key: cord-0055133-z40xsg8m authors: Houben, Philipp; Pascher, Andreas title: Fehler- und Komplikationsmanagement in der Chirurgie date: 2021-01-11 journal: Chirurg DOI: 10.1007/s00104-020-01336-y sha: a9239230686cfa51bcebec6e55077eafb7979b0b doc_id: 55133 cord_uid: z40xsg8m The management of errors and complications makes a significant contribution to the quality assurance of a surgical department. The structured risk management is an integral component of the surgeon’s duties that is reflected by the growing relevance of simulation and other training methods employed during medical specialist advanced training. Basic prerequisites for establishing an error culture that aims at improvement of patient safety and the constructive coping with complications, are the removal of taboos and the transparent processing of complicating courses of treatment. Detecting structural and systemic sources of error is preferrable to the application of approaches that focus on individual responsibility, e.g. shame and blame. There are numerous validated tools available for the prevention, recognition and successful treatment of complications. Team time out protocols for circumventing fatal errors, standardized operating procedures and morbidity and mortality conferences are the most important measures for ensuring patient safety. The standardized, consistent and interdisciplinary handling of unavoidable complications according to the failure to rescue concept is pivotal for the prevention of a fatal course. Das Auftreten von Komplikationen, ob durch ungünstige natürliche Verläufe einer Erkrankung oder Behandlung oder durch eine fehlerhafte Therapie, begleitet die Medizin seit jeher. Als Chirurgen werden wir häufig ganz unmittelbar, gar drastisch mit den Folgen von Fehlern und Komplikationen konfrontiert. In diesem Unterschied zu manch konservativem Fach liegen jedoch auch die Chance und Verpflichtung, ungünstige Verläufe bei unseren Patienten in direkte Beziehung zu unserem Handeln zu setzen und hieraus hilfreiche Erkenntnisse zu gewinnen. Dass der entsprechend produktive Umgang mit Fehlern und Komplikationen nicht allein auf individueller Ansicht, Erfahrung und Tradition beruhen kann, darf inzwischen als allgemeine Erkenntnis angenommen werden. Chirurgischen Misserfolg nicht einfach als schicksalhaft zu akzeptieren, sondern Komplikationen als hervorsagba-res Resultat einer Fehlerkette zu begreifen, war einer der Wegbereiter des Erfolges der modernen Chirurgie [12] . gungen er Anwendung finden soll, wie die organisatorische und zeitliche Gültigkeit ist und wer für die Erstellung und Aktualisierung verantwortlich zeichnet [13] . Über die Standardisierung der jeweiligen Behandlung hinaus gilt es, die äußeren Bedingungen so zu gestalten, dass Fehler und Komplikationen an ihrer Entstehung gehindert werden. Hierzu zählt ganz banal die Sicherstellung ausreichender personeller, apparativer und sonstiger Ressourcen, um eine optimale Behandlung der Patienten gewährleisten zu können. Die SARS-CoV-2("severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2")-Pandemie hat uns in beeindruckender Weise vor Augen geführt, dass die Behandlungskapazitäten auch in hoch industrialisierten Ländern mit leistungsfähigem Gesundheitswesen an ihre Grenzen kommen können und führten zur vorübergehenden Einschränkung der Behandlung nicht akut erkrankter Patienten und Absage planbarer Operationen. Neben diesen äußeren, zum Teil strukturellen Gegebenheiten ist das individuelle chirurgische Handeln Quelle von Komplikationen und Fehlern. Auch hierbei spielt die Standardisierung eine entscheidende Rolle. Ein gutes Beispiel hierfür ist die laparoskopische Cholezystektomie, die auch als typischer Ausbildungseingriff unter Beachtung bestimmter Aspekte mit großer Sicherheit durchgeführt werden kann und muss. Durch die obligatorische Einhaltung bestimmter operativer Schritte wie des sog. "critical view of safety" gelingt es hierbei, das Risiko von Gefäß-und Gallengangskomplikationen erheblich zu minimieren [18, 19] Patientensicherheit · Qualitätssicherung · Fehlerkultur · Standardisierung · Rettungsversagen The management of errors and complications makes a significant contribution to the quality assurance of a surgical department. The structured risk management is an integral component of the surgeon's duties that is reflected by the growing relevance of simulation and other training methods employed during medical specialist advanced training. Basic prerequisites for establishing an error culture that aims at improvement of patient safety and the constructive coping with complications, are the removal of taboos and the transparent processing of complicating courses of treatment. Detecting structural and systemic sources of error is preferrable to the application of approaches that focus on individual responsibility, e.g. shame and blame. There are numerous validated tools available for the prevention, recognition and successful treatment of complications. Team time out protocols for circumventing fatal errors, standardized operating procedures and morbidity and mortality conferences are the most important measures for ensuring patient safety. The standardized, consistent and interdisciplinary handling of unavoidable complications according to the failure to rescue concept is pivotal for the prevention of a fatal course. Patient safety · Quality assurance · Error culture · Standardization · Failure to rescue den. Zum anderen lässt sich nur so ein realistisches Bild über das Komplikationsrisiko einer bestimmten Behandlung in einer Abteilung erstellen. Neben der bloßen Erkennung der Komplikation kommt daher der sinnvollen Dokumentation eine entsprechende Bedeutung zu. Nicht zuletzt um Behandlungsergebnisse im Rahmen klinischer Studien vergleichbar zu machen, haben sich für eine ungeheure Zahl von Komplikationen objektivierbare Definitionen und Schweregraduierungen etabliert. Beispielhaft sei hier die Klassifikation postoperativer Pankreasfisteln nach Pankreasresektionen genannt [2] . Nur wenn diese Klassifikationen konsequent angewendet und dokumentiert werden, lässt sich ein Abgleich mit den eigenen Zielvorstellungen oder externen Benchmarks herstellen. Hierzu ist es erforderlich, Komplikationen nicht an beliebiger Stelle in der Patientenakte zu vermerken, sondern diese in einer Weise zu dokumentieren, die eine individualisierte Auswertung erlaubt. An unserer Klinik erfolgt dies entsprechend durch die vollständige Erfassung aufgetretener Komplikationen aller entlassenen oder verstorbenen Patienten in einer Datenbank inklusive deren Graduierung und der Berechnung des Comprehensive Complication Index für jeden Patienten [17] . Aus unserer Sicht ist dies, trotz des Dokumentationsaufwandes, die einzige Möglichkeit, ein realistisches Bild über die Art und Weise, Häufigkeit und Schwere von Komplikationen in unserer Abteilung zu erstellen. In diesem Zusammenhang kann die vollständige Erfassung komplikativer Verläufe mit entsprechender Visualisierung der Ereignisabfolge im Sinne der sog. "root cause analysis" dabei helfen, strukturelle Defizite und wiederkehrende fehlerhafte Mechanismen zu identifizieren und abzustellen [21] . Als geeignetes Instrument, welches die genannten Teilaspekte berücksichtigt, ist die regelmäßige Morbiditäts-und Mortalitätskonferenz inzwischen eine feste Institution in einem Großteil der deutschen chirurgischen Kliniken [11, 14, 20] . Durch die, unter anderem von der Bundesärztekammer geforderte Strukturierung der Fallkonferenz kann deren Nutzen auch insbesondere im Hinblick auf die chirurgische Weiterbildung deutlich gesteigert werden [5] . Ein weiterer Aspekt der Komplikationserkennung ist die Identifikation möglicher Fehlerquellen oder "Beinahe-Komplikationen". Hierzu ist ebenfalls in Anlehnungandie Luftfahrt bereitsanvielen Kliniken ein sog. "critical incidence reporting system" eingerichtet worden [7] . Ziel eines solchen Fehlermeldesystems ist es, aus Fehlern und vor allem auch "Beinahe-Fehlern" Rückschlüsse auf strukturelle Defizite zu ziehen und diese abzustellen, um die Sicherheit zu erhöhen und Risiken zu minimieren [8] . [16] . Als Quotient aus der Anzahl der Patienten, die eine fatale Komplikation aufwiesen, und der Gesamtzahl der Patienten mit komplikativen Verläufen erwies sich dieses Maß als hochgradig mit äußeren Faktoren korreliert. "Failure to rescue" ist dementsprechend in der Folge als einer der wesentlichen Qualitätsindikatoren chirurgischer Versorgung bestätigt worden [10, 15] . In diesem Sinne besteht durch die korrekte Identifikation auftretender Komplikationen und deren konsequente Beantwortung die Möglichkeit, ein "failure to rescue" zu verhindern. Ohne an dieser Stelle auf individuelle Krankheitsbilder und Operationen eingehen zu können, ist die Standardisierung von Behandlungsabläufen und Verfahren auch hier von entscheiden-der Bedeutung. Mögliche, häufige und vor allem schwerwiegende Komplikationen müssen für jeden Eingriff antizipiert und deren korrekte Erkennung und Interpretation allen beteiligten ärztlichen und pflegerischen Behandlern vor Augen sein. Typische Komplikationen, beispielsweise der Verdacht auf Insuffizienzen von Anastomosen am Gastrointestinaltrakt, Galleleckagen bei Leberresektionen oder Pankreasfisteln nach Pankreasresektionen, müssen einen zuvor festgelegten diagnostischen und therapeutischen Algorithmus auslösen, der transparent dokumentiert und auf die individuellen Begebenheiten der jeweiligen Abteilung abgestimmt ist. Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen Postoperative pancreatic fistula: an international study group (ISGPF) definition Mortality and complications following visceral surgery: a nationwide analysis based on the diagnostic categories used in German hospital invoicing data Das Zertifizierungssystem der DGAV (ZertO 5.1) Use of structured presentation formatting and NSQIP guidelines improves quality of surgical morbidity and mortality conference A surgical safety checklist to reduce morbidity and mortality in a global population Risk management in the operation room. 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A study of adverse occurrence and failure to rescue The comprehensive complication index: a novel continuous scale to measure surgical morbidity An analysis of the problem of biliary injury during laparoscopic cholecystectomy Tokyo Guidelines 2018: surgical management of acute cholecystitis: safe steps in laparoscopic cholecystectomy for acute cholecystitis (with videos) Nichtwissen -ein vielfältig wahrgenommenes Phänomen in der Chirurgie Effectiveness and efficiency of root cause analysis in medicine Interessenkonflikt. P. Houben und A. Pascher geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.