key: cord-0052073-1fgbubsc authors: Holz, N. E.; Nees, F.; Meyer-Lindenberg, A.; Tost, H.; Hölling, H.; Keil, T.; Brandeis, D.; Romanos, M.; Banaschewski, T. title: Kohortenstudien in der Kinder- und Jugendpsychiatrie date: 2020-10-28 journal: Nervenarzt DOI: 10.1007/s00115-020-01018-4 sha: baf19ec087cef6d88076af76698fd3e7377abfab doc_id: 52073 cord_uid: 1fgbubsc BACKGROUND: Longitudinal cohort studies with early start and life span perspectives are increasingly recognized as being crucial to uncover developmental trajectories as well as risk and resilience factors of psychiatric disorders. OBJECTIVE: The importance of longitudinal studies is presented and the main findings of the Mannheim study of children at risk (MARS), the adolescent brain cognitive development (ABCD), the pediatric and adolescent health survey (Kinder- und Jugendgesundheitssurvey, KiGGS) and the AIMS longitudinal European autism project (LEAP) cohort studies are described. MATERIAL AND METHODS: A literature search was carried out in MEDLINE. RESULTS: The MARS followed participants with psychosocial and organic risks over more than 30 years starting from birth and showed the importance of early risk factors (prenatal period up to early childhood) for neuropsychosocial development. The ABCD cohort study (start 9–10 years old) underlined the developmental significance of early socioemotional and prenatal risks as well as toxin exposure. The KiGGS cohort followed children and adolescents from age 0–17 years up to the ages of 10–28 years. Main findings underline the importance of the socioeconomic status and gender-specific effects with respect to sensitive periods for the onset and trajectories of psychiatric disorders. The AIMS cohort followed patients with and without autism spectrum disorders aged between 6 and 30 years and first results revealed small effects regarding group differences. Further, cohort studies starting prenatally along with deep phenotyping are warranted to uncover the complex etiology of mental disorders. CONCLUSION: Existing cohort studies on early mental development have shown specific focal points. To identify general and specific risk and resilience factors for psychiatric disorders and to model trajectories, there is a need for multimodal integration of data sets. Längsschnittstudien gewinnen zunehmend an Bedeutung in der kinder-und jugendpsychiatrischen Forschung. Dabei wurden wesentliche Erkenntnisse zu den Verläufen psychiatrischer Erkrankungen ab der frühen Kindheit gewonnen, wichtige Risiko-und Resilienzfaktoren identifiziert sowie erste (neuro-)biologische Wirkmechanismen aufgedeckt. Drei von vier psychiatrischen Erkrankungen im Erwachsenenalter manifestieren sich erstmals zwischen dem 11. und 18. Lebensjahr unter dem Einfluss früher Risiko-und Resilienzfaktoren [17, 37] . Frühe Risiken klären auch im späteren Lebensalter relevante Anteile der Varianz auf Verhaltens-und neurobiologischer Ebene auf (z. B. [13, 14] ). Ein besonders hoher Bedarf für die trajektorielle Erforschung kann für Störungen der neuronalen und kognitiven Entwicklung postuliert werden, wie z.B. bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS), bei Teilleistungsstörungen, bei Angsterkrankungen oder bei Autismus, welche einen frühen Beginn aufweisen und ins Erwachsenenalter persistieren können [37] . Andererseits ist es mittlerweile bekannt, dass sich ADHS auch erstmalig im Erwachsenenalter manifestieren kann, allerdings scheinen andere ätiologische Faktoren dieser Störung dann zugrunde zu liegen [37] . Bei anderen Erkrankungen hingegen ist das Erstmanifestationsalter entscheidend für die Schwere des Verlaufs, wie bei der Störung des Sozialverhaltens, bei welcher ein früherer Beginn mit schweren chronifizierenden Verläufen assoziiert ist, sodass frühe soziale Interventionen protektiv wirken können [33] . Im Gegensatz zu den o. g. psychischen Erkrankungen werden beispielsweise affektive Störungen oder auch Substanzkonsumstörungen meist erst später manifest, weisen jedoch oft Vorläufersymptome wie Aufmerksamkeitsprobleme, Aggression, Irritabilität