key: cord-0050173-1vzy4zrr authors: Witt, Heiko title: Physiologie und Embryologie des Pankreas date: 2013 journal: Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung DOI: 10.1007/978-3-642-24710-1_21 sha: e629625c1a1f55a204a2d39859c930c5c2a58f2b doc_id: 50173 cord_uid: 1vzy4zrr Das Pankreas ist sowohl ein exokrines wie auch ein endokrines Organ (Tab. 21.1). Ihm kommt die zentrale Rolle in der Aufschließung der Nahrungsbestandteile sowie in der Regulation des Blutzuckerspiegels zu. In der Antike wurde die Verdauung als Umwandlung der Nahrung durch Fäulnis (Empedokles von Agrigent) und das Pankreas als Polster mit Schutz-und Stützfunktion anderer Organe (Galenos) angesehen. Erst 1782 wies Lazarro Spallanzini (1729-1799) nach, dass es sich bei der Verdauung nicht um Fäulnis oder Gärung, sondern um einen chemischen Prozess handelt. 1856 beschrieb Claude Bernard (1813-1878) die Bedeutung des Pankreas für die Fettverdauung, dessen Sekret die Fette nicht nur emulgiert, sondern auch zu Fettsäuren und Glycerin spaltet. Er wies erstmals auf die universale Verdauungsfunktion des Pankreas hin, da sein Sekret auf alle drei Nahrungskomponenten (Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette) einwirke. Rudolf Peter Heidenhain (1834-1897) postulierte 1875, dass sich im Pankreas kein freies Ferment befände, sondern nur ein Mutterkörper, und schlug für diesen die Bezeichnung "Zymogen" vor. Im Jahre 1876 führte Wilhelm Friedrich Kühne (1837 Kühne ( -1900 den Begriff Enzym als Bezeichnung für chemische Fermente ein; das eiweißspaltende Enzym des Pankreas nannte er Trypsin. Im Jahre 1902 beschrieben William Bayliss (1860 -1924 ) und Ernest Starling (1866 -1927 das Hormon Sekretin und die endokrine Regulation des exokrinen Pankreas, und 1910 zeigte Iwan Pawlow (1849 -1936 als erster die nervale Stimulierbarkeit der Bauchspeicheldrüse. Das Pankreas ist sowohl ein exokrines wie auch ein endokrines Organ (. Tab. 21.1). Ihm kommt die zentrale Rolle in der Aufschließung der Nahrungsbestandteile sowie in der Regulation des Blutzuckerspiegels zu. In Abhängigkeit von der Nahrungszufuhr sezerniert das Pankreas beim Erwachsenen täglich etwa 3 l enzym-und elektrolythaltiges Sekret in das Duodenum. Die Sekretionsrate steigt nach Stimulation von 0,2-0,3 ml/min auf über das 10-Fache der Ruhewerte. Diese Steigerung ist vorwiegend durch eine vermehrte Sekretion der duktalen Epithelzellen bedingt. Auch die Zusammensetzung des Pankreassekrets ändert sich während der Verdauungsphase. Peptidhormone wie Cholezystokinin (CCK) und durch den N. vagus vermittelte Efferenzen erhöhen die Enzymausscheidung aus den Azinuszellen, während das Hormon Sekretin vornehmlich die Bicarbonatsekretion der Gangzellen fördert (. Abb. 21.1). Die wesentlichen anorganischen Komponenten des Pankreassaftes sind Wasser sowie Natrium, Kalium, Chlorid und Bicarbonat. Der hohe Bicarbonatgehalt sorgt für einen alkalischen pH-Wert von etwa 8 und bewirkt die Neutralisierung des sauren Mageninhaltes und damit eine optimale Aktivität der Verdauungsenzyme im Darmlumen. Im Gegensatz zu den Konzentrationen der Kationen, die während der Stimulation konstant bleiben, ändern sich die Chlorid-und Bicarbonatkonzentrationen spiegelbildlich zueinander, ohne dass sich aber die Gesamtkonzentration der beiden Anionen ändert. Die exokrine Sekretion des Pankreas wird nerval und hormonell reguliert. Mehr als ein Dutzend unterschiedlicher gastrointestinaler Peptide wirken auf das exokrine Pankreas (. Tab. 21.2). Die durch Nahrungsaufnahme stimulierte Sekretion lässt sich in eine kephale, eine gastrale und eine intestinale Phase unterscheiden. Die kephale Phase wird parasympathisch über efferente Fasern des N. vagus vermittelt. Die vagale Freisetzung von Acetylcholin stimuliert über muskarinerge Rezeptoren auf den Azinuszellen die Sekretion von Enzymen ohne jedoch die Bikarbonatsekretion wesentlich zu steigern. Weitere Mediatoren der kephalen Phase sind das vasointestinale Polypeptid (VIP) und das gastrin-releasing Peptid (GRP), die über nervale Rezeptoren die Enzymsekretion der Azinuszellen fördern. An den duktalen Zellen führt VIP zu einer vermehrten Bicarbonat-und Wassersekretion. Hauptstimulus