key: cord-0045162-kk9sssza authors: Pawlitzki, Marc; Zettl, Uwe K.; Ruck, Tobias; Rolfes, Leoni; Hartung, Hans-Peter; Meuth, Sven G. title: Risiken und Chancen von Immuntherapien in Zeiten der Coronavirus-2019-Pandemie date: 2020-06-10 journal: DGNeurologie DOI: 10.1007/s42451-020-00205-6 sha: f590854765d6f651d03124a9cc8f1582b0bd5669 doc_id: 45162 cord_uid: kk9sssza Immunotherapies form the essential basis of treatment for neuroinflammatory disease. However, in times of the coronavirus 2019 (COVID-19) pandemic, the question is increasingly arising in clinical routine as to whether immunotherapy should be initiated, intensified, paused, or even discontinued in neurological patients due to the risk of infection. Uncertainty is caused primarily due to the fact that a number of national and international scientific medical societies have published differing recommendations in this regard. This article provides an overview of the mechanisms of action of immunotherapies and the resulting risks of infection with COVID-19. Potential opportunities and beneficial effects of individual substrates in the acute treatment of COVID-19 are discussed. ne adäquate und schnelle Immunantwort die Virusvermehrung und die zytopathischen Effekte reduziert, scheint die virusinduzierte erhöhte Wirtsimmunität jedoch umgekehrt schwere pulmonale Komplikationen erst zu bedingen (Abb. 1b; [10] [11] [12] ) . Während das erhöhte Infektionsrisiko unter immunmodulatorischen Therapien ein Problem darstellen könnte, mehren sich die Hinweise darauf, dass die Anwendung einiger Immuntherapien auch positive Auswirkungen auf die Regulierung übermäßiger Entzündungsreaktionen im späten Infektionsstadium haben könnte [6] . Die zunehmende Erfahrung und Erforschung von Immuntherapien und deren unterschiedliche Ansätze sollten daher in Zeiten von COVID-19 genutzt werden, um das Risiko für die Patienten zu verringern, aber auch die Chancen einer Immuntherapie zu identifizieren [12, 13]. Der SARS-CoV-2 Virus gehört zu der Gruppe der Einzelstrang-RNA-Viren und ist das dritte bekannte hochpathogene zoonotische CoV in den letzten 2 Jahrzehnten nach SARS-CoV und MERS-CoV [14] . Trotz der großen Zahl aktueller Publikationen zu COVID-19 werden weiterhin Schlussfolgerungen bezüglich der Pathogenese zu einem Großteil aus klinischen Beobachtungen und experimentellen Studien mit SARS-CoV und MERS-CoV gezogen [14] [15] [16] [17] [18] . Im Hinblick auf die beiden unterschiedlichen Krankheitsstadien von COVID-19 stehen verschiedene immunologische Kaskaden im Vordergrund, die potenzielle Behandlungsziele bieten (Abb. 1b). In der initialen viralen Antwortphase von COVID-19 erfolgen die rezeptorvermittelte virale Anheftung und der Eintritt von SARS-CoV-2 in die Zielzellen insbesondere im Respirationstrakt [20, 21] . Die rasche virale Replikation führt zu massiven zytopathischen und entzündlichen Effekten in den Wirtszellen. Die Immunantwort des Wirts erfolgt dabei über Zellen des angeborenen und adaptiven Immunsystems. Die früh synthetisierten und freigesetzten Virusproteine werden hauptsächlich von endosomalen Toll-like-Rezeptoren des infizierten Gewebes oder von Makrophagen, neutrophilen Granulozyten und dendritische Zellen erkannt, was zur Aktivierung intrazellulärer Rezeptoren sowie von Transmembranproteinen führt [7, 22] . Letztere Mechanismen laufen über die Aktivierung von Proteinkinasen zusammen, die ihrerseits die Transkription und Sekretion von proinflammatorischen Interleukinen (IL) und Chemokinen