key: cord-0053301-un3e11aj authors: Albrecht, K.; Milatz, F.; Callhoff, J.; Redeker, I.; Minden, K.; Strangfeld, A.; Regierer, A. title: Perspektiven für die rheumatologische Versorgungsforschung am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum date: 2020-12-01 journal: Z Rheumatol DOI: 10.1007/s00393-020-00907-y sha: 94ca6c9a8ff18e620acdc717102701ab3b9cc47e doc_id: 53301 cord_uid: un3e11aj This review article summarizes the current projects and perspectives of rheumatological healthcare research in the program area epidemiology of the German Rheumatism Research Center. Health services research is conducted with the help of various data sources. In addition to the classical rheumatological disease registers, health insurance data and population-related cohorts are increasingly being used for analyses. From data collection and monitoring to analysis algorithms, digital applications will change the healthcare research over the coming years. Collaborative analyses with national and international cooperation partners, including biomarkers, complete the research fields in the program area epidemiology. The digitalization of research projects is a central component that will further change health services research in the coming decade. Versorgungsforschung ist ein dynamischer Prozess. Beständig wird der Ist-Zustand der Gesundheitsversorgung analysiert und in den Kontext gestellt, Schwachstellen werden identifiziert und Programme entwickelt, um eine kontinuierliche Verbesserung einer angemessenen, hochqualitativen und patientenorientierten Versorgung zu erreichen. In den 1990er-Jahren war die rheumatologische Versorgung noch geprägt von einer medikamentösen Therapie mit konventionellen "disease-modifying antirheumatic drugs" (DMARDs), die zwar bei vielen Patienten ausreichend wirkte, aber auch nebenwirkungsreich und bei ca. 30-50 % der Patienten nicht in der Lage war, die Entzündungsaktivität ausreichend zu unterdrücken. Die ersten Biologikatherapien ermöglichten in den 2000ern erstmals, bei einem relevanten Anteil an Patienten eine Remission zu erreichen und zu erhalten. Die weitere Entwicklung einer Vielzahl hochwirksamer Wirkstoffe führte in den 2010ern zu einem fast exponentiellen Anstieg an Möglichkeiten der antiinflammatorisch rheumatischen Therapie. Aufgrund dieser Veränderungen im Therapiespektrum können wir im Jahr 2020 zumindest einen Großteil der Patienten mit rheumatischen Erkrankungen so versorgen, dass sie ein Leben ohne relevante Funktionseinschränkungen oder Organschäden und ohne große Einschränkungen der Lebensqualität führen können. Gesundheitsversorgung hat hierzulande den Anspruch, allen Menschen Zugang zu einer bestmöglichen medizinischen Versorgung zu verschaffen. Dieser Anspruch beinhaltet auch, dass neue Therapieverfahren und Versorgungskonzepte den Patientinnen und Patienten unabhängig von ihrem Geschlecht, Alter, Wohnort, Einkommen und ihrer Schulbildung rasch und flächendeckend zugänglich gemacht werden. Daraus ergibt sich der Auftrag für die rheumatologische Versorgungsforschung zu überprüfen, ob dies uneingeschränkt gelingt oder an welchen Stellen wir diesem Auftrag noch nicht ausreichend nachkommen. Relativ Neben den Internetplattformen steht den Patienten in Rhekiss eine App zur Verfügung, die ein Ausfüllen von Fragebögen alternativ per Smartphone erlaubt. Eine solche Möglichkeit wird gegenwärtig auch im Rahmen der BMBF-geförderten Frühkohorte ICON entwickelt. Die App "JIA PRO" wird Patienten mit JIA zur Verfügung stehen und zur Dokumentation von "patient-related outcomes" (PRO) dienen. Machine-learning(ML)-Methoden werden zunehmend im Bereich der Versorgungsforschung eingesetzt [7] . ML, das die Fähigkeit besitzt, Computer in die Lage zu versetzen, ohne explizite Programmierung sinnvolle Muster in großen Datensätzen zu identifizieren, hat sich in den letzten Jahren auch in der Rheumatologie als erfolgreicher Ansatz erwiesen. Auf "deep learning", einem Teilgebiet des ML, basierende Modelle werden inzwischen verwendet, um Krankheits- Z Rheumatol 2020 · 79:1003-1008 https://doi.org/10.1007/s00393-020-00907-y © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 