oder Angst in der Kindheit auf [37] . Die Häufigkeit dieser heterotypischen Verläufe mit kategorialen Diagnosewechseln und komorbiden Entwicklungsverläufen konnten auch in der neuseeländischen Dunedin-Studie (eine der ältesten Kinderkohortenstudien) nachgewiesen werden. Demnach zeigten weniger als 15 % aller Probanden mit externalisierenden bzw. internalisierenden Diagnosen homotypische Verläufe [5] . Die Bedeutung von Längsschnittstudien über die Lebensspanne erschließt sich somit nicht nur für klassische Störungsbilder der Kinder-und Jugendpsychiatrie, sondern auch für solche, die erst im Erwachsenenalter manifest werden. Hier sei beispielsweise die Schizophrenie genannt, bei der oftmals erhebliche Behandlungsverzögerungen und somit hohe Kosten [7] . Existierende Daten deuten auf unterschiedliche, teils regional spezifische sensitive Zeitfenster der Hirnentwicklung hin [4] , in denen ungünstige Umwelteinflüs-se funktionelle (neuro-)biologische Veränderungen bewirken können [30] . Andererseits kann die Erfahrung positiver Umwelteinflüsse für präventive Strategien genutzt werden. Insbesondere im sozioemotionalen Bereich stehen u. a. die Amygdala und der Präfrontalkortex im Fokus. Obgleich sich die Amygdala rapide im ersten Lebensjahr vergrößert, geht man davon aus, dass ihre strukturelle Entwicklung bei Mädchen bis zum 4. Lebensjahr und bei Jungen bis zum 18. Lebensjahr voranschreitet, während ihre Funktion bis ins Erwachsenenalter abnimmt (Überblick bei [4] Entwicklung · Risiko · Resilienz · Psychische Erkrankungen · Neurobiologie Background. Longitudinal cohort studies with early start and life span perspectives are increasingly recognized as being crucial to uncover developmental trajectories as well as risk and resilience factors of psychiatric disorders. Objective. The importance of longitudinal studies is presented and the main findings of the Mannheim study of children at risk (MARS), the adolescent brain cognitive development (ABCD), the pediatric and adolescent health survey (Kinder-und Jugendgesundheitssurvey, KiGGS) and the AIMS longitudinal European autism project (LEAP) cohort studies are described. Results. The MARS followed participants with psychosocial and organic risks over more than 30 years starting from birth and showed the importance of early risk factors (prenatal period up to early childhood) for neuropsychosocial development. The ABCD cohort study (start 9-10 years old) underlined the developmental significance of early socioemotional and prenatal risks as well as toxin exposure. The KiGGS cohort followed children and adolescents from age 0-17 years up to the ages of 10-28 years. Main findings underline the importance of the socioeconomic status and gender-specific effects with respect to sensitive periods for the onset and trajectories of psychiatric disorders. The AIMS cohort followed patients with and without autism spectrum disorders aged between 6 and 30 years and first results revealed small effects regarding group differences. Further, cohort studies starting prenatally along with deep phenotyping are warranted to uncover the complex etiology of mental disorders. Conclusion. Existing cohort studies on early mental development have shown specific focal points. To identify general and specific risk and resilience factors for psychiatric disorders and to model trajectories, there is a need for multimodal integration of data sets. [13] . Als weitere frühe Risikofaktoren für vor allem externalisierende Störungen in der Kindheit haben sich postpartale Depression [20] und regulatorische Probleme des Säuglings, wie Irritabilität, Ablenkbarkeit und Dysphorie, herauskristallisiert [2] , wohingegen der Effekt frühen mütterlichen Erziehungsverhaltens bis ins Jugendalter reichte [31] . Die Effekte früher familiärer Widrigkeiten auf die spätere ADHS-Symptomatik werden genetisch vom 10-Repeat-Allel des Dopaminrezeptors (SLC6A3/DAT1) moduliert, was eine vermittelnde Rolle des dopaminergen Systems bei sozialen Einflüssen nahe legt [21] . » Der Zusammenhang zwischen früher Armut, lebenslangen