key: cord-0051052-5r4nx10g authors: Larsen, Reinhard title: Periduralanästhesie date: 2016-06-14 journal: Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege DOI: 10.1007/978-3-662-50444-4_14 sha: 34f91964b345e1ff620169bde6eff3ee7a84e27c doc_id: 51052 cord_uid: 5r4nx10g Die Peridural- oder Epiduralanästhesie (PDA) ist, wie die Spinalanästhesie, eine regionale Blockadetechnik, in deren Mittelpunkt das Rückenmark und die Nervenwurzeln stehen. Zwischen beiden Methoden bestehen zahlreiche Ähnlichkeiten, die v. a. die anatomischen Grundlagen, die Wirkungen der Lokalanästhetika und die physiologischen Auswirkungen der Blockade sowie technische Einzelheiten betreffen. Zum besseren Verständnis der Periduralanästhesie wird darum dem Leser empfohlen, vor der erstmaligen Lektüre dieses Kapitels den vorangehenden Teil „Spinalanästhesie“ zu lesen. Die Peridural-oder Epiduralanästhesie (PDA) ist, wie die Spinalanästhesie, eine regionale Blockadetechnik, in deren Mittelpunkt das Rückenmark und die Nervenwurzeln stehen. Zwischen beiden Methoden bestehen zahlreiche Ähnlichkeiten, die v. a. die anatomischen Grundlagen, die Wirkungen der Lokalanästhetika und die physiologischen Auswirkungen der Blockade sowie technische Einzelheiten betreffen. Zum besseren Verständnis der Periduralanästhesie wird darum dem Leser empfohlen, vor der erstmaligen Lektüre dieses Kapitels den vorangehenden Teil "Spinalanästhesie" zu lesen. Die Periduralanästhesie entsteht durch Injektion eines Lokalanästhetikums in den Periduralraum des Wirbelkanals. Sie kann praktisch in jedem Abschnitt der Wirbelsäule durchgeführt werden. Der lumbale Weg wird jedoch am häufigsten benutzt. Die Periduralanästhesie erreicht zwar nicht die Qualität der Spinalanästhesie, übertrifft sie aber an Vielseitigkeit. So können mit diesem Verfahren die verschiedenen Nervenleitfunktionen teilweise differenziert (sensorische Blockade bei erhaltener Motorik) und auch segmentär, d. h. örtlich eng begrenzt, ausgeschaltet werden. Darum wird die Periduralanästhesie nicht nur bei zahlreichen chirurgischen Eingriffen, sondern als Periduralanalgesie auch zur Schmerzausschaltung unter der Geburt sowie zur Behandlung akuter und chronischer Schmerzen eingesetzt. Hierbei sind über peridural eingeführte Katheter auch lang dauernde Blockaden möglich. Der Periduralraum (auch: Epi-oder Extraduralraum) liegt zwischen der Dura mater des Rückenmarks und den Knochen bzw. Bändern des Spinalkanals (. Abb. 14.1). Der Raum erstreckt sich vom Foramen magnum der Schädelbasis bis hinunter zum Ligamentum sacrococcygeum zwischen Steißbein und Kreuzbein. Nach hinten begrenzt das gelbe Band (Ligamentum flavum) den Periduralraum. Dieses Band ist dick und reich an elastischen Fasern und dient als wichtigste Orientierungshilfe bei der Punktion des Periduralraums. Seitlich steht der Periduralraum über die Zwischenwirbellöcher mit dem paravertebralen Raum (Raum neben der Wirbelsäule) in Verbindung. Durch die Zwischenwirbellöcher ziehen die Spinalnerven und Blutgefäße. Die Weite des Periduralraums wechselt mit den einzelnen Wirbelsäulenabschnitten. Im lumbalen Bereich ist der Durchmesser mit 5-6 mm am größten, in der Thoraxmitte beträgt er hingegen 3-5 mm, im Halsbereich sogar nur Die höchsten Plasmakonzentrationen werden 10-20 min nach der Injektion