key: cord-0050167-owvxoswi authors: Buderus, Stephan; Koletzko, Sibylle; Ballauff, Antje; Köhler, Henrik; Köhler, Julia title: Störungen der Motilität date: 2013 journal: Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung DOI: 10.1007/978-3-642-24710-1_8 sha: 348a778e62c0d177512452a268b66434eadeab35 doc_id: 50167 cord_uid: owvxoswi Säuglingskoliken stellen das häufigste gastroenterologische Problem in den ersten Lebensmonaten dar. Sie sind gekennzeichnet durch starkes und lang anhaltendes Schreien bei ansonsten gesunden Säuglingen. Die Abgrenzung vom „normalen“ Schreien folgt international der sog. 3er-Regel, die auf die frühe Untersuchung von Wessel et al. (1954) zurückgeht: - Intermittierendes und ansonsten nicht erklärbares Schreien über mehr als 3 h am Tag, - das an zumindest 3 Tagen pro Woche - über einen Zeitraum von 3 Wochen oder länger auftritt. Ein weinender, schreiender und nach dem Eindruck der Eltern möglicherweise durch Schmerzen geplagter junger Säugling führt bei den Eltern zu großer Besorgnis und Unruhe. Für die Eltern kann ein über mehrere, vor allem auch nächtliche, Stunden schreiender Säugling eine große psychische und physische Belastung bedeuten. Es kann zu Störungen der Paarbeziehung und auch zur Ausübung von Gewalt gegen das Kind kommen. Beim Kinderarzt werden die Kinder typischerweise wegen "Bauchkrämpfen" vorgestellt, der Arzt soll sicherstellen, dass keine ernsthafte Erkrankung vorliegt (▶ Übersicht "Differenzialdiagnose der Säuglingskolik"). Organische Ursachen werden in höchstens 5 % der Fälle diagnostiziert. Neben der sorgfältigen Untersuchung ist die wesentliche Aufgabe des Kinderarztes Aufklärung, Beratung und Hilfeleistung für die Eltern. Klassische Trimenonkoliken sind in der Mehrzahl der Fälle nach 3-4 Monaten selbstlimitierend. In den Familien existieren zahlreiche "Rezepte", um eine symptomatische Besserung zu erzielen, eine gesicherte medikamentöse Behandlungsoption ist derzeit nicht vorhanden. In einigen Kliniken gibt es spezielle Schreisprechstunden, in denen sich ein multidisziplinäres Team um die Problematik kümmert. z Definition Säuglingskoliken stellen das häufigste gastroenterologische Problem in den ersten Lebensmonaten dar. Sie sind gekennzeichnet durch starkes und lang anhaltendes Schreien bei ansonsten gesunden Säuglingen. Die Abgrenzung vom "normalen" Schreien folgt international der sog. 3er-Regel, die auf die frühe Untersuchung von Wessel et al. (1954) zurückgeht: -Intermittierendes und ansonsten nicht erklärbares Schreien über mehr als 3 h am Tag, das an zumindest 3 Tagen pro Woche über einen Zeitraum von 3 Wochen oder länger auftritt. Die Säuglinge sind bei Symptombeginn nur wenige Wochen alt (daher auch der Begriff "Trimenonkoliken"), in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sistieren die Koliken, wenn die Säuglinge 5-6 Monate alt sind. Eine Übersicht über den Verlauf der altersabhängigen Variation physiologischer Schreizeiten gibt . Abb. 8.1. Bis zur 6. Lebenswoche findet sich ein physiologischer Anstieg auf bis zu 3 h am Tag, im Alter von 12 Wochen weinen die Babys im Mittel nur noch 1 h. Weitere Studien haben ganz ähnliche Ergebnisse erbracht, d. h. ca. 2 h Weinen im Alter von 1-3 Monaten und maximal 3 h im Alter von 4 Wochen sind normal (Brazelton 1962) . z Epidemiologie Je nach Untersuchung finden sich unterschiedliche Angaben zur Häufigkeit. Die Angaben variieren zwischen 3 % und 28 % in prospektiven Studien sowie zwischen 8 % und 40 % in retrospektiven