der gastralen Phase ist die Dehnung des Magens durch Nahrung. Über einen vagovagalen Reflex kommt es zur Ausscheidung eines enzymreichen Sekrets. Mit dem Eintritt des Nahrungsbreis in das Duodenum beginnt die intestinale Phase der Pankreassekretion, die sowohl humoral als auch nerval vermittelt wird. Die Ansäuerung des proximalen Duodenums durch den Nahrungsbrei setzt Sekretin aus den S-Zellen des Duodenums und Jejunums frei. Sekretin ist der Hauptmediator für die Bicarbonatsekretion der zentroazinären Zellen. Die sekretininduzierte Bicarbonatsekretion wird durch Cholezystokinin und cholinerge Efferenzen verstärkt. Cholezystokinin (CCK) ist der wichtigste humorale Mediator für die Sekretion von Verdauungsenzymen und wird in der oberen Dünndarmmukosa gebildet. Intraluminale langkettige Fettsäuren und deren Monoglyceride sowie Peptide und Aminosäuren stimulieren die CCK-Freisetzung. Neben der pankreatischen Enzymsekretion bewirkt CCK auch eine Kontraktion der Gallenblase. Humane Azinuszellen besitzen im Gegensatz zu denen anderer Spezies keine CCK-Rezeptoren. Die Wirkung von CCK auf die Pankreassekretion erfolgt bei Menschen somit indirekt über CCK-A-Rezeptoren auf afferenten Neuronen des N. vagus im Sinne einer vagovagalen Schleife, mit Acetylcholin als endgültigem Mediator via muskarinergen Rezeptoren vom Typ M3. Neben CCK fördern auch Sekretin und VIP die Enzymfreisetzung über Aktivierung des azinären Adenylatzyklasesystems. Beide Hormone verstärken zudem die CCK-Wirkung auf die Azinuszellen. Die endokrine Funktion des Pankreas wird von den hormonproduzierenden Zellen des Inselapparates (Langerhans-Inseln) vermittelt. Die Hormone der Inselzellen sind maßgebend beteiligt an der Regulation des Kohlenhydratstoffwechsels. Es werden verschiedene Zelltypen unterschieden, von denen die α-Zellen das Glukagon, die β-Zellen das Insulin, die δ-Zellen das Somatostatin und die F-Zellen das pankreatische Polypeptid bilden (. Tab. 21.1). Die Hauptfunktionen der Pankreas-hormone bestehen in der Speicherung der aufgenommenen Nahrung als Glykogen und Lipide (Insulin), in der Freisetzung dieser Energiereserven während Hungerphasen (Glukagon) sowie in der Regulation des Blutzuckerspiegels und des Wachstums. Die Inselzellhormone wirken auch auf das exokrine Pankreas, indem sie die Sekretion von Bicarbonat und Verdauungsenzymen beeinflussen. Die β-Zellen stellen mit 50-80 % den Hauptzelltyp des Inselapparates. Das in diesen Zellen synthetisierte Insulin ist das bedeutendste blutzuckersenkende Hormon des menschlichen Körpers. Das Peptidhormon Insulin wurde 1923 von Banting und Best aus dem Rinderpankreas isoliert. Insulin wird als inaktives Proenzym gebildet und im Golgi-Apparat und den Granula der β-Zellen durch die insulinkonvertasevermittelte Abspaltung des C-Peptids in die biologisch aktive Form umgewandelt. Der wichtigste physiologische Stimulus für die Insulinsekretion ist die Erhöhung der extrazellulären Glukosekonzentration. Die Insulinsekretion wird zudem hormonal und nerval reguliert: Enterohormone wie das glukoseabhängige insulinotrope Polypeptid (gastrisches inhibitorisches Polypeptid, GIP) und das glukagonähnliche Peptid 1 (GLP1) stimulieren die Sekretion, wohingegen Somatostatin, Ghrelin, Leptin und Katecholamine die Sekretion hemmen. Die Hauptwirkung des Insulins ist die gesteigerte Glukoseaufnahme in Muskulatur und Fettgewebe mit konsekutiver Senkung der Glukosekonzentration im Blut. Durch Aktivierung der Glykogensynthase und der Phosphodiesterase bewirkt Insulin eine vermehrte Glykogensynthese und verminderte Glykogenolyse in Leber-und Muskelzellen sowie eine Hemmung der hepatischen Glukoneogenese. Im Weiteren stimuliert Insulin die Proteinbiosynthese durch verstärkte zelluläre Aufnahme von Aminosäuren. Im Fettgewebe hemmt es die Lipolyse und steigert die Triglyceridsynthese. Summa summarum stellt Insulin das wichtigste anabole Hormon des menschlichen Körpers dar. Das Peptidhormon Glukagon wird in den α-Zellen des Inselapparates aus einem Vorläufermolekül, dem Präproglukagon, gebildet und durch pankreatische Prohormonkonvertasen in das biologisch aktive Glukagon umgewandelt. Präproglukagon enthält neben der Sequenz für