key: cord-0057186-kfqs4ok2 authors: Schneider, Thomas title: Bartering als Instrument im Krisenfall date: 2020-11-30 journal: Control Manag Rev DOI: 10.1007/s12176-020-0336-7 sha: 286d999eacbc8db54b1522e59cbd96e98ae3152f doc_id: 57186 cord_uid: kfqs4ok2 nan venöl (vergleiche Spiegel online 2011), sein Wettbewerber BMW exportierte 2014 Reis aus dem von der Staatspleite bedrohten Argentinien als Gegenleistung für Autos. Aber auch in der heutigen Wirtschaft sind Bartering-Geschäfte gang und gäbe. Wer zum Beispiel verfolgt, wie im ländlichen Bereich Privathäuser errichtet werden, erlebt Bartering in Reinkultur. Der Tischler hilft dem Maurer, der Dachdecker dem Elektriker. Dabei fließt kein Geld, vielmehr die Verpflichtung, dem Gegenüber beim nächsten Mal zu helfen. Dennoch ist für viele Unternehmen Bartering ein wenig bekanntes Instrument. Nicht selten wird das Tauschgeschäft mit Teppichhandel assoziert. Deshalb ist das Controlling zunächst einmal gefordert, die Funktionsweise sowie die Vor-und Nachteile von Bartering zu erläutern, damit eine solche eher negative Assoziation bei den Mitarbeitern gar nicht erst aufkommt. Zu den großen Vorteilen des Barterings gehört, dass dessen Einsatz die Liquidität des eigenen Unternehmens und die seiner Geschäftspartner schont. Da in wirtschaftlich schwieri-gen Zeiten die Liquiditätslage der Unternehmen oft angespannt ist, ist dies das entscheidende Einsatzargument für das Bartering. Das zeigt sich am Beispiel eines "normalen" Einkaufsvorgangs, wie er typischerweise im Großhandel stattfindet. Die Ware wird bestellt und bezahlt und erst dann das zu verkaufende Gut beschafft. Der Einkaufsvorgang ist vollständig liquiditätswirksam, weil die Zahlung zu 100 Prozent mit finanziellen Mitteln erfolgt. Anders verhält es sich bereits, wenn Produkte oder Leistungen angeboten werden, für die nicht vollständig liquiditätswirksame Vorleistungen erbracht werden, beispielsweise weil Einsatzstoffe vorrätig sind und nicht unmittelbar wieder ersetzt werden müssen. In vielen Unternehmen werden bestimmte Einsatzgüter wie Hilfs-und Betriebsgüter oder auch schwer zu beschaffende Komponenten meistens nicht erst nach Auftragseingang beschafft, sondern vorrätig gehalten. Und auch die Mitarbeiter haben häufig zumindest schon teilweise Arbeiten an dem Produkt oder der Dienstleistung erbracht. Die Liquitätswirkung dieser Form des Barterings liegt in der Regel zwischen zehn und 90 Prozent, je nachdem, wie hoch der Anteil von auszahlungswirksamen Kosten daneben noch ist. Werden von Unternehmen Produkte angeboten, welche kurzfristig nicht ersetzt werden müssen, oder freie personelle Kapazitäten genutzt, fallen überhaupt keine auzahlungswirksamen Kosten an. Das Austauschgut wird damit weitgehend liquiditätsneutral bereitgestellt. Typische Beispiele finden sich im Ersatzteilvertrieb oder in der Beratung. Diese letztgenannte ergebnisneutrale Variante des Barterings ist gemeint, wenn im nachfolgenden Text das Bartering noch näher erläutert wird. Ein weiterer Vorteil des Barterings ist die nach außen hin in gewissem Umfang intransparente Preisgestaltung. Unternehmen haben so die Möglichkeit, niedrigere Preise anzusetzen, um neue Kunden zu gewinnen, oder die Produktion auszulasten, ohne diese Konditionen auch anderen Kunden gewähren zu müssen. Nach Umstellung des Bar terings auf eine normale Liefer-und Leistungsbeziehung müssen diese Konditionen auch nicht beibehalten werden. Ein Nachteil des Barterings ist der höhere Transaktionsaufwand für die Suche nach geeigneten Geschäftspartnern. Die-se müssen nicht nur die für das eigene Unternehmen notwendigen Leistungen anbieten, sondern ihrerseits auch Interesse an