key: cord-0047665-fgpgutvz authors: Bader, M. title: ACE2 – das missbrauchte Multitalent date: 2020-07-15 journal: Nephrologe DOI: 10.1007/s11560-020-00448-0 sha: 495400387b9de21dad1e43542bdb526236169011 doc_id: 47665 cord_uid: fgpgutvz nan In seinem 20. Geburtsjahr hat ACE2 ("angiotensin-converting enzyme 2") traurige Berühmtheit erlangt. Während es in einem normalen Jahr etwa 150 Einträge in Pubmed einfährt, sind es im ersten Halbjahr 2020 schon fast 900. Es wird damit wohl das meistzitierte Protein in 2020. Der Grund ist seine Ausbeutung als Rezeptor durch SARS("severe acute respiratory syndrome")-CoV("coronavirus")-2, den Erreger der COVID-19("coronavirus disease 2019")-Pandemie. ACE2 wurde im Jahr 2000 von zwei Gruppen unabhängig voneinander als Homolog von ACE entdeckt [1, 8] . Während ACE zwei proteolytisch aktive Zentren mit je einem gebundenen Zinkatom aufweist, hat ACE2 nur eines (. Abb. 1). Allerdings ist auch nur eine Hälfte von ACE2 homolog zu ACE, die andere Hälfte ist homolog zu Collectrin, was auf eine Genfusion in der Evolution von ACE2 hindeutet. Die Collectrindomäne bringt ACE2 eine weitere von der Proteasefunktion unabhängige Eigenschaft ein, auf die weiter unten eingegangen wird. ACE2 trägt seinen Namen insofern zurecht, als es, wie ACE, Angiotensin(Ang)-Peptide umsetzt (. Abb. 2). Wie bei ACE ist Ang I ein Substrat, ACE2 erzeugt aber nicht Ang II wie ACE sondern Ang(1-9), denn es ist eine Monocarboxypeptidase, die nur eine C-terminale Aminosäure von Peptiden abspaltet, im Gegensatz zu ACE, das als Dicarboxypeptidase zwei abspaltet [1, 8, 9] . Die für das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) wichtigere Aktivität von ACE2 ist allerdings die Verkürzung von Ang II zu Ang(1-7). Mit dieser Reaktion wird ACE2 zu einem entscheidenden Stellglied des RAAS, da das vasokonstriktive und gewebeschädigende Ang II zum vasodilatatorischen und gewebeschützenden Ang(1-7) umgebaut wird [6] . Die Bildung von Ang(1-7) geschieht lokal im Gewebe, wo das Peptid dann mit seinem Rezeptor Mas interagiert und oft gegensätzliche Wirkungen zu Ang II an seinem AT1-Rezeptor (Angiotensin-II-Rezeptor Subtyp 1) hervorruft. Die unterschiedlichen enzymatischen Eigenschaften von ACE und ACE2 führen auch dazu, dass ACE-Inhibitoren keinen Effekt auf die Aktivität von ACE2 haben. Die pharmakologische Beeinflussung von ACE2 zielt im Gegensatz zu ACE auf dessen Aktivierung ab, da das Enzym ja Ang II abbaut. Allerdings sind bisher nur sehr unspezifische Aktivatoren bekannt, und nur rekombinant hergestelltes ACE2 wurde klinisch getestet, um die Aktivität bei Lungenerkrankungen zu steigern [5] . Es wird, wohl wegen des Namens, sehr oft vergessen, dass ACE2 neben Angiotensinen auch andere aktive Peptide umsetzt, wie Apelin-13 und desArg 9 -Bradykinin [9] . Es ist deshalb deutlich wenigerbekannt,welche physiologischen und pathophysiologischen Funktionen ACE2 dadurch ausübt. Apeline sind in der Herzentwicklung und für die Regulation des Gefäßtonus von großer Bedeutung, und desArg 9 -Bradykinin aktiviert den inflammatorischen Arm des Kallikrein-Kinin-Systems, sodass anzunehmen ist, dass ACE2 auch über die Inaktivierung dieser Peptide eine relevante Rolle bei Herz-Kreislauf-und anderen Erkrankungen spielt. Zahlreiche Veröffentlichungen unterstützen eine wichtige Rolle der ACE2/ Ang(1-7)/Mas-Achse für die Nierenfunktion [6] . ACE2 wird entlang des proximalen Tubulus in der Nierenrinde gefunden, ist aber wohl nicht das einzige Enzym, das in der Niere Ang(1-7) generieren kann; die neutrale Endopeptidase (auch Neprilysin [NEP]) genannt), die durch die neue Medikamentenklasse der ARNI (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren; Kombination aus AT1-Rezeptor-und NEP-Inhibitor) geblockt wird, ist in diesem Organ auch aktiv (. Abb. 2). Die ACE2/Ang(1-7)/Mas-Achse spielt bei Nierenerkrankungen eine protektive Rolle. ACE2-defiziente Mäuse entwickeln im Alter spontan eine Glomerulosklerose. Darüber hinaus sind diese Tiere anfälliger für ischämie-, reperfusions-und diabetesbedingte Nephropathie. Infusion von rekombinantem ACE2 in Mäusen verhindert diese Schäden. Eine chronische Hemmung von ACE2 mit dem spezifischen Inhibitor MLN-4760 führt sowohl bei gesunden als auch bei diabetischen Mäusen zu