key: cord-0049846-bqs51ojr authors: Geng, Veronika; Böthig, Ralf; Hildesheim, Andreas; Kurze, Ines; Leder, Eckhart Dietrich title: Leitlinie: Neurogene Darmfunktionsstörung bei Querschnittlähmung (Langfassung): Entwicklungsstufe: S2k, AWMF-Register-Nr.: 179-004 date: 2020-09-11 journal: Coloproctology DOI: 10.1007/s00053-020-00482-5 sha: f17bec91bfcec8faeeefebf2f678e108630d299e doc_id: 49846 cord_uid: bqs51ojr The guidelines (AWMF register number: 179-004) on neurogenic bowel dysfunction (NBD) in spinal cord injury of the German-speaking Medical Society for Paraplegiology is addressed to all persons who care for people with congenital or acquired paraplegia with NBD. In particular, doctors, nurses and therapists are addressed. The multiprofessionally developed guidelines (involving neurourologists, visceral surgeons, gastroenterologists, health and nursing staff, nutritionists and associated professional societies in the review process) provides practical support for the care of patients with NBD. Definitions and up to date knowledge on the diagnostics of NBD as well as on the necessary conservative bowel management are conveyed in order to ensure the competent treatment of patients with NBD. The concept of NBD and its clinical implications are described. Drug interventions and surgical procedures are explained in brief and recommendations are given. The main objective of the present guidelines is to prevent complications including fecal incontinence and constipation and thus to positively influence the quality of life of those affected. Helpful appendices, which can be used in everyday life, complete the guidelines. Bei allen Empfehlungen ist die Stärke der Empfehlung anhand der Formulierung ersichtlich. Die Formulierungen und Bedeutung der Empfehlungsstärken sind in . Tab. 1 dargelegt. In allen Kommentaren wurden die Empfehlungen anhand der zugrunde liegenden Literatur begründet. Evidenzgrade wurden in dieser S2k-Leitlinie nicht vergeben. In diesem Dokument wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die Nennung der männlichen und weiblichen Form verzichtet. Da die Anzahl der männlichen Querschnittgelähmten überwiegt, wird die männliche Bezeichnung gewählt. Selbstverständlich sind hierin beide Geschlechter inbegriffen. Es wird auf den Leitlinienreport unter dem Link https://www.awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/179-004m_S2k_ Neurogene-Darmfunktionsstoerung- Pathophysiologische Merkmale der neurogen veränderten Darmfunktion sind sowohl eine gestörte Sensorik und Motilität des Stuhltransports als auch die eingeschränkte bis fehlende reflektorische Steuerung von Darmentleerung und Kontinenz. Bei der nachfolgenden klassischen Einteilung werden komplette Lähmungen angenommen. Diese Form der neurogenen Darmfunktionsstörung (nDFS) wird auch areflexiver Darm genannt [20] . Ursächlich bei der Querschnittlähmung ist eine Zerstörung der parasympathischen Nervenzellen im Conus medullaris und/ oder der in der Cauda equina gebündelten sakralen Nervenwurzeln. Durch die gestörte Verbindung zwischen Kolon und Rückenmark kann es weder zu einer durch das Rückenmark vermittelten reflektorischen Peristaltik noch zu einer Reflexentleerung kommen. Allein der Plexus myentericus sorgt durch segmentale Kolonperistaltik für einen langsamen Transport des Darminhaltes. Vor allem im Bereich des Colon descendens und des Rektosigmoids ist der Transport erheblich verlangsamt [28, 51] . Der M. sphincter ani externus ist denerviert und erschlafft. Durch den Tonusverlust des M. levator ani kommt es zu einem Absinken des Beckenbodens (Descensus perinei) mit einer Veränderung des rektoanalen Winkels. Beides führt zu einem erhöhten Inkontinenzrisiko ("passiv leakage"; [7] ). Bei dieser Form der nDFS spricht man auchvoneinem reflexiven Darm [20] . Der reflexive Darm hat seine Ursache in einer Läsion oberhalb des Conus medullaris. Massenbewegungen des Kolons sind weiter möglich. Die Kontraktilität des Kolons ist erhöht. Der Transit ist