key: cord-0049174-h4ivw976 authors: nan title: Forum date: 2020-08-28 journal: Z Psychodrama Soziom DOI: 10.1007/s11620-020-00557-x sha: 12ffc9c3a38c13eac69ec0784b4432e55d93ef1f doc_id: 49174 cord_uid: h4ivw976 nan bei der Amtsvormundschaft und dann bei der internationalen Jugendbegegnung. Während der Zeit in mannheim dachte ich jetzt bist Du Werkzeugmacher und Sozialarbeiter und ein paar Kilometer weiter ist Daimler Benz, geh doch mal hin, ob die nicht jemand wie Dich gebrauchen können. Ich habe mit dem Ausbildungsleiter gesprochen, der war interessiert und hat mir angeboten, dass ich zunächst einmal Lehrlinge ausbilde, parallel meinen Industriemeister mache und dann vielleicht in einer sozialpädagogischen Einrichtung von Daimler-Benz einsteigen könnte. Beides war für mich eine große Herausforderung, da ich ja ganz wenig betriebliche Erfahrung hatte. Das Ausbildungswesen war damals relativ autoritär strukturiert. Das kannte ich ja. Auf der einen Seite konnte ich mich gut reinfinden, auf der anderen Seite hat es mich innerlich strapaziert, weil es gar nicht das war, wohin ich wollte. Ich hatte zu viel autoritär strafende Erziehung erfahren, als dass ich weiter in so einem System bleiben wollte. Aber die Aussicht in einem Ausbildungszentrum vierzehntägige sozialpädagogische Lehrgänge mit Lehrlingen zu leiten, hat mich dann doch motiviert durchzuhalten. Auf Grund der autoritären Struktur, die mir nicht entsprochen hat, habe ich angefangen, in Heidelberg am C. G. Jung Institut Vorlesungen zu besuchen. Das dortige Ausbildungskonzept sah vor, dass man zuerst die Vorlesungen besuchen musste, bevor man praktisch, kindertherapeutisch arbeiten konnte. Ich dachte, das würde mir vielleicht doch mehr liegen. Ich wusste allerdings nicht wie ich das finanzieren sollte, da ich zu diesem Zeitpunkt schon Familie hatte. Ich begann abends oder am Wochenende, die Vorlesungen zu besuchen. D. Ensel: War das speziell das, was Du gesucht hattest? oder war es eher Zufall? W. Holl: Es hat mir zugesagt, und vor allem: Heidelberg war nahe. Die Lehrkräfte am Institut und vor allem die Leiterin, Frau Sänger, fand ich sympathisch und beeindruckend. Ich hatte die Hoffnung, dass es vielleicht irgendwann eine möglichkeit geben würde, die ganze Ausbildung zu machen. Die Inhalte konnte ich auf jeden Fall gebrauchen und ich fing mit der Lehranalyse an, immer abends, einmal die Woche. 1968 habe ich schließlich die Jugendleiterstelle in dem Ausbildungszentrum im Schwarzwald bekommen und dort habe ich dann die sozialpädagogischen Lehrgänge konzipiert und durchgeführt. Dazu muss man sagen, dass Daimler-Benz zu diesem Zeitpunkt schon ein Ausbildungszentrum auf der Schwäbischen Alb hatte, und ich dort hospitieren konnte und Anleitung bekam, um die Kurse im Schwarzwald zu gestalten. Zwei Jahre lang habe ich diese zweiwöchigen Lehrgänge durchgeführt. Gleichzeitig habe ich meine Lehranalyse in Karlsruhe fortgesetzt und Frau Sänger hatte schließlich erreicht, dass das Arbeitsamt die letzten zwei Jahre der Ausbildung am C. G. Jung Institut in Heidelberg finanzierte. Der Clou war, dass in diesen zwei Jahren vom Arbeitsamt die Ausbildungskosten, die Lehranalyse und der unterhalt für die Familie bezahlt wurden. Das war natürlich der Sechser im Lotto. Sobald es ging holte ich meine Segel im Schwarzwald ein und zog nach Heidelberg. unsere Kinder waren damals 7 und 4 Jahre alt. Nach meinem Abschluss zogen wir nach ulm, denn meine Frau und ich wollten, dass unsere Kinder auf eine Waldorfschule gingen und die Frage war: Wo bekomme ich einen Arbeitsplatz und wo gibt es eine Waldorfschule -beides an einem ort? und das war zufälliger Weise in ulm, meiner Heimatstadt. Die Psychologische Beratungsstelle der Caritas suchte einen Kindertherapeuten. Das war 1972. D. Ensel: Was hat Dich an der Kindertherapie fasziniert? W. Holl: Das hat mit meiner Familiengeschichte zu tun. Die ist kompliziert und zum Teil auch sehr belastend. Sich von der Familie abzusetzen und mit anderen Kindern zu spielen, hat mir immer gutgetan. Wir spielten damals in den Trümmerfeldern, da wo die Erwachsenen nie hingekommen sind. Außerdem war ich bei den Pfadfindern. Da