key: cord-0057283-blqk2mds authors: Mahfoud, Felix; Böhm, Michael; Dörr, Oliver; Halbach, Marcel; Kintscher, Ulrich title: Arterielle Hypertonie – Was war 2020 wichtig? date: 2021-03-10 journal: Kardiologe DOI: 10.1007/s12181-021-00470-z sha: c30f656ca0dd374aaba182130803cb84fb232807 doc_id: 57283 cord_uid: blqk2mds Arterial hypertension remains the most significant risk factor for cardiovascular disease and associated disability worldwide. In the field of arterial hypertension the coronavirus disease 2019 (COVID-19) pandemic also determined major parts of the scientific debate. Arterial hypertension is associated with a severe course of COVID-19, whereas risk of infection by severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) does not appear to be increased in hypertensive individuals. According to current data, treatment with angiotensin-converting enzyme (ACE) inhibitors and angiotensin type 1 receptor blockers is not associated with an increased risk of SARS-CoV‑2 infection or with a more severe course of COVID-19. A study on antihypertensive chronotherapy determined the scientific discourse on the medication treatment of hypertension. The HYGIA study concluded that bedtime medication reduces the cardiovascular risk in patients with arterial hypertension. Due to some study limitations, routine administration of bedtime antihypertensive medication cannot be recommended. Some of the reasons are discussed herein. Another scientific focus was on new renal denervation studies. Here, one can summarize that according to novel evidence, catheter-based renal denervation is an effective and safe procedure for the treatment of arterial hypertension, which could become established as an alternative to pharmaceutical blood pressure reduction in the near future. Die arterielle Hypertonie ist immer noch der bedeutendste Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen und damit einhergehende Behinderungen weltweit [6, 15] . In Deutschland ist etwa jeder dritte Erwachsene von der Erkrankung betroffen [15, 25] . Die Prävalenz ist stark altersabhängig, sodass bei den 65-bis 79-Jährigen sogar 71 % erkrankt sind [15, 25] . Die Behandlungshäufigkeit hat in den letzten Jahren erfreulicherweise zugenommen, wobei immer noch ca. 30 % der behandelten Patienten*innen nicht kontrolliert sind, d. h. unter Therapie nicht den entsprechenden Zielblutdruckbereich erreichen [15, 25] . Neueste Daten aus der EUROASPIRE V-Studie weisen sogar auf einen Anteil von 42 % an Patienten*innen mit unkontrolliertem Blutdruck (> 140/90 mm Hg) in der Sekundärprävention hin [15, 17] . Die Behandlungsstrategien für die arterielle Hypertonie müssen also unbedingt weiterentwickelt und verbessert werden. Die COVID-19-Pandemie hat auch die arterielle Hypertonie und deren Behandlung im Jahr 2020 in den Fokus gerückt, und wir werden aktuelle Aspekte zu diesem Thema besprechen. Zusätzlich gab es weitere wichtige Studien und Diskussionsbeiträge unter anderem zur Chronotherapie und zu den neuen interventio-nellen Verfahren zur Blutdruckbehandlung, die wir besprechen wollen. Das Alter der Patienten*innen ist ein bedeutsamer Risikofaktor für die Schwere von COVID-19 einschließlich der Behandlung auf einer Intensivstation, einer mechanischen Beatmung und Tod [9, 10]. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass auch das Vorhandensein eines Bluthochdruckes mit einem schwereren COVID-19-Krankheitsverlauf assoziiert ist. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass einige dieser Assoziationen auch durch die höhere Prävalenz der arteriellen Hypertonie bei Älteren beeinflusst worden sind [8] [9] [10] . Dahingegen ist die Evidenz, dass Patienten*innen mit arterieller Hypertonie ein erhöhtes SARS-CoV-2-Infektionsrisiko haben, eher schwach [10] . Mechanistisch konnte kürzlich in einer Studie an 48 Patienten*innen mittels Single-Cell-Transcriptomic-Profiling nachgewiesen werden, dass die arterielle Hypertonie eine spezifische immunologische Reaktion bei COVID-19 auslöst, die mit einer verstärkten Entzündungsreaktion einhergeht [33] . Diese Prozesse könnten eine Ursache für den schwereren Krankheitsverlauf bei arterieller Hypertonie darstellen. Seit Beginn