key: cord-0051051-4h5zc0nb authors: Larsen, Reinhard title: Intravenöse Anästhetika, Opioide, Sedativa, TIVA date: 2016-06-14 journal: Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege DOI: 10.1007/978-3-662-50444-4_10 sha: ae5edd44439c262fba4eb4d1547153c2ae474669 doc_id: 51051 cord_uid: 4h5zc0nb Intravenöse Anästhetika werden für die Einleitung einer Narkose und in Kombination mit Opioiden für die totale intravenöse Anästhesie (TIVA) eingesetzt, außerdem bei Regionalanästhesien, wenn der Patient während des Eingriffs zu schlafen wünscht. Da die meisten i.v.-Anästhetika keine oder nur geringe analgetische Eigenschaften aufweisen, müssen sie mit stark wirkenden Opioiden kombiniert werden, um eine chirurgische Anästhesie zu erreichen. Die Opioide gehören außerdem zu den Standardsubstanzen der postoperativen Schmerztherapie, v. a. nach sehr schmerzhaften Eingriffen. Sedativa werden für die Prämedikation und für regionale Anästhesieverfahren am wachen Patienten eingesetzt. Je nach Dosierung zeigen sich folgende Wirkungen von Thiopental: 5 sedierend und angstlösend, 5 antikonvulsiv, 5 enthemmend, euphorisierend, erregend, 5 hypnotisch, 5 anästhetisch. Die Anästhesie durch Thiopental ist eine modifizierte Allgemeinnarkose: Es liegt ein ausgeprägter Schlafzustand vor, aus dem die Patienten nicht erweckbar sind; eine spezifisch analgetische Wirkung fehlt jedoch. Typische Narkosezeichen fehlen ebenfalls: die Pupillen sind normal weit oder eng, die Augen stehen fixiert in Mittelstellung, Blinzelreflex (bei Bestreichen der Wimpern) und Sehnenreflexe (bei Beklopfen) sind erloschen. Eine tiefe bzw. chirurgische Anästhesie tritt erst unter hohen Barbituratdosen auf, für die jedoch Folgendes gilt: Opium wird aus dem Saft der unreifen Samenkapsel des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen. Opiumpulver enthält folgende Hauptbestandteile: 5 Morphin, 5 Codein, 5 Narcein, 5 Papaverin. Morphin (von gr.: Morpheus, der Gott des Traumes) ist die Bezugssubstanz für alle Opioide, sie wird darum ausführlich beschrieben. Morphin stimuliert die Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH). Hierdurch kann die Urinausscheidung abnehmen. Die Kontraktion des Blasensphinkters (Sphincter vesicae) kann zum Harnverhalt führen. Morphin wird nach oraler, s.c. und i.m. Gabe gut resorbiert, ebenso von den Schleimhäuten der Lunge und der Nase. Alle Opioide werden überwiegend in der Leber abgebaut und ihre Abbauprodukte über die Nieren ausgeschieden. Benzodiazepine wirken zentral muskelrelaxierend. Diese Relaxierung ist aber nicht mit derjenigen von echten Muskelrelaxanzien vergleichbar, auch wird deren Wirkung durch Benzodiazepine nicht verstärkt. Diazepam (Valium, Diazemuls) ist der Prototyp der Benzodiazepine. Die Substanz ist gut fettlöslich, jedoch unlöslich in Wasser (keine Mischspritzen verwenden!). Tabletten werden schnell und vollständig resorbiert, der Wirkgipfel wird nach 2 h erreicht. Säfte und Zäpfchen werden hingegen schlecht resorbiert und sollten deswegen nicht verabreicht werden. Auch nach i.m. Injektion (schmerzhaft!) ist die Resorption unsicher, darum ist die i.m. Injektion nicht empfehlenswert. Bei der i.v. Injektion von 10-20 mg tritt die sedierende Wirkung innerhalb von Minuten ein, die maximale Wirkung hält etwa eine Stunde an. Nach 6 h kann erneut Schläfrigkeit auftreten. (Vorsicht bei ambulanten Patienten!) Wiederholte Dosen führen zur Kumulation; nach längerer Zufuhr (Intensivmedizin) dauert die Ausscheidung Tage bis Wochen. Diese Verfahren sind nur noch von historischer Bedeutung. Durch Kombination der Opioide mit Midazolam wird die hypnotische Komponente verstärkt. Allerdings sind hierbei höhere Dosen Fentanyl, Remifentanil, Alfentanil oder Sufentanil erforderlich als bei der Kombination mit Propofol. Auch werden kardiovaskuläre Reaktionen auf starke chirurgische Reize bei einigen Patienten nicht ausreichend gedämpft, sodass Adjuvanzien wie Inhalationsanästhetika oder Vasodilatatoren eingesetzt werden müssen. In Phasen geringer oder fehlender Stimulation kann der Blutdruck abfallen. Opioiden und Propofol oder Midazolam können während der Operation bei einigen wenigen Patienten unbemerkt Phasen von Wachheit ("awareness") auftreten. Bei balancierter Anästhesie ist die Gefahr geringer. Diese Substanzen gehören zu den Sedativhypnotika (Tranquilizer). Sie haben keine anästhetische und auch keine analgetische Wirksamkeit, werden jedoch häufig in der Anästhesie eingesetzt, um die Wirkung von Anästhetika zu potenzieren oder Patienten, bei denen eine Regionalanästhesie durchgeführt wird, zu sedieren. Außerdem sind Benzodiazepine die wichtigsten Substanzen für die Prämedikation. In der Anästhesie werden folgende Substanzen verwendet: 5 Midazolam (Dormicum), 5 Diazepam (Valium), 5 Flunitrazepam (Rohypnol), 5 Nitrazepam (Mogadan), nur zur Prämedikation, 5 Lorazepam (Tavor), nur zur Prämedikation. Alle Substanzen haben die gleichen Wirkungen: 5 Sedierung, 5 Enthemmung, 5 Anxiolyse, 5 Hypnose, 5 Amnesie. Sie unterscheiden sich lediglich in Wirkdauer und Wirkungsstärke voneinander. Nach der Wirkdauer werden unterschieden: 5 kurz wirkend: Midazolam, 5 mittellang wirkend: Flunitrazepam, 5 lang wirkend: Diazepam. Nach i.v.-Injektion fällt die Plasmakonzentration innerhalb von 15 min auf 10-20% der injizierten Dosis ab, die Wirkdauer ist entsprechend kurz. Midazolam wird in der Leber metabolisiert und über die Nieren ausgeschieden. Midazolam ist das einzige wasserlösliche Benzodiazepin (Vorteil: die Injektion ist nicht schmerzhaft). Spritzfertige Ampullen enthalten 1, 2 oder 5 mg Midazolam/ml Lösung. Außerdem gibt es das Präparat als Filmtabletten (7,5 mg) und als Saft aus der Krankenhausapotheke für die Anwendung bei Kindern. Midazolam wird zur Prämedikation, Sedierung bei Regionalanästhesien, Supplementierung der i.v. Anästhesie und Narkoseeinleitung beim Risikopatienten eingesetzt. Bei Kindern kann Midazolam kurz vor der Narkoseeinleitung auch rektal oder nasal verabreicht werden, um die Einleitung zu erleichtern. Um einen raschen Bewusstseinsverlust zu erreichen, ist ein hoher Konzentrationsgradient des Narkosemittels zwischen Plasma und Gehirn erforderlich. Der Konzentrationsgradient wiederum hängt von der verabreichten Dosis und der Infusionsgeschwindigkeit ab. Eine hohe Anfangsdosis führt zwar zum raschen Einschlafen, geht aber auch mit stärkeren kardiovaskulären Nebenwirkungen einher. Wird die Narkose dagegen per Infusion eingeleitet, ist hierfür zwar eine längere Zeitdauer (in Minuten) erforderlich, es treten jedoch auch geringere Plasmaspitzenkonzentrationen und weniger kardiovaskuläre Nebenwirkungen auf. Die Narkose kann auch mit dem TCI-Perfusor eingeleitet werden. Für sonst gesunde Erwachsene im mittleren Lebensalter sind für den Bewusstseinsverlust und die anschließende endotracheale Intubation Propofolblutkonzentrationen von 4,5 bis ca. 6 μg/ml erforderlich, vorausgesetzt, der