This review article summarizes the current projects and perspectives of rheumatological healthcare research in the program area epidemiology of the German Rheumatism Research Center. Health services research is conducted with the help of various data sources. In addition to the classical rheumatological disease registers, health insurance data and population-related cohorts are increasingly being used for analyses. From data collection and monitoring to analysis algorithms, digital applications will change the healthcare research over the coming years. Collaborative analyses with national and international cooperation partners, including biomarkers, complete the research fields in the program area epidemiology. The digitalization of research projects is a central component that will further change health services research in the coming decade. Inflammatory rheumatic diseases · Digitalization · Mobile applications · Health insurance data · Population-related cohorts aktivität vorherzusagen, automatisierte Bilderkennung wird in der bildgebenden Diagnostik genutzt, und individuelle Prognoseabschätzungen durch ML-Methoden sollen klinische Therapieentscheidungen unterstützen [8] . Neben der klinischen Anwendung im Rahmen von bildgebender Diagnostik, Früherkennung und prognostischem Wert wird ML in der Versorgungsforschung dazu beitragen, die im Umfang zunehmenden Gesundheitsdaten der Patienten effizienter auszuwerten. Zum Beispiel können Diagnosealgorithmen in der Forschung mit elektronischen Krankenkassendaten durch ML verstetigt werden [9] . [13, 14] . Methodisch können wir im TARIS-MA-Verbund digitale Anwendungen einsetzen, um effizienter und bequemer Patientendaten zu erfassen. Patienten haben sich in Befragungen mehrheitlich dafür ausgesprochen, medizinische Apps zu nutzen und Daten für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen [15] . Da die medikamentöse Therapie der Komorbiditäten in RABBIT-SpA nicht ausreichend dokumentiert wird und die behandelnden Rheumatologen die Begleitmedikation der Patienten in ihrer Praxisdokumentation auch nicht immer vollständig erfassen, wird in einem Teilprojekt von TARISMA diese Information direkt vom Patienten generiert. Es soll untersucht werden, ob eine Smartphone-App, die als Medikamentenerinnerungs-App entwickelt wurde, hierfür ein geeigneter Weg ist und sowohl für die Patienten als auch für die behandelnden Ärzte Vorteile bringen kann. Die Smartphone-generierten Daten werden anschließend mit den klinischen Daten des RABBIT-SpA-Registers verknüpft. Darüber hinaus wird die Arzneimitteladhärenz über einen in die App integrierten Adhärenzfragebogen untersucht. Standardisierte Fragebögen für patientenberichtete Outcomes (PRO) werden in der App implementiert und können dann wöchentlich, aber auch spontan zwischendurch, immer dann, wenn der Patient dies wünscht, ausgefüllt werden. Auf diese Weise kann analysiert werden, ob bestimmte PROs während eines definierten Zeitintervalls eine große Varianz zu den in RABBIT-SpA nur zu ausgewählten Messzeitpunkten erhobenen Parametern aufweisen. In RCTs hat sich die Verwendung täglicher elektronischer PRO-Tagebücher bereits bewährt, die Compliance war hoch, und man erhofft sich, den "recall bias" hierdurch zu reduzieren [16] . Zu einer regelmäßigen Abfrage von PROs haben Patienten grundsätzlich Bereitschaft signalisiert [15] . Ebenfalls im Rahmen von TARISMA werden tragbare Beschleunigungssensoren (Akzelerometer) zur Erfassung von körperlicher Aktivität und sitzendem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen mit rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Die Verwendung ermöglicht eine detaillierte und alltagsnahe Beurteilung des Aktivitätsverhaltens, das als gesundheitsrelevanter Prädiktor auch im Rahmen rheumatischer Erkrankungen zunehmende Bedeutung erfährt [17, 18] . Gekoppelt ist das Teilprojekt ActiMON (Activity monitoring in adolescents and young adults with inflammatory rheumatic musculoskeletal diseases) an die Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher, die arzt-und patientenberichtete Gesundheitsdaten bereitstellt. Mit