key: cord-0040917-754ntbn8 authors: Schäfer, Harald title: Außerklinische Beatmung: Lungenerkrankungen date: 2020-04-16 journal: MMW Fortschr Med DOI: 10.1007/s15006-020-0012-z sha: 867b434d186929ae1cb49c200674cd2daa1c8056 doc_id: 40917 cord_uid: 754ntbn8 In den letzten Jahren ist eine deutliche und kontinuierliche Zunahme von meist schwerkranken Patienten zu konstatieren, die außerhalb einer Klinik beatmet werden. Diese Patienten stellen eine wachsende Herausforderung für alle an der Versorgung Beteiligten dar. In der Regel erfolgt die ärztliche Weiterbetreuung und die Verordnung der benötigten Hilfsmittel durch Hausärzte. In diesem Beitrag lesen Sie, was ein Hausarzt aus dem Bereich der Beatmungsmedizin wissen sollte. Die für den zellulären Sto wechsel des Menschen essenzielle Aufnahme von Sauersto (O 2 ) und Abgabe von Kohlendioxid (CO 2 ) erfolgt durch das respiratorische System. Dieses besteht aus der Lunge (gasaustauschendes System) und der Atempumpe (ventilierende (ventilierende ( s System), wobei beide Kompartimente unabhängig voneinander limitiert sein können (Abb. 1). Bei einer pulmonalen Störung ist nur eine Beeinträchtigung der Sauersto aufnahme erkennbar. Eine Beeinträchtigung der Atempumpfunktion geht dagegen sowohl mit einer Störung der Kohlendioxidabgabe als auch der Sauersto aufnahme einher. Grundsätzlich können Störungen beider Kompartimente sowohl akut als auch chronisch au reten. Eine akute ventilatorische Insu zienz tritt meist bei einer akuten Verschlechterung einer vorbestehenden Beeinträchtigung auf, wie z. auf, wie z. auf B. bei einer Exazerbation einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Kennzeichen ist die respiratorische Azidose. Bei einer chronisch ventilatorischen Insu zienz, z. B. bei neuromuskulären Erkrankungen, wird die respiratorische Azidose metabolisch durch eine Bikarbonatretention ausgeglichen. Letztlich können ganz unterschiedliche, prognostisch nicht einheitlich zu bewertende Krankheitsbilder zu einer chronisch ventilatorischen Insu zienz führen (Tab. 1). Allen gemeinsam ist jedoch immer ein Missverhält- In Deutschland ist die Zahl der Patienten mit invasiver außerklinischer Beatmung seit dem Jahr 2005 von etwa 1.000 Patienten insbesondere im letzten Jahrzehnt exponenziell auf schätzungsweise 20.000 Patienten gestiegen [1, 2, 3) . Die extreme Zunahme dieser Fallzahlen in den letzten zehn Jahren ist im Wesentlichen auf Patienten mit erfolgloser Beatmungsentwöhnung nach Akut-Intensivstationsaufenthalt zurückzuführen, und der überwiegende Teil dieser Patienten wird direkt von Akut-Intensivstationen nach Hause entlassen [4] . Inwieweit die aktuelle Corona-Pandemie zu einer weiteren Zunahme von langzeitbeatmeten Patienten führen wird, kann derzeit in keiner Weise abgeschätzt werden. Nach einer aktuellen Erhebung ist auch die Zahl der Patienten mit einer Langzeitbeatmung (invasiv oder nicht-invasiv), die wiederum stationär behandelt werden, deutlich angestiegen [5] . Es ist also davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Patienten, die zu Hause langzeitbeatmet werden, aufgrund von Problemen oder Komplikationen, die im ambulanten Setting nicht behoben werden können, wieder einer stationären Behandlung bedürfen oder aber auch, dass keine entsprechenden ambulanten Versorgungsstrukturen vorhanden sind. Dabei handelt es sich vorwiegend um ältere (> 70 Jahre) Patienten mit einer hohen Komorbidität und Einschränkungen mehrerer Organfunktionen, die so- Entsprechend den Empfehlungen der aktuellen Deutschen Leitlinie [7] sollte ein Beatmungszentrum neben entsprechender Expertise mit einer Intensivstation auch eine spezialisierte Normalstation für invasiv und nicht-invasiv beatmete Patienten vorhalten und über eine Weaning-Einheit verfügen. Eine solche Strukturierung ist notwendig, da bei einem Großteil der Patienten die invasive außerklinische Beatmung infolge einer akuten Verschlechterung der Grunderkrankung bzw. einem längeren Intensivaufenthalt und Multimorbidität erfolgt. Nur bei ca. 38% der in ein pneumologisches Weaningzentrum verlegten Patienten mit vermeintlichem Weaningversagen liegt dieses tatsächlich auch vor [8] . Mitunter kann auch im Verlauf nach primärem Weaningversagen und Überführung in die außerklinische Beatmung durchaus noch Weaningpotenzial bestehen, sodass die Fortführung einer intensiven physiologischen und logopädischen erapie außerklinisch indiziert sein kann und dann in einem zweiten Schritt erneut eine Überprüfung und ggf. die Durchführung einer Beatmungsentwöhnung in einem entsprechenden Zentrum sinnvoll sein können [7, 9] . Daher sollte der betreuende Hausarzt mit dieser Fragestellung Kontakt mit einem Beatmungs-und Entwöhnungs-Zentrum aufnehmen, falls der Patient aus einer anderweitigen Einrichtung entlassen wurde. Generell sollte eine invasive außerklinische Beatmung möglichst vermieden werden. Auch ist grundsätzlich immer zu prüfen, ob die invasive Beatmung in eine nicht-invasive