key: cord-0050154-opseu3vg authors: Weber, Peter title: Das behinderte Kind date: 2013 journal: Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung DOI: 10.1007/978-3-642-24710-1_42 sha: 4bb32060d1e7c97807e4014e9cb66e7366ac8f3d doc_id: 50154 cord_uid: opseu3vg Die Zerebralparese hat eine Prävalenz von 1–2/1000 Lebendgeborene. Diese Zahlen sind in verschiedenen Kulturen relativ stabil und haben sich in den vergangenen 10–20 Jahren kaum verändert. Die Zerebralparese ist als eine prä-, peri- oder unmittelbar postpartal erworbene, nichtprogrediente Schädigung des Gehirns definiert. Es werden 3 Formen unterschieden: die spastische, die hypoton-ataktische und die dyston-athetoide Zerebralparese. Neben der Zerebralparese können auch andere klinische Krankheitsbilder mit einer muskulären Hypotonie oder einer Spastizität im Rahmen einer progredienten, z. B. metabolischen Erkrankung als Zeichen der neurologischen Störung zu schweren Behinderungen führen und mit klinisch relevanten gastrointestinalen Dysfunktionen und Symptomen assoziiert sein, die fast immer einer Langzeitbehandlung bedürfen. Etwa 60 % der Patienten zeigen eine Dysphagie, 40 % eine chronische pulmonale Mikroaspiration und mindestens 30 % einen klinisch signifikanten gastroösophagealen Reflux, eine Gastritis und abdominale Schmerzen. Mindestens 75 % der neurologisch behinderten Kinder leiden unter einer Obstipation, etwa ein Drittel zeigt die Merkmale einer Fehlund Unterernährung, wobei es große Unterschiede gibt, je nach Schweregrad der Behinderung. Die Zerebralparese hat eine Prävalenz von 1-2/1000 Lebendgeborene. Diese Zahlen sind in verschiedenen Kulturen relativ stabil und haben sich in den vergangenen 10-20 Jahren kaum verändert. Die Zerebralparese ist als eine prä-, peri-oder unmittelbar postpartal erworbene, nichtprogrediente Schädigung des Gehirns definiert. Es werden 3 Formen unterschieden: die spastische, die hypoton-ataktische und die dyston-athetoide Zerebralparese. Neben der Zerebralparese können auch andere klinische Krankheitsbilder mit einer muskulären Hypotonie oder einer Spastizität im Rahmen einer progredienten, z. B. metabolischen Erkrankung als Zeichen der neurologischen Störung zu schweren Behinderungen führen und mit klinisch relevanten gastrointestinalen Dysfunktionen und Symptomen assoziiert sein, die fast immer einer Langzeitbehandlung bedürfen. Etwa 60 % der Patienten zeigen eine Dysphagie, 40 % eine chronische pulmonale Mikroaspiration und mindestens 30 % einen klinisch signifikanten gastroösophagealen Reflux, eine Gastritis und abdominale Schmerzen. Mindestens 75 % der neurologisch behinderten Kinder leiden unter einer Obstipation, etwa ein Drittel zeigt die Merkmale einer Fehlund Unterernährung, wobei es große Unterschiede gibt, je nach Schweregrad der Behinderung. Während etwa 20-30 % der Kinder mit einer hemi-oder diplegischen Zerebralparese Probleme mit der Nahrungsaufnahme haben, weisen bis zu 90 % der Kinder mit schwerer spastischer Tetraparese Ernährungsstörungen auf. Die Ursachen und Folgen sind vielfältig und multifaktoriell: unzureichende Kalorien-und Flüssigkeitszufuhr, gesteigerter Energiebedarf im Rahmen epileptischer oder metabolischer Syndrome oder bei massiv erhöhtem Muskeltonus im Rahmen der Spastizität, vermehrter Nährstoffverlust durch rezidivierendes Erbrechen. Eine verbesserte Ernährungssituation kann zu einer Abnahme der Spastizität führen. Patienten mit einer Zerebralparese haben in Verbindung mit gastrointestinalen und Ernährungsproblemen ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Als mögliche neue Substanzgruppe zur Behandlung des gastroösophagealen Refluxes wurde in einigen Pilotstudien der γ-Aminobuttersäure-(GABA-)Rezeptor-Typ-B-Agonist Baclofen angewandt. Dieser reduziert die Inzidenz der transienten Relaxation des unteren Ösophagussphinkters, beschleunigt die Magenentleerung und führt zu einer mittels pH-Metrie nachweisbaren Reduktion der Anzahl von Refluxepisoden und langer Refluxzeiten. Die chirurgische Intervention mit Anlage einer Fundoplicatio ist spezifischen, therapierefraktären Fällen vorbehalten. Der Nutzen einer Fundoplicatio ist auch bei behinderten Kindern nach Durchführung einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie wissenschaftlich unsicher und von daher