key: cord-0042232-kobhza0v authors: Kleines, Michael title: Virale Atemwegserkrankungen – neue Viren date: 2017-12-01 journal: nan DOI: 10.1055/s-0042-123479 sha: 77fc2c65e5c5d8030f89ee96b0a17a957f928d42 doc_id: 42232 cord_uid: kobhza0v nan Atemwegsinfektionen meist durch Viren ausgelöst Atemwegsinfektionen gehören zu den zahlenmäßig bedeutendsten Krankheitsbildern. Der größere Teil der Krankheitsfälle betrifft den oberen Respirationstrakt, aber in bis zu einem Drittel der Fälle werden auch Erkrankungen des unteren Respirationstrakts beobachtet. Dabei kann es u. a. zur Bronchitis oder zu Exazerbationen chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen oder zu ambulant erworbenen Pneumonien kommen. Die Hauptlast der Respirationstraktinfektionen wird von Kindern getragen, die 5 -6 entsprechende Erkrankungen im Jahr durchmachen. Es gibt Hinweise, dass genetische Faktoren des Wirts symptomatische Infektionen mit Respirationstraktpathogenen begünstigen, z. B. ein einzelner Nukleotidaustausch im Interleukin-4-Gen [1]. Die große Mehrheit der Atemwegsinfektionen wird in Mitteleuropa von Viren ausgelöst. Trotzdem werden viele Patienten mit Antibiotika behandelt. Zur Orientierung über die jeweils aktuell in Deutschland zirkulierenden respiratorischen Viren und deren typische Saisonalität steht seit einigen Jahren der Internetauftritt des Netzwerks für respiratorische Viren zur Verfügung (http://rvdev.medical-dpc.com/ inhalte/start-viren.html) (▶ Abb. 1). Viren sind verantwortlich für die allermeisten respiratorischen Infektionen weltweit. Hochsensitive und hochspezifische Nachweisverfahren sind nötigebenso wie eine gezielte Therapie. Wie sich welches Virus nachweisen lässt und wie weit die Entwicklung geeigneter Therapeutika und Impfstoffe fortgeschritten ist, lesen Sie in diesem Beitrag. Grippewellen Influenzavirusinfektionen treten saisonal in der kalten Jahreszeit auf, sodass es auf jeder Erdhalbkugel alljährlich eine eigene Grippewelle gibt. Im Rahmen dieser Grippewellen werden schätzungsweise 5 -20 % der Bevölkerung im Ausbruchsgebiert durch Influenzaviren infiziert. Auch außerhalb der klassischen Influenzasaison werden Influenzavirusinfektionen labortechnisch nachgewiesen. Diese können u. U. zu örtlich und zeitlich limitierten Kleinstausbrüchen führen [10] . Grundlage der alljährlichen Grippewelle ist der Antigenic Drift, durch den Virusvarianten immer wieder auf eine durch Vorjahresinfektionen nicht optimal geschützte Bevölkerung treffen. Influenza-B-Viren sind, je nach Saison, für 1 -60 % aller Influenzavirusinfektionen verantwortlich. Meist schwankt der Anteil der Influenza-B-Viren zwischen 15 % und 35 %. Der Anteil der Influenza-B-Virusinfektionen steigt zum Ende der Influenzasaison an. Seit mehr als 20 Jahren zirkulieren 2 durch Antigenic Drift auseinander hervorgegangene Influenza-B-Viruslinien. Jeweils einer davon dominiert in einer Saison stark. Für die beiden Influenza-B-Viruslinien besteht keine Kreuzprotektion [11] . [10] . Bronchitis Eine wichtige Erkrankung aus der Gruppe der grippalen Infekte des unteren Respirationstrakts ist die Bronchitis. Sie ist die zweithäufigste Grundlage für das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die Ursache für Bronchitis ist bei Patienten ohne schwere Grunderkrankungen häufig nicht bakteriell. Trotzdem werden oft Antibiotika verschrieben. Eine Auswertung randomisierter Studien ergab nur marginale Vorteile (eine um einen halben Tag verkürzte Hustendauer, aber keine signifikante Verkürzung der Krankheitsdauer) bei mit Antibiotika behandelten Patienten gegenüber von Placebo-Gruppen [12] . Es konnte abgeleitet werden, dass in Deutschland Influenzaviren während der Influenzasaison für bis zu 25 % der akuten Bronchitisfälle verantwortlich sind [10] . Auch andere respiratorische Viren spielen hier eine wichtige Rolle. In der Frühphase der Impfstoffentwicklung wurden trivalente (2 Influenza-A-Virusstämme, 1 Influenza-B-Virusstamm) Ganzvirus-Impfstoffe der ersten Generation zugelassen, die eine optimale Immunantwort auslösten, aber ein großes Nebenwirkungsspektrum zeigten. Die Spaltvirus-Impfstoffe der 2. Generation, die auch heute noch verfügbar sind, zeigen nur noch ein mäßiges Nebenwirkungsspektrum bei suboptimaler Immunantwort. Die