SSV-Symptomen und OFC Volumen Ebenso gab es Hinweise, dass Armut bei Geburt, nicht aber in der Kindheit, das Risiko für eine Störung des Sozialverhaltens (SSV) erhöhen. Demnach konnte ein Zusammenhang zwischen früher Armut und lebenslangen SSV-Symptomen gezeigt werden, welcher durch ein vermindertes orbitofrontales Volumen, erhöhte in-utero-Tabakexposition und kritische Lebensereignisse über die Lebensspanne erklärt wurde [14] . Auch familiäre Widrigkeiten in der Kindheit wiesen Langzeiteffekte in Bezug auf einen frühen Beginn der SSV-Symptomatik und verminderte Aktivität in der Amygdala während der Emotionsverarbeitung als auch des ventralen Striatums während der Belohnungsverarbeitung auf [11] . Weiterhin gab es einen Zusammenhang zwischen reaktiver Aggression und kritischen Lebensereignissen in der Kindheit in Abhängigkeit von dem Monoaminoxidase(MAOA)-Gen und Geschlecht, welcher durch veränderte affektive Amygdala-, Hippokampusund Inhibitionsaktivität im anterioren Zingulum (ACC) untermauert wurde [10] . Hinsichtlich der Entwicklung externalisierender Störungen über die Lebensspanne sprechen die Befunde geschlechtsbedingt für einen homotypischen Verlauf: So prädizieren externalisierende Diagnosen in der Kindheit nur bei weiblichen Teilnehmern auch ADHS im jungen Erwachsenenalter [27] . Auch bei internalisierenden Diagnosen haben sich frühe Lebensereignisse und aversive Kindheitserfahrungen als wesentliche Prädiktoren herauskristallisiert. Interessanterweise erweisen sich die meisten Effekte als stabil bis ins Erwachsenenalter. So ist der Zusammenhang zwischen psychosozialen Risiken bei Geburt und Depression, insbesondere bei Trägern des BDNF-Val-66-Met-Allels und Trägern des L-Alleles des Serotonintransportergens, stabil [3] . Gleichermaßen präsentiert sich mütterliches Erziehungsverhalten im Säuglingsalter, vor allem Stimulation, nicht aber Responsivität, als ein wichtiger Vorläufer für eine depressive Symptomatik [35] . Auch hat sich ein dysreguliertes Profil in der Kindheit als Prädiktor für ein erhöhtes Risiko für Suizidalität und Substanzkonsumstörungen sowie ein generell vermindertes Funktionsniveaus im frühen Erwachsenenalter erwiesen [9] . Trauma in der Kindheit war mit depressiver Symptomatik im Erwachsenenalter assoziiert [22] und beeinflusste in Interaktion mit dem FKBP5-Gen affektive Amygdalaaktivität [16] . Außerdem begünstigten spezifisch frühe chronische Lebensereignisse bis zum Alter von 4 Jahren eine depressive Symptomatik im Erwachsenenalter und, als möglichen biologischen Mechanismus, eine verminderte orbitofrontale Kortexdicke [29] . Hinsichtlich Resilienzfaktoren erwies sich positive Stressbewältigung im Hinblick auf internalisierende Symptomatik und Volumen in dem affektiv-regulatorischen perigenualen ACC bei Frauen als relevant [15] . Auch ist eine positive Selbstwirksamkeitserwartung zentral [17] , welche sich aus einem positiven Temperament und supportiver Mutter-Kind-Interaktion im Säuglingsalter, sprachlich-kognitiver Leistungsfähigkeit und positivem Selbstkonzept im Kindesalter sowie aus Interessen, Freundschaften und elterlichem Monitoring im Jugendalter entfaltet [8] . Hinsichtlich der sozialen Umwelt kam mütterlichem Erziehungsverhalten eine besondere Rolle als Stresspuffer bei Probanden mit familiärem Risiko bezüglich ADHS sowie auch Aktivität des ventralen Striatums während Belohnung zu [12] . Zusammenfassend zeigt die MARS eindrücklich, dass frühe psychosoziale Risiken ab der Geburt bis ins mittlere Kindesalter eine entscheidende Rolle für sowohl die psychische als auch die neurobiologische Entwicklung bis ins Erwachsenenalter spielen. Dabei klärte eine dimensionale Betrachtung der Variablen generell mehr Varianz auf. In weiteren Erhebungswellen wird nun untersucht, inwiefern die Befunde stabil bleiben, als auch inwiefern weitere Dimensionen des sozialen Gehirns durch frühe Risiken und durch soziale Netzwerke beeinflussbar sind und die aktuelle Stressreaktivität während der COVID-19-Pandemie vorhersagen können. Die US-basierte ABCD(Adolescent Brain Cognitive Development)-Studie