key: cord-0050106-ezdhol1f authors: Grehn, F.; Lieb, W. E.; Steffen, H. title: Ophthalmologie date: 2019 journal: Pädiatrie DOI: 10.1007/978-3-662-57295-5_28 sha: 38f10bca5fd7456c57645637c291a5a223c45aca doc_id: 50106 cord_uid: ezdhol1f Augenuntersuchungen bei Kindern sind wegen der altersbedingten Abwehr nicht immer leicht durchzuführen. Deshalb ist ein einfühlsames und zielgerichtetes Vorgehen erforderlich. Viele große Augenkliniken haben spezielle kinderophthalmologische Abteilungen, die mit Pädiatrie, Humangenetik und anderen Fächern zusammenarbeiten. Wichtige angeborene Augenerkrankungen sind Katarakt und Glaukom, weil hierbei Erblindung möglich ist. Das angeborene Schielen beeinträchtigt die Entwicklung der Sehschärfe. Die Frühgeborenenretinopathie kann nach Sauerstoffbeatmung auftreten und verursacht dann Netzhautschäden bis hin zur Erblindung. Bei Retinoblastom, Makuladegeneration, Netzhautdystrophien und Glaukom sind die genetischen Ursachen wegen möglicher Wiederholungsrisiken relevant. Neuroophthalmologische Erkrankungen im Kindesalter müssen interdisziplinär abgeklärt werden. Psychogene Sehstörungen treten meist während der Pubertät auf. Daher müssen Veränderungen, die die Entwicklung der Sehschärfe behindern, wie Schielen, Linsentrübung oder Ptosis, rasch erkannt und ggf. operiert werden. Die Visusprüfung im frühen Kindesalter beginnt mit der Reaktionsprüfung auf Lichtquellen, am besten mit Visitenlampe. Hierbei wird beobachtet, ob das Kind das Licht fixiert. Bei etwas größeren Kindern werden interessante Gegenstände, z. B. Spielzeug, angeboten und dabei Fixation und Blickfolge beobachtet. Zusätzlich wird geprüft, wie das Kind bei Abdeckung eines Auges reagiert. Bei beidseitig etwa gleich gutem Sehvermögen wird das Kind keinen Unterschied in seiner Reaktion zeigen. Sieht allerdings ein Auge deutlich schlechter, dann wird das Kind bei Abdecken des besseren Auges sich wehren oder weinen. Bei Säuglingen und Kleinkindern bis 2 Jahren ist oft eine Sehschärfentestung mit dem "preferential looking test" möglich. Hierbei werden vor neutralem Hintergrund Tafeln mit unterschiedlich feinem Streifenmuster gezeigt und beobachtet, ob das Kind in Richtung des Streifenmusters blickt. Erkennt das Kind die Streifen, wird es unwillkürlich dorthin blicken, da die Streifen "interessanter" sind als die daneben angebotene homogene Fläche. Das feinste Streifenmuster mit eindeutiger Blickbewegung des Kindes gibt die Sehschärfe an. Ab dem Alter von etwa 2 Jahren erfolgt die Visustestung spielerisch mit aktiver Mitarbeit des Kindes durch Erkennen von Kinderbildern oder E-Haken, deren Ausrichtung von dem Kind so gedreht werden muss, wie das dargebotene E es zeigt. F. Grehn, W. Lieb Entzündungen der Orbita lassen sich unterteilen in unspezifische orbitale Entzündungen oder spezifische Ursachen wie z. B. Sarkoidose und Wegner-Granulomatose. Es handelt sich um eine im Kindesalter häufige nicht spezifische orbitale Entzündung. Die Patienten werden mit Schmerzen, Exophthalmus, Lidschwellung, Beweglichkeitseinschränkung und ggf. sogar Visusreduktion vorgestellt. Je nach Lokalisation kann sich die Entzündung als orbitale Myositis, Skleritis oder als Dakryoadenitis manifestieren. j Diagnose Neben der klinischen Untersuchung sind bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Computer-und Kernspintomographie der Orbita) wegweisend. j Therapie Die Mehrzahl der nicht spezifischen orbitalen Entzündungen reagieren rasch auf Kortikosteroide, z. B. Prednisolon 1 mg/kgKG/Tag, die über einen Zeitraum von mehreren Wochen reduziert