key: cord-0057189-rkp299ml authors: von Boeselager, Friedrich; Motlik, Patrice; Hellhammer, Hendrik; Aden, Robin title: Dynamisches Portfolio Management von Digitalaktivitäten date: 2020-06-10 journal: Control Manag Rev DOI: 10.1007/s12176-020-0105-7 sha: d4074b1ce9e51cdf618b2668be9436766ace8cb0 doc_id: 57189 cord_uid: rkp299ml nan Lässt es sich verhindern, dass eigenständige Marken nicht aufeinander abgestimmt die gleiche App entwickeln, obwohl sie zum selben Konzern gehören? Einer der größten Automotive Original Equipment Manufacturer (OEM) der Welt hat genau dieses Problem identifiziert und beschloss, mittels eines Projekts digital "aufzuräumen". Die Problemstellung selbst ist jedoch nicht unternehmensspezifisch. Sie ist typisch für viele Industrieunternehmen, die in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Digitalisierung ihres Geschäfts begonnen haben. Diese Digitalaktivitäten umfassen meist Projekte zu Technologien (zum Beispiel 3-D-Druck), zu Wertschöpfungsketten (beispielsweise Industrie 4.0) sowie zu strategischen Vorgaben (zum Beispiel datengetriebene Produkte). Die Größe vieler Unternehmen und die zunehmende Diversifizierung von Geschäftsbereichen führen tendenziell dazu, dass Digitalaktivitäten dezentral und in großer Variantenvielfalt entstehen. Die Unternehmensführung identifiziert diese "Selbstläufer" häufig erst sehr spät oder gar nicht. So-wohl für die zentrale Unternehmenssteuerung als auch für die dezentralen Bereiche birgt diese Vorgehensweise zahlreiche Herausforderungen (vergleiche Gehrke 2017, S. 138 Das Digital Governance Model harmonisiert die strategische und operative Sicht auf Digitalaktivitäten und eignet sich deshalb besonders gut zu deren Portfoliosteuerung. Es ist zum einen in der Lage, die Koordination zwischen zentraler strategischer Steuerung und dezentralen operativen Bereichen zu vereinfachen. Zum anderen kann es die Komplexität des Zusammenspiels von Digitalaktivitäten reduzieren. Alle Digitalaktivitäten lassen sich in einem ersten Schritt einer der beiden folgenden Ebenen eines Unternehmens zuordnen: der Ebene des Geschäftsmodells oder der Ebene des Be-triebsmodells. Das Geschäftsmodell deckt die kundennahen Bereiche ab, die zur Einnahmengenerierung und zum Vertrieb von Produkten und Services nötig sind. Dazu gehören beispielsweise Marketing, Vertrieb und Retail. Das Betriebsmodell hingegen umfasst die Bereiche der Geschäftsprozesse. Hierzu zählen Beschaffung, Entwicklung und Produktion sowie Unterstützungsbereiche wie Finanzen, IT und HR. In einem zweiten Schritt werden die Digitalaktivitäten innerhalb der jeweiligen Ebene entweder in Unternehmenskerntätigkeiten -Core Activities -oder in Unternehmensentwicklungschancen -Opportunity Activities -eingeteilt. Zur Kategorie Core Activities zählen die Optimierung existierender Geschäftsmodelle (zum Beispiel der Einsatz von Connected Car Services) sowie die Optimierung existierender Prozesse (beispielsweise der Einsatz von Augmented Reality in der Logistik). Quelle: MHP -A Porsche Company werden. Eine Bewegung vom Kern weg zeigt, dass sie sich wieder beziehungsweise immer noch in einer Versuchsphase befinden oder bewusst aus dem Kern heraus "entlassen" werden und sich neu beweisen müssen. Das Modell gewährleistet so die Portfoliosteuerung im Sinne einer durchlässigen permeablen Membran. Durch das Zusammentragen des Portfolios entsteht eine Übersicht, welche und wie viele Digitalaktivitäten zu disruptiven Geschäftsmodellen oder zur Optimierung bestehender Prozesse beitragen. Außerdem wird der Einsatz gleicher Technologien sofort erkennbar: Der Einsatz von Augmented Reality zum Beispiel ist nicht auf die Logistik begrenzt, sondern kann auch für den Vertrieb eingesetzt werden. Zudem benötigen und erzeugen Digitalaktivitäten naturgemäß Daten und können dadurch als Befähiger (Enabler) für weitere Digitalaktivitäten dienen. Dies durchbricht zunehmend traditionelle Bereichsgrenzen. Der Umfang eines geeigneten Steuerungsinstrumentes, mithilfe dessen das Portfolio Management umgesetzt wird, sollte sich