stimulieren. Neben der Hemmung der viralen Replikation induziert die Chemokinsekretion die Aktivierung des adaptiven Immunsystems [7, 23, 24]. Dieses wird in erster Linie durch die T-Zell-Immunantwort angetrieben. Insbesondere zytotoxische T-Zellen erkennen zytosolische, gewöhnlich endogen syntheti-sierte virale Peptide, die von MHC-Klasse-I-Molekülen präsentiert werden. CD8 + -T-Zellen attackieren infizierte Zellen direkt und initiieren eine weitere Zytokinsekretion, die die Phagozytose durch (Lungen)makrophagen aktiviert [25] . Bei den meisten COVID-19-Patienten führt diese primäre Immunantwort zu einer Verringerung der Virusaktivität, gefolgt von einer zunehmenden Regulierung der Entzündungsreaktion [8]. Die größere Herausforderung stellt jedoch das Ausmaß der sekundären Phase der Entzündung bei einigen Patienten dar, welche durch einen massiven Zytokinsturm mit Zytokinfreisetzung und einer Leukozyteninfiltration in das bereits geschädigte, aber auch in das gesunde Lungengewebe gekennzeichnet ist (Abb. 1b; [12] ). Gegenwärtig werden verschiedene, durch das Virus fehlgesteuerte Immunabwehrmechanismen des Wirts diskutiert. Beispielsweise scheinen die im Verlauf gebildeten, das Virus neutralisierenden Antikörper die proinflammatorische Makrophagenakkumulation und die Produktion von Matrixmetalloproteinasen, Leukotrienen und proinflammatorischen Zytokinen zu fördern [26] . Darüber hinaus führt die antikörpervermittelte Aktivierung des Komplementsystems zur Produktion von Chemokinen und zur Invasion von Granulozyten und Lymphozyten, die die Schädigung des Lungengewebes weiter verstärken (Abb. 1b; [17] ). Letztlich führt das Zusammenspiel mehrerer Immunreaktionen zu einem progredienten Gewebeschaden, der wiederum zu einer erneuten Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen führt. Die Unterbrechung dieser sich selbst erhaltenden Inflammationskaskade stellt daher einen potenziellen Therapieansatz dar. Interferenz mit der DNA-Synthese Azathioprin, Methotrexat und Cyclophosphamid sind seit langem etablierte Therapien z. B Natalizumab ist ein rekombinanter humanisierter mAb, der gegen das Alpha-4-Integrin-Molekül auf Leukozyten gerichtet ist und die Transmigration peripherer Immunzellen in das zentra- le Apheresebehandlungen gelten insbesondere bei schweren schubartigen Verschlechterungen als effektive Therapieoption [150] . Höhere Infektionsraten werden zwar während und nach den Behandlungszyklen beobachtet, umfassen aber hauptsächlich katheterassoziierte Infektionen. Im Hinblick auf die entzündliche Wirtsphase könnte die Entfernung zirkulierender entzündlicher Zytokine einen entsprechenden Vorteil bewirken [151] . Aufgrund der geringen Zahl randomisierter Studien bei septischen Patienten gibt es jedoch keine ausreichende Evidenz für ein Plasmaaustauschverfahren bei COVID-19 [152] . Seit Jahrzehnten stellt die klassische Immunsuppression die therapeutische Grundlage bei neuroinflammatorischen Erkrankungen dar. Während in der Vergangenheit viele Behandlungsstrategien auf dem Gebiet der Neurologie mangels Alternativen aus anderen Krankheitsfeldern übernommen wurden, hat sich das Repertoire an selektiven Immuntherapien zuletzt merklich erweitert [153, 154] . Insbesondere für die Behandlung der MS steht eine Vielzahl selektiv wirkender Substanzen zur Verfü-gung. Aufgrund der nur kurzen Anwendungszeit neuer Immuntherapien beruht die Erfahrung hinsichtlich des Infektionsrisikos oder des Impfansprechens bisher jedoch nur auf wenigen