werden sollten. j Diagnose Die Diagnostik erfordert einen Erregerabstrich mit kultureller Anzüchtung, ein HNO-ärztliches Konsil zur Fokussuche, ggf. Computertomogramm der Orbita und der angrenzenden Nasennebenhöhlen. j Therapie Bei noch unbekanntem Erreger eine empirische antibiotische Therapie, bei Abszess ist die chirurgische Drainage erforderlich. Engmaschige klinische Verlaufskontrollen des Auges zur Funktion sind notwendig, ggf. kann auch zu der Verlaufskontrolle eine Bildgebung erforderlich werden. Rhabdomyosarkom j Epidemiologie Das Rhabdomyosarkom ist der häufigste maligne Orbitatumor im Kindesalter. Seine Inzidenz schwankt zwischen 1-4% aller biopsierten Orbitatumoren. Das männliche Geschlecht überwiegt im Verhältnis 5:3. Durchschnittsalter bei Diagnose ist das 7.-8. Lebensjahr. j Klinik Die charakteristische Erstmanifestation des orbitalen Rhabdomyosarkoms ist ein rasch auftretender und progredienter Exophthalmus mit Verlagerung des Auges (. Abb. 28.2) bzw. eine rasch wachsende Raumforderung oder einseitige plötzliche Ptosis. Im Anfangsstadium kann die Symptomatik als entzündlich fehlgedeutet werden. Besonders häufig ist das embryonale Rhabdomyosarkom in der medial oberen Orbita. j Diagnose Magnetresonanztomographie und Computertomographie ermöglichen die exakte Größen-und Lagedefinition des Tumors. Zur endgültigen Diagnostik muss eine chirurgische Biopsie mit gleichzeitiger Tumorverkleinerung erfolgen. j Therapie Die Therapie erfolgt interdisziplinär zwischen Augenarzt und einem kinderonkologischen Zentrum, wobei Chemotherapie und ggf. Strahlentherapie eingesetzt werden. j Prognose Die Prognose der Patienten mit orbitalem Rhabdomyosarkom hat sich in den letzten Jahren sehr stark verbessert. Während früher eine Exenteratio orbitae vorgenommen wurde, ist diese heute fast nie mehr erforderlich. Neuerdings liegt die 3-Jahresüberlebensrate des orbitalen Rhabdomyosarkoms bei 93%. > Die hohen Überlebensraten sind jedoch nur bei frühzeitiger Diagnose und rasch durchgeführter interdisziplinärer Therapie zu erzielen. Einer der häufigsten vom periorbitalen Knochen ausgehenden Tumoren im Kindesalter ist die Langerhanszell-Histiozystose (syn. j Diagnose Radiologische Untersuchungen zeigen scharf demarkierte Osteolysen ohne umgebende Sklerose. 25% der Patienten mit simultaner Knochen-und Weichteilbeteiligung haben auch eine Orbitabeteiligung. Die Diagnose wird durch eine Biopsie gesichert, wobei im Bereich der Läsion gleichzeitig Kortikosteroide instilliert werden können. j Therapie Systemische Kortikosteroidtherapie, ggf. Kürettage der Läsion und abhängig von der sonstigen Beteiligung Chemotherapie. Eine der häufigsten Lidfehlstellungen ist die kongenitale Ptosis (. Abb. 28.6). Im Kindesalter liegt hierbei eine Dysplasie des Levatormuskels zugrunde. Vielfach fehlt die normale Lidfalte. Eine kongenitale Ptosis kann mit dem Marcus-Gunn-Phänomen verbunden sein. Hierbei öffnet sich das Lid, wenn der Mund geöffnet oder bei Kaubewegungen zur Seite bewegt wird. Ursache ist eine Fehlinnervation, wobei es noch unklar ist, wie es zu der Koppelung von N. oculomotorius (M. levator palpebrae) und N. mandibularis (M. pterygoideus lateralis) kommt. Andere Formen der Ptosis können beim kongenitalen oder erworbenen Horner-Syndrom, bei der Myasthenie, bei neurologischen Erkrankungen, oder mechanisch bedingt auftreten. Nach sorgfältiger Analyse ist die chirurgische Therapie bei Kleinkindern und Säuglingen mit kongenitaler Ptosis frühzeitig indiziert, wenn die Gefahr der Amblyopie durch Okklusion des Auges gegeben ist. Die Wahl des