glomerulären Schäden und Albuminurie. Aufgrund des Mangels an zugelassenen spezifisch wirkenden Arzneimitteln gibt es noch keine interventionellen Studien zu Nierenerkrankungen beim Menschen, die die Effekte der ACE2/Ang(1-7)/Mas-Achse klinisch belegen könnten. Da ACE2 in Plasma und Urin von Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen unterschiedlicher Genese erhöht ist, scheint diese Achse aber auch bei Patienten -wahrscheinlich kompensatorisch -aktiv zu sein. [3] . Die neuen Studien zeigten, dass ACE2 als Dimer auf der Zelloberfläche vorliegt [10] . Es wäre also denkbar, dass die Spaltung durch TMPRSS2 nur eines der beiden Monomere trifft und der Komplex aus ACE2 und dem Virus über das zweite Monomer weiter in der Membran verankert bleibt, eine Konformationsänderung durchmacht und dadurch erst dem Virus die Fusion mit der Zelle erlaubt, aber das ist bisher Spekulation. Generell verdanken wir COVID-19 einen großen Wissenszuwachs über ACE2, z. B. einen Überblick über seine Expression in verschiedensten menschlichen Zelltypen. Der wichtigste Zelltyp für die Infektion mit SARS-CoV-2 ist die alveoläre Typ-2-Zelle im Lungenepithel, dessen Befall die schweren Verläufe der Erkrankung bedingt. Aber auch Epithelzellen der oberen Atemwege exprimieren ACE2, was oft zu fast symptomlosen Infektionen führt, die aber dennoch hochansteckend sind. Eine direkte SARS-CoV-2-Infektion der Niere ist trotz ACE2-Expression in diesem Organ noch nicht sicher nachgewiesen worden, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass bisher auch noch keine infektiösen Viren im Blut gefunden wurden. Die bei COVID-19-Patienten beschriebenen Nierenschäden sind wahrscheinlich sekundär und durch die Entgleisung des Immun-und des Gerinnungssystems bei der Erkrankung ausgelöst. Die Rolle des RAAS bei COVID-19 wird seit Beginn der Pandemie diskutiert. Insbesondere wurde erwogen, RAAS-Blocker-Behandlungen bei Patienten auszusetzen, weil publiziert worden war, Deshalb empfehlen auch alle relevanten Fachgesellschaften, RAAS-Blocker bei COVID-19 nicht abzusetzen. Die protektive Wirkung der RAAS-Blocker könnte darauf hinweisen, dass es bei CO-VID-19 zu einer verstärkten Wirkung von Ang II kommt, weil das abbauende Enzym ACE2 zumindest in der Lunge durch Zerstörung der exprimierenden Zellen verschwindet. Deshalb laufen zurzeit klinische Studien mit rekombinantem ACE2 an COVID-19-Patienten, zum einen um die verlorene Ang-IImetabolisierende Aktivität zu ersetzen, aber auch um das Virus vor der Bindung an die Zelle abzufangen -ein Konzept, das zumindest in kultivierten menschlichen Organoiden erfolgreich getestet wurde [5] . Darüber hinaus wird gerade weltweit versucht, mit Antikörpern, Peptiden, Aptameren und Kleinmolekülen die Bindung des SARS-CoV-2-S-Proteins an ACE2 und damit die Infektion zu blockieren. Ein großes Problem dieser Studien ist, dass sie wohl erst neue potenzielle antivirale Medikamente liefern, wenn die Pandemie vorüber ist. Ein Mangel an Patienten könnte dann klinische Studien unmöglich machen, sodass wir erst bei der nächsten Pandemie, die durch Coronaviren ausgelöst wird, welche wieder ACE2 als Rezeptor nutzen, die Entwicklung der Medikamente zu Ende führen können. A novel angiotensin-converting enzyme-related carboxypeptidase (ACE2) converts angiotensin I to angiotensin 1-9 TMPRSS2 and ADAM17 cleave ACE2 differentially and only proteolysis by TMPRSS2 augments entry driven by the severe acute respiratory syndrome coronavirus spike protein SARS-CoV-2 cell entry depends on ACE2 and TMPRSS2 and is blocked by a clinically proven protease inhibitor Depletion of angiotensinconverting enzyme 2 reduces brain serotonin and impairs the running-induced neurogenic response Inhibition of SARS-CoV-2 infections in engineered human tissues using clinical-grade soluble human ACE2 The ACE2/angiotensin /MAS axis of the renin-angiotensin system: focus on angiotensin Defective intestinal amino acid absorption in Ace2 null mice A human homolog of angiotensin-converting enzyme. Cloning and functional expression as a captopril-insensitive carboxypeptidase Hydrolysis of biological peptides by human angiotensinconverting enzyme-related carboxypeptidase Structural basis for the recognition of SARS-CoV-2 by full-length human ACE2