key: cord-0042571-cszg55ow authors: Schulz, T. F. title: Infektionsverlauf und Pathogenität date: 2016 journal: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie DOI: 10.1007/978-3-662-48678-8_53 sha: 52db188ff5861096714531ba5aad82942a4cc608 doc_id: 42571 cord_uid: cszg55ow Die Ausbreitung eines Virus im Organismus ist je nach Virus verschieden. Es gibt akute, persistierende und latente Virusinfektionen. Die pathogenen Eigenschaften eines Virus können bedingt sein durch direkt vom Virus ausgelöste Schäden in den infizierten Zellen und indirekt durch die Auswirkungen der Immunantwort auf die Virusinfektion. Bei erstmaligem Kontakt mit einem Virus lösen Mechanismen der angeborenen Immunität (Basisabwehr) eine Entzündung aus, welche die adaptive Immunität anregt; gemeinsam blockieren sie die weitere Replikation und Ausbreitung. Bei einer Zweitinfektion reagiert die adaptive Immunität blitzschnell (»Gedächtnis«) fast ohne Entzündungen. Polymorphismen des Wirtes oder des Virus beeinflussen den Ablauf der Infektion. In diesem Fall wird das Virus nach der apparent oder inapparent verlaufenden Primärinfektion nicht vollständig aus dem Organismus eliminiert und repliziert kontinuierlich weiter, allerdings in geringerem Umfang als während der akuten Primärinfektion. Zunächst entstehen dabei keine Symptome. Diese treten erst dann auf, wenn durch die -oft jahrelange -kontinuierliche Virusreplikation ein ausgeprägter Schaden in einem Organ entstanden ist. Beispiele hierfür sind HIV, Hepatitis-B-und Hepatitis-C-Viren (. Abb. 53.1). Während der Persistenz hat sich ein »Gleichgewicht« zwischen viraler Replikation und antiviraler Immunität eingestellt. Zwar hält das Immunsystem das Ausmaß der viralen Replikation unter Kontrolle und die Menge an replizierendem Virus (Viruslast) ist deutlich niedriger als in den frühen Phasen der Erstinfektion (oder, im Fall des HIV, in den Spätphasen der Erkrankung, nach Zusammenbruch des Immunsystems), aber es kommt nicht zur Elimination des Virus. Die Gründe für die Unfähigkeit des Immunsystems, das Virus vollständig zu eliminieren, sind nur partiell verstanden; die Fähigkeit von HIV und HCV, sehr rasch neue Mutanten zu entwickeln (Quasispezies; 7 Abschn. 52.2), die zytotoxischen T-Zellen »entkommen« können (Immunevasion), und eine eingeschränkte Fähigkeit des infizierten Wirtes, gewisse virale Epitope zu erkennen, tragen zur Persistenz bei. Die Tatsache, dass etwa HIV immer zu einer persistierenden Infektion führt, während HBV (meistens) und HCV (nur bei einer Minderheit) eliminiert werden, deutet auf die Beteiligung sowohl von viralen als auch Wirtsfaktoren bei der Entstehung von Persistenz hin. Die Bedeutung eines ausgereiften Immunsystems für die Elimination mancher prinzipiell zur Persistenz fähiger Viren wird an einer Reihe klinischer Beobachtungen deutlich: 4 So führt die Infektion mit HBV in der Perinatalphase oder in der frühen Kindheit häufiger zur lebenslangen Persistenz dieses Virus als die Infektion im Erwachsenenalter. Dafür verläuft die Infektion im frühen Lebensalter weniger häufig mit den klinischen Symptomen einer Hepatitis, die Ausdruck der Immunreaktion gegen infizierte Zellen der Leber ist (7 s. u. Einschlusskörperchen Im Kern und/oder im Zytoplasma der befallenen Zelle treten rundliche Strukturen auf, die in typischer Weise färbbar und lichtmikroskopisch leicht erkennbar sind. Ihre Größe beträgt 2-10 μm. Die Einschlusskörperchen sind als Aggregate inkompletter Viren zu verstehen. Ihre Lokalisation entspricht den Montageorten in der Spätphase des Vermehrungszyklus (. Abb. 53.4c, . Abb. 53.7). Beispiele sind die Guarnieri-Körperchen (basophil) bei Pocken, die Negri-Körperchen bei Tollwut im Zytoplasma sowie Einschlusskörperchen im Kern bei Masern und den Viren der Herpes-Gruppe (nukleär). Gentoxische Effekte Die Anwesenheit von Viren in einer Zelle kann Schäden an der zellulären DNA hinterlassen. Dazu gehören DNA-Strangbrüche und Chromosomenaberrationen, die z. B. durch die in der infizierten Zelle gebildeten Sauerstoffradikale