Operationsverfahrens ist von der Levatorfunktion abhängig und besteht entweder in einer lidverkürzenden Operation des M. levator palpebrae (bei noch vorhandener Levatorfunktion) oder in einer Suspension des Lides im Bereich der Braue (bei völlig fehlender Levatorfunktion). Eine Reihe von Syndromen, z. B. Riley-Day-Syndrom und Sjögren-Syndrom, führen zu Störungen der Tränenproduktion. Die Therapie ist zunächst ursächlich (z. B. Vitamin-A-Defizit in Entwicklungsländern), dann symptomatisch durch Substitution von Tränenflüssigkeit z. B. Polyvenylalkohole, Methylzellulosepräparate, Hyaluronsäurepräparate. Die Dakryoadenitis ist eine sehr schmerzhafte Entzündung der Tränendrüse. Sie tritt meist einseitig auf und ist typisch bei Viruserkrankungen wie Mumps, Mononukleose, seltener bei bei Streptokokken-oder Staphylokokkeninfektionen und Sarkoidose. j Klinik Eine schmerzhafte Schwellung und Rötung in der Region der Tränendrüse führt zur Paragraphenform des Oberlids (. Abb. 28.7). j Diagnose Bildgegebene Verfahren sind nur ausnahmsweise erforderlich, um eine leukämische Infiltration oder einen Tumor auszuschließen. j Therapie Lokale antientzündliche Maßnahmen evtl. in Kombination mit systemischer antientzündlicher Therapie (Ibuprofen). Wenn die Tränenkanälchen nicht oder fehlerhaft ausgebildet sind, kann Epiphora (Tränenträufeln) entstehen. Häufig sind auch nasolakrimale Fisteln, bei denen der Tränensack durch eine kleine Hautöffnung unterhalb des medialen Lidbändchens nach außen verbunden ist. Diese können sich entzünden und müssen dann exzidiert werden. j Therapie Die Behandlung besteht zunächst in digitaler Massage 2-bis 4-mal pro Tag, wobei die Eltern instruiert werden, mit ihrem Zeigefinger im medialen Lidwinkel des Kindes kräftig nach unten zu massieren. Damit wird Sekret nasenwärts transportiert und ggf. die Hasner-Klappe aufgesprengt. Zusätzlich sollten bei erheblicher, eitriger Absonderung Erythromycin-Augentropfen 2-bis 3-mal/Tag für eine Woche gegeben und die Lider mit feuchten Kompressen gereinigt werden. Der Zeitpunkt der Tränenwegsspülung und Tränenwegssondierung im Kindesalter wird kontrovers beurteilt. Sie gehört immer in die Hände eines Augenarztes. Bei ausgeprägter Symptomatik über einige Wochen und fehlgeschlagener konservativer Therapie ist eine Sondierung auch schon in den ersten Lebensmonaten zu empfehlen. Als Intervention ist meist eine Überdruckspülung über das obere oder untere Tränenkanälchen ausreichend oder eine Sondierung erforderlich. Dieser sehr kurze Eingriff kann bei Säuglingen bis zu einem Jahr auch unter lokaler Tropf-und Spülanästhesie ohne großen Aufwand erfolgen, weil die Säuglinge noch gut festgehalten werden können. Zwar öffnen sich ein Teil dieser Verschlüsse während des 1. Lebensjahres spontan, eine langdauernde chronische Entzündung ist aber langfristig nachteilig. Bei Kindern über einem Jahr ist eine Vollnarkose erforderlich. Die Nachbehandlung besteht in Erythromycin-Augentropfen 2-bis 3-mal/Tag für eine Woche und Otriven 0,05%ig Augen-und Nasentropfen 3-mal/Tag. j Prognose In über 90% ist die Sondierung und Spülung kurativ. Bei komplizierteren Fehlbildungen, z. B. auch in Verbindung mit Gesichtsspalten, müssen ggf. weiterreichende Maßnahmen, insbesondere die Silikonschlauchintubation der ableitenden Tränenwege oder, sofern auch diese nicht erfolgreich ist, eine Dakryozystorhinostomie (knöcherne Öffnung zwischen Tränensack und Nase) durchgeführt werden. Die kongenitale Dakryozystozele des Tränensacks, manifestiert sich bereits in der frühen Neonatalperiode als bläulich-livide