an der Komplexität des Unternehmens orientieren. Während in einem globalen Industriekonzern der Aufbau einer eigenen digitalen Plattform sinnvoll sein kann, könnten für ein regional agierendes mittelständisches Unternehmen bereits standardisierte Excel-Tools den Steuerungsbedarf decken. Damit steht die Basis des Digital Governance Models zur Steuerung der digitalen Transformation fest. Zu erörtern bleibt noch, wo und wie diese am besten in die Organisation eines Unternehmens einzubetten ist. Zwei Ansätze sind bei fast allen Unternehmen beobachtbar: Entweder werden Digitalaktivitäten in einem Top-down-Ansatz auf Basis von aus der Strategie abgeleiteten Fokus- Die erfolgreiche Implementierung einer Governance-Struktur zur Steuerung der digitalen Transformation erfolgt in mehreren Schritten und umfasst einen Zeitraum von etwa zwölf Monaten. Im ersten Schritt müssen -ein schon bestehendes Digital Transformation Office vorausgesetzt -die notwendigen Rahmenbedingungen gesichert sein und der Status quo der Digitalaktivitäten im Unternehmen erfasst werden. Dafür stehen drei Monate zur Verfügung. Im zweiten Schritt, für den ebenfalls drei Monate veranschlagt werden, können erste Synergien gehoben und Anforderungen für eine Steuerung definiert werden. Nach einem halben Jahr der Vorbereitung kann dann mit der Implementierung eines Portfolio-Steuerungs-Tools begonnen werden. "Wenn ein Unternehmen zum ersten Mal mit Digitalaktivitäten in Berührung kommt, sollte es frühzeitig die Beschreibung der gemeinsamen Steuerungs-und Ordnungsrahmen in Angriff nehmen. Nur so kann es die notwendige Transparenz schaffen, um Redundanzen zu vermeiden und gemeinsame Synergiepotenziale zu identifizieren. Die Funktionalfachbereiche und Marken haben zwar differenzierte Sichtweisen auf den Kunden und Märkte, was notwendig ist, um vielfältige und zugleich wettbewerbsfähige Lösungsansätze im digitalen Wandel hervorzubringen. Sie stehen in einem gesunden Wettbewerb untereinander. Die Entscheider benötigen jedoch einen Überblick über alle Digitalaktivitäten, um die beste Lösung für den Konzern priorisieren zu können. Dafür bietet sich das Digital Portfolio Management Tool an. Es ist die ideale Informationsgrundlage, die Entscheidern ermöglicht, rechtzeitig auf gemeinsame und vor allem auf die für alle Beteiligten richtige Digitalaktivität zu setzen." Neben der Portfoliosteuerung an sich muss ein Change Management etabliert werden, um alle Mitarbeiter, die von direkten Änderungen betroffen sind, vorzubereiten und mitzunehmen. Hierfür hat sich im genannten Beispielunternehmen ein Patenmodell als sehr nützlich erwiesen, in dem das Di gital Transformation Office sogenannte personifizierte Schnitt stellen zu allen von der digitalen Transformation betroffenen Bereichen aufgebaut hat. Aus diesen wurden sogenannte Digital-Change-Botschafter ausgewählt, die über die aktuellen Strategieentscheidungen zur digitalen Transformation am besten informiert sind und diese unkompliziert in ihre entsprechenden Bereiche tragen können. Zum anderen ist eine Gremienstruktur aufzubauen, durch die das Digital Transformation Office ideal mit der zentralen Steuerung und den dezentralen Bereichen verknüpft ist. Von Beginn an müssen alle Digitalaktivitäten im Unternehmen erfasst werden. Sie werden in das Atommodell eingeordnet, sodass klar ist, welcher Dimension sie zuzurechnen sind. Am Ende des dritten Monats sollte ein vollständiges Portfolio aller Digitalaktivitäten vorliegen. Der Überblick macht erste Redundanzen zwischen Bereichen sichtbar und gibt Hinweise auf mögliche Synergien. Controlling eff ektiv und effizient gestalten. Digital Governance Model E-Mail: dgm@mhp Der Digital Navigator -Ein Modell für die digitale Transformation Die Balanced Scorecard als Instrument zur Entwicklung und Implementierung von Digitalisierungsstrategien Change 4.0 -Agiles Veränderungsmanagement und Organisationsentwicklung in digitalen Transformationsprojekten Der Chief Digital Officer -Die Schlüsselposition für eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie