key: cord-0049579-2ygam80g authors: Rick, Oliver title: Rehabilitation in Zeiten von COVID-19 date: 2020-09-14 journal: InFo Hämatol Onkol DOI: 10.1007/s15004-020-8216-z sha: 3d5a416cb71d80006bc3f23e92701c2bf4ee446e doc_id: 49579 cord_uid: 2ygam80g nan Die Corona-Pandemie hat weitreichende Auswirkungen auf die onkologische Rehabilitation nach sich gezogen. Dies begründet sich aus der Tatsache, dass ca. 70 % der onkologischen Rehabilitationsleistungen im Rahmen der Anschlussrehabilitation (AHB) stattfinden und die Patienten unmittelbar im Anschluss an eine akutmedizinische Behandlung -sei es Operation, Strahlentherapie oder Chemotherapie -in der Rehaklinik aufgenommen werden [1] . Damit stellen diese Patienten ein vulnerables Kollektiv für eine Pandemie dar. Darüber hinaus kommt hinzu, dass rehabilitative Therapien überwiegend in Gruppen und im persönlichen Kontakt mit anderen Patienten und Therapeuten erfolgen. Dem multiprofessionellen Ansatz wird Rechnung getragen, indem die Patienten an einem sehr differenzierten Therapieprogramm in verschiedenen Gruppen teilnehmen. Dadurch Im Zuge des deutlichen und raschen Anstieges der Infektionszahlen mit SARS-CoV-2 Anfang März 2020 wurde vonseiten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) der Erlass herausgegeben, Patienten zur Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsleistung -das sogenannte stationäre Heilverfahren (HV) -vorerst nicht weiter aufzunehmen. Bei einem HV handelt es sich im onkologischen Bereich überwiegend um die Maßnahme, die zeitlich flexibel ca. ein Jahr nach abgeschlossener akutmedizinischer Behandlung noch einmal durch geführt werden kann. Damit war explizit nicht die AHB gemeint, die weiterhin von den Reha-Kliniken angeboten werden sollte [2] . Die Rationale dabei war, dass die Akutkliniken optimalerweise durch direkte Übernahme von Patienten entlastet und eine Weiterversorgung der Krebspatienten sichergestellt werden sollte. Die Entwicklung war allerdings eine andere, da die Mehrzahl der Patienten aus berechtigter Furcht vor einer Infektion mit dem Coronavirus die AHB nicht antreten wollte und sich überwiegend aus der akutmedizini-schen Versorgung ins häusliche Umfeld begab. Ob sich dies auf den Genesungs-und Teilhabeprozess der Patienten nachteilig ausgewirkt hat, ist nicht untersucht und bleibt derzeit unklar. Letztendlich führten viele onkologische Rehabilitationskliniken, wie andere Produktionsbetriebe und Dienstleister auch, ungewollt einen Lockdown durch, der die Belegungszahl zuweilen unter 20 % drückte -und damit die Wirtschaftlichkeit vieler Kliniken infrage stellte. Zusätzlich verschärft wurde die Situation dadurch, dass in onkologischen Rehabilitationskliniken Betten zur Versorgung von akutmedizinischen Patienten oder sogar mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten zur Verfügung gestellt wurden. Einige Kliniken versuchten sich an der medizinischen Versorgung dennoch weiterhin zu beteiligen und boten Kapazitäten im Rahmen der Kurzzeitpflege an. Nach Kenntnisstand des Autors wurden alle diese Maßnahmen allerdings nicht intensiver genutzt, da sich mit nachfolgender Eindämmung der Pandemie der Bedarf dahingehend relativierte. Um der drohenden Insolvenz zu entgehen, nutzte eine Vielzahl der Kliniken das Modell der Kurzarbeit und konnte dadurch einen Notbetrieb für die verbleibenden Patienten in der Klinik sicherstellen. Die entscheidende Maßnahme war allerdings, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verfasste "Sozialdienstleister-Einsatzgesetz" (SodEG). In diesem Gesetz vom 30. März 2020 wurden auch die Reha-Kliniken inkludiert, die somit Ausgleichszahlungen in Form eines sogenannten Rettungsschirmes in Anspruch nehmen konnten [3] . Dadurch konnte wahrscheinlich eine massive Insolvenzwelle der Kliniken vermieden werden. Wie alle anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche bzw. die gesamte Gesundheitsbranche wurde auch die onkologische Rehabilitation von der Pandemie überrascht und war insgesamt schlecht auf ein solches Szenario eingestellt. Schnell stellte sich heraus, dass die Patienten zwar aufgrund der überwiegenden Einzelzimmer in den Kliniken gut in Quarantäne untergebracht werden können. Dennoch war und ist auch aktuell die Ausstattung einer Reha-Klinik nicht für die Zimmerversorgung von Patienten ausgelegt. Die Mehrzahl der Kliniken verfügte und verfügt auch heute noch nicht über eine suffiziente Materialausstattung, die eine Versorgung von einer größeren Anzahl an Patienten in Quarantäne sicherstellen könnte. Darüber hinaus sind die personellen