Schwellung im medialen Lidwinkel. Sie ist nicht pulsierend und nicht entzündlich und bildet sich oft nicht spontan zurück. Dann ist eine Massage bzw. Sondierung der ableitenden Tränenwege erforderlich. Eine Gonokokkeninfektion manifestiert sich als akute purulente Konjunktivitis mit Bindehautschwellung (Chemosis) und Membran-oder Pseudomembranbildung. Eine baldige Behandlung ist zwingend, da ansonsten schnell eine sekundäre Keratitis mit Einschmelzen der Hornhaut eintritt. Die chemische Konjunktivitis ist durch eine lokale Irritation durch Silbernitrat (Credé-Prophylaxe gegen Gonokokken) oder lokale Antibiotika bedingt und zeigt sich deutlich weniger dramatisch in Form einer konjunktivalen Hyperämie, die selten länger als 24 h anhält. Die Herpes-simplex-Konjunktivitis tritt als Konjunktivitis mit Beteiligung der Lider auf (Blepharokonjunktivitis). Häufig ist sie von einer Keratitis begleitet. j Therapie Bei Auftreten einer Chlamydien-oder Gonokokkenkonjunktivitis und anderer bakterieller Konjunktivitiden muss die Mutter mitbehandelt werden, da die Übertragung auf das Kind im infizierten Geburtskanal während der Geburt erfolgt ist. Die Behandlung erfolgt mittels lokaler und systemischer Antibiotika, im Fall einer Gonokokkenkonjunktivitis mit Penicillin, im Fall einer Chlamydienkonjunktivitis mit Erythromycin lokal und systemisch. Die chemische Konjunktivitis bedarf lediglich einer oberflächenpflegenden Therapie. Die Herpes-simplex-Konjunktivitis wird lokal antiviral behandelt (Acicloviraugensalbe). Die Gonokokkenkonjunktivitis des Neugeborenen ist bedrohlich und muss baldmöglichst erkannt und behandelt werden. j Definition Die Conjunctivitis vernalis ist eine beidseitige Konjunktivitis, die bei Jungen typischerweise im Frühjahr isoliert oder kombiniert mit einer generalisierten Atopie (z. B. Asthma) auftritt (Frühjahrskatarrh). Die Betroffenen klagen über starke Lichtempfindlichkeit und Juckreiz. Die Oberlider sind durch pflastersteinähnliche Wucherungen der Bindehaut verdickt und hängen deshalb herab (. Abb. 28.9). Zusätzlich können Knötchen am Übergang der Bindehaut zur Hornhaut oben (Trantas-Flecken) und Hornhauterosionen mit anhaftendem Schleim (Vernalis-Plaques) auftreten. Der Bindehautabstrich zeigt eosinophile Granulozyten. j Therapie Kurzfristig werden lokale Steroide gegeben. Zusätzlich kann die Schleimbildung mit Acetylcysteingel verhindert werden. Antiallergisch wird mit unkonservierten Chromoglicinsäureaugentropfen oder Mastzellstabilisatoren behandelt. Die zahlreichen Formen der Hornhautdystrophien werden nach ihrer Lokalisation ( Bei Verdacht auf ein kongenitales Glaukom muss zusätzlich eine Augeninnendruckmessung erfolgen. Bei Kindern >½ Jahr ist dies meist nur in Narkose möglich, die allerdings den Augeninnendruck künstlich senken kann. Mit dem "Rebound Tonometer" ist auch bei wachem Säugling eine orientierende Druckmessung möglich. Im Rahmen der Narkoseuntersuchung müssen zusätzlich der Hornhautdurchmesser mit dem Zirkel und die Bulbuslänge mit Ultraschall zur Verlaufsdokumentation gemessen werden. Häufig entsteht durch die Vergrößerung des Augapfels eine Myopie, die mittels Skiaskopie erfasst und korrigiert werden muss. Neben dem erhöhten Augeninnendruck ist eine glaukomatöse Exkavation des Sehnervs bei älteren Kindern für die Diagnose beweisend (. Abb. 28.13). Eine Gesichtsfelduntersuchung ist im frühen Kindesalter nicht möglich. j Therapie, Prognose Im Gegensatz zum Glaukom im Erwachsenenalter ist beim kongenitalen Glaukom der operative Eingriff die Methode der ersten Wahl. Hierbei