den Leistungen des Unternehmens haben. Des Weiteren sind beim Bartering die Geschäftsabwicklung und die Preisbestimmung in der Regel aufwendiger als bei normalen Einkaufsvorgängen. Allerdings sind bei der Bestimmung der zusätzlichen Transaktionskosten nur die liquiditätsrelevanten Positionen anzusetzen. Verfügen die mit der Abwicklung des Tauschgeschäfts beschäftigten Mitarbeiter über freie Kapazitäten, fallen direkte Einzelkosten allenfalls in geringer Höhe an und sind deshalb nicht entscheidungsrelevant. Wurde festgestellt, dass sich Bartering grundsätzlich für den Einsatz im Unternehmen eignet, obliegt es dem Ein-und Verkauf, potenzielle Austauschgüter und Geschäftspartner zu ermitteln. Ein wichtiger Faktor für die Partnersuche ist der Standort, da er die Transaktionskosten wesentlich beeinflusst, insbesondere wenn eine persönliche Leistungserbringung beim Partner erfolgt. Auch Abstimmungsgespräche, das gegenseitige Kennenlernen oder der Aufbau von Vertrauen über direkte Kontakte sind bei einer regionalen Nähe des Partners deutlich einfacher als über Kontinente hinweg. Grundvoraussetzung für das Bartering ist die Bereitschaft des Partners, sich auf diesen ungewöhnlichen Austauschprozess einzulassen. Während beim "normalen" Austauschgeschäft nur ein Geschäftspartner Verwendung für die Leistungen des anderen haben muss, ist beim Bartering eine gegenseitige Nutzung erforderlich. Zusätzlich muss auch der jeweilige Bedarf zum Zeitpunkt der Transaktion akut sein. Die Auswahl der Partner kann sich zum einen auf bestehende Kunden und zum anderen auf neue Kunden fokussieren. Dabei können jeweils sowohl bereits bestehende als auch neue Leistungen Gegenstand des Barterings sein. Insgesamt gibt es vier Zielrichtungen des Barterings: 1. Bestehende Kunden -bestehende Leistungen: Primäres Ziel dieser eher defensiven Ausrichtung ist es, die Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten beziehungsweise Umsatz und/oder Preise nicht zu stark fallen zu lassen. An erster Stelle steht die Frage, inwieweit der Kunde (noch) Leistungen des eigenen Unternehmens benötigt. Geht dessen Umsatz stark zurück, werden auch Vorleistungen in entsprechend geringerem Umfang benötigt. Werden bestimmte Aktivitäten eingestellt, können hiermit verbundene Leistungen ebenfalls nicht mehr an diesen Kunden verkauft werden. Es kann aber völlig anders aussehen, wenn der Kunde erfährt, dass er beim Einsatz von Bartering im wortwörtlichen Sinne nichts bezahlen muss. Häufig ändert sich dann dessen Sichtweise. Ob der Kunde für das eigene Unternehmen interessante Leistungen anbietet, beurteilt der Einkauf. Dabei sollten auch mögliche verbundene Unternehmen berücksichtigt werden. Zentrale Vorarbeit für diese Zielrichtung ist eine genaue Analyse aller auch bislang noch nicht in Anspruch genommenen Leistungen des Kunden. Verfügt dieser über interessante Angebote, sollte bei der Anfrage bereits auf einer Bartering-Möglichkeit hingewiesen werden. Da der Kunde in Krisenzeiten meistens ebenfalls unter einem Nachfragerückgang leidet, wird dieser das Bartering als Alternative erwägen. Damit verknüpft ist gleichzeitig die bessere Auslastung der eigenen Kapazitäten. 3. Neue Kunden -bestehende Leistungen: Bei dieser Zielrichtung beginnt die Analyse im Einkauf. Benötigte Leistungen werden auf Basis der potenziellen Lieferanten ermittelt und so mögliche Kunden für die eigenen Leistungen analysiert. Hier ist Kreativität gefordert, da viele Unternehmen, insbesondere Unternehmensgruppen, Leistungen anbieten, die bisher nicht bekannt waren. Dabei kann die Suche auf Anlagegüter erweitert werden, die im Rahmen der abkühlenden Wirtschaftsentwicklung von Unternehmen derzeit nicht mehr benötigt werden. 