key: cord-0057188-beh66lsn authors: Janka, Marc; Günther, Thomas title: Controlling für agiles Management date: 2020-07-20 journal: Control Manag Rev DOI: 10.1007/s12176-020-0117-3 sha: b1613ed49aa39ffec84c7ec2a6a61c05aec1b8c5 doc_id: 57188 cord_uid: beh66lsn nan Flexibilität versus Stabilität -mit diesem gegensätzlichen Begriffspaar lässt sich das scheinbare Dilemma, das sowohl Praxis als auch Forschung seit Längerem umtreibt, wohl am eingängigsten beschreiben. Einerseits soll sich ein Unternehmen stets flexibel an geänderte Rahmenbedingungen anpassen können, andererseits braucht es auch eine stabile Führung. Ein agiles Management soll diesen Spagat meistern. Dabei kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz, die Abläufe und Prozesse in kleine Einheiten zerlegen und diese in relativ kurzen Abständen überprüfen und gegebenenfalls neu adjustieren. In der empirischen Controlling-Forschung zeigen sich drei Erfolgsfaktoren für agiles Management: Der erste Erfolgsfaktor ist die Unternehmensstruktur, denn agiles Management ist bei bestimmten Projektstrukturen oder Organisationsformen besonders erfolgreich. Der zweite Erfolgsfaktor, dem häufig jedoch wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die Unternehmenskultur. Agiles Management gelingt also dann, wenn eine Gruppe von Individuen bestimmte Werte teilt. Während die Unternehmensstruktur eine Art Hülle, ein Grundgerüst, darstellt, füllt die Unternehmenskultur eine Organisation mit Leben. Der dritte und letzte Erfolgsfaktor ist die Ausgestaltung des Controllings, das als Bindeglied zwischen Struktur, Kultur und Steuerung beim agilen Management fungieren kann. Innerhalb eines Unternehmens ergänzen sich Struktur, Kultur und Steuerung wechselseitig (vergleiche Flamholtz/Das/Tsui 1985) . Die Zerlegung von Abläufen oder Prozessen, wie im agilen Management propagiert, erhöht zwar beispielsweise die strukturelle Flexibilität, um besser auf Unsicherheit im Unternehmensumfeld reagieren zu können, doch konstituiert dies alleine noch kein agiles Management. Denn durch eine Zerlegung können auch neue Probleme oder Spannungen aufseiten der Unternehmenskultur und -steuerung auftreten. Bildlich gesprochen wird mittels struktureller Zerlegung aus einem trägen Dinosaurier eine Mehrzahl kleiner flinker Wiesel, doch wissen diese eventuell gar nicht mehr, welche gemeinsamen Werte sie überhaupt haben und wo sie denn letztendlich zusammen hinlaufen sollen. So lässt sich ganz konkret die Frage stellen, wie die Unternehmenssteuerung in Übereinstimmung mit der Struktur und der Kultur ausgestaltet sein muss, damit das Management überhaupt "agil" sein kann. Gate steckt dieser Prozess beispielsweise bereits im Namen: Nach einer möglichen Planungsphase (Plan) werden Arbeitspakete in einzelnen Schritten (Dos/Stages) abgearbeitet, bei einem folgenden Kontrollpunkt analysiert (Check/Gates) und dabei entschieden, wie weiter vorgegangen wird (Act). Diese Abläufe wiederholen sich und werden bei Scrum als Sprints bezeichnet. Die empirische Controlling-Forschung zeigt hier, dass der entscheidende Erfolgsfaktor die Art der Steuerung im kybernetischen Regelkreis ist. Die Art der Ergebnis-und Maßnahmensteuerung kann dabei entweder diagnostisch oder interaktiv erfolgen (vergleiche Simons 1995) . Einzelne Arbeitspakete (Dos/Stages/Sprints) werden beim agilen Projekt-und Produkt-Management von Projektmitgliedern relativ eigenständig abgearbeitet. Bei