Ac-tiMON können die im Rahmen der Kinder-KD (Kerndokumentation) subjektiv erfassten und wenig differenzierten Daten zur körperlichen Aktivität bei verschiedenen rheumatischen Erkrankungen objektiviert werden. Durch den Fokus auf Jugendliche und junge Erwachsene geschieht dies in einer Altersphase, die durch gesundheitsbezogene Entwicklungsaufgaben, Risiken sowie Chancen charakterisiert ist. Zu ihnen gesellen sich im Rahmen chronischer rheumatischer Erkrankungen zudem besondere Herausforderungen, weshalb eine Risikoidentifikation und Prävention umso bedeutender sind. Neben Einblicken in Bewegungsprofile soll das im Wochenverlauf durchgeführte Aktivitätsmonitoring Risikogruppen für Bewegungsmangel identifizieren, Barrieren für körperlich aktives Verhalten aufdecken und Ansätze für Maßnahmen schaffen, die der Entwicklung von Begleiterkrankungen und negativen Folgen im späteren Leben entgegenwirken [19] . Strukturell ermöglichtderForschungsverbund TARISMA mit der Einbindung von 2 großen bevölkerungsbezogenen Kohorten aus der Versorgungsforschung kollaborative methodische und inhaltliche Analysen, die die muskuloskeletale Versorgungsforschung qualitativ verbessern sollen. Die SHIP-Kohorte besteht aus 2 unabhängigen Kohorten aus Nordostdeutschland [20] , anhand derer der langfristige Verlauf subklinischer Be-funde, deren Determinanten und prognostische Werte bei Erwachsenen mit Rückenschmerzen untersucht werden. Im Rahmen der Arzneimittelrisikoforschung werden am Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin (BIPS) Daten aus der deutschen pharmakoepidemiologischen Forschungsdatenbank (GePaRD) [21] verwendet, um Behandlungsverläufe von Frauen im gebärfähigen Alter und Schwangeren mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen zu untersuchen. Mit der NAKO-Gesundheitsstudie ist 2014 die bislang größte deutsche bevölkerungsbezogene Langzeitbeobachtungsstudie ins Leben gerufen worden, mit der neben kardiovaskulären, Krebserkrankungen, Diabetes, Demenz u. a. auch muskuloskeletale Erkrankungen, speziell entzündlich rheumatische Erkrankungen und Arthrosen, untersucht werden. Hierzu wurden eine systematische Untersuchung zu Schmerzen und Schwellungen an den Händen sowie eine standardisierte Untersuchung der Hüft-und Kniegelenke entwickelt, die bei etwa einem Zehntel der Teilnehmer durchgeführt wurde. Der Programmbereich Epidemiologie war von Beginn an in der muskuloskeletalen Arbeitsgruppe beteiligt und hat v. a. Expertise hinsichtlich epidemiologischer Fragestellungen zu entzündlich rheumatischen Erkrankungen eingebracht [27] . Inzwischen werden in vielen Arbeitsgruppen Daten der ersten 100.000 Teilnehmer ausgewertet. Die muskuloskeletale Arbeitsgruppe hat unter Leitung von Prof. Carsten Oliver Schmidt aus Greifswald eine Übersicht über die Häufigkeit muskuloskeletaler Erkrankungen innerhalb der Kohorte erstellt [28] . Im Interview der 100.000 Befragten wurde von 1,9 % eine RA und von 0,5 % eine ankylosierende Spondylitis angegeben. In der Handuntersuchung hatten 6 % von 9000 Untersuchten Schmerzen an mindestens 1 Fingergelenk und 2,4 % Schwellungen an mindestens 2 Gelenken. Zukünftige Auswertungen, die die Daten aller 200.000 Teilnehmer umfassen, und insbesondere die Verlaufsdaten der Gesundheitsstudie werden für die Versorgungsforschung relevant sein. Mit diesen Daten erhofft man sich, Risikofaktoren auf Bevölkerungsebene für die Entstehung muskuloskeletaler Beschwerden und Erkrankungen zu identifizieren. Vor ganz neue Herausforderungen gestellt wird die Versorgungsforschung im Rahmen der SARS-CoV-2/COVID-19-Pandemie. In einer Situation, in der bis dato überhaupt keine Evidenz vorlag, wie mit der Therapie von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen vorsorglich und bei Vorliegen einer COVID-19-Infektion umgegangen werden muss, wurden in kürzester Zeit nationale CO-VID-19-Register sowohl für erwachsene Rheumapatienten unter Leitung der Universität Gießen von Prof. Ulf Müller-Ladner und Dr. Rebecca Hasseli als auch für rheumakranke Kinder und Jugendliche vom DRFZ eingerichtet, um schnellstmöglich Daten zu generieren (https://www.covid19-rheuma.de/; https://www.gkjr.de). Der