key: cord-0057133-e5h0635i authors: Frank, U.; Frank, K.; Pluschinski, P.; Hofmayer, A.; Duchac, S. title: Fragen und Antworten zur Dysphagie bei COVID-19-Patienten (Stand November 2020) date: 2021-03-08 journal: FAQ Dysphagie DOI: 10.1016/b978-3-437-44720-4.00012-1 sha: 0e2426c9e02aea0eb0567b86608da59f376304e6 doc_id: 57133 cord_uid: e5h0635i nan Es werden drei Verlaufsformen unterschieden: ■ leicht: milde Erkältungssymptome und eine geringe Einschränkung der Belastbarkeit. Die Erkrankung verläuft oft unbemerkt. ■ mittelgradig: starke Erkältungssymptome ggf. mit Beteiligung bakterieller Co-Infektionen bis hin zu leichten Pneumonien. Der Patient hat Fieber, fühlt sich abgeschlagen und ist nur eingeschränkt belastbar. ■ schwer: häufig plötzliche Verschlechterung des Krankheitsverlaufs (innerhalb weniger Stunden). Im weiteren Verlauf werden zwei Formen unterschieden: -Entwicklung einer schweren Pneumonie -Entwicklung eines ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome, ▶ 1.14) Der Anteil schwerer und kritischer Verläufe liegt nach derzeitigem Stand bei ca. 20 %, davon werden ca. 6-10 % beatmungspflichtig und ca. 6 % sind längerfristig (also länger als 72 Stunden) intubiert (RCSLT 2020). Häufig entwickelt sich eine Pneumonie (ggf. mit Pleuritis) in der zweiten Erkrankungswoche, die ggf. mit Sauerstofftherapie (O 2 und/oder HFNO) und nichtinvasiver Beatmung behandelt werden kann (▶ 12.19) . Dagegen ist bei Entwicklung eines beatmungspflichtigen ARDS eine Intubation und invasive Beatmung erforderlich, ggf. auch eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO). Häufige assoziierte Komplikationen umfassen v. a. bei schwer erkrankten beatmungspflichtigen COVID-19-Patienten schwere Critical Illness Mypoathien und Polyneuropathien (CIP, CIM, ▶ 8.6), akute nekrotisierende hämorrhagische Enzephalopathien, Myokardschädigungen und Herzrhythmusstörungen, Delirzustände und kognitive Störungen, Hirnnervenschädigungen, Dysphagien, erhöhte Blutgerinnung mit erhöhter Thrombose-und Schlaganfallgefahr, erhöhter Emboliegefahr aufgrund der Gerinnungsstörung, akutes Nieren-und Multiorganversagen. Mittelfristig bilden sich zudem häufig Bronchiektasen und Fibrosen, deren Persistenz derzeit noch unklar ist. Zur Erfassung von erschöpfungsbedingter Dyspnoe (Luftnot) eignet sich sehr gut die BORG-Skala (auch: BORG RPE-Skala, Borg 1982) . Hier schätzt der Patient seine Dyspnoe in Ruhe, bei oder nach einer Belastung auf einer 10-stufigen Skala ein. Die BORG-Skala ist validiert und sehr schnell und einfach anzuwenden. Im klinischen Kontext kann sie z. B. eingesetzt werden, um den aktuellen Dyspnoe-und Belastungsgrad zu erfassen und damit die Durchführbarkeit weiterer erschöpfender therapeutischer Maßnahmen (z. B. Mobilisation, orale Kostgabe, Entblocken der TK) zu beurteilen (aber CAVE: stille Hypoxämien können bestehen! ▶ 12.25). Die BORG-Skala eignet sich zudem sehr gut zur Verlaufsbeurteilung, etwa zur Einschätzung des Erkrankungsverlaufs oder der Wirksamkeit (atem-)therapeutischer Interventionen. Im Trachealsekret ist SARS-CoV-2 noch nachweisbar lange nachdem ein nasaler oder oropharyngealer Abstrich bereits negativ ist (Wölfel et al. 2020) . Dies kann jedoch auch noch nach Wochen festgestellt werden. Unklar ist hier, wie hoch die tatsächliche Viruslast sein muss, um noch eine Infektionsgefahr darzustellen. Die Risiko-Nutzen-Abwägung ist abhängig vom jeweiligen Setting. In einer ambulanten oder poliklinischen Einrichtung könnte eine Es mag sich paradox anhören, dass einerseits wechselndes Personal bei COVID 19-Patienten vermieden werden soll und andererseits offenbar genau diese Patienten aufgrund der Schwere ihrer Erkrankungen ganz besonders auf vielfältige therapeutische Interventionen angewiesen sind. Umso wichtiger ist es, die Infektionsgefahr für die direkt behandelnden Personen durch Einhaltung der internen Hygieneschutzmaßnahmen und Anpassung der Maßnahmen so weit wie möglich zu reduzieren. ■ aerosolgenerierende Prozeduren (AGPs) sollten nur durchgeführt werden, wenn sie einen eindeutigen und unmittelbaren diagnostischen oder therapeutischen Nutzen haben (▶ 12.9) ■ AGPs sollten nur mit entsprechender Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) durchgeführt werden (▶ 12.10) ■ AGPs sollten nur von erfahrenen Fachkräften durchgeführt werden ■ bei intubiert-beatmeten Patienten zwingend ein geschlossenes Absaugsystem verwenden ■ Mindestabstand nach Möglichkeit einhalten ■ wo immer möglich telemedizinische Methoden einsetzen Nach ersten klinischen Erfahrungen wirkt sich eine intensive und gut koordinierte Zusammenarbeit im multidisziplinären Team positiv auf den Behandlungsverlauf aus. Dies zeigt sich zum einen in Erfahrungsberichten, wird aber auch in den inzwischen verfügbaren Empfehlungen internationaler Arbeitsgruppen nahegelegt (Zaga et al. 2020 Entscheidend für eine möglichst risikoarme Durchführung der klinischen oder instrumentellen Dysphagiediagnostik ist: ■ die Erfahrung des Untersuchers ■ die möglichst weitgehende Reduktion der Untersuchungszeit bei möglichst hoher Untersuchungsqualität Es ist offensichtlich, dass diese beiden Aspekte sich bedingen. Bislang liegt noch keine wirklich belastbare Evidenz dafür vor, wie gefährdend eine klinische Schluckfunktionsuntersuchung oder eine instrumentelle Schluckdiagnostik für den Untersucher tatsächlich unter den Pandemiebedingungen von COVID-19 ist. Jedoch besteht ein internationaler Expertenkonsens darüber, dass es sich um eine mindestens mittlere Gefahr als Infektionsquelle für COVID-19 handelt (Miles et al. 2020) . Es wird dringend empfohlen, sich regelmäßig bei den Berufsverbänden und dem RKI über aktuelle Empfehlungen und Erkenntnisse zu informieren. Ein regelmäßiges Update bietet die Seite der Dysphagia Research Society und ihrer Task force: www.dysphagiaresearch.org/page/COVID-19Resources. Nach der Durchführung einer instrumentellen Schluckuntersuchung bei einem COVID-19-Patienten sollten nach bisherigen Empfehlungen mindestens folgende Maßnahmen durchgeführt werden: ■ Dekontamination des Raumes und aller Oberflächen inkl. der Türgriffe nach Beendigung der Untersuchung mit entsprechender Wischdesinfektion ■ Lüften des Raumes und erst nach etwa 2 Stunden wieder nutzen, sofern das Setting dies erlaubt ■ bei FEES: Aufbereitung des Endoskops nach RKI-Richtlinien (Bundesgesundheitsblatt 55, 2012, RKI 2012) und Tragen der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) durch den Aufbereitenden ■ fach-und sachgerechtes Ablegen und Entsorgen der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) Nein, aktives Unterdrücken des Hustenreizes ist nicht sinnvoll und führt meistens zum Gegenteil. Natürlich sollte eine Aerosolstreuung vermieden werden. Praktisch bedeutet das, dass der Covid-19-Patient, wenn er husten muss, möglichst produktiv husten sollte, um die Hustenreizauslösung zu reduzieren und damit eine "unnötige" Hustenaktion vermieden wird. Voraussetzung für eine mögliche nicht-invasive Beatmung (NIV-Therapie, ▶ 8.33ff.) ist, dass der Patient wach und ansprechbar ist, der