Ressourcen, insbesondere im Bereich der Pflege, nicht annähernd einem solchen Versorgungsanspruch gewachsen. Es war rasch klar, dass trotz des sehr guten ärztlichen und pflegerischen Kenntnisstands in der Versorgung von infizierten Patienten, die Umgebungsbedingungen nicht hinlänglich sind, um einem dahingehenden Anspruch zu genügen. Zur Versorgung der Patienten und aus wirtschaftlichen Gründen war es dringend notwendig, eine Strategie zu entwickeln, wie das therapeutische Konzept der onkologischen Rehabilitation auch zu Zeiten einer Pandemie weitergeführt werden kann, ohne die vorhandenen Ressourcen zu überlasten und damit eine langfristige Komplettschließung einer Klinik zu vermeiden. Zu diesem Zweck erarbeiteten die beiden Arbeitskreise der onkologischen Rehabilitation, zum einen der Arbeitskreis Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin der Deutschen Krebsgesellschaft (AGORS der DKG) und der Arbeitskreis Onkologische Rehabilitation der Deutschen Gesellschaft für Hämatolo-gie und Onkologie (AKOR-DGHO) ein gemeinsames Strategiepapier, das es den onkologischen Rehabilitationskliniken erleichtern sollte, einen Ausweg aus der Pandemie zu finden (▶Box 1). Mit diesem Strategiepapier wurde nicht nur die wirtschaftliche Sicherung und die schrittweise Mehrbelegung der Kliniken zur Aufrechterhaltung der Versorgungsstruktur berücksichtigt, sondern auch die Risikominimierung für die onkologischen Hochrisikopatienten mit einbezogen. Eine Ausbreitung von SARS-CoV-2 unter Mitarbeitern und Patienten -und damit die Entstehung von Infektionsketten -sollte so vermieden werden. Angestrebt war in diesem Zusammenhang eine langsame und schrittweise Erhöhung der Belegung der Kliniken, um eine Überbelastung und damit eine Risikoerhöhung für Infektionsketten zu vermeiden. Allerdings konnte dies aus wirtschaftlichen Gründen nicht umgesetzt werden, da das zeitlich befristete SodEG für die Rehabilitationskliniken eine gestaffelte Entschädigung vorsieht und bei einer Belegung von 75 % des Vorjahreswertes eine finanzielle Unterstützung gänzlich entfällt [4] . Damit waren die Kliniken genötigt unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen die Belegung wieder deutlich über 90 % zu steigern. Die Exitstrategie und die gebotenen Hygienemaßnahmen stellten und stellen allerdings eine erhebliche Herausforderung für die Durchführung einer suffizienten onkologischen Rehabilitation dar. Um einen Mindestabstand zwischen den Patienten einzuhalten, können Gruppengrößen wie zuvor nicht eingehalten werden, sodass bei Verringerung der Teilnehmerzahl die Frequenz der Gruppentherapien deutlich erhöht werden musste. Auch Schulungsmaßnahmen und Seminare mussten von der Frequenz deutlich angepasst werden, was zu einer erheblichen Belastung der personellen Ressourcen führt. Jahreszeitlich bedingt können viele Therapiemaßnahmen ins Freie verlegt werden. Neue Konzepte für die Einnahme der Mahlzeiten wurden erarbeitet, eine schichtweise Versorgung der Patienten etabliert und auf Abstände beim Essen geachtet. Von der üblichen Buffetversorgung wurde Abstand genommen und eine Einzelversorgung unter strikten Hygieneauflagen eingeführt. Der erhebliche Mehrbedarf an medizinischen Mund-Nasen-Schutzmasken Exitstrategie aus der Corona-Pandemie Insbesondere aufgrund der derzeit niedrigen, wenngleich wieder steigenden Infektionszahlen, aber auch der rasch umgesetzten oben genannten Maßnahmen konnten bis auf wenige Ausnahmen Infektionsketten und Schließungen von Kliniken vermieden werden. Die Auswertung eigener Daten zur seriellen PCR(Polymerasekettenreaktion)-Testung von Patienten auf SARS-CoV-2 zeigt, dass in einer onkologischen Reha-Klinik derzeit mit nahezu keinem positiven Fall zu rechnen ist (eigene Daten der Klinik Reinhardshöhe). Die Mehrzahl der onkologischen Rehabilitationskliniken setzt die Verhaltensregeln und Hygienemaßnahmen in hohem Maße und sehr pflichtbewusst um. Die Mehrzahl der Patienten führt nun ihre Maßnahmen im Rahmen der AHB oder im HV wieder durch und hat Zutrauen zu den Hygienekonzepten gefasst. Der Rückstau von Patienten aus der Hochphase der Pandemie wird zunehmend abgebaut und alle Patienten, die einer Maßnahme bedürfen, können diese sicher durchführen. Negativen gesundheitlichen Auswirkungen kann damit entgegengewirkt werden. Die onkologische Rehabilitation hat sich rasch auf die neuen Bedingungen eingestellt, was insbesondere den beiden Arbeitskreisen (AGORS und AKOR) geschuldet ist. Trotz aller Defizite im Umgang mit der Pandemie hat sich die onkologische Rehabilitation als trag-und rasch