key: cord-0056312-z5a28oeb authors: Kleinwechter, Helmut title: SARS-CoV-2 bei Schwangeren mit Diabetes aus diabetologischer Perspektive date: 2021-02-26 journal: Info Diabetol DOI: 10.1007/s15034-020-3647-z sha: 88c2d1004896be6e3258d6e69fefdd98a2b4d920 doc_id: 56312 cord_uid: z5a28oeb nan lungsraum. Eine Woche nach dem Tod von Li Wenliang gibt die chinesische Regierung bekannt, dass 1.716 Angehörige der Gesundheitsberufe an COVID-19 erkrankt sind und sechs bereits verstorben. Schnell verbreitet sich das Virus weltweit. Am 11. März 2020 ruft die WHO die Pandemie aus [2] . Wie es weiterging ist bekannt. Am 15.12.2020 meldet die WHO weltweit 71 Millionen Infizierte und 1,6 Millionen im Zusammenhang mit COVID-19 Verstorbene. Das Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlicht zum gleichen Zeitpunkt für Deutschland 1,35 Millionen Infizierte und 22.475 Verstorbene. Detaillierte Zahlen über infizierte Schwangere gibt es nicht. Auf schriftliche Anfrage teilt das RKI am 13.12.2020 mit, dass zwar Daten zu Schwangeren vorliegen, diese aber nicht bewertet werden können und verweist auf das CRONOS-Register. Im Jahr 2020 ist eine COVID-19-Publikationsflut zu beobachten, häufig ohne reguläres Peer Review und oft angeboten auf Preprint-Servern. PubMed listet am 15.12.2020 für 2020/2021: ▶ 83.095 Artikel unter "COVID-19" (228 pro Tag) ▶ 1.554 Artikel unter "COVID-19 AND Pregnancy" (4 pro Tag) ▶ 102 Artikel unter den Stichworten "COVID-19 AND Pregnancy AND Diabetes" (1 pro 3,5 Tage) Wohl kein anderes Gebiet der Medizin hat in einem Jahr so viele Einzelfallberichte, aber auch Reviews und Metaanalysen gesehen. Die folgende Übersicht ist ein Zwischenbericht, sie spiegelt den Erkenntnisstand bis 15. Dezember 2020 wider und stellt diabetesassoziierte Gesichtspunkte der Schwangeren heraus; geburtsmedizinische und neonatale Fragen werden nicht im Detail behandelt. Es wurden (wo erkennbar) vorrangig begutachtete Studien mit ausreichender Fallzahl und plausibler Statistik berücksichtigt. Auf Unsicherheiten wird hingewiesen, Erkenntnisse können sich kurzfristig ändern. Der Verlauf der SARS-CoV-2-Pandemie führt bis jetzt zu den immer wieder gleichen Fragen [3] , die jedem Abschnitt vorangestellt sind. In CRONOS wurden mehrere Fälle von bislang unerkanntem, teils entgleistem Typ-2-Diabetes bei Schwangeren aufgedeckt. Unabhängig von der Pandemie gelten Schwangere mit Typ-2-Dia betes, oftmals assoziiert mit morbider Adipositas und weiteren Komorbiditäten wie arterieller Hypertonie und Dyslipidämie als Hochrisikokollektiv. Sie gehören häufig zur Gruppe der Migrantinnen mit eingeschränkter oder fehlender Sprachkompentenz, befinden sich meist nicht in diabetologischer Betreuung, nehmen selten Folsäure ein und stellen sich frauenärztlich oft erst nach Abschluss der Embryogenese vor. Sie bedürften aber höchster interdisziplinärer Aufmerksamkeit schon zu Beginn der Schwangerschaft. Obwohl Prävention und Impfung in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt sind, darf nicht übersehen werden, dass enorme wissenschaftliche Anstrengungen unternommen wurden, medikamentöse Therapiestrategien zu entwickeln, Studien hierzu durchzuführen und den Anwendern ständig aktualisierte Leitlinien an die Hand zu geben. Das kann im Rahmen dieser Übersicht nicht dargestellt werden. Zusammenfassend stehen neben dem Nucleosidanalogon Remdesivir auch Rekonvaleszentenplasma, monoklonale Anti-SARS-CoV-2-Antikörper und Glukokortikoide (besonders Dexamethason) zur Verfügung. Der Einsatz der Medikamente wiederum ist abhängig davon, ob eine COVID-19-Patientin ambulant oder stationär behandelt wird, vom Schweregrad und Stadium der Infektion und welche Kombinationen sich als effektiv erwiesen