen: Phrasen und an-31 sonsten die übliche öde gelebte Betriebswirtschaftslehre. Die Sachzieldominanz freigemeinnützigen Denkens (öffentliches Wirtschaften ist in diesem Sektor nach der rechtshermeneutisch vorherrschenden engen Auslegung der vertikalen Subsidiarität des europäisierten Marktwettbewerbsdenkens: "privat vor öffentlich" i. V. m. dem funktionellen Unternehmensbegriff marginalisiert) wird in der Blickverengung der horizontalen Subsidiaritätsauslegung (anti-diskriminatorische Gleichbehandlung gemeinwirtschaftlicher und privatwirtschaftlicher Unternehmen) zurückgedrängt. Und der Wettbewerbsdruck sowie die marktlogische akkulturative Sozialisation der freien Wohlfahrtspflege hat diese selbst in den Sog der unternehmensphilosophischen und unternehmenskulturellen Inskription des Geistes des mentalen, kognitiven, ästhetischen Kapitalismus getrieben. Die anzustrebende alternative Vision ist eine nachhaltige, bedarfsgerechte Versorgungslandschaft, transsektoral (Cure und Care umfassend) integriert, multiprofessionell funktionierend, vom Hilfe-Mix formeller und informeller Ressourcen geprägt, wohnort-und netzwerkbezogen, abgestuft in medizinischer, pflegerischer, sozialer sowie in ambulanter, teilstationärer, stationärer Hinsicht. Sie ist um eine differenzierte Wohnlandschaft herum verankert, dies vor allem jenseits des binären Codes privater Häuslichkeit und Heim und somit zunehmend auf die hybriden (stambulanten) Formen heterotoper Art fokussiert. Sie hat lokal sorgende Gemeinschaften nachhaltig zu entwickeln, die eingebettet sind in eine Infrastrukturlandschaft, die den Kriterien der Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Erreichbarkeit und Akzeptanz entspricht. Diese Vision knüpft sich einerseits an die verfassungsrechtlich mögliche, ja, eigentlich zwingend erforderliche Ermächtigung kommunaler Daseinsvorsorge (Art. 28 GG) in Kooperation mit den Sozialversicherungen als parafiskalische Organisationen des staatsmittelbaren Sektors der Selbstverwaltung, um die Choreographie dieser Sozialraumbildung als öffentliche Aufgabe gewährleistungsstaatslogisch aufzugreifen und effektiv sicherzustellen. Etwas mehr "Munizipalsozialismus" ist dringlich. Andererseits benötigen wir im Rahmen dieser kommunalen Daseinsvorsorge lokale/regionale generative Agenturen 127 , die die Sozialraumbildung der Caring Communities im Sinne der "Hilfe zur Selbsthilfe" als Philosophie genossenschaftsartiger "Miteinanderverantwortung" vorantreiben und somit quasi als Inkubatoren der Sozialraumbildung wirksam werden. Dahin sollten sich auch die Beratungs-und Prüfbehörden des Landes Rheinland-Pfalz im Sinne des dialogischen Verfahrens weiterentwickeln. Das ist 33 hier die Vision. Machbar, aber sicherlich umstritten. Das Ganze wird zu einer Frage der Begründung. Die Gegner dieser Vision haben keine besonders überzeugenden intellektuellen Gebäude des Argumentierens, keine theorietiefe, keine analytische Schärfe; sie ideologisieren, dreschen Phrasen ORDO-liberaler Tradition über die Konnexion von Markt, Freiheit und Demokratie. Phrasen, ohne theoretischen Unterbau, wie es der Personalismus des freiheitlichen Sozialismus bietet, also als anthropologisch, ja ontologisch fundierte Ethik der ausbalancierten geordneten Freiheit der Selbstverwirklichung in Mitverantwortung und Rücksichtnahme in genossenschaftsartiger (also in ur-alt-christlicher Lehre stehend) "Miteinanderverantwortung". Wo ist die überzeugendere Gegenposition? Diese Vision wird in der aktuellen Pflegereformdiskussion vom KDA deutlich als radikale Vision einer Pflegereform als Teil der Gesellschaftsgestaltungspolitik mit Bezug auf interdependente Teilgebiete der Sozialpolitik angesichts der Interdependenz