erreicht, sodass v. a. während der ersten 30 min sorgfältig auf Frühzeichen systemisch-toxischer Reaktionen geachtet werden muss. Dagegen ist bei der Spinalanästhesie wegen der geringen Lokalanästhetikadosen praktisch nicht mit toxischen Wirkungen zu rechnen. Bei allen Gemeinsamkeiten bestehen zwischen Spinalund Periduralanästhesie doch einige in der Praxis wichtige Unterschiede (. Tab. 14.1). Die Periduralanästhesie ist technisch schwieriger durchzuführen als die Spinalanästhesie, auch ist die "Anästhesietiefe" oft weniger stark ausgeprägt. Ebenso sind Sensorik und Motorik meist nicht in gleicher Weise betroffen. Die Ausbreitung der Anästhesie ist nicht so gut steuer-und vorhersehbar und verläuft nicht selten mehr segmentär. Allerdings können die unterschiedliche Ausprägung von sensorischer und motorischer Blockade wie auch die segmentäre Ausbreitung klinisch gezielt eingesetzt werden, z. B. in der geburtshilflichen Anästhesie. Die Indikationen und Kontraindikationen der Periduralanästhesie entsprechen im Wesentlichen denen der Spinalanästhesie (7 Abschn. 14.4). Zusätzlich wird die Periduralanästhesie eingesetzt zur 5 Schmerzlinderung während der Geburt, 5 postoperativen Schmerzausschaltung, 5 posttraumatischen Analgesie (z. B. Rippenserienfrakturen), 5 Langzeitschmerzbehandlung (z. B. bei Tumorkranken). Bei Störungen der Blutgerinnung kann die Punktion eines periduralen Blutgefäßes zum periduralen Hämatom mit nachfolgender Kompression des Rückenmarks und irreversiblen neurologischen Schäden führen, wenn die Komplikation nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Standard-Nadel, Spitze abgerundet und stumpf, Öffnung seitlich, gebräuchliche Größen: 17 oder 18 G, Katheter einführbar. Mit der Tuohy-Nadel wird das Risiko der Duraperforation vermindert. Katheter lassen sich schwieriger einführen als mit der Crawford-Nadel. Öffnung am distalen Ende, Spitze kurz mit glatten Kanten, gebräuchliche Größe: 18 G. Die Nadel ist von Vorteil beim paramedianen (seitlichen) Zugang. Die Gefahr der Durapunktion ist größer als mit der Tuohy-Nadel. Katheter lassen sich aber leichter einführen. Diese Nadel wird eher selten eingesetzt. Als Vorteil wird eine geringere Kopfschmerzrate bei versehentlicher Duraperforation postuliert. Von Nachteil ist die stumpfe Kanülenspitze. Die Auswahl der Lokalanästhetika richtet sich v. a. nach der Art der gewünschten Blockade und der erforderlichen Dauer. Rein sensorische Blockaden werden durch niedrige Konzentrationen (z. B. 0,125-0,25% Bupivacain) erreicht, zusätzliche motorische Blockaden erfordern höhere Konzentrationen (z. B. 0,5% Bupivacain, 1,5-2% Mepivacain). Unter einer effektiven Therapie mit Kumarinpräparaten dürfen keine Peridural-und Spinalanästhesien durchgeführt werden. Zunächst wird die Tuohy-Nadel mit Mandrin bis in den Bereich des Ligamentum interspinale vorgeschoben, danach wird der Mandrin entfernt und die mit Kochsalz oder Luft gefüllte 10-ml-Spritze auf die Kanüle geschraubt. Dann wird die Kanüle unter ständigem Druck auf den Spritzenstempel vorgeschoben. Hierbei ist der Widerstand gegen die Injektion der Kochsalzlösung relativ groß und wird noch größer, wenn die Kanüle in das Ligamentum flavum gelangt. Sobald dieses Band durchstochen worden ist, lässt der Widerstand abrupt nach und die Kochsalzlösung