untersucht die Hirnentwicklung von der Kindheit bis ins Jugendalter mit dem Ziel, sowohl biologische als auch umweltbasierte Faktoren, die die Entwicklungsverläufe insbesondere im Hinblick auf Suchterkrankungen beeinflussen, aufzudecken. Dabei wurden 11.875 9-bis 10-Jährige in 21 Studienzentren rekrutiert. Sie werden über 10 Jahre in ihrer Entwicklung alle 2 Jahre wieder kontaktiert [18] . Damit ähnelt die ABCD-Kohorte im Suchtschwerpunkt der IMAGEN-Kohorte, welche die kritischen sozioneurobehavioralen Prädiktoren von Suchtkonsum ab der Adoleszenz untersucht [36] . Um gezielt den Beitrag von Genen und Umwelt über die Neuroentwicklung zu studieren, wurden weiterhin auch 860 Zwillinge in der finalen Kohorte eingeschlossen. Erste Ergebnisse der Baselineerhebung deuten auf Vorläufer für psychische Erkrankungen hin (Überblick bei [18] ). So begünstigt pränatale Cannabisexposition psychoseähnliche Erfahrungen, denen wiederum kognitive, motorische und sprachliche Defizite sowie psychopathologische Symptome vorangehen [18] . In Bezug auf die soziale Umwelt tragen geringe elterliche Supervision und familiäre Konflikte zu Suizidgedanken, -versuchen und nichtsuizidalem selbstverletzendem Verhalten bei [18] . Ferner gibt es Zusammenhänge zwischen dem Risiko für Bleiexposition, welches als ADHS-Risiko diskutiert wird, und geringerer kognitiver Leistung sowie vermindertem kortikalem Volumen und kortikaler Oberfläche [18] . Das Risiko für eine Depression stieg bei geringer physischer Aktivität und einem kleineren Hippokampus-als auch Putamenvolumen [18] , wobei die Aktivität des Putamens bei Anhedonie, einem Symptom der Depression, verringert war [18] . Entgegen bisheriger Befunde konnte diese Hypoaktivität jedoch nicht mit ADHS in Verbindung gebracht werden. Auch bei aggressiven Verhaltensstörungen war ein kleinerer Hippokampus festzustellen sowie ferner Volumenverminderungen in der Amygdala und der Insula bei kalt-unemotionalen Charakterzügen [18] . Diese ersten Befunde weisen auf störungsspezifische Umweltfaktoren sowie Gehirn-Verhaltens-Beziehungen hin, deren Stabilität zukünftige Erhebungen untersuchen werden. Die KiGGS-Kohorte (www.kiggs.de) ist die längsschnittliche Komponente der bevölkerungsbezogenen Gesundheitsstudie, in der die Teilnehmenden der KiGGS-Basiserhebung bis ins Erwachsenenalter in zwei weiteren Erhebungen beobachtet werden [24] . 68 % der 17.640 Basisteilnehmer haben in Welle 1 (6 bis 24 Jahre) und 61,5 % in Welle 2 (10 bis 28 Jahre) wieder teilgenommen. Jungen früher psychisch auffällig, Mädchen später Longitudinale Analysen zu der Entwicklung psychischer Auffälligkeiten zeigen hierbei die Wichtigkeit geschlechtsspezifischer sensitiver Perioden als auch Trajektorien. Demnach ist insbesondere bei Jungen die frühe als auch die späte Kindheit für das vermehrte Auftreten und eine höhere Persistenz psychischer Auffälligkeiten von Bedeutung. Während sich mit zunehmendem Alter der Anteil psychisch auffälliger Jungen reduziert, besteht bei Mädchen eine vermehrt internalisierende, persistente Symptomatik zwischen mittlerer Kindheit und Adoleszenz [1] . Weiterhin zeigte sich die Adoleszenz als eine kritische Periode für den Beginn von Tabakkonsum, welcher sich stabil bis ins Erwachsenenalter erwies [24] . In Bezug auf Risikofaktoren hat sich ein niedriger sozioökonomischer Status als Risikofaktorfüreine ungesunde Ernährung und Übergewicht sowie auch weniger Sport und höheren Zigarettenkonsum herauskristallisiert [19] . Bei AIMS handelt es sich um das größte Multicenter-EU-Projekt, welches Stratifikationsbiomarker von 437 Patienten mit und 300 ohne Autismusspektrumstörungen im Alter von 6 bis 30 Jahren in einem akzelerierten longitudinalen Design untersucht. Bislang gab es zwei Erhebungswellen und eine dritte startet im Jahr 2020. Während die longitudinalen Ergebnisse noch ausstehen, zeigen erste Querschnittsanalysen, dass Patienten eine Hypoaktivität im ventralen Striatum während der Verarbeitung von Belohnung aufweisen [34] . Diese Gruppenunterschiede waren nicht bei der Aktivierung des "social brains" während "theory of mind" nachweisbar, wo sich eher moderate dimensionale Effekte angedeutet haben [28] . Dies ließ sich ebenso hinsichtlich Hirnaktivität in Ruhe demonstrieren, wo in den Kandidatennetzwer-ken, wie Salienz-, orbitofrontalen sowie medialen motorischen Netzwerken, Effekte autistischer Traits auf erhöhte Konnektivität zu verzeichnen waren. Weiterhin ließen sich veränderte Konnektivitäten zwischen den Netzwerken des Zerebellums, des visuellen und des somatosensorischen Kortex bei Autisten finden [32] . Während sich ebenso wenig Gruppenunterschiede bei der kortikaler Dicke zeigten, konnten auf individueller Ebene mittels normativer Modelle weit verbreitete Abweichungen in Abhängigkeit des Alters der Probanden gefunden werden, welche mit repetitivem Verhalten und sozialer Kommunikation zusammenhingen [38] . Insgesamt lässt sich sagen, dass die neurobiologischen Befunde auf Gruppenebene in der querschnittlichen Betrachtung weniger Varianz aufklären als erwartet. Während die longitudinalen Ergebnisse der Kohorte noch ausstehen, weist dies insgesamt eher auf statistisch unterpowerte Vorbefunde in der Literatur hin. Insbesondere bei Autismusspektrumstörungen handelt es sich jedoch um ein sehr heterogenes Störungsbild, was die Wichtigkeit unterstreicht, multiple Ebenen der Phänotypisierung, d. h., genetisch, zellulär, (neuro-)biologisch, neuropsychologisch, behavioral, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Hier verzeichnen jüngste Untersuchungen im Sinne der Präzisionsmedizin vielversprechende Befunde auf individueller Ebene [38] . Die longitudinalen Auswertungen sind derzeit im Gange und werden in den nächsten Jahren über die neurobehavioralen Entwicklungstrajektorien Aufschluss geben. Generell wurde die neuronale Entwicklung der Probanden vornehmlich in der mittleren Kindheit (ABDC, AIMS), der Adoleszenz (IMAGEN) oder im frühen Erwachsenenalter (MARS) erfasst. Es gibt derzeit nur wenige Studien mit Schwerpunkt auf longitudinalen Imaging-Daten, wie z. B. IMAGEN, Generation R, NCANDA (National Consortium on Alcohol and Neurodevelopment in Adolescence). Dies erschwert Rückschlüsse über die Richtung der Ursache-Wirkungs-Beziehungen, da Hirnveränderungen eine Folge von Ereignissen oder Verhaltensweisen sein oder diese bedingen können. Um generell die Veränderung über die Zeit aufzuzeigen sowie diese nichtlinear zu modellieren, sind mehr als zwei Erhebungszeitpunkte wichtig, was bislang nur wenige Studien, wie IMAGEN mit Beginn in der Adoleszenz, vorweisen können. Daher bleiben vor allem die frühen Wachstumskurven der neuronalen Substrate als Vorläufer für Psychopathologie in Abhängigkeit von Risikokonstellationen und auch hinsichtlich einer Interaktion von Neurobiologie, Genetik und Verhalten bislang noch ungeklärt. Im Einklang mit der Verschiebung des Forschungsfokus in Richtung Präzisionsmedizin mit dem Ziel individuell angepasste Interventionen zu entwickeln, wird es zunehmend wichtig, sich auf individuelle Trajektorien und Prädiktoren statt auf Gruppenbefunde zu konzentrieren. Hier ist die normative Modellierung [23] ein attraktiver Ansatz, welcher, ähnlich wie bei Wachstumskurven in der Pädiatrie, erlaubt, die neurobiologische Variation der Stichprobe in Bezug auf beispielsweise das Alter abzubilden und statistische Inferenzen über die relative Positionierung der Individuen zu ermöglichen. Die Untersuchung sensitiver Perioden, in denen neurobiologische Mechanismen psychischer Störungen beeinflussbar sind, sollte einer der Schwerpunkte zukünftiger längsschnittlicher Untersuchungen sein. Die Wichtigkeit dieser Zeitfenster wurde bereits durch genetische als auch umweltbasierte Befunde untermauert. So konnten bei ADHS dementsprechend kritische Zeitfenster für genetische Effekte ermittelt werden, wobei die Implikationen eines bestimmten genetischen Allels für Erkrankungsrisiko bzw. -schutz je nach Manifestationsalter variieren können [6] . DerVerlaufpsychischerAuffälligkeitenbei Kindern und Jugendlichen -Ergebnisse der KiGGS-Kohorte From regulatory problems in infancy to attention-deficit/hyperactivity