Studien (Crowcroft u. Strachan 1997; Lucassen et al. 2001; Wade u. Kilgour 2001) . Mädchen und Jungen sind gleich betroffen. Bisher konnte kein sicherer Unterschied der Häufigkeit zwischen gestillten und mit Säuglingsmilchnah-rung ernährten Kindern nachgewiesen werden. Die große Spannbreite und die z. T. widersprüchlichen Ergebnisse beruhen auf methodischen Problemen durch unterschiedliche Kriterien und Messparameter, Rekrutierung der Patienten und des Follow-ups. z Pathophysiologie und Erklärungsmodelle Auch wenn es sich um eine sehr häufige Störung handelt, gibt es bisher kein einheitliches erklärendes pathophysiologisches Konzept. Wahrscheinlich ist, dass die Entstehung von Säuglingskoliken multifaktoriell bedingt ist und dass die Gruppe von Säuglingen mit vermehrtem Schreien aus ätiologisch unterschiedlichen Subgruppen besteht (Übersicht bei Gupta 2002) . Diskutiert wurden und werden Beschwerden durch vermehrtes intestinales Gas, Kohlenhydratmalabsorption, Nahrungsmittel-(besonders Kuhmilch-)allergie, viszerale Hypersensitivität, Hyperperistaltik und als mögliches Bindeglied der letztgenannten Parameter erhöhte Spiegel gastrointestinaler Hormone wie Motilin. Daneben wurden der Einfluss des Sozialstatus (Crowcroft u. Strachan 1997) , mütterliches Rauchen (Shanessa u. Brown 2004) und psychologische Ansätze wie eine gestörte Mutter-Kind-Interaktion und die Möglichkeit einer kindlichen Selbstregulationsstörung untersucht (Barr 1998) . Die Angaben zur Häufigkeit einer Kuhmilchproteinallergie als Auslöser für Koliken erreichen bis zu 25 % der Säuglinge (Gupta 2002) . Der Effekt einer kuhmilchhaltigen im Vergleich zur kuhmilchfreien Ernährung auf das Schreien für diese Untergruppe der Kinder wurde durch Jakobsson und Lindberg (1979) eindrücklich illustriert (. Abb. 8.2) und später durch weitere Studien bestätigt. Für die tatsächliche Bedeutung vermehrten intestinalen Gases gibt es keine ausreichenden Hinweise. Bei symptomatischen Säuglingen wurden erhöhte Motilinspiegel gefunden. Motilin wirkt als gastrointestinales Hormon, das in der Mukosa des Duodenums und Jejunums produziert wird, insbesondere durch Stimulation der antroduodenalen Motilität in der Phase III des migrierenden Motorkomplexes (lang andauernde phasische Kontraktionen am Ende des Nüchtern-zyklus). Insofern liegt über diesen Mechanismus tatsächlich eine Verbindung zur postulierten schmerzhaften oder gesteigerten Darmmotorik bei Koliksäuglingen vor. Da Rauchen interessanterweise gleichfalls die Motilinspiegel erhöht, lässt sich über den Mechanismus vermutlich auch erklären, warum Rauchen ein Risikofaktor für die Entwicklung von Koliken sein kann (Shanessa u. Brown 2004) . Einen komplementären Ansatz stellen die Untersuchungen zur Frage der Störung der frühkindlichen Selbstregulation und der Interaktion mit den Eltern dar. Säuglinge mit Koliken weinen länger und sind schlechter zu beruhigen als Kontrollkinder, auch das Ansprechen auf Interventionen wie die Gabe von Glukoselösung zur Beruhigung ist verkürzt. Es konnte gezeigt werden, dass vermehrtes Tragen als Ausdruck erhöhter Zuwendung bei "gesunden" Säuglingen, jedoch nicht bei Koliksäuglingen zu einer Verkürzung der Zeit mit Weinen und Unruhe führt (Barr 1998 Mögliche Differenzialdiagnosen der Säuglingskoliken sind in . Tab. 8.1 aufgeführt. z Therapie Gesicherte Wirksamkeitsnachweise fehlen für viele der derzeit vorgenommenen Therapieformen (Übersicht bei Gupta 2002; Lucassen et al. 2001; Perry et al. 2011; Wessel et al. 