hat man zusammen Feuer gemacht, gekocht, gesungen und Zelte aufgebaut. Das waren ganz eigene Lebenswelten mit Gleichaltrigen, die es leichter gemacht haben, die familiären Konflikte auszuhalten. D. Ensel: Hast Du ein Stück von dem in der Kindertherapie wieder gefunden? W. Holl: Ja. mit Kindern zu spielen und auf einer Symbolebene zu agieren, mit Tieren, Figuren und Bildern etwas auszudrücken, etwas zu gestalten, was auf der verbalen Ebene noch gar nicht so möglich ist, das hat mich sehr angesprochen. W. Holl: Alfons ist ja ein sehr kluger und kompetenter Kollege und später Dienststellenleiter gewesen. Wir haben uns immer gut verstanden. Wir fingen an, zu experimentieren, und das war die ersten Jahre wirklich sehr anstrengend. Vom Erwachsenen-Psychodrama kommend dachten wir, so ähnlich könnte das mit Kindern auch gehen. mit den ersten Gruppen haben wir versucht, protagonistenzentriert zu arbeiten. Doch die Kinder wollten das überhaupt nicht. Die Kinder ließen sich am Anfang ganz brav auf unsere Vorschläge ein, aber nach kürzester Zeit drehten sie die Szenen so um, dass etwas ganz anderes daraus wurde. An ein Schulespiel kann ich mich noch gut erinnern: Ein Junge hatte Schwierigkeiten in der Schule. Wir hatten ihm vorgeschlagen, die Situation in der Schule zu spielen, damit er uns zeigen könne, wie es ihm dort ging. Zunächst setzten sich die anderen Jungs auch brav an die Tische. Nachdem der Junge von seiner rolle in die des Lehrers gewechselt hatte, spielte er zur größten Freude der Anderen einen monsterlehrer. Das war völlig anders, als wir uns das vorgestellt hatten. Wir folgerten, wir müssten besser strukturieren. Aber es lief immer wieder auf das Selbe hinaus: Wenn wir eine Protagonistenarbeit versuchten, sei es mit Handpuppen oder im rollenspiel mussten wir wie Lehrer die anderen Kinder als Zuschauer gewinnen oder ruhig stellen. Das war jedes mal mühsam und unbefriedigend. So ging es nicht! Aber wie es gehen könnte, wussten wir auch nicht. W. Holl: Wir denken, dass die symbolischen Inszenierungen gute möglichkeiten für die Kinder sind, einen inneren rollentausch zu vollziehen und ihre innere Dynamik zum Ausdruck zu bringen. Durch die mentalisierung von Seiten der Therapeuten können sie ihre unbewussten Anteile besser verstehen und reintegrieren, so dass sie nicht mehr verdrängt und kontrolliert werden müssen, sondern ihnen als Potenzial zur Verfügung stehen. Das, denke ich, ist der Kern. Das Erfinden und Spielen einer Geschichte stellt für das einzelne Kind und für die Gruppe außerdem eine gute möglichkeit dar, in einem sozialen Lernprozess, die eigenen Bedürfnisse und Strebungen mit denen der anderen in ein Gleichgewicht zu bringen. Nach einer Inszenierung können wir dann sagen: "Super, wie ihr gespielt habt." Am Anfang wollten wir in der Schlussrunde die rollen und das Geschehen ausführlicher besprechen. Das haben wir bald aufgegeben, denn es löste ein starkes Widerstreben bei den Kindern aus. Wir haben sie schließlich nur noch bestärkt, ihnen gesagt, wie schön sie gebaut haben, wie gut sie in der rolle waren usw. Also noch einmal auf der Ich-Ebene eine Bestätigung, so dass sie ganz zufrieden nach Hause gehen konnten. Wir haben nicht mehr gedeutet oder interpretiert, weil wir zu der meinung gekommen sind, dass das was die Kinder auf der Symbolebene gestalten, genau ihrer altersgemäßen Kompetenz entspricht. Was natürlich bei Fünfjährigen anders ist als bei Zwölfjährige. Aber auch da war es wichtig, dass z. B. eine Zwölfjährige ganz in die Tiefe abgleiten und symbolisch ihren Affekt ausgestalten konnte, ohne anschließende Kommentare von uns, wodurch sie sich vielleicht kritisiert gefühlt hätte. unsere begleitende mentalisierung während des Spiels, das ist es was wirkt. An der Beratungsstelle waren wir wie in einem Gewächshaus, in dem wir diese Art der therapeutischen Arbeit mit Kindern gezüchtet haben. Das hat im weiteren Kollegenkreis später hier und dort Anklang gefunden, und viele konnten es in ihren Arbeitsstellen umsetzen. man benötigt dazu nicht nur einen Gruppenraum, sondern ebenso die innere Bereitschaft und Freude, mit Kindergruppen zu arbeiten. Die