key: cord-0050997-su5oy7jf authors: Larsen, Reinhard title: Intraoperative Flüssigkeitstherapie date: 2016-06-14 journal: Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege DOI: 10.1007/978-3-662-50444-4_16 sha: 1526059c75c2a13ecdc97972fc318bf8881a77cd doc_id: 50997 cord_uid: su5oy7jf Störungen des Flüssigkeitsgleichgewichts oder des Blutvolumens können perioperativ die Herz-Kreislauf-Funktion des Patienten schwerwiegend beeinträchtigen. Die intraoperative Flüssigkeitstherapie ist darauf ausgerichtet, das Flüssigkeitsgleichgewicht oder das Blutvolumen zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Ersatz physiologischer Flüssigkeitsverluste eines normovolämischen Patienten (Erhaltungsbedarf) und dem Ausgleich pathologischer Verluste (Blut, Dehydratation). Für den Erhaltungsbedarf werden plasmaisotone Elektrolytlösungen eingesetzt, für den Volumenersatz balancierte Elektrolytlösungen, kolloidale Lösungen (HES, Gelatine) sowie Blut und Blutderivate. Isotone balancierte Elektrolytlösungen enthalten ein physiologisches Elektrolytmuster, das weitgehend der des Blutplasmas entspricht. Hierzu gehören, z. B., Sterofundin ISO (B. Braun) und E 153. In beiden Präparaten beträgt die Osmolalität 281 mosmol/l. Sie gelten als Infusionslösungen der Wahl für die normale perioperative Flüssigkeitstherapie und für die Deckung des Erhaltungsbedarfs. Sie können außerdem für den kurzfristigen Ersatz mittlerer Blut-oder Plasmaverluste angewandt werden. Diese Lösung ist plasmaisoton. Sie wird fälschlich auch als "physiologische" Kochsalzlösung bezeichnet. Das ist sie aber nicht, denn sie enthält 154 mmol/l Cl -, während die Serum-Cl --Konzentration bei 103 mmol/l liegt. Die Na + -Konzentration ist mit 154 mmol/l ebenfalls höher als die des Plasmas. Andere Elektrolyte sind nicht enthalten, daher ist sie nur kurzfristig hämodynamisch wirksam und für den Ersatz von Blut-und Plasmaverlusten eher ungeeignet. Die Lösung wird v. a. bei extrazellulären Volumendefiziten eingesetzt, die mit Hyponatriämie, Hypochlorämie und metabolischer Alkalose einhergehen. Sie ist besonders für Patienten geeignet, deren Magensaft kontinuierlich abgesaugt wird (Cl --Verlust!) sowie für Dialysepatienten und Kinder mit Pylorospasmus. Werden zu große Mengen zugeführt, kann eine hyperchlorämische Azidose entstehen (besonders bei eingeschränkter Nierenfunktion). Diese Lösung ist "physiologischer" als 0,9%ige NaCl-Lösung. Sie enthält neben 130 mmol/l Na + noch Kalium und Kalzium als Kationen sowie 108 mmol/l Clund 28 mmol/l Laktat als Anionen. Das Laktat wird im Stoffwechsel zu Bikarbonat umgewandelt (bei ungestörter Leberfunktion). Die Lösung dient dem präoperativen Ersatz gastrointestinaler Verluste und zum Ausgleich vorbestehender Volumenverluste, sofern keine schwerwiegenden Störungen von Volumen und Zusammensetzung der Extrazellulärflüssigkeit vorliegen. Nachstehend sind die verschiedenen Arten von Flüssigkeiten zusammengefasst, die während einer Operation und Narkose infundiert werden. Gelatine muss in der 1,5-bis 2-fachen Menge des Blutverlusts infundiert werden, um ein normales Blutvolumen aufrechtzuerhalten. Wegen der kurzen Verweildauer im Gefäßsystem ist Gelatine nur zur vorübergehenden Behandlung der Hypovolämie geeignet. Die Blutgerinnungsaktivität und die Nierenfunktion werden durch Gelatine nicht beeinflusst, größere Mengen können jedoch zur Verdünnung von Gerinnungsfaktoren führen. Anaphylaktoide Reaktionen auf Präparate wie Gelafundin sind sehr selten und können