1954) . So gibt es keinen Nachweis der Wirkung von Dimethicon; auch für eine Manualtherapie zur Therapie im Rahmen eines vermuteten sog. KISS-Syndroms ("kinetic imbalance due to suboccipital strain syndrome") gilt die Aussage der "Nichtwirksamkeit" gesichert durch zwei systematische Reviews (Brand et al. 2005; Ernst 2009 (Savino et al. 2005; Wade u. Kilgour 2001) . Eine sehr gute aktuelle Übersicht über die Beurteilung der Therapieverfahren findet sich bei Perry et al. (2011) , die allerdings eine neue placebokontrollierte Studie mit dem Probiotikum Lactobacillus reuteri noch nicht einschließt (Savino et al. 2010) . In Letzterer fand sich nach 14 und 21 Tagen ein signifikanter Vorteil der probiotischen Therapie gegenüber Placebo, jedoch ist anzumerken, dass dem Therapierfolg von 96 % der Kinder mit Reduktion der Schreizeit um 50 % auch 8.2 Häufig werden in der Kinderarztpraxis, aber auch in der kindergastroenterologischen Sprechstunde Säuglinge oder auch Kleinkinder von sehr besorgten Eltern vorgestellt, da die Kinder seit Längerem gehäufte und z. T. voluminöse, durchfällige Stuhlentleerungen haben. Typischerweise berichten die Eltern davon, dass es aus der Windel "herauslaufe". Auf Nachfrage kann der Untersucher oft erfahren, dass Nahrungsbestandteile wie Möhrenstücke, Mais, Erbsen und auch Körner im Stuhl zu erkennen sind. Nicht selten sind bereits diverse "Diätversuche" durchgeführt worden, die keine wesentliche Änderung erbracht haben. Die Eltern machen sich Sorgen, dass der Darm doch offenbar nichts "aufnehmen" kann. Im Gegensatz dazu sind die Kinder typischerweise gut gediehen und zeigen ein lebhaftes Verhalten. Auch die Eltern finden ihre Kinder, abgesehen von der Stuhlentleerung, eigentlich gesund. z Definition Bereits die oben geschilderten anamnestischen Angaben und beobachteten Befunde legen die Verdachtsdiagnose unspezifische (oder funktionelle) Diarrhö, die auch im deutschen Sprachraum z. T. alternativ mit dem englischen Begriff als "toddler's diarrhea" oder "Reizdarmsyndrom" bzw. "irritables Kolon des Kleinkindes" bezeichnet wird, nahe. Es handelt sich dabei um eine der so genannten funktionellen gastrointestinalen Störungen, die international nach der Rom-III-Placeboansprechraten von 62 % (14 Tage) und 71 % (21 Tage) gegenüberstehen. Ganz wesentlich bleibt das Gespräch mit den Eltern, das besonders den vorübergehenden und insgesamt körperlich harmlosen Charakter der Koliken zum Inhalt haben, die Eltern insgesamt beruhigen und die häusliche Situation entspannen sollte. Das Informieren der Eltern über basale Bedürfnisse der Säuglinge wie Einhalten eines regelmäßigen Tagesablaufes, normale Schlaf-und Wachmuster, Füttern und Wickeln, Vermeiden von Überstimulation und verschiedene Tragetechniken sind ebenso von Bedeutung wie das Erfragen möglicher starker Belastungsreaktionen bzw. Überforderungssituationen der Eltern, aus denen Gewalt gegen die Kinder entstehen könnte (Barr 1998; Wade u. Kilgour 2001) . Spezielle interdisziplinäre "Schreisprechstunden" können insbesondere für diese stark belasteten Familien sinnvoll sein. -Matary et al. 2004; Hyams 1999; Kneepkens u. Hoekstra 1996; Layer et al. 2011) . In zwei aktuellen, epidemiologisch und prospektiv angelegten italienischen Studien (Miele et al. 2004; Primavera et al. 2010) , die auf einer Fragebogenerhebung mit über 9000 Kindern zwischen 0 und 12 Jahren durch niedergelassene Kinderärzte beruht, fand sich dagegen bemerkenswerterweise lediglich eine Gesamtinzidenz von 2-3 % der