Daten aus dem klinischen Alltag. Angesichts der aktuellen COVID-2019-Pandemie wird ein anhaltend hohes Infektionsrisiko für immunsupprimierte Patienten angenommen, sodass eine Unsicherheit sowohl bei den Patienten als auch den Behandlern besteht. Anhand der bisherigen Erfahrungen mit Immuntherapien und deren Wirkungsweise kann man jedoch festhalten, dass bei einem Großteil der angewendeten Immuntherapien eine Therapieinitiierung bzw. -fortsetzung wahrscheinlich mit nur einem gering erhöhten Infektionsrisiko einhergeht [155] . Dennoch sollten Aspekte wie Krankheitsaktivität, bisheriger Therapieverlauf, Patientenalter, Morbidität und mögliche Therapiealternativen in die Bewertung mit einfließen. Insbesondere der GKS-sparende Effekt einiger Immuntherapien sollte nicht unberücksichtigt bleiben. Bei langjährigen milden oder stabilen Krankheitsverläufen unter klassischen Immunsuppressiva sollten eine Dosisreduktion oder Deeskalationsstrategien evaluiert werden. Bei Abwesenheit einer klinischen oder paraklinischen Aktivität bei chronisch progredienten MS-Verläufen sollte der Einsatz von Mitoxantron vorerst nicht erfolgen. Auf der anderen Seite kann v. a. bei PACNS-Patienten das Absetzen der Therapie zu irreversiblen Krankheitsschüben führen. Für die Behandlung von RRMS-Patienten sind die Therapien für den milden Krankheitsverlauf mit keinem oder nur einem geringen Risiko verbunden. Aber auch intensivierte Therapieregime mit S1PR-Modulatoren oder Natalizumab sind mit einem nur leicht erhöhten Risiko für Virusinfektionen verbunden und sollten fortgesetzt werden, wenngleich für Natalizumab auch eine Verlängerung des Therapieintervalls zu evaluieren ist [156] . Pulstherapien, einschließlich mAb gegen CD19/20 sowie CD52 und Cladribin, sind über einen begrenzten Zeitraum mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Das Ausmaß der Immunsuppression und die Repopulationsdynamik von Immunzellen unterscheiden sich jedoch grundlegend zwischen solchen Therapeutika und sollten bei Behandlungsentscheidungen berücksichtigt werden. Insbesondere nach der B-Zell-Depletion durch Rituximab, Ocrelizumab oder Inebilizumab entwickelt sich in den nächsten 6-12 Monaten eine reduzierte humorale Immunität, die durch die anschließende Zyklusgabe aufrechterhalten wird. Daher scheint es bei wiederholter Anwendung ratsam, serologische Marker wie den CD19-B-Zell-Status zu berücksichtigen, um langfristige Nebenwirkungen wie eine Hypogammaglobulinämie zu vermeiden [70, 157] . Hinsichtlich der Wirkungsweise von Cladribin und Alemtuzumab ist 6-12 Monate nach der Applikation mit einer Normalisierung der Gesamtlymphozytenzahl durch die Immunrekonstitution zu rechnen. Es kann erwogen werden, eine erneute Zyklusgabe von Cladribin oder Alemtuzumab bei fehlenden klinischen oder paraklinischen Krankheitshinweisen hinauszuzögern. Für Eculizumab gibt es derzeit keine Hinweise auf eine erhöhte Anfälligkeit für eine SARS-CoV-2-Infektion. In Anbetracht der Indikation für die therapierefraktäre MG und die schubförmige NMOSD sollte die Therapie daher fortgesetzt Akuttherapien [165] . Auf der anderen Seite kann auch das Ausmaß der Immunantwort gegen den jeweiligen Impfstoff zu einer verstärkten Krankheitsaktivität nach der Impfung führen [166, 167] . Weiterhin müssen die bisher geltenden Kontraindikationen von Impfstoffen mit abgeschwächten Lebendviren, insbesondere unter krankheitsmodifizierenden Therapien, berücksichtigt werden [168] . 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