hauptsächlich im linken Kolon und im Rektosigmoid verlangsamt [51] . Es kann zu einer spastischen Tonuserhöhung der Beckenbodenmuskulatur und des M. sphincter ani externus kommen. Klinisch steht deshalb eine Stuhlentleerungsstörung aufgrund einer funktionellen Auslassbehinderung ("outlet constipation") im Vordergrund. In . Tab. 4 Die klinische Auswirkung einer Querschnittlähmung mit neurogener Darmfunktionsstörung kann sowohl die Inkontinenz als auch die Obstipation sein (. Abb. 1). Bei unzureichendem Darmmanagement können neben den bereits erwähnten Leitsymptomen auch die nachfolgen- Zur Evaluation des Darmmanagements gehören folgende Aspekte: 4 Entleerungsrhythmus "upper motor neuron läsion" (UMNL) = 1-bis 2-tägig/"lower motor neuron läsion" (LMNL) = 1-bis 2-mal täglich zur gleichen Tageszeit Neurogene Darmfunktionsstörungen können therapiert und mit dem Darmmanagement beherrscht, aber nicht geheilt werden. Aus diesem Grund muss im Rahmen der lebenslangen Nachsorge auf die Darmfunktionsstörung speziell geachtet werden. Neurogene Darmfunktionsstörungen können durch zunehmendes Alter, Komorbiditäten sowie medikamentöse Therapien beeinflusst werden. Daher ist sowohl die Überprüfung der Darmfunktionsstörung als auch das dazugehörige Darmmanagement im Rahmen der lebenslangen Nachsorge essenziell (regelmäßiges Screening, ggf. Assessment als Grundlage der Anpassung des Darmmanagements). Die sog. Therapie-Pyramide zeigt eine mögliche Therapie-Eskalation bei neurogener Darmfunktionsstörung (Konsens: 71 %), die im internationalen, wissenschaftlichen Schrifttum weit verbreitet ist (. Abb. 2) Neben der Sitzposition für die Darmentleerung kann jegliche Form von Bewegung einen positiven Effekt auf den Stuhltransport ausüben. Gezielt können die in . Tab. 9 aufgeführten physikalischen Maßnahmen unterstützend eingesetzt werden. Im Langzeitverlauf unterziehen sich ca. 10 % der Querschnittgelähmten einer Stoma-Anlage [37] . Bei diesen ausgewählten Fällen kann durch eine Kolostomie eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden [2] . Mit der Entscheidung zur Anlage eines Stomas sollte bei diesen problematischen Fällen nicht zu lange gezögert werden [9] . Als definitive Lösung sollte in diesen Fällen das Kolon in Form eines endständigen Kolostomas abgeleitet werden [2] . Als passagere Lösung eignet sich auch ein doppelläufiges Kolostoma, z. B. bei Dekubitus und Stuhlinkontinenz (geringer chirurgischer Eingriff und leichtere Rückverlegung). Die Lage des Stomas soll präoperativ vom Operateur bzw. Stomatherapeuten insbesondere unter Berücksichtigung der Sitzposition im Rollstuhl und der Handfunktion angezeichnet werden, und ein Probetragen eines aufgeklebten Beutels in der geplanten Positionierung wird empfohlen [9] . Diarrhoe (nahrungsmittel-, antibiotika-oder infektionsbedingt) und damit einhergehende Inkontinenzereignisse bedeuten ein Gefährdungspotenzial für die Haut und den Harntrakt. Die Therapie ist zunächst immer symptomatisch, eindickend, absorbierend, in den seltensten Fällen kausal. Neben der ursächlichen Therapie kann eine kurzzeitige Behandlung der Diarrhoe z. B. mit Loperamid erwogen werden. Aufgrund des häufigen Antibiotikaeinsatzes bei Querschnittgelähmten kann es zu einer Antibiotika-assoziierten Diarrhoe, z. B. durch Clostridium difficile, kommen. Perianalvenenthrombosen und Analfissuren stellen akute, je nach Lähmung auch schmerzhafte Veränderungen dar, wobei die Fissur chronifizieren kann. Im Langzeitverlauf kann sich sowohl ein Hämorrhoidalleiden entwickeln als auch ein Anal-oder Rektumschleimhautprolaps auftreten. Die Therapie erfolgt nach proktologischen Grundsätzen. Zur Unterstützung des Darmmanagements stehen zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung. Die Anleitung des Betroffenen oder einer Hilfsperson in die selbstständige Anwendung oder Durchführung muss grundsätzlich vor dem Einsatz von Hilfsmitteln sichergestellt sein (. Tab. 12). Spinal cord injury nutrition evidence based guidelines Effect