Kinder mit einer funktionellen Störung gemäß der Vorläufer-Klassifikation Rom II (Rasquin-Weber et al. 1999 Auch sehr hohe Trinkmengen oder eine insgesamt sehr hohe Nahrungsmittelzufuhr können zum Absetzen voluminöser und dünner Stühle führen. Falls bereits durch die Eltern "Diäten" zur Behandlung begonnen wurden, so kann eine Fettrestriktion, zumeist begleitet durch eine hohe Kohlenhydratzufuhr, die eigentlich harmlose Symptomatik verstärken und sogar zu einer Malnutrition führen. Für eine mögliche gastrointestinale Infektion gibt es oft bereits anamnestische Hinweise (Reise, Kontakt zu Gastroenteritis in der Umgebung des Kindes). Wenn daran gedacht wird, sollte die Diagnostik nicht nur Bakterien wie Salmonellen oder Yersinien, sondern unbedingt auch die Suche nach Darmparasiten (Lamblien, seltener Cryptosporidien oder je nach Reiseland auch andere) beinhalten. Auch eine kürzlich zurückliegende Antibiotikatherapie ist eine mögliche Ursache für prolongierte Durchfälle. Es zeichnet sich ab, dass Probiotika hier präventiv wirksam sind. Eine intestinale Allergie (▶ Abschn. 10.2) kann zu einer vergleichbaren Symptomatik führen, diagnostisch hilfreich sind hier die spezifische Anamnese (Allergiker in der Familie), ein detailliertes Ernährungs-und Stuhlprotokoll sowie ggf. entsprechende Labordiagnostik. Aufgrund der hohen Inzidenz der Zöliakie (▶ Abschn. 10.3) ist diese Erkrankung unbedingt in die Differenzialdiagnose einzubeziehen, und die "Schwelle" für die Bestimmung der typischen Antikörper (▶ Abschn. 3.6.2) sollte niedrig sein. Seltenere Ursachen für chronische Durchfälle bei ansonsten gesund erscheinenden Kleinkindern sind die bakterielle Überwucherung (▶ Abschn. 10.8) oder auch endokrin aktive Tumoren (z. B. Neuroblastom, Vipom). (Chiou u. Nurko 2010; Hyams 1999; Kneepkens u. Hoekstr 1996) . Das Spektrum der funktionellen gastrointestinalen Beschwerden im Kindes-und Jugendalter umfasst u. a. auch chronische, nichtorganisch bedingte Bauchschmerzen (▶ Abschn. 5.1), verschiedene Formen der Obstipation (▶ Abschn. 5.6) und das Reizdarmsyndrom ("irritable bowel syndome", IBS) der älteren Kinder und Jugendlichen (El-Matary et al. 2004; Layer et al. 2011 Die Symptomatik gleicht zumindest für die Untergruppe der Patienten mit dem "Diarrhötyp" des Reizdarmsyndroms einerseits wieder der Toddler's diarrhea und andererseits dem Beschwerdebild der Erwachsenen. Insofern scheint die Überlegung (Besedovsky u. Li 2004) , dass hier ein Kontinuum auf der Basis bestimmter physiologischer (gastrointestinale Motilität inklusive des Transmitters Serotonin, viszerale Hypersensitivität) und psychosozialer (Familiarität, Stressverarbeitung, Somatisierung u. a.) Faktoren besteht, nahe liegend, ist aber bisher noch nicht longitudinal untersucht. Der Begriff "chronische intestinale Pseudoobstruktion" (CIPO) beschreibt keine definierte Erkrankung, sondern einen Symptomenkomplex mit rezidivierenden oder kontinuierlichen Symptomen. CIPO ist charakterisiert durch das Unvermögen des Darms, den Inhalt bei durchgängigem Lumen weiterzutransportieren. Die Definition beinhaltet den röntgenologischen Nachweis erweiterter Darmschlingen mit Spiegelbildung. Verschiedene Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts präsentieren sich mit einem ähnlichen klinischen Erscheinungsbild. Die Liste der ursächlichen Erkrankungen, mit denen eine CIPO assoziiert ist, wird immer länger und umfasst verschiedene neurogene, myogene, endokrinologische, mitochondriale und entzündliche