Pendelbewegung, die man während des Spiels ständig vollziehen muss, sich einerseits auf der Symbolebene ganz einzulassen -beispielsweise in der rolle eines Gefangenen zu sein -und dann wieder zurück auf die regieebene zu pendeln, um für die Kindern eine Grenze zu halten, damit das Spiel auf der Symbolebene bleibt -und man nicht versucht dieser rolle zu entkommen -sondern die Übertragungen versteht und aufnimmt, das ist schwierig und anstrengend. Das eigene "innere Kind" zu zügeln und zu nutzen im therapeutischen Sinn, das fiel mir nicht immer leicht. D. Ensel: Das ist ja letztlich die Aufgabe jedes Therapeuten, jeder Therapeutin in der Kindertherapie. W. Holl: Aber wenn Du mit dem ganzen Körper in einer rolle bist, ist das ein großer unterschied. Das merke ich deutlich bei der Figurenarbeit in der Einzeltherapie. Da habe ich eine andere Distanz, kann besser reflektieren. Das ist in der Kindergruppe nicht immer so leicht. Deshalb ist es sinnvoll, dass die Weiterbildung den Teilneh-merInnen möglichkeiten bietet, solche Erfahrungen zu machen und sie sich sowohl in der Leiterposition, als auch in der Kind-rolle ausprobieren zu können. Es gelingt Hutter, morenos zentrale Idee der Komplexität der Szene in einer systematischen Form zu präsentieren, ohne sie zu beschneiden. Hutter trägt klar verständlich vor, und zusammen mit den LehrtherapeutInnen des ISI Hamburg hat er sich Szenen überlegt, wie der Vortrag dargestellt werden kann. Das macht die Inhalte lebendig. Inhaltlich ist bemerkenswert und spannend, wie Hutter die Gleichzeitigkeit und das Übersummative in der komplexen Szene zu präsentieren versteht, indem er den Inhalt der Filme jeweils in der theoretischen Landkarte rückverortet und damit orientierung gibt. Er macht erfahrbar, dass es im Psychodrama darum geht, die Komplexität der Szene anzureichern, damit die spontan-kreative Lösungskompetenz einer Person zu einem autonom entwickelten nächsten -kleineren oder größeren -Schritt aus der Notlage werden kann, und welcher Stellenwert dafür der Verkörperung der rolle in der Handlung zukommt. Dabei wird die untrennbarkeit der Verbindung zwischen Individualität und Kollektivität evident. Interessant ist die von Hutter formulierte Parallele zwischen der leeren Bühne und der Abstinenz in der Psychoanalyse: Psychodrama bietet die Bühne als offenen raum an, in dem eine Person ihr Erleben darstellen und entfalten kann. Warum ist die Systematik der theoretischen Landkarte von Christoph Hutter so wertvoll? Sie ersetzt keinesfalls Einführungen in das Psychodrama (wie z. B. von Christian Stadler und Sabine Kern), aber: Alles was in den letzten Jahrzehnten an Theoriebildung (u. a. zur therapeutischen Philosophie von Ferdinand Buer; zur rollentheorie, zur Störungstheorie und zur Prozessveränderungstheorie von michael Schacht; zum störungsspezifischen Arbeiten mit Psychodrama z. B. von Sonja Hintermeier u. v.a) oder auch zu anwendungsspezifischen modifikationen von Theorie und Praxis z. B. für Kinder von Gabriele Biegler-Vitek und monika Wicher) etc. geleistet wurde, lässt sich in dieser Landkarte übersichtlich verorten und es wird für künftige Theoriebildung und Praxis erkennbar, wo Differenzierungsbedarf besteht. Wie jede andere psychotherapeutische Schule sieht sich auch das Psychodrama der Anforderung gegenüber, aktuelle psychologische und soziologische Theorien oder auch modernismen zur Kenntnis zu nehmen und zu entscheiden, ob sie geeignet sind, unter Vermeidung von Beliebigkeit das Substanzielle der eigenen Schule auszudifferenzieren. Kompakter als in den elf Filmen ist diese Substanz des Psychodramas bisher nicht vermittelt worden. Zahlt es sich aus, die Filme anzuschauen, wenn man schon einiges über das Psychodrama gelesen hat? Auf jeden Fall, weil sich das Psychodrama in seiner Komplexität nicht von selbst erschließt, es braucht das Aktionale, um es zu begreifen. Das Format Video macht mehr möglich als Sprache. Wer sich nicht für alle Filme Zeit nehmen kann oder mag, möge sich auf jeden Fall den ersten, einstündigen Film ansehen -und wird dann sicher auch auf die anderen Filme neugierig werden. Ich empfehle diese Filme uneingeschränkt