wird das fehlgebildete Trabekelwerk eröffnet und eine direkte Kommunikation zwischen Vorderkammer und Schlemm-Kanal hergestellt. Als Operationsmethoden sind die Trabekulotomie oder die Goniotomie gebräuchlich. Beide Eingriffe können wiederholt werden. Bei beidseitigem Glaukom müssen die beiden Augen in relativ kurzem Abstand operiert werden. Bei einseitigem Glaukom oder unterschiedlicher Visusentwicklung ist eine Okklusionsbehandlung zur Amblyopieprophylaxe unbedingt erforderlich. In den meisten Fällen kann bei rechtzeitiger Diagnosestellung eine komplette Erblindung verhindert werden, allerdings resultiert meist eine deutliche Visusminderung (ca. 0,4). Lebenslange augenärztliche Kontrollen sind notwendig, da auch bei jahrelang regulierten Augeninnendruckwerten ein erneuter Augendruckanstieg auftreten kann. Kinder mit vermeintlich großen, schönen Augen in Kombination mit Lichtscheu und Tränenlaufen müssen unverzüglich augenärztlich untersucht werden, um ein kongenitales Glaukom auszuschließen. Das j Klinik Der Patient bemerkt oft schon in der Kindheit schlechtes Sehen bei Dämmerung (Hemeralopie, Nachtblindheit). Im späteren Verlauf ist er durch das konzentrisch eingeengte Gesichtsfeld behindert. Anfangs können die Patienten die Sehstörung erstaunlich gut kompensieren. Wenn nur noch ein röhrenförmiger zentraler Gesichtsfeldrest besteht, ist ein Zurechtfinden im Raum nicht mehr möglich. Am Augenhintergrund sieht man Pigmentverklumpungen der mittleren und äußeren Netzhautperipherie, die treffend als "Knochenkörperchen" beschrieben werden. Die Netzhautarterien sind sehr eng, die Papille sieht wachsgelb aus und ist atrophisch. Die Dunkeladaptationsstörung kann mit dem Adaptometer nach Goldmann-Weekers quantifiziert werden. Für die Diagnose im Frühstadium ist das Elektroretinogramm (ERG) wegweisend, das bereits erloschen ist, wenn das klinische Bild noch nicht eindeutig einzuordnen ist. Häufig besteht eine Myopie, im späteren Alter entwickelt sich eine Katarakt. j Therapie Eine kausale Therapie ist bisher noch nicht möglich. Da die retinalen Ganglienzellen lange Zeit intakt bleiben, kann die innere Netzhaut durch Implantation einer Stimulationselektrode elektrisch gereizt und auf diese Weise ein Bild auf die Netzhaut übertragen werden ("Retina-Chip"). Diese Technologie ist aber noch im Entwicklungsstadium. Usher-Syndrom Hierbei ist eine progrediente rezessiv vererbte Retinopathia pigmentosa mit einer Innenohrschwerhörigkeit kombiniert. Die Patienten sind frühzeitig taub und werden im Laufe der Jahre blind, sodass sie allein auf taktile Kommunikation mit ihrer Umwelt angewiesen sind. Die Taubheit kann heute durch das Hörscreening früh entdeckt werden und durch eine Cochleaimplantation (7 Kap. 29) kompensiert werden. . Abb. 28.17 Fluoreszenzangiographie bei Morbus Stargardt: Abschattung der Aderhaut ("dark choroid") mit ringförmig angeordneten Hyperfluoreszenzen im Zentrum Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom Es handelt sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, bei der neben den typischen Symptomen: kurzer gedrungener Körperbau, Polydaktylie, mentale Retardierung, Nierenfunktionsstörung, Hypogenitalismus auch eine atypische Retinopathia pigmentosa mit schwerem Verlauf vorkommt. Die Lebenserwartung ist reduziert. Leber-Amaurose Hierbei besteht eine atypische Retinopathia pigmentosa seit Geburt oder entwickelt sich im 1. Lebensjahr. Wegen der frühen Erblindung entwickeln diese Kinder Nystagmus und Strabismus sowie psychomotorische Auffälligkeiten ("Augenbohren" okulodigitales Phänomen, bei