reaktionsfähig erwiesen. Hilfreich dabei war sicherlich die gute Organisation und Struktur durch die beiden Arbeitskreise in Deutschland. Bisher ist die onkologische Rehabilitation gut durch die Pandemie gekommen, was am ehesten allerdings den gesetz lichen Maßnahmen geschuldet ist. Wahrscheinlich sind aber auch Krebspatienten sowie Mitarbeiter sehr gewissenhaft im Umgang mit den Hygieneregeln, was eine sehr große serielle PCR-Testung an einem eigenen Patientenkollektiv nahelegt. Allerdings muss dies nicht so bleiben: Bei einem weiteren Anstieg oder Sistieren der Infektionszahlen auf dem aktuellen Niveau ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch in einer onkologischen Reha-Klinik positive Fälle auftreten und sich Infektionsketten und Hotspots bilden werden. Alle Kliniken sind daher gut beraten, sich auf ein solches Szenario frühzeitig einzustellen und bereits jetzt den Ernstfall zu proben. Neben der Einhaltung der bekannten Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln ist sicherlich trotz derzeit niedriger Inzidenz in den Kliniken die serielle Testung von Patienten als auch von Mitarbeitern sinnvoll. Die Kosten dafür müssen nach intensiver Intervention durch die Arbeitskreise nunmehr auch laut der Gesetzesnovelle vom 31. Juli 2020 von den Krankenkassen getragen werden [5] . Darüber hinaus werden die Arbeitskreise weiterhin auf eine deutliche Verbesserung der Vergütungsleistung gerade im Hinblick auf die erheblichen Mehrkosten durch die Pandemie bei der DRV drängen. Statistik der Deutschen Rentenversicherung Gesetz für den erleichterten Zugang zur sozialen Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket). Bundesgesetzblatt Jahrgang 2020 Teil I Nr Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. BAnz AT 31.07 Nicht nur für die onkologische Rehabilitation, sondern auch für alle gesellschaftlichen und gesundheitswirtschaftlichen Berei-che bleibt ungewiss, wie sich die Pandemie im weiteren Jahresverlauf entwickeln wird. Im Herbst und Winter müssen therapeutische Angebote wieder vermehrt innerhalb der Klinik angeboten werden, sodass bei Kumulierung der Patienten in den Gruppentherapien Infektionsketten drohen. Mit den Erfahrungen aus anderen industriellen Bereichen ist es durchaus vorstellbar, dass es dann auch in onkologischen Rehabilitationskliniken zu einer Bildung von Hotspots kommen kann. Mit diesem Hintergrundwissen wäre es wünschenswert, wenn die DRV mittels Unterstützung durch das Bundesministerium für Gesundheit und durch das BMAS Vorkehrungen treffen würde, um eine hohe Belegung der Reha-Kliniken zu vermeiden und die onkologische Rehabilitation auf den Bereich der AHB zu beschränken, um somit einer Bildung von Hotspots präventiv entgegenzuwirken. Auf eine Eigenregulierung durch die Kliniken ist hier nicht zu hoffen, da dies aus wirtschaftlichen Gründen kaum zu vertreten ist. Erst im Rahmen einer gesetzgeberischen Vorgabe mit entsprechendem finanziellem Unterbau kann dies suffizient erwirkt werden.Letztendlich hat die Corona-Pandemie auch die onkologische Rehabilitation dauerhaft verändert, auf Schwachstellen hingewiesen und eine grundsätzliche Neuausrichtung angestoßen. Da zum einen der weitere zeitliche Verlauf der Pandemie völlig offen ist und zum anderen pandemische Geschehen sich möglicherweise in der Zukunft häufen werden, muss sich auch eine Therapieform wie die onkologische Rehabilitation darauf einstellen und verändern. Reha-Kliniken sollten über ausreichend Material zur Versorgung von Patienten verfügen. Es ist sicherlich kein positives Qualitätskriterium, wenn eine fachlich versierte Klinik nicht in der Lage ist, eine nennenswerte Anzahl an Patienten in der Einzelunterbringung zu betreuen.Auch sind die digitalen Strukturen in vielen Kliniken noch mangelhaft. Digitale Angebote können helfen, Gruppengrößen zu vermindern und Face-to-Face-Kontakte zu vermeiden. Die Etablierung von elektronischen Patientenakten helfen, Patienten auf dem Zimmer zu versorgen und sollten auch heute Standard in onkologischen Rehabilitationskliniken sein.Alle diese Maßnahmen erfordern allerdings eine wesentlich bessere Vergütung von onkologischen Rehabilitationsleistungen. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen -und hier speziell von Menschen mit Krebs -ist für unsere Gesellschaft eben nicht zum Billigtarif zu bekommen. An dieser Stelle kann Viele Anwendungen in der Rehabilitation fanden vor Ausbruch von SARS-CoV-2 klassischerweise in Gruppen statt. Dafür braucht es in Pandemiezeiten Alternativen, ansonsten droht die Entstehung von Infektionsketten.