jedenfalls allen Psychodrama-Auszubildenden, sie werden mut und Lust bekommen, sich der Komplexität des Psychodramas zu stellen. Lehrende können sie als Lehrmaterial einsetzen, und selbst erfahrene PsychodramatikerInnen werden Freude daran haben und Gewinn daraus ziehen. Das zwischenmenschliche Spiel auf der Bühne Facultas Verlag Wien, 2020, 203 S., € 22,40, ISBN: 978-3708919287 Das Buch "Psychodrama-Theater: Das zwischenmenschliche Spiel auf der Bühne" von maria Theresia Schönherr ist weit mehr als ein Praxisbuch, welches nur die Grundlagen der methodik beschreibt: Es spiegelt nicht nur die langjährige Erfahrung der Autorin mit kreativen, prozesshaften Verläufen des szenischen Gruppengeschehens wider, sondern darüber hinaus erleben wir eine Weiterentwicklung des Psychodramas in Theorie und Praxis: Die methodik wird ausführlich und differenziert beschrieben und das prozesshafte Gruppengeschehen wird spannend und erlebnisreich geschildert. Wir können Staunen über das kreative, konstruktive Processing zum Sharing, einschließlich des biographischen outings der Theatermacherin. Schließlich hatte ich beim Lesen des Buches ein romanhaftes Aha-Erlebnis im Versöhnungsakt des unvollkommenen Seins des Lebens! Das Buch beginnt mit einem Paradoxon des ur-Traumas von martin Buber, dem religions-philosophen und großen Humanisten: Er selbst beschreibt das posttraumatische Erlebnis des Verlassen-Worden-Seins von seiner mutter als "Vergegnung". Später legte gerade er die Grundlagen der Begegnungstheorie in seinem Basiswerk "Ich und Du", welches die Grundlage der humanistischen therapeutischen Schulen bildet. Es werden somit die unangenehmsten motivlagen des menschen -Ignoranz -Gier -Neid und Scham am Trauma des "urvaters" der Psychotherapie als Problemfelder des Buches geöffnet. In der ersten Sequenz der Gruppenarbeit wird das märchen "Der Teufel mit den goldenen Haaren" nach den Brüdern Grimm szenisch dekonstruiert und neu szenisch aufbereitet: Wie in einer analytischen Arbeit nach C. G. Jung und nach soziometrischer orchestrierung. mit J. L. morenos Psychodrama-Techniken wird der latente märcheninhalt heraus geschält und somit zeigt sich die Weisheit der archaischen, zum Teil "teuflischen" muster deutlich. Die Integration des szenischen Spiels wird klassisch über das rollenfeedback erarbeitet und mit der autobiographischen resonanz der Theatermacherin abgerundet. Dies macht neugierig auf den neuen Handlungsbogen. Von dieser doch symbolischen Ebene wird der Bogen zur biographischen konkreten Traumszene gelegt: Wir erleben in einer Protagonisten-Zentrierung der Traumarbeit in der Gruppe wieder die Grund-motivationslagen von Ignoranz, Neid, Gier und schließlich Scham, die zum Schweigen führt. Der kreative Erfahrungsgewinn entsteht dabei im spielerischem Probehandeln, Sharing und autobiographischer resonanz. Das Buch entwickelt durch die Einbeziehung der Weltliteratur in Form der Theaterstücke "Die Glasmenagerie", "König Lear", "Glaube, Liebe, Hoffnung", "Nora oder ein Puppenheim" eine unbekannte, neue Dimension und Tiefe. Die menschlichen Dramen und damit verbundenen Kränkungen liegen blank, weit geöffnet, sichtbar auf der Bühne. Wie gelingt da eine Hinführung zu einem szenischen, biographischen Prozess? Zu einer Integration und zu einem Sharing? Die Wechselwirkungen zwischen den minutiös, gut strukturierten Szenen und dem Vertrauensprozess der Gruppe werden differenziert beschrieben. Eine herausragende rolle findet dabei im Prozess der "Interaktiven regiebegleitung" statt, die ein Hinführen zu den autobiografischen Szenen ermöglicht. Die Einladung der Theater-regisseurin an die Gruppe, sich den eigenen biografischen Vernetzungen mit den gespielten Figuren und Szenen zu stellen, führt zu einer neuen Erlebnisqualität der gemeinsamen Inszenierung: der "soziometrischen orchestrierung". Dieses Buch ist nicht nur eine Bereicherung für alle Gruppen-TherapeutInnen, es ist eine "wahre" Weiterentwicklung des regietheaters. Was hätte es wohl für die menschenfamilie bedeutet wäre martin Bubers ur-Trauma von seiner Glaubensgemeinschaft in einem Psychodrama-Theater geteilt, gespielt und in Selbstermächtigung