frühzeitiger Erblindung typisch). Für Fälle mit defektem RPE65-Gen steht in Zukunft möglicherweise eine Gentherapie zur Verfügung. j Therapie Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung (z. B. Gewichtskontrolle, Aussetzen der Aknetherapie mit Tetrazyklinen). Zusätzlich ist eine Therapie mit Acetazolamid wirksam. Steroide sind umstritten. Eine operative Fensterung der Sehnervenscheide oder ein lumboperitonealer Shunt können den Liquordruck senken. > Eine Optikusatrophie kann als Rückgang der Stauungspapille missinterpretiert werden, während die Grundkrankheit fortbesteht. Die Papillitis ist eine Entzündung des vordersten Sehnervenabschnitts (Papille). Bei Kindern ist diese Form der Sehnerventzündung häufiger als eine Retrobulbärneuritis. Ein Grund hierfür ist die seltenere Rückbildung im Vergleich zur Abduzensparese und die Lidbeteiligung, die neben der Stellungsanomalie ein zusätzlich amblyogener Faktor ist. Bei der Amblyopietherapie und -prophylaxe einer Okulomotoriusparese sollte man sich nicht ausschließlich mit der Okklusion des nichtbetroffenen Auges begnügen, sondern wegen der assoziierten Akkommodationslähmung auch an den Refraktionsausgleich und die Anpassung einer Nahaddition denken. Differenzialdiagnostisch kommt bei einer partiellen Okulomotoriusparese neben einer Myastenia gravis ein kongenitales Fibrosesyndrom, eine internukleäre Ophthalmoplegie oder auch ein divergentes Retraktionssyndrom in Frage. Eine erworbene Trochlearisparese im Kindesalter ist seltener als im Erwachsenenalter. j Ursache Ursächlich hierfür ist meist ein Schädel-Hirn-Trauma gefolgt von vaskulären, neoplastischen oder neurologischen Erkrankungen. Die erworbene Trochlearisparese und der einseitige Strabismus sursoadduktorius unterscheiden sich klinisch durch die Verteilung der Höhen und Verrollungsschielwinkel in den verschiedenen Blickrichtungen. Anamnese, Beschwerden des Patienten und der klinische Befund erlauben es dem Augenarzt in den meisten Fällen, eine Unterscheidung zwischen beiden Entitäten zuverlässig zu treffen. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil eine neuroradiologische und neuropädiatrische Abklärung bei der erworbenen Trochlearisparese zwingend, beim angeborenen Strabismus sursoadduktorius hingegen überflüssig ist. Sowohl der Strabismus sursoadductorius als auch die erworbenen Trochlearisparese einschließlich der Kopfzwangshaltung sind mit hohen Erfolgsaussichten durch Augenmuskelchirurgie behandelbar. Von den Paresen abzugrenzen sind die sog. Blickparesen und supranukleären Augenbewegungsstörungen. j Definition Während bei einer Augenmuskelparese alle Augenbewegungen ausfallen, ist das Kennzeichen einer Blickparese, dass nur bestimmte Augenbewegungstypen ausfallen während andere Augenbewegungstypen noch möglich sind. . Abb. 28.25 2-jähriges Kind mit früh erworbener Okulomotoriusparese des rechten Auges. a Man erkennt neben der Bewegungseinschränkung nach oben, unten und nasal eine Fehlregeneration, die durch Erweiterung der Lidspalte im Abblick imponiert. b Neurinom des III. Hirnnerven (rechts) als Ursache einer Okulomotoriusparese mit Fehlregenenaration. c Kind 5 Jahre später nach einer Augenmuskeloperation auf dem rechten Auge zur Beseitigung der divergenten Augenstellung. Bewegungseinschränkung und Fehlregenerationsmuster sind nach wie vor erkennbar a b c j Klinik Bei einem Mittelhirnprozess, durch ein Pinealom oder einen Tumor der hinteren Schädelgrube, der von hinten auf das Mittelhirn drückt, kann es zum dorsalen Mittelhirnsyndrom kommen. Kennzeichnend hierfür ist eine