der Pandemie wurde intensiv über die Sicherheit der antihypertensiven Behandlung mit pharmakologischen Blockern des Renin-Angioten-sin-Systems (RAS), ACE(Angiotensin-Converting-Enzym)-Hemmer und Angiotensin-Typ-1-Rezeptorblocker (ARB) diskutiert. Es ist bekannt, dass die medikamentöse Therapie mit diesen Substanzen wesentlich zur Reduktion der Morbidität und Mortalität von Patienten*innen mit arterieller Hypertonie beiträgt [35] . Eines der wichtigsten RAS-modulierenden Enzyme, ACE2, hat während der SARS-CoV-2-Pandemie zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen, da es nicht nur Angiotensin(ANG) II in den alternativen RAS-Metaboliten ANG 1-7 umwandelt, sondern auch als zellulärer Eintrittsrezeptor für SARS-CoV-2 fungiert (. Abb. 1; [16, 34] ). ACE-Hemmer und ARBs können zu einer Hochregulierung der ACE2-Expression/Aktivität führen und wurden daher zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie mit einem verschlechterten Outcome bei COVID-19-Patienten in Verbindung gebracht (. Abb. 1; [16, 34] ). Inzwischen haben jedoch mehrere große Beobachtungsstudien beweisen können, dass weder das Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion noch der Schweregrad der COVID-19-Erkrankung durch ACE-Hemmer oder ARBs negativ beeinflusst wird [23, 30, 31] . Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen RAS- Abb. 1 9 Pharmakologische Blocker des Renin-Angiotensin-Systems und Interaktion mit SARS-CoV-2-Rezeptor: ACE2 (Angiotensin-Converting-Enzym 2). AT1R Angiotensin Typ 1 Rezeptor Blockern und Schweregrad des Verlaufs konnte kürzlich sogar in 2 randomisierten Studien dargelegt werden, dass weder ACE-Hemmer noch ARBs den COVID-19-Verlauf negativ beeinflussen. Die REPLACE-COVID-Studie randomisierte 152 Patienten*innen, die mit COVID-19 stationär behandelt wurden und mit RAS-Blockern vorbehandelt waren, entweder auf einen Arm, in dem die ACE-Hemmer/ARB-Therapie fortgesetzt wurde, oder auf den Arm, in dem diese Therapie abgesetzt wurde [5] . Es ergab sich kein signifikanter Unterschied in den beiden Armen bezüglich des primären Endpunktes, der einen "rank score for clinical outcome during hospitalization" mit mehreren klinischen Parametern (Tage bis zum Tod, Dauer der Beatmung, Dauer der Dialyse, SOFA-Score) umfasste [5] . Zu vergleichbaren Ergebnissen kam die BRACE-CORONA-Studie, die in diesem Jahr publiziert wurde [21] . Hier wurden 659 COVID-19-Patienten*innen eingeschlossen und ebenfalls auf Fortführung bzw. Beendigung der ACE/ARB-Therapie randomisiert [21] . Auch hier zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Studienarmen bezüglich des primären Endpunktes, Dauer des Überlebens und Entlassung über einen 30-Tage-Zeitraum (. Abb. 2; [21] ). Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass ACE-Hemmer und ARBs weder mit einem erhöhten SARS-CoV-2-Infektionsrisiko noch mit einem schwereren Krankheitsverlauf von COVID-19 assoziiert sind. Es ist eher davon auszugehen, dass der Einsatz dieser Medikamente auch während COVID-19 langfristig eher zu einem Benefit, vermittelt über deren kardiovaskulär protektive Effekte, führt. Physiologische, tageszeitabhängige Variationen mit einem morgendlichen Blutdruckanstieg und einem nächtlichen Blutdruckabfall finden bei den aktuellen Diagnose-und Therapieempfehlungen Berücksichtigung [35] . Die JAMP(Japan Ambulatory Blood Pressure Monitoring Prospective)-Studie, an der zwischen 2009 und 2017 insgesamt 6359 Patienten im medianen Alter von 68 Jahren teilnahmen, bei denen wenigstens ein kardiometabolischer Risikofaktor vorlag, untersuchte die prognostische Bedeutung des nächtlichen Blutdrucks und des Blutdruckprofils [13] . Mit dem Wissen, dass ein exzessiver nächtlicher Blutdruckabfall, sog. Over-oderExtreme-Dipping,miteinem erhöhten Risiko für ischämische Ereignisse bei Patienten*innen mit koronarer Herzerkrankung assoziiert ist und das Risiko für stille zerebrale Infarkte erhöht wird, sind diese Ergebnisse sehr kontrovers diskutiert worden [14, 18, 28] . Zusätzlich konnte in der Vergangenheit in Studien, in denen die nächtliche mit der morgendlichen Medikamenteneinnahme verglichen wurde, kein signifikanter Unterschied in ABDM(ambulantes 