von Raumordnungspolitik, Verkehrspolitik, Arbeitsmarkt und Berufsbildungspolitik, Familien-und Genderpolitik, Bildungspolitik, Einkommens-und Vermögenspolitik positioniert. Im SGB V benötigen wir für quartierbezogene Sozialraumorientierungen in der Pflege auch eine radikal andere, innovative Stärkung der Primärversorgung durch integrierte, multiprofessionelle, d. h. Cure-und Care-Zentren, jenseits der berufsständischen Logik immer noch im Durchschnitt überaus gut verdienender niedergelassener wirtschaftsliberaler Ärzte als anachronistische Betriebsform einerseits und singulären Krankenhäusern andererseits, die ohnehin in Konzentrationsprozesse infolge der Spezialisierung und der Optimierung der Betriebsgrößen eingebunden sind und Anpassungen in der auf der raumordnungspolitisch relevanten Theorie der zentralen Orte aufbauenden räumlichen Standortverteilung ausgesetzt sind. Wenn doch dieses Klientel des Wirtschaftsliberalismus Rudolf Virchow lesen würde! Sie würden die soziale Medizin entdecken. Der Arzt sei der "natürliche Anwalt der Armen"! Das war die Kultur der 1848er Medizinalreform, als die Ärzteschaft noch linksliberal war, Kinder der sozialreformerischen Aufklärung. Und heute? Zynismus. Handwerker, die sich für Götter halten. Heiler des Evidenz-Kultes. Eine Welt, in der an Universitäten argumentiert wird, eine Professur für Medizinsoziologie käme, wenn überhaupt, als W2-Professur in Frage, nicht als W3-Lehrstuhl, der der klinischen Medizin vorbehalten bleibt. So sieht dann auch die Gender-Verteilung aus. Wir brauchen eine andere "Medizinkultur"! 128 Das Fazit kann in dichter Prägnanz formuliert werden, weil es am Ende des Tages (nicht trotz, sondern aufgrund der verschlungenen philosophischen Herleitungen) einfach ausfällt: So wie der Kapitalismus seine Ästhetik der Warenproduktion hervorgebracht hat, hat auch die Gemeinwirtschaft als Sorgeökonomik ihre eigene Poetik, jetzt aber als Narration des "guten Lebens". Es wird nicht hinreichend sein, im Lichte des Nexus der Megatrends des demographischen Wandels und der epidemiologischen Transition, angesichts des Sozialstrukturwandels, der, wie es auch der Fall ist in der räumlichen Nutzungsstruktur, Zentrum-Peripherie-Muster der soziale Ungleichheit und sozialer Ausgrenzung ausbildet, einfach nur mehr Geld in das System zu pumpen (also das Leistungsrecht zu verbessern und mehr ökonomische Belohnungsansätze als angewandte Verhaltensökonomik zu implementieren), das regulative Ordnungsrecht (verpackt als Verbraucherschutzpolitik angesichts des epistemischen Dispositivs der pauschalen und generalisierten Vulnerabilität des Alters jenseits der Befunde differenzieller Gerontologie) weiter zu "kafkaesken" Irrungen und Wirrungen zu treiben, aber das Vertragsrecht -letztendlich die Steuerung -dem ordo-liberalen Dispositiv der Marktkonformität zu überlassen. Zumal die Steuerung weit entfernt ist von einer Optimierung der Prozessqualität, um sich final auf die Ergebnisqualität (letztendlich auf die Lebensqualität) auszurichten. Etwas mehr "politics against markets" ist dringlich. Ordnungspolitische Voraussetzung ist ein Moratorium des stationären Sektors: keine neuen Investitionen in traditionelle Heimformen. Die Einführung eines obligatorischen Kontrahierungszwanges war eine fatale Fehlentscheidung. Im Rahmen kommunaler Pflegestrukturplanung sollte nur unter Vertrag genommen werden, was bedarfsgerecht in die erwünschte Pflegestrukturplanung passt und benötigt wird. Dazu gehört die Öffnung der Heime als Ziel im Rahmen einer Sozialraumbildung. Einrichtungen müssen sich sodann einbinden lassen in die transsektorale Choreographie kommunaler Pflegestrukturplanungen. Dazu benötigen wir effektive