Programmbereich Epidemiologie am DRFZ trägt seine Expertise hinsichtlich der Datenerfassung und Analysen bei und profitiert von den langjährigen Erfahrungen aus den bestehenden Registern. Auch international wurden bereits bestehende Kooperationen genutzt, um innerhalb kürzester Zeit ein europäisches Register (https://www.eular.org/eular_covid19_ database.cfm), das eingebunden ist in eine weltweite Allianz, die Global Rheumatology Alliance (https://rheum-covid. org), ins Leben zu rufen, sodass nach wenigen Wochen bereits erste Daten publiziert werden konnten [29] . Die gemeinsamen Bemühungen, in kurzer Zeit zuverlässige Daten mit einer ausreichenden Zahl an Patienten zu generieren, ist ein sehr positives Merkmal der rheumatologischen COVID-19-Forschung und lässt hoffen, dass baldmöglichst viele offene Fragen beantwortet werden können. Versorgungswirklichkeit muskuloskeletaler Erkrankungen auf Bevölkerungsebene. Erkenntnisse aus dem Verbundprojekt PROCLAIR Langzeittrends in der rheumatologischen Versorgung. Erfolge und Defizite im Spiegel von 25 Jahren rheumatologischer Kerndokumentation Erfahrungen und Ergebnisse aus Rheuma-VOR Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit juveniler idiopathischer Arthritis RheMIT -Ihr Einstieg in die Kerndokumentation der Rheumazentren RABBIT-SpA: ein neues KrankheitsregisterfüraxialeSpondyloarthritisund Psoriasisarthritis Intersections of machine learning and epidemiological methods for health services research Applied machine learning and artificial intelligence in rheumatology Impact of ICD10 and secular changes on electronic medical record rheumatoid arthritis algorithms Machine learning for predicting cardiac events: What does the future hold? Cardiovascular disease risk prediction using automated machine learning: a prospective study of 423,604 UK Biobank participants Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020) Forschen für ein gesundes Leben. TARISMA -Gezieltes Risikomanagement bei muskuloskelettalen Erkrankungen Serious adverse events and the risk of stroke in patients with rheumatoid arthritis: results from the German RABBIT cohort Impact of disease activity and treatment of comorbidities on the risk of myocardial infarction in rheumatoid arthritis Apps und ihre Anwendungsgebiete in der Rheumatologie Use of daily electronic patient-reported outcome (PRO) diaries in randomized controlled trials for rheumatoid arthritis: rationale and implementation Physical activity assessment using an activity tracker in patients with rheumatoid arthritis and axial spondyloarthritis: prospective observationalstudy Detection of flares by decrease in physical activity, collected using wearable activity trackers in rheumatoid arthritis or axial spondyloarthritis: an application of machine learning analyses in rheumatology Specific sports habits, leisure-time physical activity, and schooleducational physical activity in children with juvenile idiopathic arthritis: patterns and barriers Cohort profile: the study of health in pomerania Individual mortality information in the german pharmacoepidemiological research database (gepard): a validation study using a record linkage with a large cancer registry IdentificationofanaminoacidmotifinHLA-DRβ1 that distinguishes uveitis in patients with juvenile idiopathic arthritis Vitamin D deficiency is associated with higher disease activityandtheriskforuveitisinjuvenileidiopathic arthritis-data from a German inception cohort Clinical characteristics of patients with alpha-galactosidase A gene variants in a German multicentre cohort of early undifferentiated arthritis Profiling of IgG antibodies targeting native and corresponding citrullinated autoantigens in a multicenter national cohort of early undifferentiated arthritis in Germany Deutschlands größte Gesundheitsstudie NAKO mit muskuloskeletalem Untersuchungsprogramm gestartet Häufigkeiten muskuloskelettaler Symptome und Erkrankungen in der bevölkerungsbezogenen NAKO Gesundheitsstudie MateusEFetal(2020)Rheumatic disease and COVID-19: initial data from the CO-VID-19 Global Rheumatology Alliance provider registries