key: cord-0051027-1ukfjmw4 authors: Larsen, Reinhard title: Blutgerinnung date: 2016-06-14 journal: Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege DOI: 10.1007/978-3-662-50444-4_18 sha: d3245ab6ccebcc50bf031dd77408962be38da747 doc_id: 51027 cord_uid: 1ukfjmw4 Die Blutgerinnung umfasst alle Vorgänge, die dazu dienen, das Blut in ausreichendem Volumen und in flüssigem Zustand zu erhalten: Blutgefäße: sie verhindern, sofern sie nicht selbst verletzt sind, den Austritt von Blut aus der Blutbahn, Blutstillung: sie tritt ein, wenn das Gefäß verletzt worden ist und Fibrinolyse: sie verhindert überschießende Fibrinablagerungen und beseitigt Fibrinniederschläge im Gefäßsystem. Im weiteren Ablauf der Blutstillung wird das Fibrinnetz mehr und mehr verfestigt. Das Gerinnsel zieht sich zusammen. Später wird der primäre Verschluss bindegewebig organisiert: es kommt zur narbigen Verheilung. Die Endreaktion der Blutgerinnungsvorgänge ist die Bildung von fädigem Fibrin. Dieses Fibrin entsteht aus seiner im Plasma vorliegenden Vorstufe Fibrinogen. An der Umwandlung des Fibrinogens in Fibrin sind sog. Gerinnungsfaktoren beteiligt, die sich im Plasma befinden. Sie werden als plasmatische Gerinnungsfaktoren bezeichnet (. Tab. Die Blutstillung lässt sich schematisch in drei Phasen einteilen: 5 1. Phase: posttraumatische Sofortphase -Gefäßkontraktion, 5 2. Phase: Bildung eines Gefäßwundverschlusses, 5 3. Phase: Verfestigung des Wundverschlusses. Sofort nach der Verletzung kontrahiert sich das verletzte Gefäß. Dieser Vorgang wird durch ein Absinken des Blutdrucks im betroffenen Gefäßgebiet gefördert. Gleichzeitig mit der Gefäßkontraktion ballen sich die Thrombozyten an der Verletzungsstelle zu Aggregaten zusammen. Diese Zusammenballung (Aggregation) der Thrombozyten beruht auf ihrer Klebrigkeit, d. h. die Thrombozyten können aneinander und auch an der verletzten Gefäßstelle haften. Dieses "Klebrigwerden" der Thrombozyten tritt sofort auf und ist für die spontane Blutstillung von ganz wesentlicher Bedeutung. Die zusammengeballten Thrombozyten verlegen innerhalb von 2-4 min die verletzte Gefäßstelle. Diese Zeit wird als Blutungszeit bezeichnet. Sie ist ausschließlich eine Funktion der Thrombozyten. Bei einem Mangel an Thrombozyten oder bei gestörter Thrombozytenfunktion ist die Blutungszeit verlängert. Anschließend wird der Plättchenpfropf von Fibrinfäden netzartig durch-und umsponnen. Dieses Netz stabilisiert den Pfropf und festigt ihn gegenüber dem wieder ansteigenden Blutdruck. Wenn die Fibringerinnung nicht eintritt, kann der Plättchenpfropf durch den ansteigenden Blutdruck von der Verletzungsstelle weggedrückt werden. Auf beiden Wegen der Kaskadenreaktion wird Prothrombin in Thrombin umgewandelt. Thrombin spielt die Schlüsselrolle für die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen. Zusätzlich kann Thrombin die Thrombozyten aktivieren und auch zerstören (ebenso die Faktoren V und VIII). In 10 ml Blut ist genug Prothrombin enthalten, um 2,5 l Plasma nach Umwandlung in Thrombin vollständig gerinnen zu lassen, und zwar innerhalb von 15 s. Gerinnungsstörungen können nicht nach dem Augenschein diagnostiziert werden. Für eine genaue Diagnose sind vielmehr bestimmte Gerinnungsuntersuchungen erforderlich. Hierzu dienen globale Suchtests, die miteinander kombiniert werden