key: cord-0057425-xdhaodlj authors: Bochennek, K.; Simon, A.; Laws, H.-J.; Groll, A. H; Lehrnbecher, T. title: Fieber während der Granulozytopenie bei krebskranken Kindern und Jugendlichen date: 2021-03-15 journal: Monatsschr Kinderheilkd DOI: 10.1007/s00112-021-01146-4 sha: bf636c1f43e519f1ad5ef1fdf27bc11a65d7ebee doc_id: 57425 cord_uid: xdhaodlj Febrile neutropenia is the most common potential emergency situation in children and adolescents with cancer. The host response of these patients is severely compromised by treatment-induced immunosuppression resulting in a lack of important defence mechanisms, so that bacterial infections and in certain risk groups also fungal infections can be life threatening. As the clinical course of these infectious complications may be rapid and fatal, early antibiotic treatment can save lives. This article aims to raise awareness to this emergency situation and gives an overview of the management of pediatric cancer patients with febrile neutropenia. Trotz signifikanter Verbesserungen der Supportivtherapie sowie der Verfügbarkeit neuer antibiotischer und antimykotischer Substanzen sind Infektionen noch immer eine wichtige Ursache für Morbidität und Mortalität bei krebskranken Kindern und Jugendlichen. So zeigten Untersuchungen bei pädiatrischen Patienten mit akuter myeloischer Leukämie, dass diese während der intensiven Therapie im Durchschnitt 3 infektiöse Komplikationen erlitten, und dass Infektionen für 60 % der therapieassoziierten Todesfälle verantwortlich waren [3, 5, 11] . Da bei fiebernden granulozytopenischen Patienten lokale Entzündungsreaktionen fehlen können, die Infektionen jedoch einen rasch fortschreitenden und lebensbedrohlichen Verlauf nehmen können, ist das adäquate Management betroffener Kinder für alle Kinderärzte/-ärztinnen 1 in der Notfallversorgung von größter Bedeutung. Eine der wichtigsten unerwünschten Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung ist die temporäre Unterdrückung der Blutbildung. Hierdurch kommt es etwa 7 bis 10 Tage nach Beginn der Chemotherapie zu einer Unterdrückung der Myelopoese, die sich als klinisch als Anämie, Granulozytopenie und Thrombozytopenie zeigt. Die neutrophilen Granulozyten sind einer der wichtigsten primärenAbwehrmechanismenvonbakteriellen Erregern und Pilzen, weswegen das Risiko für infektiöse Komplikationen vom Schweregrad und von der Dauer der Granulozytopenie abhängt. Wichtig ist jedoch auch die Dynamik der Granulozytenzahlen im peripheren Blut: Fallende Werte mit einer in den nächsten Tagen erwarteten Granulozytopenie sind mit einem höheren, steigende Werte mit einem niedrigeren Risiko für kompliziert verlaufende Infektionen assoziiert [1] Umgekehrt kann die Gabe von Blutprodukten, Humanalbumin oder Immunglobulinen sowie auch von Medikamenten ("drug fever", z. B. Cytarabin) Fieber auslösen. Die Entscheidung für oder gegen eine antibiotische Therapie muss in solchen Situationen immer mit einem erfahren Kinderonkologen getroffen werden; im Zweifel ist mit der unmittelbaren i.v.-Antibiotikagabe zu beginnen. Trotz aller mikrobiologischen Untersuchungen bleibt bei etwa zwei Dritteln der Patienten mit Fieber während der Granulozytopenie dessen Ursache letztlich unklar und wird als "Fieber unbekannter Ursache" bezeichnet ("fever of unknown origin", FUO; . Tab. 1; [11] ). Bei etwa 10 % aller Patienten mit Fieber während der Granulozytopenie lässt sich im Fall der klinisch diagnostizierten Infektion kein Erreger nachweisen ("klinisch dokumentierte Infektion"), während sich bei etwa 30 % aller Patienten mit Fieber während der Granulozytopenie ein für das Infektionsgeschehen plausibler Erreger isolieren lässt, meist in der Blutkultur (positiv in 10-20 % aller Fälle, "mikrobiologisch dokumentierte Infektion"). Hier finden sich meist grampositive Erreger, wie es auch eine Studie bei Kindern mit akuter myeloischer Leukämie (AML) zeigt (. Tab. 2; [11] ). Pilze werden dahingegen sehr selten (< 5 %) in der Blutkultur nachgewiesen, in aller Regel dann Candida-Arten. Analyse der lokalen Erreger-und Resistenzstatistik Zunehmend häufiger treten Infektionen durch multiresistente bakterielle Erreger auf, deren Nachweis bei inadäquater Initialtherapie die Prognose signifikant verschlechtern kann [13] . Deswegen ist es wichtig, ein indikationsbezogenes Screening durchzuführen und regelmäßig die lokale Erreger-und Resistenzstatistik (Blutstrominfektionen) zu analysieren. Dies kann ggf. sowohl bei individuellen Patienten als auch insgesamt zu einer Anpassung des empirischen Antibiotikaregimes genutzt werden. Kinder mit Krebserkrankungen, die eine intensive zytostatische Therapie erhalten, müssen bei Fieber unmittelbar in einem kinderonkologischen Zentrum vorgestellt werden, insbesondere in der Zeit des durch die Behandlung erwarteten Zelltiefs (. Abb. 2). Bereits vor der ersten Entlassung nach der Diagnosestellung sind die Eltern hierüber ausführlich aufzuklären. Wichtige anamnestische Informationen sind Art der Grunderkrankung, Zeitpunkt und Art der letzten Chemotherapie, derzeitige Medikation. einschließlich einer antimikrobiellen Prophylaxe, Angaben zu Besiedelungen bzw. vorherige Infektionen (einschließlich multiresistente Erreger und Clostridioides difficile). Die körperliche Untersuchung umfasst sowohl den Allgemeinzustand und die Vitalparameter des Patienten als auch die Suche nach Eintrittspforten für Erreger oder Infektionszeichen (. Abb. 3). Aufgrund der fehlenden lokalen Entzündungsreaktion können einige Infektionszeichen atypisch imponieren. Selbst schwere infektiöse Krankheitsbilder wie eine Pneumonie, eine Peritonitis oder tiefe Weichteilinfektionen können ohne typische Untersuchungsbefunde wie Abwehrspannung oder Rötung und Überwärmung ablaufen. Wichtig ist insbesondere, auf die klinischen Warnzeichen einer Sepsis zu achten (. Abb. 3). [7] . Entscheidend hinsichtlich der Sensitivität einer Blutkultur ist, dass die Kulturflaschen ausreichend gefüllt werden, wobei die Angaben des Herstellers beachtet werden müssen [17] . Weiterführende mikrobielle Untersuchungen wie Rachenabstrich, Urin-oder Stuhluntersuchung richten sich nach der Symptomatik und werden nicht routinemäßig durchgeführt. Hiervon ausgenommen sind mikrobiologische Routineab-striche nach lokalem Standard (wie z. B. "severe acute respiratory syndrome coronavirus 2", SARS-CoV-2). Bei granulozytopenischen Patienten mit Fieber oder anderen Zeichen bzw. Symptomen, die auf eine Infektion hinweisen können, soll die initiale empirische antibiotische Therapie ohne das Abwarten der mikrobiologischen Ergebnisse innerhalb von 60 min nach Klinikvorstellung ("time to antibiotic treatment", TTA) erfolgen (. Abb. 2; [16] ). Dabei sollte der konkrete Ablauf von der ersten telefonischen Ankündigung des fiebernden Patienten bis zur ersten Gabe des Antibiotikums für jede Klinik in einem internen Standard definiert werden [17] . Bei der Wahl des Antibiotikaregimes muss neben patientenspezifischen Faktoren, wie z. B. der klinische Zustand, Komorbiditäten, Allergien oder vorangegangene Infektionen, auch die lokale Resistenzlage von invasiven Erregern beachtet werden [2, 10] Immunsystem · Bakterielle Infektionen · Pilzinfektionen · Antibiotika · Notfälle Febrile neutropenia is the most common potential emergency situation in children and adolescents with cancer. The host response of these patients is severely compromised by treatment-induced immunosuppression resulting in a lack of important defence mechanisms, so that bacterial infections and in certain risk groups also fungal infections can be life threatening. As the clinical course of these infectious complications may be rapid and fatal, early antibiotic treatment can save lives. This article aims to raise awareness to this emergency situation and gives an overview of the management of pediatric cancer patients with febrile neutropenia. behandeltwerden, sollte die initiale empirische Therapie entsprechend angepasst werden [9] . Hier kann es in der Praxis sehr hilfreich sein, dies vorab zu entscheiden und in der Patientenkurve zu hinterlegen. Der klinische Zustand von Patienten mit Fieber während der Granulozytopenie muss nach Beginn der empirischen Antibiotikatherapie kontinuierlich beobachtet und bei jeder Verschlechterung reevaluiert werden (. Abb. 3) . Eine Modifikation des initialen Antibiotikaregimes ist z. B. notwendig, wenn sich der klinische Zustand verschlechtert oder sich neue Symptome einer lokalen Infektion zeigen. Persistierendes Fieber ohne klinische Verschlechterung allein ist kein Grund, das antibiotische Regime zu modifizieren [10] . Bei Patienten in stabilem klinischen Zustand, bei denen keine Infektion mit einem gegen die empirische Therapie resistenten Erreger nachgewiesen wurde, sind folgende Szenarien denkbar: 4 Bei Patienten mit einer mikrobiologisch dokumentierten Infektion sollte erwogen werden, die initial breite empirische Therapie unter Berücksichtigung des Resistenzprofils des Erregers zu deeskalieren [15] . 