den Kontrollpunkten stellt sich die Frage, ob ein "Feedback" mittels klassischer Soll-Ist-Abweichungsanalyse genügt (diagnostische Steuerung) oder ob im Sinne von "Feedforward" regelmäßig grundlegende Annahmen die zukünftige Entwicklung in Strategie-Meetings betreffend zwischen allen Projektmitgliedern, den Projektverantwortlichen und eventuell sogar dem Management gemeinschaftlich hinterfragt, diskutiert und abgeändert werden müssen (interaktive Steuerung). Während eine diagnostische Steuerung lediglich die Einhaltung kritischer Ziele gewährleisten soll, eignet sich eine interaktive Steuerung dazu, auf eine strategische Umfeldunsicherheit flexibel zu reagieren und Innovationen oder Strategieänderungen anzustoßen. In einer empirischen Studie von 276 deutschen Unternehmen haben wir untersucht, inwieweit die Umfeldunsicherheit bei Produktentwicklungsprojekten und die Art der Ergebnis-und Maßnahmensteuerung zusammenwirken (vergleiche Janka/Günther 2018). Dabei zeigt sich, dass nicht die objektiv messbare, sondern vielmehr die wahrgenommene, subjektive Umfeldunsicherheit entscheidend für das Innovations-Controlling ist, und wir identifizieren zwei unterschiedliche Gruppen von Unternehmen: Während für Gruppe 1 (rund zwei Drittel der Unternehmen) ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen einer wahrgenommenen Umfeldunsicherheit und dem Ausmaß des Innovations-Controllings nachgewiesen werden kann (x-Achse in Abbildung 2, S. 28), ist dieser Zusammenhang für Gruppe 2 (das andere Drittel) signifikant negativ und somit genau entgegengesetzt. Abbildung 2 zeigt, welche Auswirkung die Art der Ergebnis-und Maßnahmensteuerung auf den Produktentwicklungserfolg beider Gruppen besitzt (y-Achse in Abbildung 2). Lediglich die Unternehmen der Gruppe 1 profitieren hinsichtlich der Effektivität ihrer Produktentwicklung von einer interaktiven Ergebnis-und Maßnahmensteuerung (nur die blaue Raute, die eine interaktive Ergebnis-und Maßnahmensteuerung bei der Gruppe 1 darstellt, ven Steuerung, erklären lassen. Bei hoher Umfeldunsicherheit ist beobachtbar, dass Unternehmen, ob sie nun ihr Controlling intensivieren oder reduzieren, am Markt vergleichbare Erfolge mit Produktinnovationen aufweisen. Die Unterschiede erklären sich durch unterschiedliche Innovationsstrategien der Unternehmen. Ergänzende Analysen ergaben, dass die Innovationsstrategien in der Produktentwicklung der Gruppe 1 in einem wesentlich größeren Ausmaß durch das Umfeld aufgezwungen (emergent) waren als bei Unternehmen der Gruppe 2. Das bedeutet, dass Unternehmen der Gruppe 1 ihre Innovationsstrategie eher flexibel an der Umfeldunsicherheit ausrichten. Im Unternehmen besteht daher der Bedarf, die Umfeldunsicherheit zu analysieren, zu diskutieren und in eine modifizierte Innovationsstrategie einzubauen, und es wird großer Wert auf eine interaktive Ergebnis-und Maßnahmensteuerung gelegt. Unternehmen der Gruppe 2 richten ihre Steuerung hingegen an vorab bewusst festgelegten (intendierten) Innovationsstrategien aus, was diesen Unternehmen auch erlaubt, ihr Innovations-Controlling zurückzufahren. "Culture eats strategy for breakfast." Dieses Zitat wird dem Pionierdenker des modernen Managements, Peter F. Drucker, zugeschrieben. Es beschreibt die fundamentale Bedeutung der Kultur im Vergleich zur Strategie, während in der Unternehmenspraxis häufig Letztere im Mittelpunkt zu stehen scheint. Der wohl wichtigste, aber selten