müssen. Der kürzeste Weg zur Aufdeckung einer Gerinnungsstörung umfasst fünf Bestimmungsmethoden: 5 Thrombozytenzählung: Um eine Gerinnungsstörung zu diagnostizieren, reichen diese fünf kombiniert angewandten Tests meist aus. Weiterführende Untersuchungsverfahren sind die Thrombelastographie bzw. Thrombelastometrie sowie die Bestimmung der Thrombozytenaggregation und einzelner Gerinnungsfaktoren. Therapeutisch kann die Fibrinolyse mit Streptokinase ausgelöst werden. Sie kann andererseits auch therapeutisch durch bestimmte Substanzen (Antifibrinolytika) gehemmt werden. Störungen der Blutgerinnung können sich in zwei grundlegenden Formen manifestieren: 5 Blutung (hämorrhagische Diathese), 5 intravasale Fibrinablagerung (intravasale Gerinnung). Bei der Blutstillung sind drei Reaktionspartner beteiligt. Somit können Störungen der Blutgerinnung durch pathologische Veränderungen eines der drei Partner (und natürlich auch kombiniert) auftreten: 5 Koagulopathien: das sind Störungen im System der plasmatischen Gerinnungsfaktoren. 5 Thrombozytär bedingte Blutungen: verminderte oder pathologisch veränderte Thrombozyten Vasogene Blutungen: Pathologisch veränderte Gefäßwand. Bei den unterschiedlichen Blutungsursachen können z. T. charakteristische Blutungstypen auftreten: Diese spielen in der operativen Medizin eine wesentlich größere Rolle als die angeborenen Formen. Die wichtigsten Störungen entstehen durch folgende Faktoren: 5 Thrombozytopathie und -penie: häufig durch Medikamente bedingt, 5 massive Blutverluste: Verdünnungs-und Verlustkoagulopathie (7 Kap. 17), 5 Massivtransfusionen (7 Kap. 17), 5 Polytrauma (7 Kap. 31), 5 Überdosierung von Antikoagulanzien, 5 Lebererkrankungen, 5 Urämie, 5 Hyperfibrinolyse, 5 disseminierte intravasale Gerinnung. Intraoperativ ist mit Blutungen erst zu rechnen, wenn die Aktivität eines Gerinnungsfaktors auf weniger als 10% des Normalwertes abgesunken ist. Sickerblutungen in der unmittelbaren postoperativen Phase beruhen meist auf einem Thrombozytenmangel. Die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) entsteht durch eine generalisierte intravasale Aktivierung des Gerinnungs-und Fibrinolysesystems. Hierdurch wird die Mikrozirkulation mit Fibrinniederschlägen und Thrombozytenaggregationen verstopft. Nachfolgend entsteht eine Störung des Stoffaustausches im Bereich der Mikrozirkulation, die in ihren Auswirkungen dem schweren Schockzustand vergleichbar ist (7 Kap. 67). Im Verlauf der DIC werden Gerinnungsfaktoren in so großer Menge verbraucht, dass schließlich als Folge eine Blutung auftreten kann. Diese Blutung wird als weiße Thromben, die zu schweren thromboembolischen Komplikationen führen können. Ursache des Typ II sind Antikörper, die in Gegenwart von Heparin die Thrombozyten aggregieren (zusammenballen). Das HIT-Syndrom Typ II beginnt meist 1-2 Tage nach Beginn der Heparintherapie und manifestiert sich als Abfall der Thrombozyten um mehr als 50%. Die Diagnose wird durch Bestimmung von Antikörpern oder durch den heparinduzierten Plättchen-Aktivierungstest (HIPA) gestellt Weiterbehandlung mit nicht kreuzreagierenden Antikoagulanzien wie Fondaparinux, Danaparoid, Argatroban, Dabigatran oder Rivaroxaban. Die Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten ist kontraindiziert Das Gerinnungskompendium. Thieme, Stuttgart