Lufthunger durch die NIV beseitigt werden kann und der ph-Wert im Blut nicht tiefer als 7,3 sinkt. Folglich würde man bei zunehmender Vigilanzminderung, steigendem Lufthunger und zu niedrigem ph-Wert den Patienten sedieren und intubieren, um ihn dann weiter invasiv beatmen zu können und eine respiratorische Stabilisierung wiederherzustellen. Die Beatmungsdauer hängt in beiden Fällen vom Schweregrad des Krankheitsverlaufs ab. Bei sehr schweren Verläufen mit COVID-19 werden die durchschnittlichen 7-10 Tage aggressiv-invasive Beatmung (vgl. ARDS, ▶ 12.2, ▶ 1.14) jedoch häufig deutlich überschritten. Sowohl die High-Flow-Sauerstofftherapie als auch die nicht-invasive Beatmung führen durch schlechten Sitz der Masken oder Unruhe der Patienten häufig zur Aerosolbildung. Um dies zu vermeiden, sind eine adäquate Anpassung der Maske/O2-Adapter und ein guter Sitz im Gesicht sehr wichtig. Bei schwerst kritisch kranken Patienten muss sich der Erkrankungsverlauf zunächst erheblich verbessern, Komorbiditäten müssen vermieden und Hypoxämien Ja! Selbstverständlich können auch COVID-19-Patienten von einem beatmungskompatiblen Sprechventil profitieren, z. B. ihre Bedürfnisse äußern, Entscheidungen aktiv gestalten aber auch Delirphasen besser überwinden. Vor allem der Umstand, dass diese Patienten keine Besuche erhalten dürfen und sie damit sozial und kommunikativ isoliert sind, stellt grundsätzlich eine klare Indikation für die Anbahnung verbaler Kommunikation mit Sprechventileinsatz auch schon in den Beatmungsphasen dar. Zu beachten ist jedoch auch hier, dass durch das notwendige Entblocken sowie den weiterhin vorhandenen Beatmungsdruck eine hohe Infektionsgefahr für das Behandlungsteam besteht. Daher sind die entsprechenden Schutz-und Hygienemaßnahmen unbedingt einzuhalten (▶ 12.10). Nahezu alle therapeutischen Interventionen bei tracheotomierten und ggf. beatmeten Patienten sind als risikoreich in Bezug auf die Infektionsgefahr einzustufen. Zum einen, da sie ganz überwiegend zu den aerosolgenerierenden Prozeduren (AGP) zählen, aber auch, weil i. d. R. der Mindestabstand von 1,5-2 Metern nicht eingehalten werden kann. Bei beatmeten Patienten (über Tubus oder eine geblockte TK) besteht ein geschlossenes Atemsystem, bei dem die Aerosolisierungsgefahr geringer ist. Jedes Entblocken der TK "öffnet" das Atemsystem, sodass auch virushaltige Partikel leichter nach außen gelangen können. Alle Maßnahmen im Trachealkanülenweaning, insbesondere die Entscheidung zum Entblocken der TK, müssen in Bezug auf Risiko und Nutzen evaluiert werden. Es sollten nur Maßnahmen und Interventionen durchgeführt werden, die einen direkten und unmittelbaren Nutzen haben (Miles et al. 2020 , NTSP 2020 Interventionen im Zusammenhang mit dem Trachealkanülenweaning (Entblocken der TK und Einsatz von Sprechventil und Verschlusskappe, Absaugen) sind als aerosolgenerierende Prozeduren (AGPs) einzustufen (▶ 12.8). Derzeit wird empfohlen, die Indikation zur Durchführung dieser Maßnahmen im multidisziplinären Team in Bezug auf den Nutzen für den Patienten und das Risiko für Patienten und Behandlungsteam abzustimmen (Miles et al. 2020 , NTSP 2020 . Ja. Folgende Komplikationen werden berichtet: ■ Gesichtsödeme und Gesichtsulcera ■ Gefahr der Tubusdislokation durch Lagerungsmanöver mit entsprechenden Schäden an der Glottis und im Mundraum ■ erhöhte Refluxgefahr, erschwerte Nahrungsgabe Im Gegensatz zu ARDS-Patienten sind die Pneumonie-Patienten häufig wach und ansprechbar und haben durch die Entzündung starkes Dyspnoe-Empfinden. Die