4 Escherichia coli, n (%) 13 (5, 2) Andere, n (%) 18 (7,2) a In 24 Fällen wurde mehr als ein Erreger in der Blutkultur nachgewiesen bar ist [12, 14] . Deshalb obliegt es bislang dem jeweiligen Zentrum, eigene Überlegungen zu einem risikoadaptierten Vorgehen zu entwickeln, in das auch die ambulante Infrastruktur eingeht (z. B. Entfernung zwischen Wohnort und Klinik, Vorhandensein eines spezialisierten ambulanten Pflegedienstes usw.; [9] ). Bei Patienten, die initial in stabilem klinischen Zustand waren, 72 h nach Beginn der i.v.-Antibiotika-Therapie keine klinisch oder mikrobiologisch dokumentierte Infektion aufweisen und für mindestens 24 h fieberfrei waren, kann unabhängig von einer hämatologischen Regeneration eine Beendigung der antibiotischen Therapie in Betracht gezogen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Erholung des Blutbilds in den nächsten Tagen zu erwarten ist und einer Entlassung keine anderen Aspekte (z. B. Mukositis) entgegenstehen [9] . Handelt es sich um Patienten, bei denen die Granulozytopenie voraussichtlich noch länger als 7 Tage andauern wird, ist eine individuelle ärztliche Risikoanalyse auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer weiteren stationären Überwachung zielführend. Patienten mit einer protrahierten Granulozytopenie (Granulozytenzahl < 0,5 · 10 9 /l und DauerderGranulozytopenie ≥ 10 Ta Association between depth of neutropenia and clinical outcomes in febrile pediatric cancer and/or patients undergoing hematopoietic stem-cell transplantation European guidelines for empirical antibacterial therapy for febrile neutropenic patients in the era of growing resistance: summary of the Infectious complications in children with acute myeloid leukemia: decreased mortalityinmulticentertrialAML-BFM2004 Protocol for reducing time to antibiotics in pediatric patients presenting to an emergency department with fever and neutropenia efficacy and barriers Early deaths and treatment-related mortalityinchildrenundergoing therapy for acute myeloid leukemia: analysis of the multicenter clinical trials AML-BFM 93 and AML-BFM98 Risk factors for invasive fungal disease in pediatric cancer and hematopoietic stem cell transplantation: a systematic review Diagnosisofcatheterrelated bloodstream infections among pediatric oncology patients lacking a peripheral culture, using differential time to detection ECIL-8) 2020 updated guidelines for diagnosis, prevention and treatment of invasive fungal diseases in paediatric patients with cancer or allogeneic haematopoietic cell transplantation ECIL-8) 2020 Guidelines for the Use of Antibiotics in Paediatric Patients with Cancer or Haematopoietic Cell Transplantation Guideline for the management of fever and neutropenia in children with cancer and hematopoietic stemcell transplantation recipients: 2017 update Infectiouscomplications in pediatric acute myeloid leukemia: analysis of the prospective multi-institutional clinical trial AML-BFM93 Validation of anewriskassessmentmodelforpredictingadverse events in children with fever and chemotherapyinduced neutropenia Fluoroquinolone prophylaxis during neutropenia: what can we expect nowadays? Risk stratification in febrile neutropenic episodes in adolescent/young adult patients with cancer Blood stream infections and antibiotic utilization in pediatric leukemia patients with febrile neutropenia Pediatric patients who receive antibiotics for fever and neutropenia in less than 60 min have decreased intensive care needs Diagnostik und Therapie bei Kindern mit onkologischer Grunderkrankung, Fieber und Granulozytopenie (mit febriler Neutropenie) außerhalb der allogenen Stammzelltransplantation Specific and non-specific clinical presentations in the year before the diagnosis of childhood leukaemia