ausgelöst werden, ferner DNA-Mutationen, die durch die virusvermittelte Inaktivierung von DNA-Reparaturmechanismen entstehen. Als Folge der Integration viraler DNA in die zelluläre DNA, wie sie typischerweise bei Retroviren vorkommt, kann es zur unkontrollierten Aktivierung zellulärer Gene in der Nachbarschaft der Integrationsstelle und damit zum Entstehen maligner Erkrankungen kommen. Dieser Mechanismus tritt klassisch bei leukämogenen murinen Retroviren auf, wurde aber auch als Folge des gentherapeutischen Einsatzes retroviraler Vektoren beobachtet (7 Kap. 54). Apoptose Sie spielt als Folge einer Virusinfektion neben der Nekrose eine wichtige Rolle bei der Entstehung des virusinduzierten Zellschadens. Die Apoptose wird durch komplexe Mechanismen, z. B. nach der Anlagerung des Fas-Liganden (Fas-L) an den Fas-Rezeptor, ausgelöst (7 Kap. 12) und dient der Limitierung oder Verstärkung der Virusausbreitung im Organismus. Es gibt ferner Hinweise darauf, dass manche virale Infektionen als Auslöser von Autoimmunerkrankungen dienen können, bei denen eine fehlgeleitete Immunantwort sich gegen gesundes körpereigenes Gewebe richtet. Beispiele hierfür sind der juvenile insulinabhängige Diabetes mellitus (IDDM), das Guillain-Barré-Syndrom oder die Myokarditis/Kardiomyopathie. Im Fall des Coxsackie-Virus (CV), das mit manchen Fällen von Typ-I-Diabetes und Myokarditis in Verbindung gebracht wird, bewirken normalerweise Typ-I-und Typ-II-Interferone des angeborenen Immunsystems sowie CD4-und CD8-Zellen bzw. Antikörper des erworbenen Immunsystems die Elimination des Coxsackie-Virus. Besitzt die infizierte Person jedoch bestimmte HLA-Moleküle, die in dendritische Zellen aufgenommene zelluläre Antigene aus zerstörten Kardiomyozyten und β-Zellen präsentieren können, kann ein Autoimmunprozess in Gang gesetzt werden, der zur chronischen Organschädigung führt. Hierzu kann beitragen, dass die Stimulation bestimmter Toll-ähnlicher Rezeptoren (TLR) durch virale RNA oder DNA die Sekretion von Interferonen, TNF-α und anderen Interleukinen induziert und damit die Expression von MHC-II-Molekülen sowie die Antigenpräsentation auch auf Kardiomyozyten und β-Zellen induziert (. Abb. 53.8), die normalerweise kein Antigen präsentieren und dann aber durch zytotoxische T-Lymphozyten (CTL) angreifbar werden. HBsAg), während beim HPV-Impfstoff aus einem einzigen Kapsidprotein bestehende »viruslike particles« ohne DNA verwendet werden j Aktive Immunisierung Die Impfung mit Lebend-und Totimpfstoffen wird als aktive Immunisierung bezeichnet j Passive Immunisierung Die passive Immunisierung erfolgt zur Verhinderung oder Abschwächung einer Erkrankung nach Exposition (z. B. Röteln bei seronegativer Schwangerer; Hepatitis-B-Virus bei Neugeborenen HBV-ausscheidender Mütter) oder als Infektionsprophylaxe. Hierfür werden polyklonale Antikörper für die Passivimpfung aufbereitet. Daneben finden auch monoklonale Antikörper Anwendung, etwa bei RSV-Infektionen oder als eine Möglichkeit der Prophylaxe gegen das SARS-Coronavirus Principles and Practice of Infectious Diseases Diagnostik und Therapie von Viruskrankheiten Clinical Virology Viruses and Human Disease Principles and Practice of Clinical Virology Der Impfling macht eine künstlich hervorgerufene, klinisch inapparente Infektion durch, eine sog. stille Feiung.Scheidet der Impfling das verimpfte Virus in großen Mengen aus, so kann seine Umgebung damit infiziert werden. Dies wirkt sich z. B. bei der Impfung gegen Poliomyelitis mit dem Lebendimpfstoff (Sabin-Vakzine) günstig auf die Gesamtzahl der geschützten Personen aus und erleichtert die Eradikation des Poliomyelitisvirus aus einer Bevölkerung. Theoretisch besteht aber die Gefahr, dass bei Passagen des Impfvirus von Mensch zu Mensch die Virulenz im Sinne einer Selektion von Rückmutanten wieder ansteigt. Dies kommt beim Lebendimpfstoff für Poliomyelitis auch sehr selten vor und ist der Grund dafür, dass heute in vielen industrialisierten Ländern vorwiegend der Totimpfstoff für Poliomyelitis (Salk-Vakzine) zum Einsatz kommt.