kann "butterweich" bzw. ohne wesentlichen Widerstand injiziert werden: Der Periduralraum ist erreicht (bei zu raschem Vorschieben evtl. aber fälschlich der Liquorraum!). Nun muss die Tuohy-Nadel noch etwa 1-2 mm vorgeschoben werden, damit die Öffnung an der Spitze vollständig im Periduralraum liegt. Ist eine versehentliche Dura-oder Gefäßpunktion ausgeschlossen worden, kann das Lokalanästhetikum injiziert werden. Die Nadel wird mit Mandrin in den Bereich des Ligamentum flavum vorgeschoben, dann der Mandrin entfernt und ein Tropfen Kochsalzlösung an das proximale Ende der Tuohy-Nadel gehängt. Nun wird die Nadel vorsichtig vorgeschoben. Bei Erreichen des Periduralraums wird der Tropfen, wenn er nicht vorher abgefallen ist, in die Kanüle gesaugt. Die Periduralanästhesie kann als Bolusinjektion oder als kontinuierliche Periduralanästhesie durchgeführt werden. Die Substanz gehört zu den lang wirkenden Lokalanästhetika und ist weniger kardiotoxisch als Bupivacain. Wie Bupivacain bewirkt auch Ropivacain eine Differenzialblockade (Sensorik stärker geblockt als Motorik). Für die Periduralanästhesie werden Konzentrationen von 0,5-1% angewandt, für die Periduralanalgesie von 0,2%. Die Wirkdauer entspricht im Wesentlichen der von Bupivacain und wird durch Adrenalinzusatz nicht verlängert. z z Vergleich der verschiedenen Lokalanästhetika für die PDA In . Tab. 14.3 sind gebräuchliche Lokalanästhetika für die Periduralanästhesie aufgeführt. Einseitige Anästhesien sind mit keinem Lokalanästhetikum und durch keine Lagerungsmaßnahme zu erreichen. Mit Bupivacain und Ropivacain ist nicht selten auch die Anästhesie im Unterschenkel-und Fußbereich unzureichend, weil diese Substanzen schlecht in die großen Wurzeln von L5 und S1 eindringen. Nun können je nach Bedarf (unter Beachtung der Höchstdosen!) wiederholt Lokalanästhetika während der Operation nachinjiziert oder kontinuierlich infundiert werden. Vor jeder Injektion sollte eine Testdosis injiziert werden, weil der Katheter, selbst bei anfangs einwandfreier periduraler Lage, die Dura oder ein Blutgefäß perforieren kann. Bei den Nachinjektionen der Lokalanästhetika müssen unbedingt die in 7 Kap. 12 dargelegten Grundsätze für die kontinuierliche Blockadetechnik beachtet werden. Am Ende der Operation wird der Katheter langsam und vollständig (Kontrolle!) herausgezogen oder bei entsprechender Indikation bis zu ca. 1 Woche für die postoperative Schmerzbehandlung im Periduralraum belassen. Nach der Injektion des Lokalanästhetikums wird der Patient gelagert. Hierbei muss beachtet werden, dass die Ausbreitung der Anästhesie, im Gegensatz zur Spinalanästhesie mit hyperbaren Lokalanästhetika, durch Lagerungsmaßnahmen nur wenig beeinflusst werden kann. Das weitere anästhesiologische Vorgehen (Überprüfung der Anästhesie, Überwachungs-und Behandlungsmaßnahmen) entspricht weitgehend den für die Periduralanästhesie Bereich und an den unteren Extremitäten eingesetzt Update rückenmarknahe Regionalanästhesieweniger Nutzen, mehr Gefahren? www.ai-online Epidurale Anästhesie und Analgesie und die Ergebnisqualität größerer chirurgischer Eingriffe Regionalanästhesie und neurologische Erkrankungen Patienten treten später Kopfschmerzen auf (7 Kap. 13, 7 Abschn. 