Glukagon auch die Aminosäuresequenzen für zwei weitere Peptidhormone, die aufgrund ihrer Strukturähnlichkeit zum Glukagon als "glucagon-like peptide 1" (GLP1) und GLP2 bezeichnet werden. Neben den α-Zellen bilden auch das Zentralnervensystem und die intestinale Mukosa Präproglukagon (Enteroglukagon). Im Intestinaltrakt sind die wichtigsten Spaltprodukte das GLP1 und GLP2. GLP1 wird nach Nahrungsaufnahme aus der Darmmukosa freigesetzt und stimuliert die Insulinausschüttung der pankreatischen β-Zellen und inhibiert die Glukagonabgabe aus den α-Zellen. Dieser Mechanismus erklärt auch, warum oral verabreichte Glukose zu höheren Insulinspiegeln im Blut führt als parenteral verabreichte. Wie beim Insulin erfolgt die Glukagonsekretion in Abhängigkeit von der Glukosekonzentration im Blut. Im Gegensatz zum Insulin stimuliert aber ein Abfall der Glukosekonzentration die Glukagonauschüttung, während ein Glukoseanstieg die Glukagonabgabe hemmt. Glukagon wirkt insulinantagonistisch, indem es die Glykogenolyse steigert und die Glukoneogenese hemmt. Glukagon fördert auch die Aufnahme von Aminosäuren in die Leberzelle und wirkt hier gleichsinnig wie Insulin. Neben erhöhten Aminosäurespiegeln regen auch Katecholamine und Cholezystokinin-Pankreozymin die Glukagonausschüttung an. Somatostatin wurde erstmalig aus dem Hypothalamus isoliert und hemmt das hypophysäre Wachstumshormon (Somatotropin). Somatostatin findet sich neben dem Zentralnervensystem in vielen weiteren Organen und besitzt vornehmlich inhibitorische Funktionen. Es ist ein Peptidhormon, das in zwei biologisch aktiven Isoformen bestehend aus 14 und 28 Aminosäuren vorkommt, die sich in ihrer biologischen Wirksamkeit unterscheiden: So hemmt das aus 28 Amino-säuren bestehende Hormon die Insulinsekretion wirksamer als das kleinere, aus 14 Aminosäuren bestehende Peptid. Im Gastrointestinaltrakt wirkt es sowohl auf exokrine als auch endokrine Drüsen. Somatostatin hemmt die Magensäuresekretion wie auch die Ausschüttung von Enzymen und Bicarbonat aus dem Pankreas. Das in den δ-Zellen des Pankreas gebildete Somatostatin wirkt parakrin auf α-und β-Zellen, indem es die Ausschüttung von Glukagon und Insulin drosselt. Dadurch wirkt Somatostatin starken Schwankungen der Sekretion beider Hormone und damit des Blutglukosespiegels entgegen. Pankreatisches Polypeptid besteht aus 36 Aminosäuren und wird überwiegend in den Langerhans-Inseln des Pankreaskopfes von den F-Zellen (auch als PP-Zellen bezeichnet) synthetisiert. Pankreatisches Polypeptid hemmt die Sekretion von Bicarbonat und Enzymen aus dem Pankreas wie auch die Kontraktion der Gallenblase. Zusätzlich ist es über ZNS-Rezeptoren an der Regulation des Appetits beteiligt. Die Freisetzung des pankreatischen Polypeptids unterliegt einer vagalen Kontrolle und kann durch Vagotomie oder Atropin blockiert werden. Auch die Verbindung des Pankreashauptausführungsgangs mit dem Gallengang weist eine große Variabilität auf. In der Mehrzahl der Fälle vereinigen sich beide Gänge zu einem kurzen, ca. 5 mm langen, gemeinsamen Gang. Nicht selten bestehen allerdings gesonderte Gangmündungen in der Papilla major oder sogar eine Einmündung in zwei getrennten Papillen. Klinisch bedeutsam sind Anomalien, bei denen Pankreasund Gallengang außerhalb des Duodenums zusammenlaufen und das gemeinsame Gangsegment länger als 1,5 cm ist (sog. Long common channel) (. Abb. 21.3e). Das Pancreas divisum ist die häufigste Fusionsanomalie des Pankreas. Die Inzidenz wird in Autopsieserien mit 5-10 % und in ERCP-Studien mit 2-5 % angegeben. Neural hormonal regulation of exocrine pancreatic secretion Secretin, 100 years later Neuroendocrinology of the pancreas; role of brain-gut axis in pancreatic secretion Die Zauberstoffe im Wampenbries. Die Geschichte der Erforschung des exokrinen Pankreas und des Wirkstoffes Pankreatin Gastrointestinal and liver disease. Pathophysiology/diagnosis/management Pancreatic development and disease Pancreas divisum, an evidence-based review: part I, pathophysiology Pancreas divisum, an evidence-based review: part II, patient selection and treatment Pancreatic development and anatomical variation Congenital abnormalities of the exocrine pancreas