wahrgenommene und daher kaum gewürdigte Erfolgsfaktor eines agilen Projekt-und Produkt-Managements ist "Kaizen" -eine japanische Arbeitsphilosophie, die zu Deutsch "eine Veränderung zum Besseren" bedeutet (vergleiche Adler/Goldoftas/Levine 1999). Aus Die ausschließliche Steuerung mittels SollIstAnalysen reicht bei hoher Umfeldunsicherheit nicht aus, um erfolgreich Produkte zu entwickeln. der Sicht des Controllings sollte folglich nicht nur der Ergebnis-und Maßnahmensteuerung, sondern zusätzlich auch der Kultursteuerung Beachtung geschenkt werden. In unserer Studie wurde neben der bereits erläuterten Ergebnis-und Maßnahmensteuerung auch die Kultursteuerung bei Produktentwicklungsprojekten untersucht (vergleiche Janka /Günther 2018) . Dabei wurde zwischen Werte-und Abgrenzungssystemen unterschieden (vergleiche Simons 1995) . Wertesysteme umfassen die Vision, die Mission, die Leitsätze sowie die Werte und Normen eines Unternehmens. Abgrenzungssysteme beziehen sich auf das Compliance Management, beispielsweise in Form eines Verhaltens-, Ehren-oder Moralkodex. Risiken, die durch unerwünschte Verhaltensweisen dem Unternehmen schaden könnten, sollen dadurch reduziert werden. Abbildung 4 stellt die Auswirkung der Kultursteuerung auf den Produktentwicklungserfolg bei Umfeldunsicherheit in bereits gewohnter Form dar (vergleiche Abbildung 2). Unternehmen der Gruppe 1 betonen bei einer größeren wahrgenommenen Umfeldunsicherheit die Kultursteuerung stärker, während Unternehmen der Gruppe 2 die Kultursteuerung reduzieren. Für beide Gruppen zeigt sich, dass Werte-und Abgrenzungssysteme miteinander verflochten sind, sich jedoch nur bei den Unternehmen der Gruppe 1 signifikant positiv auf den Produktentwicklungserfolg auswirken. Dort allerdings beeinflusst die Kultursteuerung den Produktentwicklungserfolg sogar weitaus stärker als eine interaktive Ergebnis-und Maßnahmensteuerung. Agiles Management lässt sich in mittelständischen Unter nehmen besser umsetzen als in Großunternehmen. Quelle: eigene Darstellung, Daten aus Janka/Günther 2018 von Management-Innovationen durch eine stärkere Steuerung der Unternehmenskultur abgemildert und ausgeglichen werden können Der Art der Ergebnis-und Maßnahmensteuerung -ob sie diagnostisch und/oder interaktiv ist -wie auch der Kultursteuerung in Form von Wertesystemen Dabei müssen Flexibilität und Stabilität nicht zwangsläufig miteinander konkurrieren. Sowohl im Rahmen einer Ergebnis-und Maßnahmensteuerung als auch im Rahmen einer Kultursteuerung ist das Controlling als Bindeglied in der Lage Flexibility Versus Efficiency? A Case Study of Model Changeovers in the Toyota Production System Diagnosing and Changing Organizational Culture: Based on the Competing Values Framework, 3. Auflage Toward an Integrative Framework of Organizational Control Flexibilität, Unternehmenskultur und Controlling An Examination of the Relationship Between the Extent of a Flexible Culture and the Levers of Control System: The Key Role of Beliefs Control Management Control of New Product Development and Perceived Environmental Uncertainty: Exploring Heterogeneity Using a Finite Mixture Approach Beyond the "Good" and "Evil" of Stability Values in Organizational Culture for Managerial Innovation: The Crucial Role of Management Controls Levers of Control Agiles Management als Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung Heermann Maschinenbau (HEMA): Agiles Management