Bauchlage wäre aufgrund der o. g. Punkte ebenfalls indiziert, wird aber nur selten von den Patienten toleriert, da der erhöhte Druck auf dem Brustkorb eher als einengend empfunden wird und die subjektive Luftnot erhöht. Eines der Hauptprobleme bei COVID-19 ist die Hypoxämie (▶ 8.48), die bei einigen Patienten bis hin zum Lungenversagen (ARDS, ▶ 1.14), einer Sepsis und Multiorganversagen führen kann. Teils treten aber auch stille Hypoxämien auf, d. h. es kommt zu stark reduzierten O 2 -Werten im Blut, ohne dass die Patienten subjektive Luftnot haben. Dies kann bereits bis zu 10 Tage nach Infektion bestehen, ohne dass der Patient subjektiv über Luftnot klagt. Klinisch kann der Patient also relativ unauffällig sein. Bei der Behandlung (Frühmobilisation, Entblocken, Dysphagietherapie) besteht daher eine große Gefahr, die Patienten zu überfordern und weitere hypoxämiebedingte Organschädigungen zu fördern. In der Therapie sollten bevorzugt atemtherapeutische Lagerungen und Hands-on-Techniken eingesetzt werden, die wenig Stress und Erschöpfung erzeugen, z. B.: preprint server for health sciences Psychophysical bases of perceived exertion Prevalence, Pathophysiology, Diagnostic Modalities and Treatment Options for Dysphagia in Critically Ill Patients. American journal of physical medicine & rehabilitation Laryngeal injury and upper airway symptoms after oral endotracheal intubation with mechanical ventilation during critical care: a systematic review Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten Impulse dispersion of aerosols during singing and speaking. medRxiv COVID-19 Surface Persistence: A Recent Data Summary and Its Importance for Medical and Dental Settings Postacute care preparedness for CO-VID-19: thinking ahead Laryngeal oedema associated with COVID-19 complicating airway management Dysphagia care across the continuum: a multidisciplinary Dysphagia Research Society taskforce report of service-delivery during the COVID-19 global pandemic High humidity leads to loss of infectious influenza virus from simulated coughs Prevalence of Asymptomatic SARS-CoV-2 Infection: A Narrative Review UCL Queen Square National Hospital for Neurology and Neurosurgery COVID-19 Study Group. The emerging spectrum of COVID-19 neurology: clinical, radiological and laboratory findings Insights from an interprofessional post COVID-19 rehabilitation unit -a speech and language therapy and respiratory medicine perspective (submitted) Potential neurological symptoms of COVID-19. Therapeutic advances in neurological disorders Virological assessment of hospitalized patients with CO-VID-2019 Nervous system involvement after infection with COVID-19 and other coronaviruses Speech-Language Pathology guidance for tracheostomy during the COVID-19 pandemic: an international multidisciplinary perspective. American journal of speech-language pathology SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19); Stand: 30.10.020; www COVID-19 Information and Resources COVID-19 Response: Safe Tracheostomy Care -a toolkit for healthcare staff Royal College of Speech Language Therapists (RCSLT): COVID-19 speech and language therapy rehabilitation pathway Diese Beobachtung häufiger und länger andauernder Delirphasen (▶ 8.8ff.) berichten viele klinisch tätige Therapeuten. Es liegen vermutlich unterschiedliche Ursachen zugrunde. Zunächst kann eine Infektion mit SARS-CoV-2 offenbar direkt zu neuronalen, kognitiven und psychomotorischen Beeinträchtigungen führen (Paterson et al. 2020; Wang et al. 2020 , Wu 2020