vertikale Blickparese, d. h., die Augen können entweder gar nicht oder nicht mehr so gut willkürlich gehoben werden. Zum voll ausgebildeten Mittelhirnsyndrom gehört auch eine beidseits weite, schlecht auf Licht reagierende Pupille, während die Nahreaktion erhalten ist (sog. Licht-Nah-Dissoziation). Fixiert ein Kind mit einer vertikalen Blickparese ein Objekt und wird der Kopf passiv unter Beibehaltung der Fixation nach unten bewegt (Auslösung des vertikalen vestibulookulären Reflexes), kommt es zu einer deutlichen Besserung der vertikalen Beweglichkeit. Eine erworbene horizontale Blickparese entsteht durch Läsion im unteren Hirnstamm, nahe dem Abduzenskerngebiet durch Läsion der soge. PPRF (parapontine retikuläre Formation). Isolierte PPRF-Läsionen sind selten. Häufiger sind Läsionen, die auch das Kerngebiert des N. abduzens oder die Faszikel des Nerven betreffen. Eine wichtige supranukleäre Störung, die auch im Kindesalter vorkommen kann, ist die internukleäre Ophthalmoplegie. Hierbei kommt es zu einer Läsion des medialen longitudinalen Faszikel (MLF), der die Verbindung zwischen dem Abduzenskerngebiet einer Seite und dem Medialis(Okulomotorius)kerngebiet der anderen Seite herstellt. j Ursache Blickparesen werden im Kindesalter durch Tumoren oder Entzündungen hervorgerufen. Eine beidseitige Internukleäre Ophthalmoplegie gilt klinisch als pathognomonisch für das Vorliegen einer multiplen Sklerose und zwar auch bei unauffälligem Kernspintomogramm. . Abb. 28.27 zeigt in einem Schema die Läsionsorte bei den genannten Blickparesen. Unter einem Nystagmus versteht man unwillkürliche, unkontrollierbare rhythmische Bewegungen beider Augen, die als Ruck-oder Pendelbewegungen imponieren und im Volksmund als sogenanntes Augenzittern bezeichnet werden. Ein Nystagmus kann angeboren oder früh erworben sein. Bei einem angeborenen Nystagmus ist der erste Schritt immer der Ausschluss möglicher ophthalmologischer Erkrankungen, die zu einer Sehbeeinträchtigung und damit auch zu einem Nystagmus führen. Beispiele hierfür sind der okuläre Albinismus, die beid seitige Optikushypoplasie oder retinale Dystrophien. Man spricht dann von einem sensorischen Defektnystagmus. Bei morphologisch unauffälliger Untersuchung kann trotzdem eine Netzhautdystrophie vorliegen, die mit einem Elektroretinogramm ausgeschlossen werden kann. Ein angeborener Nystagmus ohne Begleiterkrankungen wird auch als idiopathischer Nystagmusoder kongenitaler Fixationsnystagmus bezeichnet. j Klinik Tatsächlich sind Kinder mit einem solchen Nystagmus, nach der Geburt, zunächst völlig unauffällig. Ab der 4. bis 6. Woche setzten plötzlich großamplitudige pendelförmige Augenbewegungen ein, die im weiteren Verlauf an Amplitude ab und an Frequenz zunehmen. Kennzeichnend für diesen Nystagmustyp ist eine Verstärkung j Therapie Diese Kopfzwangshaltung kann dann später durch eine operative Verschiebung der Augen (Operation an den Augenmuskeln) beseitigt werden. Eine wichtige Differenzialdiagnose zum kongenitalen Nystagmus ist der Spasmus nutans, der plötzlich nach dem 8. Lebensmonat einsetzt. Typisch ist ein dissoziierter Nystagmus, d. h. die Nystagmusintensität ist auf einem Auge intensiver als auf dem anderen. Zum Spasmus nutans gehört auch ein rhythmisches Kopfwackeln und eine Kopffehlhaltung. In etwa 50% der Fälle ist der Spasmus nutans mit einem Strabismus assoziiert. Die Zuhilfenahme eines Psychologen oder Psychiaters ist nur in Ausnahmefällen erforderlich Grundsätzlich werden viel zu häufig harmlose Befunde, wie ein latentes Schielen oder eine nicht auskorrigierte