Subunit-Impfstoffe der 3. Generation zeigen ein geringes Nebenwirkungsspektrum bei einer zur 2. Generation der Impfstoffe vergleichbaren Immunantwort bzw. Schutzwirkung. Die adjuvantierten Impfstoffe der 4. Generation verbinden starke Immunantwort mit geringem Nebenwirkungsspektrum. In der Vergangenheit wurden auch Impfstoffe gegen neue Virusvarianten zugelassen, z. B. den Influenza-A-Virussubtyp H5N1 (Vogelgrippe), sowie Pandemieimpfstoffe, die eine schnelle Adaptation eines Basis- [20] . Infektionen mit dem humanen Metapneumovirus sind auf Basis der Symptome i. d. R. nicht von Infektionen mit anderen respiratorischen Viren unterscheidbar. Nachweis Virusanzucht ist möglich und Antigen-Nachweisverfahren sind verfügbar (▶ Tab. 4). Wegen des langsamen Viruswachstums bzw. der eingeschränkten Testsensitivität setzt man diese Verfahren aber nicht routinemäßig ein. Die Diagnostik wird von molekularen Nachweisverfahren dominiert, entweder als Einzelnachweis oder im Rahmen einer Multiplexreaktion zusammen mit anderen Respirationstraktpathogenen. Strategien Zurzeit erfolgt die Therapie von Infektionen mit dem hMPV symptomatisch. Ribavirin wirkt in Zellkulturen und im Mausmodell gegen das hMPV, ebenso wie die passive Immunisierung mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG). Für den Einsatz beim Menschen existieren aber nur Einzelfallberichte [21] . Kontrollierte Studien fehlen. Mehrere monoklonale Antiköper wurden gegen das virale F-Protein entwickelt und im Tiermodell erfolgreich getestet. Fusionsinhibitoren, die die Übertragung des viralen Genoms in die Wirtszelle inhibieren, wurden entwickelt und zeigen in vitro und im Tiermodell Effektivität gegenüber hMPV. Gleiches gilt für Moleküle, die über den Mechanismus der RNA-Interferenz wirken. Für alle geschilderten Therapiestrategien gibt es noch keine Daten für den Einsatz beim Menschen [18] . Potenzielle Impfstoffe Zurzeit wird an Impfstoffkandidaten auf Basis von Subunit-Proteinen, Virus-like Particles und lebend-attenuierten Viren gearbeitet. Im Tierversuch zeigen einige Kandidaten vielversprechende Resultate. Zur klinischen Erprobung ist es aber noch in keinem Fall gekommen [18] . Biologie, Klinik und Diagnostik SARS Obwohl humanpathogene Coronaviren durch CoV-OC43 und CoV-229E, die Erkrankungen vom banalen Schnupfen bis hin zu schweren Infektionen des unteren Respirationstrakts auslösen können, seit vielen Jahrzehnten bekannt sind, wurden erst in den letzten Jahren 4 weitere Mitglieder dieser Familie entdeckt, die für respiratorische Erkrankungen verantwortlich sein können. 2003 wurde das SARS-CoV in einer international koordinierten Aktion in kurzer Zeit als Ursache des zuvor nicht beschriebenen Severe acute respiratory Syndrom (SARS) identifiziert, das eine Letalität von ca. 10 % aufwies [10] . Durch strikte Surveillance-und Isolationsmaßnahmen ist es gelungen, eine weltweite Verbreitung des SARS-Coronavirus zu verhindern und es aus der humanen Population zu eliminieren. CoV-NL63 2004 wurde CoV-NL63 durch eine niederländische Arbeitsgruppe entdeckt [10] . Es lässt sich bei hoher Koinfektionsrate mit weiteren Respirationstraktpathogenen in 1 -7 % der Respirationstraktmaterialien von Patienten mit Respirationstraktinfektion nachweisen. Zudem gibt es Hinweise auf eine Assoziation mit Krupp. Das Virus ist bevorzugt bei chronisch kranken Kindern mit einem schweren Erkrankungsverlauf assoziiert. CoV-HKU1 2005 wurde CoV-HKU1 in Hongkong erstmals nachgewiesen [10] . Es lässt sich bei hoher Koinfektionsrate mit weiteren Respirationstraktpathogenen in 1 -19 % der Respirationstraktmaterialien von Patienten mit Respirationstraktinfektion nachweisen. Vor allem mit chronisch kranken Kindern mit einem schweren Erkrankungsverlauf ist das Virus assoziiert. MERS 2012 wurde eine neue respiratorische Erkrankung beschrieben, die als Middle East respiratory Syndrom (MERS) bekannt wurde und durch das neu entdeckte CoV-MERS ausgelöst wird [22] . Es gibt Hinweise, dass das Virus über Kamele und Fledermäuse auf den Menschen übertragbar ist und auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann [23] . Die größte Zahl von Erkrankungen wurde bisher von der Arabischen Halbinsel und aus Südkorea gemeldet. CoV-MERS kann respiratorische Erkrankungen