erfahren worden? Wir können nur träumen! Es gibt immer wieder menschen, die lassen sich vom Psychodrama begeistern, so dass sie eine Psychodrama-Weiterbildung absolvieren. So auch Sebastian Verbeek. Dann erfährt er, wie das Psychodrama eben dort praktiziert wird. (Eine Fallvignette aus einer Sitzung des klassischen protagonistenzentrierten Psychodramas beschreibt er zu Beginn seines Buches und nimmt im Verlauf immer wieder Bezug darauf.) Nun will er natürlich das Erfahrene begreifen. Daher benötigt er Begriffe und stürzt sich in das, was moreno und seine InterpretInnen dazu gesagt haben. Bei dieser Beschäftigung wird ihm klar, dass moreno im Laufe seines Lebens immer neue Begrifflichkeiten entwickelt hat, die sich nur schwer zu einer konsistenten Theorie zusammenfügen lassen. (Das gilt im Übrigen ebenso für Freuds Theorieproduktion!) Das weckt bei ihm ein philosophisches Interesse. Denn Philosophie ist ja die akademische Disziplin, die für Begriffsklärung zuständig ist. So nimmt er eine Dissertation an einer Hochschule in Angriff, die für eine philosophische Durchdringung der "Therapeutischen Philosophie" morenos offen ist: die Hochschule für Philosophie münchen, getragen von der Gesellschaft Jesu. und er findet in Eckhard Frick (SJ), Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie, Psychoanalytiker, Psychodramatiker, Theologe, Professor für Anthropologische Psychologie einen interdisziplinär ausgerichteten "Doktorvater". um nun die psychodramatische Begrifflichkeit philosophisch zu klären, benötigt Verbeek einen philosophischen Ausgangspunkt. Dazu wählt er die Anerkennungsphilosophie, wie sie von dem Sozialphilosophen Axel Honneth seit 1989 entwickelt wurde. Honneth war von 2001-2018 Direktor des Instituts für Sozialforschung an der universität Frankfurt a. m., steht also in der Tradition der "Frankfurter Schule". Honneths philosophischer Ansatz hat bis heute eine intensive Diskussion ausgelöst und somit weitere Präzisierungen erfahren. Es geht Verbeek nun darum, mit dieser scharfen Brille die psychodramatischen Begriffe klarer zu sehen. Dazu ist es nötig, diese Begriffe umfassend zu präsentieren. Daher hat sich unser Autor die mühe gemacht, die verstreuten einschlägigen Texte morenos sowie die derer InterpretatorInnen vor allem des deutschen Sprachraums auszuwerten. Dabei spielt die Lesart Christoph Hutters eine große rolle, der dann auch das Vorwort geschrieben hat. Bei der Lektüre sind mir auch so einige Zitate meiner eigenen Texte seit 1989 wieder vor Augen gekommen, die ich schon lange nicht mehr in Erinnerung hatte. Ein seltsames Phänomen! Das Literaturverzeichnis umfasst über 460 Titel. Das Buch bietet also eine kompakte Darstellung des Psychodramas und seiner Theorie, wie sie von moreno entworfen wurde. moreno sah sich allerdings als Heiler und sprach bezogen auf seine "dramatischen" Aktivitäten stets von "Therapie", später auch genauer von "Psychotherapie". Heute allerdings wird das Psychodrama in vielen Formaten angewandt, die mit Krankheit, Heilung, Therapie oder Psychotherapie nichts mehr zu tun haben. Hier geht es vielmehr um Fähigkeitenentfaltung, Potenzialentwicklung, Kompetenzerweiterung, ressourcennutzung, Verbesserung der Arbeits-und Lebensqualität. Daher ist es notwendig, morenos therapeutische Begrifflichkeiten allgemeiner zu fassen. Genau das unternimmt Verbeek, indem er die Anerkennungsphilosophie Honneths mit der Psychodrama-Theorie morenos ins Gespräch bringt. So bietet dieses Buch dreierlei: Eine kritische reflexion der Anerkennungsphilosophie (Teil I), eine kompakte Darstellung des Psychodramas nach moreno (Teil II) und als resümee eine Schärfung der psychodramatischen Begrifflichkeiten (Teil III). Von einer derartigen philosophischen Aufbereitung aus lässt sich dann auch vermeiden, dass das Psychodrama in seiner Anwendung in den Formaten zu einem nützlichen methodenreservoire degradiert wird. Aber auch die Philosophie kann profitieren. Es wird nämlich gezeigt, wie man nicht nur über die Praxis der Anerkennung nachdenken kann, sondern auch, wie sie in der psychodramatischen Praxis ermöglicht wird. In Teil I wird Anerkennung begriffsanalytisch