Fehlsichtigkeit für die Natur der Kopfschmerzen verantwortlich gemacht. Ein latentes Schielen oder auch eine Brille, die nicht stimmt oder auch eine fehlende Brille führt normalerweise nicht zu Kopfschmerzen. Selbst eine höhere Weitsichtigkeit, die durch permanentes Akkommodieren ausgeglichen wird Schielen bezeichnet die Abweichung der Sehachse eines Auges von der Sollrichtung. Die häufigste Form des Schielens ist das Begleitschielen (Strabismus concomitans). Das Begleitschielen beginnt fast immer in der frühen Kindheit. Abgegrenzt werden muss hiervon das Lähmungsschielen (Strabismus paralyticus = Strabismus incomitans), das mit einer Augenmuskellähmung assoziiert ist sowie das sekundäre Schielen durch andere Augenerkrankungen (z. B. Retinoblastom, M. Coats etc.). j Ätiologie Die Ursache des Strabismus concomitans ist nicht bekannt. Es werden Störungen der komplexen Steuerungsmechanismen des Hirnstamms angenommen. Eine familiäre Häufung ist beschrieben, ein Erbgang ist nicht bekannt.j Klinik Beim Strabismus concomitans bleibt der Schielwinkel in alle Blickrichtungen gleich (concomitans, begleitend j Therapie Zur Therapie des Strabismus concomitans muss an erster Stelle die Refraktion überprüft werden. Bei einer nicht korrigierten Hyperopie muss das Kind bereits für die Ferne akkommodieren, um scharf zu sehen. Das Innenschielen wird hierbei durch den verstärkten Konvergenzimpuls infolge der Akkommodation ausgelöst.In der Regel entsteht bei Schielen eines Auges (frühkindliches Schielsyndrom) eine Amblyopie (Schwachsichtigkeit) des Schielauges oder liegt bereits vor. Diese erfordert eine Okklusionsbehandlung, bei der das bessere Auge stundenweise oder tageweise abgeklebt wird, damit das schlechtere Auge zum Sehen gezwungen wird.Gliome der vorderen Sehbahn und des Chiasmas können, ein dem Spasmus nutans ähnliches Krankheitsbild hervorrufen. Bei jedem Kind mit Spasmus nutans sollte deshalb eine Kernspintomographie zum Ausschluss eines Glioms erfolgen. Von einem Nystagmus abzugrenzen ist der Opsoklonus, bei dem ohne Intervall sakkadierte Augenbewegungen auftreten, die auch im Schlaf persistieren. Es handelt sich hierbei nicht um einen echten Nystagmus sondern um die ununterbrochene Ausführung von Sakkaden. Sind diese sakkadischen Augenbewegungen auf die Horizontalebene begrenzt, spricht man von einem "ocular flutter".j Ursache Bei einem "Occular flutter" oder Opsoklonus sollte immer ein Neuroblastom ausgeschlossen werden. Ein Opsoklonus kann sich auch ohne jede fassbare Ursache oder parainfektiös nach einer Virusentzündung manifestieren. Dies sollte, wenn zum Beispiel bei Kontrolle von Kleinkindern, die an einem Shunt wegen eines Hydrocephalus operiert wurden, berücksichtigt werden. Die Liste der genetischen Erkrankungen, die mit einer Optikusatrophie im Kindesalter einhergehen können, scheint unendlich. Hierzu zählen neurodegenerative Erkrankungen, Speichererkrankungen, Enzymdefekte, mitochondriale Störungen, Phakomatosen. Die rezessive Optikusatrophie und die X-chromosomal vererbte Optikusatrophie sind, wie auch andere angeborene Optikusatrophien mit Allgemeinsymptomen und neurologischer Symptomatik (Behr-Syndrom, Wolfram-Syndrom) extrem selten. Kinder mit einer psychogenen Sehverschlechterung sind in der neuroophthalmologischen Sprechstunde immer häufiger, auch wenn genaue Prävalenzdaten fehlen. Meist sind es junge Mädchen im Alter zwischen 6 und 15 Jahren. Typischerweise wird eine Verschlechterung des Sehens oder aber ein Gesichtsfeldausfall als Beschwerde angegeben, ohne dass es dafür eine plausible Ursache gibt.