disorder in childhood: a moderating role for the dopamine D4 receptor gene? BDNF Val 66 Met and 5-HTTLPR genotype moderate the impact of early psychosocial adversity on plasma brain-derived neurotrophic factor and depressive symptoms: a prospective study The Neuroenvironmental loop of plasticity: a cross-species analysis of parental effects on emotion circuitry development following typical and adverse Caregiving Longitudinal assessment of mental health disorders and comorbidities across 4 decades among participants in the Dunedin birth cohort study The geneticsofattentiondeficit/hyperactivitydisorder inadults, a review Childhood adversities and adult psychiatric disorders in the national comorbidity survey replication I: associations with first onset of DSM-IV disorders The child behavior checklist-dysregulation profile predicts substance use, suicidality, and functional impairment: alongitudinalanalysis Evidence for a sex-dependent MAOax childhood stress interaction in the neural circuitry of aggression Ventral striatum and amygdala activity as convergence sites for early adversity and conduct disorder Early maternal care may counteract familial liability for psychopathology in the reward circuitry Effect of prenatal exposure to tobacco smoke on inhibitory control: neuroimaging results from a 25-year prospective study The long-term impact of early life poverty on orbitofrontal cortex volume in adulthood: results from a prospective study over 25 years Positive coping styles and perigenual ACC volume: two related mechanisms for conferring resilience? Role of FKBP5 in emotion processing: results on amygdala activity, connectivity and volume Resilience and the brain: a key role for regulatory circuits linked to social stress and support The ABCD study: understanding the development of risk for mental and physical health outcomes Soziale Unterschiede im Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland -Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 Behavioral sequelae of perinatal insults and early family adversity at 8 years of age Interacting effects of the dopamine transporter gene and psychosocial adversity on attentiondeficit/hyperactivity disorder symptoms among 15-year-olds from a high-risk community sample Interactive effects of corticotropin-releasing hormone receptor 1 gene and childhood adversity on depressive symptoms in young adults: findings from a longitudinal study Understanding heterogeneity in clinical cohorts using normative models: beyond case-control studies Cohort profile: KiGGS cohort longitudinal study on the health of children, adolescents and young adults in Germany SchmidtSJetal(2020)Early recognition and prevention of schizophrenia and other psychoses Parent ratings of executive functioning in children adopted from psychosocially depriving institutions Sexspecific trajectories of ADHD symptoms from adolescence to young adulthood Socialbrainactivationduringmentalizinginalarge autism cohort: the Longitudinal European Autism Project The long-term impact of early life stress on orbitofrontal cortical thickness Early adversity and critical periods: neurodevelopmental consequences of violating the expectable environment Are infants differentially sensitive to parenting? Early maternal care, DRD4 genotype and externalizing behavior during adolescence Altered connectivity between cerebellum, visual, and sensory-motor networks in autism spectrum disorder: results from the EU-AIMS longitudinal European autism project Continuity and change in anger and aggressiveness from infancy to childhood: the protective effects of positive parenting Quality of early mother-child interaction associated with depressive psychopathology in the offspring: a prospective study from infancy to adulthood The IMAGEN study: reinforcement-related behaviour in normal brain function and psychopathology The importance of a developmental perspective in Psychiatry: what do recent genetic-epidemiological findings show? Dissecting the heterogeneous cortical anatomy of autismspectrumdisorderusingnormativemodels