Erkrankungen. Die meisten Fälle der CIPO sind sporadisch, und eine Zuordnung ist schwierig. Eine Sonderform ist das Ogilvie-Syndrom, bei der nur im Kolon akut eine transiente Pseudoobstruktion auftritt; sie wird häufig durch ein Trauma, einen operativen Eingriff oder Störungen im Elektrolythaushalt ausgelöst. z Epidemiologie und Ätiologie Erkrankungen mit CIPO im Kindesalter sind selten. Eine CIPO kann als primäre Erkrankung des enteralen Nervensystems (neurogene CIPO), der Darmmuskulatur (myogene CIPO) oder der interstitiellen Cajal-Zellen auftreten. Diese primären Formen überwiegen im Kindesalter (. Tab Harald Hirschsprung beschrieb im Jahre 1887 ausführlich die Autopsiebefunde zweier Säuglinge mit schwerer Obstipation und Megakolon. Die nach ihm benannte Krankheit ist durch ein kongenitales Fehlen enterischer Nervenzellen im Rektum mit variabler Ausdehnung nach kranial charakterisiert. In 80-90 % der Fälle beschränkt sich die Aganglionose auf Rektum und Sigmoid, bei 5 % der Kinder ist der gesamte Dickdarm betroffen, sehr selten auch der Dünndarm. . Macrogol 3350 / 4000 -Desimpaktion: 2-mal 0,5-0,75 g / kg KG -Dauertherapie: 1-mal 0,2-1 g / kg KG (an Stuhlkonsistenz anpassen!) 10 g in 150-200 ml Wasser oder Saft auflösen Blähungen seltener als bei Laktulose Manifestation des M. Hirschsprung hinzukommen. Genmutationen im RET-Gen finden sich auch bei den multiplen endokrinen Neoplasien (MEN) der Typen 2 A und 2B, was in einigen Fällen das Auftreten einer Aganglionse bei MEN 2 A erklärt. Mutationen im Gen, das für den RET-Liganden kodiert ("glial cell line-derived neurotrophic factor", GDNF), sind ebenfalls mit einem M. Hirschrung assoziiert. Keines der Gene erklärt die Jungenwendigkeit der Erkrankung oder ihre Assoziation mit der Trisomie 21 (Down-Syndrom). Bei >50 % der Patienten finden sich keine der bisher identifizierten Mutationen. Kombinationen einer Aganglionose mit extraintestinalen Manifestationen sind in Form verschiedener Syndrome beschrieben worden (. Tab. 8.5 k Psychosoziale Interventionen Zu den psychosozialen Therapieansätzen zählen neben den kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden Elternschulungen und Familientherapien, Entspannungstherapien, Hypnose und Biofeedback. In Metanalysen und systematischen Reviews konnte gezeigt werden, dass insbesondere kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapiemethoden wirksam sind. In einer randomisierten Studie mit 200 Kindern konnte nachgewiesen werden, dass die verhaltenstherapeutischen Ansätze zu einer signifikanten Reduktion der Symptome führten gegenüber der Kontrollgruppe der reinen Wissensvermittlung über die Pathogenese der Beschwerden. Die komplexe Interaktion zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten bildet die Grundlage kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansätze. Neben dem Erlernen von Schmerzbewältigungsstrategien oder Ablenkungstechniken durch kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden können Entspannungsübungen wie die progressive Muskelrelaxation oder das autogene Training die Ausprägung und Häufigkeit vermindern bzw. den Umgang mit den Schmerzen verbessern. Diese Therapieziele können häufig schon durch eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung erreicht werden, so dass professionell verhaltenstherapeutische Interventionen durch Psychologen meistens nicht notwendig sind. In Deutschland existieren vereinzelt auch Gruppentrainingsprogramme für betroffene Kinder und Familien. k