of stoma formation on bowel care and quality of life in patients with spinal cord injury The severity of bowel dysfunction in patients with neurogenic bladder Lifestyle intervention for adults with spinal cord injury: results of the USC-RLANRC pressure ulcer prevention study 2017 Sacral neuromodulation for neurogenic bladder and bowel dysfunction with multiple symptoms secondary to spinal cord disease Gastrointestinal symptoms related to autonomic dysfunction following spinal cord injury Management of neurogenic bowel dysfunction in the community after spinal cord injury: a postal survey in the United Kingdom Theimpactofstomaforbowelmanagement after spinal cord injury Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) Pathophysiologie, Klinik und Therapie von Blasenfunktionen, Bewegung und Vegetativum Consensus review of best practice of transanal irrigation in adults Autonomic dysreflexia during bowel evacuation procedures and bladder filling in subjects with spinal cord injury Abdominal pain: a comparison between neurogenic bowel dysfunction and chronic idiopathic constipation Topical anesthesia blunts the pressor response induced by bowel manipulation in subjects with cervical spinal cord injury Sacral nerve stimulation as an option for the treatment of faecal incontinence in patients suffering from cauda equina syndrome Rückenmarkschädigung Erstversorgung Hilfsmittelverzeichnis Produktgruppe 10 Krankenpflegeartikel Rectal tone in response to bisacodyl in women with obstructed defecation Spinal cord injury, an illustrated guide for health care professionals Satisfaction after the Malone antegrade continence enema procedure in patients with spina bifida Bildatlas der Botulinumtoxin-Injektion: Dosierung/Lokalisation/Anwendung. KVM International standards for neurological classification of spinal cord injury (Revised Neurogenic bowel management after spinal cord injury: a systematic review of the evidence Neurogenic bowel dysfunction score International bowel function basic spinal cord injury data set Colorectal function in spinal cord injury: symptoms and pathophysiology The International Spinal Cord Injury Bowel Function Basic Data Set (Version 2.1) include minor adjustments to the International Spinal Cord Injury Bowel Function Basic Data Set (Version 2.0) Effects of abdominal massage in management of constipation-A randomized controlled trial Physiologie und Pathophysiologie des Gastrointestinaltrakts. Ernährung und Verdauung Stool form scale as a useful guide to intestinal transit time Prediction of severe neurogenic bowel dysfunction in persons with spinal cord injury Clinical outcome of sacral neuromodulation in incomplete spinal cordinjured patients suffering from neurogenic bowel dysfunctions Anorectal biofeedback for neurogenic bowel dysfunction in incomplete spinal cord injury Chapter 24: Management of bladder, bowel, and sexual dysfunction Ageing with neurogenic bowel dysfunction Colonic transit in spinal cord injured patients The digital rectal examination scoring system (DRESS) Outcomes of bowel program in spinal cord injury pa-tients with neurogenic bowel dysfunction Internistische Störungen beim Paraplegiker Plain abdominal radiograph as an evaluation method of bowel dysfunction in patients with spinal cord injury Cardiovascular dysfunction following spinal cord injury Homepage. www. pharmavista.ch. Zugegriffen: 17 Latest approaches for the treatment of spasticity and autonomic dysreflexia in chronic spinal cord injury Sacral anterior root stimulation improves bowel function in subjects with spinal cord injury Management of hemorrhoidal disease in patients with chronic spinal cord injury Antegrade continence enema procedure: impact on quality of life in patients with spinal cord injury Effect of sacral anterior root stimulator on bowel dysfunction in patients with spinal cord injury Bowel dysfunction in patients with motor complete spinal cord injury: clinical, neurological, and pathophysiological associations