haben. Darüber hinaus muss neben Zulassungen und Teilzulassungen auch berücksichtigt werden, ob der Einsatz nur in Studien gerechtfertigt ist und was zum spezifischen Einsatz bei Schwangeren empfohlen wird. Das Thema ist komplex und von ständig sich ändernden Evidenzlagen geprägt. Passende Literaturangaben mit Hinweisen zu Leitlinien finden sich in ▶Abb. 1. Nach Schon bald nach Eintreten des Pandemie-Falls haben Fachgesellschaften aus UK, USA, Kanada, Australien/Neu Seeland, Italien, Frankreich und Japan ihre Leitlinien zur GDM-Diagnostik für die Dauer der Pandemie angepasst [55, 56, 57, 58, 59, 60] . Leitvorstellung dabei war u. a., den schwangeren Frauen sowohl den längeren Aufenthalt an Orten erhöhten Infektionsrisikos, wie Ambulanzen und Polikliniken, als auch An-und Abfahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln weitestgehend zu ersparen. Hierzu haben Kollegen aus Basildon/UK Berechnungen angestellt, die zeigten, dass bei ausschließlicher Verwendung der Nüchtern-Plasmaglukose bei einer GDM-Gesamtprävalenz von 18,2 % nur ein geringer Prozentsatz von 7,2 % aller GDM-Fälle übersehen wird [61] . Entsprechende Berechnungen für Deutschland ergaben bei einer deutlich geringeren Prävalenz von 5,9 % fortbildung im Jahr 2017 einen Anteil je nach Bundesland von bis 5,5 % [62]. Andere Autoren teilten diese Auffassung nicht [63, 64] , wobei die Berechnungsgrundlage in diesen Fällen nicht schlüssig war. Die bisher wichtigste Analyse zu dieser Frage legte ein Forscherteam aus Queensland/Australien vor [65] . Auf der Basis von 75-g-oGTT-Ergebnissen von 26.242 schwangeren Frauen aus dem Zeitraum 1.1. bis 30.6.2015 und einer GDM-Prävalenz von 15 % nach den WHO-2013-Kriterien (davon 57,3 % mit erhöhtem Nüchternwert von >92 mg/dl/5,1 mmol/l) errechneten sie mit Hilfe einer Receiver-Operating-Characteristic (ROC)-Analyse, dass eine Nüchtern-Blutglukose >83 mg/dl (4,6 mmol/l) die beste Sensitivität von 54 % und Spezifität von 77 % aufwies, um prädiktiv für einen erhöhten Wert 1 h oder 2 h nach oraler Glukosebelastung zu sein (▶Abb. 2). Nach diesem Ergebnis würden lediglich 4.638 (17,7 %) aller getesteten Frauen mit Nüchternwerten von 85-90 mg/dl (4,7-5,0 mmol/l) einen oGTT benötigen und bei mehr als 80 % könnte man darauf verzichten. Das ist insofern von Bedeutung, weil der Abgleich ungünstiger Endpunkte der Schwangerschaft mit "Hyperglycemia-and-Pregnancy-Outcome (HAPO)"-Studiendaten erfolgte. Hierbei zeigte sich, dass beim Vergleich von Schwangeren mit GDM vs. ohne GDM bei einer Nüchtern-BG <85 mg/ dl (4,7 mmol/l) nur minimale bzw. keine statistisch signifikanten Risikodifferenzen bestanden und sogar Frauen mit "übersehenem" GDM eine geringere Rate an Hochdruckkomplikationen und primären Sectiones aufwiesen sowie deren Neugeborene weniger neonatale Hypoglykämien hatten. Die Autoren be-tonen, dass mit diesem Vorgehen ca. 25 % der Schwangeren eine Etikettierung als GDM erspart bliebe, da sie kein erhöhtes Risiko für einen ungünstigen Ausgang haben: 19.231 Frauen (73,7 %) hatten eine Nüchtern-BG <85 mg/ld (4,7 mmol/l). Die Konsequenzen dieser Studie reichen weit über das Ende der Pandemie hinaus. Einen ganz anderen Weg gehen Entwicklungsländer wie Indien, Sri Lanka, Pakistan und Bangladesh [66] . Sie sehen gerade in Pandemiezeiten die Stärken des ohnehin von der "Diabetes in Pregnancy Study Group India (DIPSI)" empfohlenen einzeitigen 75-g oGTT im nicht nüchternen (sic!) Zustand mit einmaliger Messung der Blutglukose nach 2 h mit einem Grenzwert von 140 mg/dl (7,8 mmol/l), der auch unter häuslichen Bedingungen durchgeführt werden kann. Bei einer Einwohnerzahl von ca. 1,7 Milliarden in dieser Region sind für viele Menschen Arztpraxen, Polikliniken oder Labore