Diätetische Interventionen Die Laktoseintoleranz wurde lange als entscheidender pathogenetischer Faktor für die Entwicklung funktioneller gastrointestinaler Beschwerden, insbesondere für die Entwicklung des Reizdarmsyndroms, angesehen. In mehreren Studien konnte kein therapeutischer Effekt einer laktosefreien Diät auf die Anzahl und Ausprägung der Schmerzepisoden nachgewiesen werden. Ähnlich verhält es sich mit der häufigen Empfehlung einer faserreichen Diät. In placebokontrollierten Doppelblindstudien konnte nachgewiesen werden, dass eine faserreiche Kost weder zu einer signifikanten Reduktion der Anfallshäufigkeit der Schmerzen noch zu einer verminderten Intensität führt. Interessanterweise nehmen aber Kinder mit chronischen gastrointestinalen Beschwerden häufig weniger 8.6 • Funktionelle gastrointestinale Beschwerden faserreiche Nahrung zu sich als gesunde Kinder, so dass insbesondere bei vorherrschender Obstipation ein Therapieversuch hilfreich sein kann. Unklar ist die Bedeutung der Therapie funktioneller gastrointestinaler Beschwerden mit Probiotika. Störungen der physiologischen Darmflora postenteritisch oder nach Antibiotikatherapie können zu Motilitätsstörungen, viszeraler Hypersensitvität, pathologischen Fermentationen und zu gestörter Schleimhautimmunität führen. In diesen Fällen konnte eine signifikant verminderte Lactobacillus-Besiedlung des Darms nachgewiesen werden. Probiotika enthalten üblicherweise Lactobacillen und Bifidobakterien. Die Wirkung einer Probiotikatherapie auf chronische gastrointestinale Beschwerden ist jedoch nicht endgültig geklärt. Eine aktuelle randomisierte placebokontrollierte Studie konnte einen signifikanten Effekt einer Probiotikamischung aus 8 verschiedenen Lactobacillus-Stämmen (VSL3) gegenüber der Placebogruppe hinsichtlich Verminderung der Schmerzen und Besserung der Lebensqualität nachweisen. k Pharmakologische Interventionen Da aufgrund von meist geringen Fallzahlen qualitativ hochwertige gut kontrollierte Studien über die Wirksamkeit von Medikamenten bei der Behandlung funktioneller gastroenterologischer Beschwerden im Kindesalter fehlen und es eine Vielzahl nichtmedikamentöser Therapieansätze gibt, sollte eine medikamentöse Behandlung nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Bei bestehenden psychiatrischen Komorbiditäten wie Angststörungen kann ein Therapieversuch mit trizyklischen Antidepressiva oder Amitryptilin gerechtfertigt sein. Über eine verminderte Schmerzperzeption, aber auch durch direkt anticholinerge Effekte am Gastrointestinaltrakt kann eine Symptombesserung erreicht werden. Für Amitryptilin konnte zwar eine Besserung der Lebensqualität nachgewiesen werden, aber die Schmerzsymptomatik wurde nicht signifikant beeinflusst. Außerdem waren die Ergebnisse widersprüchlich in Bezug auf die Lokalisation und Dauer der Schmerzen. Die aufgrund pathophysiologischer Überlegungen denkbaren pharmakologischen Therapieansätze mit Spasmolytika und Prokinetika können aufgrund oft erheblicher Nebenwirkungen und fehlender Wirksamkeitsprüfungen für Kinder nicht empfohlen werden. Die Gabe von Pfefferminzöl kann im akuten Anfall eines Reizdarmsyndroms hilfreich sein. Über einen verminderten Tonus der glatten Muskulatur der Darmwand werden die Bauchschmerzen gemindert, aber der Einfluss auf andere bestehende gastroenterologische Symptome wie Aufstoßen, Dyspepsie oder geänderte Stuhlkonsistenz oder -frequenz ist nicht nachweisbar. 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