13.6). Häufigste Ursache der Duraperforation ist eine mangelhafte Technik.Der Verdacht auf eine subarachnoidale Punktion drängt sich auf, wenn klare Flüssigkeit mit der Spritze durch die Tuohy-Nadel abgezogen werden kann oder frei aus der Kanüle abtropft. Diese Flüssigkeit kann Liquor, Kochsalz (Widerstandverlusttechnik!) oder Lokalanästhetikum sein. Der Anästhesist lässt die Flüssigkeit auf seinen Unterarm tropfen: Liquor ist warm! Im Zweifelsfall wird ein Glukoseteststreifen verwendet: er verfärbt sich bei Liquor! Nicht nur die Periduralnadel, sondern auch Periduralkatheter können die Dura mater perforieren. Diese Komplikation ist zwar selten, aber gefährlich, weil sie schwer zu erkennen ist. Darum gilt: die postoperative Phase reichende Schmerzausschaltung möglich. Die Technik der thorakalen Periduralanästhesie ist aus anatomischen Gründen deutlich schwieriger und etwas gefährlicher (Stich ins Rückenmark!). Sie sollte aus diesen Gründen nur vom wirklich Geübten ausgeführt werden. Bei der Periduralanästhesie können einerseits ähnliche Komplikationen wie bei der Spinalanästhesie auftreten (7 Kap. 13, 7 Abschn. 13.4); andererseits gibt es zahlreiche Komplikationsmöglichkeiten, die nur für dieses Verfahren typisch sind. Es können Früh-und Spätkomplikationen unterschieden werden. Die unbeabsichtigte Perforation der Dura mater mit der Periduralnadel ist eine für sich genommen harmlose Komplikation mit unangenehmen Folgen: bei etwa 70% aller Atemstörungen können aus den gleichen Gründen wie bei der Spinalanästhesie auftreten. Das gilt auch für das Abfallen der Körpertemperatur in kühler Umgebung. Sie treten Stunden oder Tage nach der Periduralanästhesie auf. Häufigkeit und Ursachen sind die gleichen wie bei der Spinalanästhesie, die Behandlung ebenfalls. Beschränkt sich die Anästhesie auf thorakale Segmente, sind jedoch keine Harnentleerungsstörungen zu erwarten. Sie gehören nicht zur Periduralanästhesie. Treten sie dennoch unter dem Bild des postspinalen Kopfschmerzes auf, wurde die Dura versehentlich punktiert (Einzelheiten:7 Abschn. 14.6.1). Die häufigsten neurologischen Komplikationen der Periduralanästhesie sind: 5 Spinales peridurales Hämatom, 5 Cauda-equina-Syndrom, 5 eitrige Meningitis, 5 periduraler Abszess. Venöse Punktionen mit der Tuohy-Nadel sind im Periduralraum leicht möglich, besonders bei Schwangeren und auch dann, wenn die Nadelrichtung nicht in der Mittellinie verläuft. Die Punktion selbst ist harmlos, wenn sie rechtzeitig bemerkt wird (und der Patient nicht unter Antikoagulanzientherapie steht). Gefährlich ist die versehentliche Katheterisierung einer Periduralvene, weil sie leicht übersehen wird. Darum müssen bei Injektionen über einen Periduralkatheter die im Abschnitt "versehentliche Durapunktion" beschriebenen Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden.Wird das Lokalanästhetikum dennoch über die Kanüle oder den Katheter in die Vene injiziert, ist mit schweren und lebensbedrohlichen toxischen Reaktionen zu rechnen, deren klinisches Bild und Behandlung in 7 Kap. 13 (7 Abschn. 13.4) dargestellt sind. Die Ursache ist die gleiche wie bei der Spinalanästhesie: die Blockade präganglionärer Sympathikusfasern. Allerdings tritt der Blutdruckabfall meist langsamer auf als bei der Spinalanästhesie, und soll auch weniger ausgeprägt sein. Die Behandlung ist in 7 Kap. 13 (7 Abschn. 13.6) beschrieben.