4. Neue Kunden -neue Leistungen: Bei dieser Zielrichtung gibt die Unternehmensleitung die Richtung vor. Zwar mag ein Wachstumskurs in wirtschaftlich schwierigen Zeiten riskant sein. Allerdings kann sich hierüber die interessante, nicht selten einmalige Gelegenheit bieten, bei einem möglichen Kunden den Einstieg zu schaffen, der bisher konsequent Wettbewerber beauftragt hat. Dabei sind der Kreativität keine Gren- • Zeigen Sie Ihrem Ansprechpartner auf, dass Bartering keine exotische Idee ist, sondern immer zum Einsatz gelangt, wenn Märkte nicht vollständig funktionieren. • Berechnen Sie die Auswirkungen der einzelnen Transaktionen auf die Liquidität des eigenen Unternehmens, zeigen Sie Möglichkeiten und Grenzen auf. • Erläutern Sie Ihrem Ein-und Verkauf, dass Bartering nicht nur passiv zur Sicherung der Geschäftstätigkeit dient, sondern mitunter die einmalige Chance sein kann, den Einstieg bei Kunden zu schaffen, die bisher andere Lieferanten bevorzugen. zen gesetzt, insbesondere was das Schnüren von attraktiven Angeboten angeht. Da Preise, Liefer-und Zahlungsbedingungen nicht mit "normalen" Verträgen vergleichbar sind, besteht auch nicht die Gefahr, die Konditionen langfristig beibehalten zu müssen. Ein Aspekt, der bei der Suche nach Bartering-Partnern behilflich sein könnte, ist der Hinweis auf eine in der Regel stattfindende Zug-um-Zug-Abwicklung des Geschäfts. Dadurch entfallen die Gefahr des Forderungsausfalles oder die Kosten für eine Versicherung gegen ein solches Risiko, welche für Unternehmen in Krisensituationen ohnehin schwierig und kostspielig ist. Zudem können auch mögliche Unternehmensvorgaben bezüglich der Kreditwürdigkeit des Geschäftspartners ausgesetzt werden. Diese Aspekte können in einer zunehmend schwierigeren wirtschaftlichen Lage, insbesondere einer problematischen Liquiditätsentwicklung, eine wichtige Rolle spielen, um mögliche Partner vom Bartering zu überzeugen. Damit der Ein-und Verkauf dem Bartering gegenüber positiv eingestellt ist und es neuen und bestehenden Kunden dementsprechend gut "verkaufen" kann, ist es wichtig, dass das Controlling die verantwortlichen Mitarbeiter ausführlich über die Vorteile des Barterings für das eigene Unternehmen informiert. Hierbei gilt es, den schmalen Grat zwischen möglicherweise verpassten Chancen und aktuell nicht erforderlichen Geschäften zu finden. Während dies bei operativen Gütern über die Beschaffungsplanung noch relativ einfach ist, können sich auch bei Anlagegütern Chancen ergeben. Denn wenngleich bei deren Beschaffung über das Bartering eher Zurückhaltung herrscht, könnten potenzielle Kunden dies im Falle des Ausfalls wichtiger Anlagegüter in Erwägung ziehen, da ihre Beschaffung notwendig ist. Dann sind rasche Entscheidungen der Unternehmensleitung anhand der Langfristplanung erforderlich, womit wiederum der Bogen zum Controlling geschlagen ist. Bartering kann sukzessive eingeführt werden. Da die Auswahl der Austauschgüter beschränkt ist, gilt dies auch für die Anzahl der Partner für Bartering-Geschäfte. Werden zu viele potenzielle Partner gleichzeitig angesprochen, können sich schnell Überschneidungen ergeben. Haben die verantwortlichen Mitarbeiter die Systematik einmal nachvollzogen, sehen sie häufig Möglichkeiten, die trotz aller Offensichtlichkeit bisher ungenutzt bleiben. Es kann daher spannend werdennicht nur, aber auch für das Controlling. Gegengeschäfte: Suche Drehbank -biete Hibiskusblüten Handelspolitik auf Argentinisch -Tausche Porsche gegen Wein A South American Experience on Bartering: The Case of Tradaq in Brazil, in: The Book of Payments Revitalizing the Barter: The Case of Sardex