durch Vorgabe von H 1 -und H 2 -Blockern minimiert werden. Gelatinelösungen eignen sich für den kurzfristigen Ersatz von Blutverlusten, die später durch Blut oder Blutkomponenten ausgeglichen werden sollen. Außerdem wird Gelatine für die isovolämische Hämodilution eingesetzt (7 Kap. 17). Diese Lösung ist mit 545 mosmol/l deutlich hyperton zum Plasma. Sie liefert Wasser, Elektrolyte und Kalorien. Bei langsamer Infusionsgeschwindigkeit von 0,5-0,75 g/ kgKG/h Glukose tritt meist keine osmotische Diurese auf. Nach der Metabolisierung der Glukose wird die Lösung nahezu plasmaisoton. Diese Lösung enthält 50 g Glukose in 1 l Wasser. Sie ist hypoton (253 mosmol), der pH-Wert beträgt 4,5. Glukose wird metabolisiert und liefert rund 200 kcal. Nach der Metabolisierung enthält die Lösung keine osmotisch aktiven Teilchen mehr. Der zentrale Venendruck sollte nicht für die Diagnose eines Volumenmangels verwendet werden (S3-Leitlinie). Geeignet sind dagegen sog. volumetrische Vorlastparameter (ITB/ GEDV). Ein Mangel an extrazellulärer Flüssigkeit ist vermutlich die gefährlichste präoperative Störung des Flüssigkeitsgleichgewichts, weil die meisten Anästhesietechniken beim dehydrierten Patienten einen Kreislaufkollaps hervorrufen können. Die Diagnose muss präoperativ (nicht hinterher) anhand klinischer Zeichen und der Vorgeschichte gestellt werden: Laborparameter sind meist wenig hilfreich. Der Verdacht ergibt sich besonders bei Patienten mit folgenden Störungen: 5 Durchfälle, 5 Erbrechen, 5 intestinale Fisteln, 5 Magenabsaugung, 5 hohes Fieber, 5 Hyperglykämie mit Azetonurie bei Diabetes, 5 Nierenfunktionsstörungen. Patienten mit Darmverschluss oder Peritonitis können große Mengen eiweißreicher Flüssigkeit in das Darmlumen oder in die Bauchhöhle verlieren. Bei ausgedehnten Verbrennungen 2. und 3. Grades werden ebenfalls große Mengen an Flüssigkeit, Elektrolyten und Eiweiß verloren. Bei einem Flüssigkeitsverlust von 6-8% des Körpergewichts ist der Patient häufig apathisch und oligurisch. Es besteht eine Tachykardie (100-120/min), die Schleimhäute sind trocken, die Zunge gefurcht. Der Blutdruck kann normal sein, fällt aber beim Übergang vom Liegen zum Sitzen meist ab. Diese Patienten benötigen etwa 4-6 l balancierte Elektrolytlösung, um Puls, Blutdruck und Urinausscheidung wieder zu normalisieren. Die Substitution sollte vor der Narkoseeinleitung erfolgen. Bei schwerer Dehydratation ist der Patient stuporös. Bereits im Liegen ist der Blutdruck niedrig und der Puls schnell, die Schleimhäute sind trocken, die Augen eingesunken, die Venen kollabiert. Die Haut bleibt in Falten stehen und fühlt sich kühl und trocken an. Es besteht eine Die kardialen Auswirkungen der Hyperkaliämie können akut -jedoch nur vorübergehend -mit Kalzium i.v. sowie mit 50-100 g Glukose + 10-20 IE Insulin per Infusion behandelt werden. Durch diese Maßnahmen wird Kalium nach intrazellulär verschoben. Eine Alkalisierung mit Natriumbikarbonat wirkt ähnlich. Über Kalium und Succinylcholin: 7 Kap. 11. Andere Elektrolytstörungen sind speziellen Fragestellungen vorbehalten. Sie werden darum hier nicht beschrieben. Perioperative Infusionstherapie. Allgemein-und Viszeralchirurgie up2date Rote-Hand-Brief: Anwendungsbeschränkung für HES (Hydroxyethylstärke-haltige Arzneimittel) S3-Leitlinie: Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen Andere Auswirkungen der Hypokaliämie sind Muskelschwäche und intestinale Atonie. Hyperkaliämie ist ein Anstieg des Serumkaliums auf mehr als 5,5 mmol/l.