und philosophiegeschichtlich geklärt. In Honneths erster Fassung seiner Theorie, der dreidimensionalen Konzeption intersubjektiver Anerkennung, werden die Begriffe Liebe/Fürsorge/Wohlwollen, dann recht/respekt/Achtung und Solidarität/soziale Wertschätzung genauer bestimmt. In seiner zweiten Fassung wird Anerkennung als leiblich-performative Praxis begriffen, die den zuvor genannten Dimensionen vorausliegt. Verbeek reflektiert zudem die relevanz der Gruppe für Anerkennungsprozesse und begreift personale Autonomie als reflexive Befreiung von Heteronomie. Er sieht Anerkennung als Praxis der Aufmerksamkeit und klärt die damit verbundenen Begriffe: Empathie, mitgefühl, Verantwortung, Selbstachtung, Selbstliebe, menschenwürde, betont die ästhetische Dimension der Anerkennung und verortet diese Praxis in Kulturen der Anerkennung. In Teil II werden das Psychodrama und die Therapeutische Philosophie nach moreno ausführlich dargestellt. Verbeek stellt heraus, dass moreno schon in seinen Frühschriften vom Primat der Praxis ausgegangen ist und sie dann erst begrifflich verortet hat. mit dem "Work in Progress" musste dann auch die Theorie ständig "in Progress" bleiben. Der Autor grenzt das Psychodrama von der Psychoanalyse ab und geht auf den Einfluss der Begegnungsphilosophie wie des Pragmatismus ein. In Teil III werden nun mit der Brille der Anerkennungsphilosophie wie mit ergänzenden Erkenntnissen weiterer PhilosophInnen alle zentralen Begriffe, Konzepte und Techniken des Psychodramas präzise angeschaut: Szene, Katharsis, Begegnung, Tele, Sozialatom, rollentausch, kreatives Handeln, rollenverkörperung, Surplus-reality sowie Instrumente und Prozessverlauf. In einem Nachspiel werden noch einmal die Übereinstimmungen zwischen Honneth und moreno herausgestellt: Gegenseitiges Sich-Anerkennen als je einmalige Person ist konstitutiv für die Würde eines jeden menschen sowie die Grundlage für eine solidarische Gesellschaft. Das Psychodrama bietet darüber hinaus eine Praxis an, in der "Anerkennungsvergessenheit" aufgehoben werden kann. Das Buch bietet somit Psychodrama-Neulingen eine gründliche Einführung in Theorie und Praxeologie des Psychodramas und Fortgeschrittenen eine aktuelle philosophische Präzisierung, von der aus erst eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit den jeweiligen Anforderungen der unterschiedlichsten Formate möglich wird. Der Text ist klar gegliedert, der Argumentationsgang nachvollziehbar und der Schreibstil angenehm zu lesen. In this meta-analytical study, we investigated the effectiveness of psychodrama as a treatment for depression and anxiety in Chinese participants. Although documents verifying the effects of psychodrama are rich in western countries, the studies on the effects of psychodrama in Chinese samples are rare, partly because psychodrama has been newly introduced. Considering the differences between Chinese and Western culture, it is necessary to examine the effectiveness of psychodrama applied in Chinese participants. This study analysed experimental studies that investigated the effectiveness of psychodrama (N = 9) with regard to depression and anxiety. Sub-group analyses were conducted to compare different kinds of participants (clinical and nonclinical) and different types of psychodrama (classical and scene). results suggest that psychodrama significantly mitigates the symptoms of depression and anxiety in Chinese participants, which concurs with findings from studies in Western culture. The findings also suggest that in the Chinese cultural setting, Psychodrama is more effective for the participants who have some anxious and/or depressive emotions but without clinical diagnoses than for those clinical diagnosed and hospitalized clients. moreover, we found that classical psychodrama is more effective for Chinese participants compared with scene psychodrama, a new well-known form of psychodrama in China. Future research possibilities and application of psychodrama in the Chinese cultural context are discussed. Zugang ( This paper presents the results of a six-month psychodrama intervention for the prison-based treatment of people with