24-h-Blutdruckmonitoring)-Tages-oder -Nachtwerten detektiert werden [29] . In der genaueren Analyse der HYGIA-Studie wurden weitere Limitationen angesprochen einschließlich einer auffällig niedrigen Drop-out-Rate trotz der Verwendung des den Patienten belastenden 48h-ABDM und Versäumnissen in der Befolgung allgemeingültiger Regeln bei der Durchführung von randomisierten klinischen Studien, wie z. B. die vorzeigte Beendigung der Studie bei eindeutigem Unterschied zwischen den Gruppen [18] . Aufgrund der genannten Limitationen kann eine generelle abendliche Gabe der antihypertensiven Medikation nicht empfohlen werden [18] . Hinzu kommt, dass die Medikamentenadhärenz außerhalb klinischer Studien möglicherweise bei morgendlicher Einnahme höher ist [27] . Eine chronische Überaktivität des sympathischen Nervensystems ist ein wichtiger pathophysiologischer Faktor bei der Entstehung und Progression der arteriellen Hypertonie und begleitender Organschäden [20, 26] . Hier spielen die efferenten und afferenten sympathischen Nervenfasern der Niere eine besondere Rolle [7, 20] . Die Stimulation der renalen sympathischen Nerven kann über unterschiedliche Mechanismen zur systemischen Blutdruckerhöhung beitragen [20] . Die katheterbasierte Ablation der sympathischen Nervenfasern im Bereich der Nierenarterie wurde vor 11 Jahren erstmals bei Patienten mit therapieresistenter Hypertonie durchgeführt [19] . Nach der Publikation einiger positiver Denervation · Chronotherapie · SARS-CoV-2 Abstract Arterial hypertension remains the most significant risk factor for cardiovascular disease and associated disability worldwide. In the field of arterial hypertension the coronavirus disease 2019 (COVID-19) pandemic also determined major parts of the scientific debate. Arterial hypertension is associated with a severe course of COVID-19, whereas risk of infection by severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) does not appear to be increased in hypertensive individuals. According to current data, treatment with angiotensin-converting enzyme (ACE) inhibitors and angiotensin type 1 receptor blockers is not associated with an increased risk of SARS-CoV-2 infection or with a more severe course of COVID-19. A study on antihypertensive chronotherapy determined the scientific discourse on the medication treatment of hypertension. The HYGIA study concluded that bedtime medication reduces the cardiovascular risk in patients with arterial hypertension. Due to some study limitations, routine administration of bedtime antihypertensive medication cannot be recommended. Some of the reasons are discussed herein. Another scientific focus was on new renal denervation studies. Here, one can summarize that according to novel evidence, catheter-based renal denervation is an effective and safe procedure for the treatment of arterial hypertension, which could become established as an alternative to pharmaceutical blood pressure reduction in the near future. COVID-19 · ACE inhibitor · Renal denervation · Chronotherapy · SARS-CoV-2 Abb. 2 8 Randomisierte klinische Studie (BRACECORONA) -Vergleich der Beendigung vs. Fortführung einer ACE(Angiotensin-Converting-Enzym)-Hemmer(ACEI)/Angiotensin-Typ-1-Rezeptor-Blocker(ARB)-Therapie bei hospitalisierten COVID-19-Erkrankten. Gesamtsterblichkeit an Tag 30. HR Hazard Ratio, CI Konfidenzintervall [21] Studien zeigte sich in der randomisierten, scheinkontrollierten SYMPLICITY HTN-3-Studie, dass die renale Es stellt sich also nun die Frage, wie und wann diese Behandlungsmethode in die klinische Routine integriert wird? Die aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der europäischen Hypertoniegesellschaft (ESH) von 2018 berücksichtigen die genannten neuen Studien nicht, da sie zu dem Zeitpunkt der Leitlinienerstellung noch nicht veröffentlicht waren [35] . Vor dem Hintergrund der nun verfügbaren Daten können aber Rückschlüsse auf die zukünftige klinische Anwendung der interventionellen renalen Denervation gezogen werden. Wichtig erscheint hier eine adäquate Patientenselektion. Obwohl die Patientenpopulationen in den neuen Studien keine Patienten*innen mit schwerer, therapieresistenter Hypertonie inkludierten, scheint die interventionelle