Patient ist mit einem Benzodiazepin prämediziert und hat vor der Einleitung einen Opioidbolus erhalten. Bei alten Patienten muss die Propofolzielkonzentration reduziert werden. Unprämedizierte und nicht mit einem Opioidbolus vorbehandelte Patienten benötigen hingegen höhere Plasmakonzentrationen von Propofol (6-8 μg/ml), um kardiovaskuläre Reaktionen auf den Intubationsreiz zu verhindern. Insgesamt dauert die Einleitung der Narkose mit dem TCI-Perfusor etwa 1-2 min. Grundsätzlich gilt auch hier: Wie bei den Hypnotika wird die Opioidzufuhr primär nach klinischen Kriterien gesteuert, beim relaxierten Patienten v. a. anhand kardiovaskulärer Reaktionen auf Reize unterschiedlicher Intensität. Allerdings kann aufgrund des Ausbleibens von Blutdruckanstiegen und/oder Tachykardien auf chirurgische Reize während einer Opioidanästhesie nicht zwangsläufig auf eine ausreichende Narkosetiefe geschlossen werden, besonders wenn die Patienten β-Blocker oder andere kardiovaskuläre Pharmaka, wie ACE-Hemmer oder Kalziumantagonisten, erhalten. Auch variiert der Dosisbedarf für die Opioide, je nach Intensität des chirurgischen Stimulus, um ca. 30-60%. Grundsätzlich können alle hochpotenten Opioide für die TIVA eingesetzt werden. Remifentanil lässt sich allerdings am besten steuern. Die TIVA sollte als Kombinationsanästhesie durchgeführt werden, nicht als Monoanästhesie. Kurz wirkende und gut steuerbare Substanzen sollten hierbei bevorzugt werden. Die Zufuhr der Substanzen kann mit intermittierenden Bolusinjektionen oder als kontinuierliche Infusion erfolgen. Die kontinuierliche Infusion weist gegenüber den Bolustechniken folgende Vorteile auf: 5 stabilere Plasmakonzentrationen, 5 geringere Gefahr der Über-oder Unterdosierung der Narkosemittel, 5 weniger hämodynamische Nebenwirkungen, 5 stabileres Anästhesieniveau, 5 kürzere Aufwachzeiten, 5 verminderter Dosisbedarf. Die kontinuierliche Infusion der TIVA-Komponenten über einen Perfusor kann, manuell oder computergestützt, als "target controlled infusion" (TCI) erfolgen. Bei der zielkontrollierten Infusion wird die für die jeweilige Intensität der Stimuli erforderliche Konzentration im Plasma (bzw. Gehirn) am Perfusor eingestellt. Das TCI-Gerät berechnet dann automatisch aufgrund der einprogrammierten pharmakokinetischen Parameter und dem eingegebenen Alter und Gewicht des Patienten die für die eingestellte Plasmakonzentration erforderliche Infusionsrate. Die Infusionsrate wird ebenfalls automatisch angepasst. Hierdurch sollen die Plasmakonzentrationen immer im vorgegebenen Bereich gehalten und starke Schwankungen mit stärkeren Nebenwirkungen sowie ein ständiges manuelles Nachstellen des Perfusors vermieden werden. Nachschlagen und Weiterlesen Bei der Aufrechterhaltung der Narkose sollte folgender Grundsatz beachtet werden: Die Analgesie erfolgt mit Opioiden, die Hypnose mit Hypnotika. Bei ungenügender Analgesie muss die Dosis des Opioids erhöht werden, bei zu flacher Narkose und nicht schmerzbedingten Reaktionen die des Hypnotikums. Schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach Propofol-Infusion zur Sedierung Mit diesem Schema wird innerhalb von 2 min eine hypnotisch wirkende Propofolplasmakonzentration erreicht und während der Infusion aufrechterhalten.Bei der Kombination von Propofol mit Remifentanil sind im Allgemeinen geringere Propofolkonzentrationen im Blut erforderlich. Häufig reicht die Dosierung von 3-6 mg/ kgKG/h Propofol aus.