substance dependence, held in an attenuated custody institution in Northern Italy (Istituto a Custodia Attenuata per il Trattamento delle Tossicodipendenze -ICATT). Seven patients participated in the psychodrama intervention (21 weekly sessions) and were monitored through an idiographic change process using a mixed methods design. The longitudinal quantitative assessment employed the Clinical outcomes in routine Evaluation -outcome measure (CorEom), the revised Spontaneity Assessment Inventory (SAI-r), the General Self-Efficacy Scale (GSE), and the Toronto Alexithymia Scale (TAS-20). The qualitative assessment was based on the Client Change Interview Schedule (CCS) and the Helpful Aspects of Therapy Form (HAT). The quantitative and qualitative results supported the effectiveness of psychodrama as a treatment method for this group of patients, showing a decrease in psychological distress; a related decrease in depressive, anxious, physical, and/or traumatic symptoms; and a relative increase in the patients' general emotional and social functioning. Zugang (kostenpflichtig): https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/ S019745562030023X Giacomucci, S. (2020). Addiction, traumatic loss, and guilt: A case study resolving grief through psychodrama and sociometric connections. The Arts in Psychotherapy, 67, Article 101627. (Elektronische ressource) Traumatic loss, complicated grief, and addiction can be difficult and complicated clinical issues. many clients share their losses, self-blame or feelings of being stuck in their grief. However, verbal processing is not always adequate to stimulate change. Experiential sociometry provides refined tools for promoting strength-based connections between group members around their experiences of loss. The surplus reality of psychodrama offers unique opportunities to renegotiate the relationship to a deceased loved-one and offer the possibility of closure through role reversal. This article outlines four types of sociometric processes for cultivating connections between group members -the spectrogram, step-in sociometry, locograms, and floor checks. These experiential sociometry tools can be used independently as group processes or as a structured warm-up to a psychodrama enactment. A scene from a psychodramatic vignette is offered depicting a case study of a client working through complicated grief in an addictions group psychotherapy context. Sociometric and psychodramatic theoretical considerations are presented in the context of short practice depictions presented throughout this article. Psychodramatic letter writing is also introduced as an alternative for time limited groups or clinicians without extensive psychodrama training. Zugang ( Tele is one of the most elusive and enigmatic concepts in psychodramatic theory. Although It represents one of the five main therapeutic factors that operate in psychodramatic practice, the lack of clarity and multiple meanings of the concept make it difficult to use clinically or even as a general therapeutic guideline. The present paper proposes that the concept of Tele may be elucidated by using martin Buber's philosophy of dialog. It demonstrates how Tele overlaps with Buber's concept of I-Thou and how, for both concepts, it is the intersubjective encounter which is the mainstay of self-constitution. This paper maintains that the concept of Tele represents a major therapeutic idea, namely, that selfhood may only be revealed and expanded via an authentic meeting with another selfhood. The notion of Tele invites the therapist to encourage the creation of an I-Thou relation in the therapeutic space, based on the assumption that this is the main road through which the patient may connect with his or her deep subjectivity. Zugang (kostenpflichtig): https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/ S0197455620300204 Kaya, F. & Deniz, H. (2020) . The effects of using psychodrama on the psychological wellbeing of university students. Perspectives in Psychiatric Care, 2020. (Elektronische ressource) This study aims to investigate the effects of psychodrama group sessions on the