antihypertensive Therapie gerade für Patienten*innen mit einem schwer einstellbaren arteriellen Hypertonus und einer medikamentösen Therapieresistenz eine geeignete zusätzliche Behandlungsalternative darzustellen [4, 24] . Hierbei ist jedoch zu beachten, dass im Vorfeld eine sekundäre arterielle Hypertonie auszuschließen ist und dass eine umfassende Untersuchung der Therapieadhärenz der Patienten*innen erfolgen sollte [4, 24] . Auch für Patienten*innen, die strikt gegen eine medikamentöse Behandlung sind oder unter starken Nebenwirkungen leiden, könnte die renale Denervation erwogen werden. Die Einbeziehung der Patienten*innen in die Therapieentscheidung mittels eines "Shared decision making"-Ansatzes sollte ebenfalls berücksichtigt werden [4, 24] . Weitere Patientengruppen, die von einer renalen Denervation profitieren könnten, gilt es, in zukünftigen Studien zu identifizieren. Erst kürzlich konnte beispielsweise in einer Analyse des weltweit größten Denervationsregisters (Global SYMPLICITY-Register) bestätigt werden, dass die renale Denervation auch bei Patienten*innen mit hohem kardiovaskulärem Risiko effektiv ist [22] . Es bleibt außerdem festzuhalten, dass die interventionelle renale Denervation derzeitig und in nächster Zukunft ausschließlich von spezialisierten Zentren durchgeführt werden sollte [4, 24] . In naher Zukunft werden weitere wichtige Studienergebnisse zur renalen Denervation erwartet. Diese umfassen sowohl neue Studien zur ultraschallbasierten Denervation bei Patienten*innen mit therapieresistenter Hypertonie unter 3-fach Fixkombination (RADIANCE HTN-TRIO, REQUIRE, RADIANCE II) als auch Studien zu neuen interventionellen Verfahren wie dem Peregri- Effect of renal denervation on blood pressure in the presence of antihypertensive drugs: 6-month efficacy and safety results from the SPYRAL HTN- Nighttime blood pressure phenotype and cardiovascular prognosis: practitioner-based nationwide JAMP study Stroke prognosis and abnormal nocturnal blood pressure falls in older hypertensives Update Hypertonie: Ab wann und wie behandeln? Plasma angiotensin peptide profiling and ACE (angiotensin-converting enzyme)-2 activity in COVID-19 patients treated with pharmacologicalblockersoftherenin-angiotensin system Lifestyle and impact on cardiovascular risk factor control in coronary patients across 27 countries: results from the European Society of Cardiology ESC-EORPEUROASPIRE Vregistry Disregard the reported data from the HYGIA project: blood pressure medication not to be routinely dosed at bedtime Catheter-based renal sympathetic denervation for resistant hypertension: a multicentre safety and proof-of-principle cohort study Devicebased therapies for arterial hypertension Effect of discontinuing vs continuing angiotensin-converting enzyme inhibitors and angiotensin II receptor blockers on days alive and out of the hospital in patients admitted with COVID-19: a randomized clinical trial Renal denervation in high-risk patients with hypertension Reninangiotensin-aldosterone system blockers and the risk of Covid-19 Renal denervation in daily practice: if so, how? Hypertension prevalence, awareness, treatment and control in Germany 1998 and 2008-11 The human sympathetic nervous system: its relevance in hypertension and heart failure Evaluationofadministrationtimeandadherencerates of morning vs. bedtime dosing of antihypertensive medications Circadian blood pressure changes and myocardial ischemia in hypertensive patients with coronary artery disease A trial of 2 strategies to reduce nocturnal blood pressure in blacks with chronic kidney disease Renin-angiotensin-aldosterone system inhibitors and risk of Covid-19 Antihypertensive drugs and COVID-19 risk: a cohort study of 2 million hypertensive patients Catheter-based renal denervation in patients with uncontrolled hypertension in the absence of antihypertensive medications (SPYRAL HTN-OFF MED): a randomised, sham-controlled, proof-ofconcept trial Hypertension delays viral clearance and exacerbates airway hyperinflammation in patients with COVID-19 Renin-angiotensin-aldosterone system inhibitors in patients with Covid-19 Guidelinesforthemanagementofarterial hypertension