allenfalls im Rahmen einer Einzelfallentscheidung zu diskutieren. Schluckstörungen stellen oftmals im Säuglingsalter die erste Manifestation einer motorischen Entwicklungsstörung dar. z Epidemiologie Behinderte Kinder haben mit einer Prävalenz von 30-90 % Schluckstörungen. Die Wahrscheinlichkeit, an Schluckstörungen zu leiden, steigt ungefähr proportional zur Schwere der Behinderung. So zeigen etwa ein Drittel der Kinder mit einer Hemi-oder Diplegie Schluckstörungen, während >90 % der Kinder mit spastischer Tetraparese Probleme mit der oralen Nahrungsaufnahme haben. z Pathophysiologie Grundlage der gestörten Nahrungsaufnahme ist eine oralmotorische Dysfunktion und vermutlich zusätzlich eine orale Im Rahmen der neurologischen Grunderkrankung kommt es z. T. schon intrauterin zu einer abnormen Koordination der am Schluckakt beteiligten Muskeln und Bewegungsabläufe. Die Nahrungsaufnahme erfolgt über eine vordere (orale) und eine hintere (pharyngeale) Phase. Bei fester Kost wird in der oralen Phase die Nahrung in die Mundhöhle aufgenommen. Dabei ist neben einer dem Abbeißen dienenden vertikalen Bewegung und Kraftanwendung des Kiefers in einer zweiten Phase eine die Nahrung zermahlende Seitwärts-und Diagonalbewegung des Kiefers erforderlich. Der mit Speichel vermengte Nahrungsbrei wird dann über eine koordinierte Zungenbewegung in den Pharynx befördert. Dabei muss der Mund verschlossen 42.2 • Schluckstörungen werden. In der pharyngealen Phase erfolgt der eigentliche Schluckakt. Beim Trinken muss in der oralen Phase eine Koordination zwischen Lippen, Wangen und Zunge erfolgen. Diese Anforderungen unterscheiden zwischen dem Saugen und dem Trinken aus einem Gefäß. Auch beim Trinken ist beim Übergang von der oralen in die pharyngeale Phase ein Mundschluss erforderlich. Die Abläufe der Nahrungsaufnahme erfordern ein hohes Maß an motorischer Koordination, wozu neurologisch behinderte Kinder oftmals nicht in der Lage sind. Zudem zeigen sie die Merkmale einer Hypersensitivität, die zu einer Abwehrreaktion gegenüber der nahrungsbedingten Stimulation des Geschmackssinns oder der taktilen Stimulation der intraoralen Schleimhaut führt. Die motorische und die sensorische Komponente führen zur dysfunktionellen Nahrungsaufnahme. Die Die Obstipation stellt nicht nur eines der häufigsten gastrointestinalen Probleme bei behinderten Kindern dar, sondern trägt auch wesentlich zur Morbidität innerhalb dieser sensiblen Patientengruppe bei. der Verhinderung abdominaler Schmerzattacken, der Vermeidung von Sekundärkomplikationen wie einer Pseudoobstruktion, einer Verbesserung der Ernährungssituation. Gastrointestinale Symptome im Rahmen neurologischer Erkrankungen können durch eine Beeinträchtigung der glatten Muskulatur oder des autonomen Nervensystems oder durch eine medikamenteninduzierte gastrointestinale Unverträglichkeit bedingt sein. Die Epilepsie gehört mit einer Prävalenz von knapp 1 % zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen des Kindesalters. Eine direkte Verbindung epileptischer Anfälle zum Gastrointestinaltrakt findet sich als epigastrische Aura im Rahmen von fokalen, vor allem temporalen Epilepsien (Völlegefühl, Druckgefühl) oder als geschmacks-oder defäkationsassoziierte Reflexepilepsie. Eine größere klinische Bedeutung haben die gastrointestinalen Nebenwirkungen der antiepileptischen Medikamente. Art und Häufigkeit gastrointestinaler Komplikationen variieren zwischen den verschiedenen Medikamenten (. Tab. 42.1). Die klinisch größte Relevanz hat die gastrointestinale Toxizität von Valproat. Neben gehäuften Bauchschmerzen, die z. T. durch einen Wechsel der Galenik (Wechsel des Präparats) kupiert werden können, zeigen insbesondere adoleszente Mädchen eine Tendenz zur deutlichen Gewichtszunahme. Zu achten ist auf eine durch Valproat induzierte Hyperamylasämie und insbesondere eine z. T. schwer verlaufende Pankreatitis und eine Hepatopathie. Neben dem sofortigen Absetzen der Medikation ist bei der Hepatopathie eine i.v. Behandlung mit Carnitin in einer Dosierung von 100 mg/kg KG/Tag indiziert. Aufgrund der schlechten Prognose wird die Indikation zur Lebertransplantation bei einem valproatinduzierten Leberfunktionsausfall kritisch bewertet. Risikofaktoren für ein valproatinduziertes Leberversagen sind: jüngere Kinder