bis hin zur Pneumonie auslösen sowie Systemerkrankungen, wie z. B. Nierenversagen, Diabetes und Herzerkrankungen. Die Letalität bei Patienten mit Grunderkrankungen ist hoch. Die Gesamtletalität aller bisher nachgewiesenen MERS-Fälle liegt bei über 30 % [24] . Nachweis Coronaviren werden durch Nukleinsäureamplifikation nachgewiesen. Andere Verfahren spielen in der Routinediagnostik heute keine Rolle (▶ Tab. 4). CoV-OC43, CoV-229E, CoV-NL63 und CoV-HKU1 sind sowohl durch singuläre PCR erfassbar als auch in gängiger Multiplex-PCR für respiratorische Viren enthalten. CoV-SARS und CoV-MERS sind in der Routinediagnostik nur über eine singuläre PCR nachweisbar. Symptomatische Behandlung Zurzeit ist kein spezifisch gegen Coronaviren wirkendes Medikament zugelassen. Die Therapie erfolgt symptomatisch. Die meisten Coronavirusinfektionen sind selbstlimitierend. Wegen der hohen Bedeutung von Coronaviren für Patienten mit Grunderkrankungen und die hohe Morbidität und Letalität von SARS und MERS werden seit Jahren verstärkt Anstrengungen unternommen, spezifisch wirkende antivirale Substanzen zu entwickeln. In Evalu-▶ Tab. 4 Verfügbare Nachweisverfahren wichtiger respiratorischer Viren. Schnelltest Antigen IFT Antigen ELISA PCR Zellkultur I n f l u e n z a v i r e n + + + + + Welche Aussage zu Bocaviren ist richtig? A Auslöser der meisten respiratorischen Bocavirusinfektionen ist die Spezies HBoV3. B Bei der Diagnostik von Bocavirusinfektionen steht die Serologie im Vordergrund. C Ein Impfstoff gegen Bocaviren befindet sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. D Bocaviren verursachen ausschließlich banale Infektionen des oberen Respirationstrakts. E Nur eine Viruslast > 10000 Kopien/ml zeigt eine frische Bocavirusinfektion an. Welche Aussage zu Entero-und Rhinoviren ist korrekt? A Mehr als 100 Rhinovirustypen wurden identifiziert. B Alle Rhinoviren sind anzüchtbar. C Extrapulmonale Symptome treten bei Enterovirus-D68-Infektionen nicht auf. D Alle Enteroviren rufen ausschließlich respiratorische Symptome hervor. E Ein antiviraler Wirkstoff gegen Rhinoviren steht kurz vor der Zulassung. Molecular diagnosis of respiratory viruses Advances in RSV vaccine research and development -A global agenda New options in the treatment of respiratory syncytial virus disease Zoonoses and Communicable Diseases Common to Man and Animals. 3. Aufl. Washington DC: Pan American Health Organization New World Bats Harbor Diverse Influenza A Viruses Die Rolle von Viren bei tiefen Atemwegsinfektionen des Erwachsenen -Teil 1: Erreger, Pathogenese und Diagnostik Live attenuated intranasal influenza vaccine Antibiotics for acute bronchitis Overview of the 3rd isirv-Antiviral Group Conference -advances in clinical management Review of the pandemic (H1N1) 2009 among pregnant Japanese women Emerging respiratory tract viral infections Synergistic combinations of favipiravir and oseltamivir against wild-type pandemic and oseltamivir-resistant influenza A virus infections in mice Influenza vaccination coverage rates in five European countries during season 2006/07 and trends over six consecutive seasons New Approaches for Immunization and Therapy against Human Metapneumovirus The role of human metapneumovirus in upper respiratory tract infections in children: a 20-year experience Treatment of severe human metapneumovirus (hMPV) pneumonia in an immunocompromised child with oral ribavirin and IVIG Catalytic function and substrate specificity of the papain-like protease domain of nsp3 from the Middle East respiratory syndrome coronavirus The emergence of the Middle East respiratory syndrome coronavirus Middle East respiratory syndrome coronavirus: transmission, virology and therapeutic targeting to aid in outbreak control An Overview of Their Replication and Pathogenesis Current advancements and potential strategies in the development of MERS-CoV vaccines. Expert Rev Vaccines Human bocaviruses: Possible etiologic role in respiratory infection A novel human enterovirus C (EV-C118) identified in two children hospitalised because of acute otitis media and community-acquired pneumonia in Israel A novel outbreak enterovirus D68 strain associated with acute flaccid myelitis cases in the USA (2012-14): a retrospective cohort study