konzertierende Konferenzstrukturen. Erforderlich ist die Modernisierung bestehender Einrichtungen, orientiert an Lebensqualitätsmodellen, die die Normalität des Wohnens (Heime sind keine Orte zur Hospitalisierung und akutklinischen Medikalisierung) unter dem Aspekt der Aktualgenese skalieren. Das bedarf auch einer anderen Logik und Politik der Qualitätskontrolle seitens des Staates als "Wächter". Das ist ja nun auch das Thema der vorliegenden Abhandlung. Ferner ist notwendig eine Fokussierung auf neue hybride Formen "weder ambulant noch stationär". Zweckdienlich dazu wäre eine radikal innovative Fortführung (andockend an die sich herausbildende KDA-Idee "Wohnen 6.0") der Vergabe von lokalen/regionalen Gesamtversorgungsverträgen in der verantwortlichen Trägerschaft der genossenschaftlich organisierten individuellen wie institutionellen Bürgerschaft des Quartiers. Sozialraumbildung ist ein sehr voraussetzungsvoller sozialer Lernprozess. Die Öffnung der Heime zum Sozialraum ebenso. Davon handelt der vorliegende Forschungsbericht mit seinen Reflexionen. Sozialraumbildung ist aber nur ein Strukturelement einer großen Erzählung eines neuen Drehbuches kommunaler Pflegepolitik als Teil einer Gesellschaftspolitik der "Miteinanderverantwortung" im Generationengefüge, das jede Gesellschaft, morphologisch komplex verschachtelt mit anderen Ungleichheitsmechanismen und Differenzierungsdimensionen, darstellt. In dieser größeren Erzählung einer Vision kommunaler Pflegepolitik 129 wird auch darüber fabuliert, wie eine neue gesellschaftliche Steuerung aussehen muss. Die Mesoebene der Einrichtungen ist ja in diesen Makro-Kontext eingebettet. Die Care-Landschaften müssen vom Geist einer Gemeinwohlökonomik geleitet werden. Das Feld ist nicht geeignet für die Logik privatwirtschaftlicher Kalküle, die die öffentliche Aufgabe, die sich hier unserer Kultur der Miteinanderverantwortung stellt, nicht bewältigen kann. Der herrschende ökonomische Diskurs bahnt leider bislang andere -maligne, deshalb falsche -Pfade in eine problematische Perspektive. Das Lied wird wie folgt dumm nachgesungen: Pflegeepidemiologisch wird a) ein steigender Bedarf berechnet, dem sodann b) ein entsprechend steigender Bedarf an Heimplätzen als Antwort korreliert wird. Der darum c) wiederum notwendige Kapitalbedarf für die Investitionen soll d) in tiefer Dankbarkeit oder gar fetischartiger Huldigung durch die Kapitalakquise der Kapitalanlegermodelle gedeckt werden. Das ist das Lied des luziden Spinnennetzes des Kapitalismus. Die Gegen-Gabe zu dieser Liebes-Gabe ist e) das Renditeversprechen. Das ist die Melodie des daimonischen Minotaurus in der Mitte des Labyrinths, in das die Opfer gelockt werden. Aber es gibt ja den Faden der Ariadne. Das Problem hat viele Gesichter. Wir brauchen a*) keinen Bettenkapazitätsboom sozial exkludierender Heimstrukturen. Das Kapital muss b*) investiv in die Vision einer kommunal gesteuerten inklusiven Gemeindeordnung genossenschaftsartiger Sorgelandschaften fließen. Daher müssen wir c*) andere Lösungen suchen und finden. Die Logik der Gemeinwirtschaft wird hier d*) den Sektor freihalten müssen vom malignen Geist des Kapitalismus, der sein Spinnennetz ausbreitet, in dem dann, wie einst durch das Singen der Sirenen in der Odyssee, die Menschen eingefangen und ins Unglück gestürzt werden. Wir benötigen einen alternativ hegemonialen Diskus: Oder verbal: Bedarfsorientierte Gemeinwirtschaft statt Privatwirtschaft, Sachzieldominanz gegenüber der Verdinglichung der Formalziele privatwirtschaftlichen Handelns. Die Nacht wechselt -wie im "Mutterrecht" bei Bachofen -sodann zum Lunaren als Herrschaftsraum der Weiblichkeit über Tag des Zugriffs: 13. März 2020. Vgl. auch Balke