unter 1 Jahr, -Kinder mit einer antiepileptischen Polytherapie, -Patienten mit einer zugrunde liegenden Stoffwechselerkrankung, insbesondere einer Mitochondriopathie mit POLG-Mutationen. Die ketogene Diät wird zunehmend differenzierter als Therapieoption der kindlichen Epilepsie gehandhabt. Sie ist die Therapie der Wahl bei GLUT1-Defekten, oft effektiv beim Dravet-Syndrom oder anderen Epilepsiesyndromen mit myoklonischen Anfällen (z. B. der myoklonisch-astatischen Epilepsie). Eine Langzeitbehandlung bedarf aufgrund möglicher intestinaler Komplikationen wie der Steigerung eines gastroösophagealen Refluxes oder einer Verstopfung oder auch hepatischer Komplikationen im Rahmen einer Hyperlipidämie einer kontinuierlichen Überwachung. Die Mutationen im Thymidine-Phosphorylase-Gen führen zu einer mitochondrialen neurogastrointestinalen Enzephalopathie (MNGIE), einer seltenen, autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung, bei der es neben einer peripheren sensomotorischen Neuropathie zu einer Leukenzephalopathie, externen Ophthalmoparese und proximalen Muskelschwäche als neurologischen Krankheitsmerkmalen und zu einer gastrointestinalen Motilitätsstörung mit Durchfällen, Erbrechen und einer intestinalen Pseudoobstruktion kommen kann. Die Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung besteht in einer allogenen Stammzelltransplantation. Spinale Malformationen können bei der Geburt offenbar sein, wie im Fall der offenen Spina bifida, aber auch erst im Verlauf symptomatisch werden, wie im Fall der Spina bifida occulta oder des Tethered cord. Kinder mit einer offenen Spina bifida zeigen im Rahmen der gestörten nervalen Versorgung des unteren Darmsegments häufig Defäkationsbeschwerden mit analer Inkontinenz und Obstipation. Besteht eine Immobilität, kann die Symptomatik verstärkt werden. Reichen die üblichen therapeutischen Maßnahmen mit Bauchmassage und einer medikamentösen Obstipationsbehandlung nicht aus, muss der Darm regelmäßig mechanisch ausgeräumt werden, wobei auf die Gefahr von Verletzungen zu achten ist. Die anale Inkontinenz ist durch die Anwendung von Analtampons symptomatisch behandelbar, wobei dadurch die soziale Lebensqualität der Patienten erheblich gesteigert werden kann. Beim "Tethered cord", der Diastematomyelie und der Lipomyelomeningozele findet sich eine anlagebedingte Mal-formation des kaudalen Myelons. Mit zunehmendem Wachstum kommt es zu einer Dysfunktion der kaudalen Nerven mit nachfolgender Symptomatik vor allem im Bereich der Motorik der unteren Extremitäten sowie der Blasen-und Mastdarmfunktion. Eine neurologische Untersuchung ist deshalb bei jeder Form der sekundären Enuresis und Enkopresis indiziert. Auch bei der Obstipationsbehandlung ist ein Tethered cord differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen. Bei fehlendem oder geschwächtem Spinktertonus, fehlendem oder geschwächtem Analreflex oder klaffendem Anus sowie bei anorektalen Malformationen ist eine weitere neurologische Untersuchung indiziert. Umgekehrt sollte bei präpartal diagnostizierter spinaler Malformation im Rahmen einer präpartalen Kernspintomographie auch auf das Vorliegen einer assoziierten anorektalen Malformation geachtet werden. Bei der spinalen Muskelatrophie (SMA) kommt es zu einem genetisch bedingten Untergang der motorischen Vorderhornzellen im Rückenmark. Kinder mit einer SMA Typ I versterben in der absoluten Mehrheit vor dem vollendeten 2. Lebensjahr. Die Kinder zeigen neben vehementen Atmungsproblemen oft eine Anorexie. Kinder mit einer SMA Typ II, die in der Regel nicht laufen lernen, weisen etwa zu einem Drittel Schwierigkeiten in der Mundöffnung, dem Kauen und Schlucken auf, so dass entsprechende rehabilitative Maßnahmen erforderlich sind. Gastroesophageal reflux disease in intellectually disabled individuals: how often, how serious, how manageable? Acid and non-acid gastroesophageal reflux in neurologically impaired children: investigation with the multiple intraluminal impedance procedure Comparison of esophageal and multichannel intraluminal impedance testing in pediatric patients with suspected gastroesophageal reflux Percutaneous endoscopic gastrostomy and gastro-esophageal reflux: are we correctly addressing the question? 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