psychological wellbeing of university students. Design and methods: The study included a sample of 30 undergraduate students (divided into one intervention group and one control group). Data were collected using a Personal Information Form and the Psychological Wellbeing Scale. Findings: There was a statistically significant difference between the pretest and 12-month scores for participants in the psychodrama group within the "Environmental mastery" dimension (P < .05). Practice Implications: Psychodrama group therapy can be used to improve psychological wellbeing levels among university students. Zugang ( Drama therapy is an active and experiential psychotherapy modality that involves the intentional and systematic use of drama/theater processes as primary means to achieve psychological growth and change within a psychotherapeutic relationship. At present, drama therapy is in the crucial stage of moving from clinical reports of case studies and vignettes to producing evidence-based practice supported by empirical studies. Drama therapy intervention research is relatively scarce compared to other psychotherapies and psychological interventions. In this article, we conducted a systematic review of drama therapy intervention studies published in the last decade (2007 to 2017). We adopted an integrative approach to systematic review that includes a combination of publications with diverse methodologies and various client groups, interventions, comparisons, and outcomes. Search in four databases and a hand search resulted in 24 drama therapy intervention articles. The results summarize the different approaches used in drama therapy and the populations with which it is being used. In addition, we address some key methodological issues that arise from the different studies. In the last decade, drama therapy research has produced promising results, showing that drama therapy offers effective treatment for various populations. The largest number of studies concerns individuals (adults and children) with developmental disabilities, cognitive impairments, or both (46 %). Limitations and recommendations for improving methodology, transparency, and specificity in reporting on future drama therapy and other intervention research are discussed. Zugang ( Hrsg.) (2020) Die Psyche in Zeiten der Corona-Krise Heraus-forderungen und Lösungsansätze für Psychotherapeuten und soziale Helfer one-to-one Psychodrama Psychotherapy: Applications and Technique: Abingdon Psychotherapeutische Diagnostik. Kompendium für alle in Österreich anerkannten Therapieverfahren Coronavirus. Ein Buch für Kinder Weinheim: Julius Beltz. Als kostenloser Download über die Verlagshomepage Lütjen, r. (2020). Beziehungsdynamiken besser verstehen. Tiefenpsychologisches Wissen für die psychiatrische Arbeit Grenz/be/ziehungen -Aspekte der Psychotherapie mit geflüchteten menschen monodrama -Szenisch-systemisches Arbeiten im Einzelsetting Die Kunst der Familienaufstellung Ein Praxislehrbuch der Empirischen Psychotherapie Fundamentals of Psychodrama Blitzlicht. Stimmungen, Gedanken und Eindrücke einfangen. 80 Karten für das Gruppen-und Einzelsetting in Psychotherapie Intervention effect of psychodrama on depression and anxiety: A meta-analysis based on Chinese samples Heft 2/2021 Psychodrama und Soziometrie. Erlebnisorientierte Aktionsmethoden in Psychotherapie und Pädagogik (Hrsg. S. Gunkel) Empirische Forschung und Wissenschaft I (Hrsg. C. Stadler, m. Wieser) Eine Begegnung in 16 Szenen Soziometriker, mediziner und Prophet -Eine Spurensuche (Hrsg. m. Wieser, C. Stadler) 2014 moreno revisited (Hrsg. F. v. Ameln, m. Wieser) Doing Gender Die rollen des Essens im psychodramatischen Fokus (Hrsg. S. Spitzer) Vorbereitung befindliche Sonderhefte: 2020 Psychodrama. Empirical research and Science III Psychodrama mit menschen mit besonderen Bedürfnissen Call for papers Die redaktion ist interessiert an Beiträgen zu den Themen-und Sonderheften. Wenn Sie sich vorstellen können, einen Artikel zu schreiben, schicken Sie bitte gerne Ihr kurzes Exposee (max. 1 Seite) an: redaktion ZPS, Konrad-Adenauer-Str Heft 1/2002 Wirkfaktor Gruppe (Hrsg. u