nicht erreichbar, sodass auch plasmakalibrierte Point-of-Care-Test(POCT)-Geräte (mit Erfolg) eingesetzt werden. Die deutschen Mutterschaftsrichtlinien sehen zwischen 24+0 -27+6 SSW vor, dass auf GDM zunächst mit einem 50-g-Vortest nicht nüchtern gescreent werden soll. Auf diesen Test sollte verzichtet werden, da er nur selten (Kiel: 7,6 %, Teilnahmerate am Screening: 48 %) bei Überschreiten eines Wertes von 200 mg/dl (11,1 mmol/l) die GDM-Diagnose erlaubt, aber in mehr als 92 % der Fälle ein weiterer Termin für den 75-g oGTT erforderlich Eine strukturierte Nachsorge nach GDM ist wegen des hohen Typ-2-Diabetesrisikos der Mütter von großer Bedeutung und beginnt traditionell nach Expertenkonsens 6-12 Wochen postpartal erneut mit einem 75-g-oGTT. In den letzten Jahren haben in Deutschland diesen Termin weniger als 50 % der Frauen wahrgenommen. Helmut Kleinwechter Facharzt für Innere Medizin/Diabetologie c/o diabetologikum kiel, Diabetes-Schwerpunktpraxis u. Schulungszentrum Alter Markt 11, 24103 Kiel hkleinwechter@gmail VID-19 or confirmed SARS-CoV-2 infection in pregnancy and their neonates; understanding natural history to guide treatment and prevention Registry of Covid-19 in Pregnancy, Auckland/ Neuseeland Coronavirus Health Outcomes in Pregnancy and Newborns) Heidelberg/VIC Australien Darüber hinaus wird am WHO Collaborating Center in Birmingham/UK die publizierte Datenlage zu COVID-19 und Schwangerschaft bewertet und regelmäßig aktualisiert: ▶ PregCOV-19LSR (COVID-19 in Pregnancy Living Systematic Reviews Die Pandemie wird (biologisch) erst dann beendet sein, wenn die Herdenimmunität erreicht ist, d. h. wenn durch Impfung (oder frühere Erkrankung) so viele Menschen immun gegen die Infektion bzw. die Krankheit geworden sind, dass jede Infektionskette schnell wieder abbricht. Das soll der Fall sein, wenn 70 % der Bevölkerung immun ist. Für im Eiltempo entwickelte Impfstoffe unterschiedlicher Herstellungsweise sind bereits Notfall-Zulassungen beantragt oder erfolgt. Impfzentren werden aus dem Boden gestampft, die Diskussion um die Priorisierung der zu impfenden Personen ist in vollem Gange. Zwar sind die Daten zu einem in Deutschland von BioNTech/ Pfizer entwickelten Impfstoff ermutigend [84], dennoch sind zur Sicherheit der Impfstoffe noch zahlreiche Fragen ungeklärt [85, 86] . In Deutschland bleiben Schwangere voraussichtlich zunächst von der Impfung ausgeschlossen [87] . Eine Impfung der Personen im Umfeld der Schwangeren könnte jedoch angestrebt werden. Am 8.12.2020 hat England als erstes Land in West europa ein nationales Impfprogramm begonnen und am 14.12.2020 wurde das nationale Impfprogramm in den USA und Kanada gestartet. Am 13.12.2020 hat das American College of Obstetricians and Gynecologists substantielle Empfehlungen zum Impfen gegen COVID-19 bei Schwangeren und Stillenden herausgebracht [88] .Nach durchgemachter Erkrankung an einer SARS-CoV-2-Infektion mit und ohne Pneumonie oder Beatmung wird neuerdings über ein Post-COVID-19-Syndrom (Long-CO-VID) berichtet [88, 89] . Hierzu gehören u. a. anhaltende psychische und körperliche Erschöpfung und Schwäche, eingeschränkte kognitive Funktionen, neurologische Ausfälle, depressive Verstimmung und Arbeitsunfähigkeit. Für Schwangere ist dieses Syndrom noch nicht untersucht.Matthias Horx als einer der bekanntesten Zukunfts-und Trendforscher im deutschsprachigen Raum hat sich Gedanken über die "Zeit nach Corona" gemacht und Aspekte des Sozialen, der Gesundheit, des Ökonomischen, des Kulturellen und des wissenschaftlichen Fortschritts beleuchtet [90] . Wenn "Corona" eines Tages vorbei ist -was wird es mit uns gemacht haben und was wird es mit den Frauen gemacht haben, die in dieser Zeit schwanger waren?