Beatmung überführt werden kann [7] . Da die Entwöhnung vom Respirator und insbesondere auch die Entscheidung und Durchführung einer Dekanülierungsmaßnahme stets ein komplexes Behandlungskonzept erfordert, ist dies nur im Rahmen eines stationären Settings und nicht ambulant möglich [7, 9] . Eine NIV bietet für Patienten nicht nur erhebliche Vorteile in Bezug auf Mobilität, Autonomie, Kommunikation, Schlucken und Sekretclearance, sondern verursacht auch erheblich geringere Kosten im Vergleich zur invasiven Langzeitbeatmung. Die Einleitung einer NIV muss immer unter stationären Bedingungen erfolgen, da dies einer mehrtägigen (und nächtlichen) Einübungs-und Eingewöhnungsphase unter fachkundiger Anleitung und Vorhaltung bestimmter apparativer Untersuchungs-und Kontrollverfahren bedarf. Darüber hinaus ist eine regelmäßige Betreuung notwendig. Es gibt eine Vielzahl von Maskensystemen und Heimrespiratoren, die jeweils individuell zum Ein-satz kommen. Der Pa tient sollte zu einer selbständigen Maskenanlage sowie Ein-und Ausschalten des Beatmungsgerätes in der Lage sein, im Einzelfall kann dies auch durch eine Betreuungsperson erfolgen. Eine ausführliche Instruktion und Einübung ist unabdingbar für die langfristige erapieadhärenz. In der Regel erfolgt eine intermittierende Selbstbeatmung über 6-8 Stunden, vorwiegend nachts, es können jedoch auch längere Beatmungszeiten notwendig sein. Im Folgenden werden die wesentlichen Indikationen und Besonderheiten dargestellt. Eine chronisch ventilatorische Insu zienz bei thorakal-restriktiven Erkrankungen ist seit Jahren eine etablierte Indikation zur Durchführung einer NIV [7] . Wesentliches Kriterium zur Einleitung ist der Nachweis einer chronischen Hyperkapnie am Tag mit typischen Symptomen der ventilatorischen Insu zienz und Lebensqualitätseinschränkung wie verminderter körperlicher Belastbarkeit, Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen bzw. nächtliche Dyspnoe. Indiziert ist eine NIV auch bei -chronischer Tageshyperkapnie mit PaCO 2 ≥ 45 mmHg -nächtlicher Hyperkapnie mit PaCO 2 ≥ 50 mmHg oder bei -Normokapnie am Tag mit Anstieg des transkutanen pCO 2 um ≥ 10 mmHg in der Nacht. Bei Patienten ohne manifeste Hyperkapnie aber schwerer restriktiver Ventilationsstörung (Vitalkapazität < 50% des Sollwertes) sollen kurzfristige klinische Kontrolluntersuchungen innerhalb von drei Monaten erfolgen, einschließlich einer nächtlichem Polygra e. Hierbei lassen sich dann auch ggf. längerstreckige Sauersto entsättigungen als Korrelat einer nächtlichen Hypoventilation nachweisen. Die NIV in Form einer druck-oder volumengesteuerten Beatmung führt in dieser Indikation durch die Entlastung der Atemmuskulatur und Verbesserung des Gasaustausches meist zu einer vollständigen Beseitigung der Symptomatik mit einer erheblichen Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität [7] sowie der Aufrechterhaltung der Berufstätigkeit. Da die Grunderkrankung meist stabil ist, kann die erapie über Jahre bzw. Jahrzehnte durchgeführt werden. In Beobachtungsstudien wurde bei dieser Patientengruppe ein verbessertes Langzeitüberleben durch die NIV nachgewiesen [7] . Diese Erkrankungsgruppe ist sehr heterogen. Aufgrund der in der Regel betro enen peripheren Muskulatur ist eine klinische Belastungsdyspnoe kein valides Kriterium für eine Beteiligung der Atem-Mittels einer Polysomnogra e lassen sich Atempumpenstörungen nachweisen. pumpmuskulatur, sodass weitere Untersuchungen wie eine Lungenfunktion und eine Messung der Atemmuskelkra sowie der Blutgase notwendig sind. Solche Untersuchungen sollten bei NME in regelmäßigen Abständen erfolgen. Bei einer Verminderung der forcierten Vitalkapazität < 70% des Sollwerts wird die Durchführung einer Poly(somno)gra e, ggf. auch eine transkutane CO 2 -Messung empfohlen, da sich hierbei dann unter Umständen als Frühzeichen einer latenten Atempumpinsu zienz nächtliche Hypoventilationen, zunächst im REM-Schlaf, detektieren lassen (Abb. 4) . Nicht selten lassen sich dann aufgrund einer Mitbeteiligung der pharyngealen Muskulatur auch obstruktive Apnoen erkennen. Eine gewisse Sonderform nimmt die amyotrophe Lateralsklerose ein, da hierbei mitunter rasch progrediente Verläufe zu beobachten sind und die Prognose generell ohne Beatmung ungünstig ist. In diesen Fällen kann eine NIV bei einer forcierten Vitalkapazität (FVC) < 70% und einer Abnahme der FVC um mehr als 10% innerhalb von drei Mo-naten aufgrund des raschen Erkrankungsverlaufs unabhängig von weiteren Untersuchungsbefunden begonnen werden [7] . Auch stellt diese Patientengruppe eine besondere Herausforderung im Management dar, da häu g eine Mitbeteiligung der pharyngealen Muskulatur (bulbäre Symptomatik) und der Handmuskulatur gegeben ist. Mit diesen Patienten muss daher frühzeitig über eine (elekt ive) Tracheotomie und invasive Langzeitbeatmung gesprochen werden. Zu beachten ist bei Patienten mit NME auch die in der Regel eingeschränkte Hustenkapazität und Sekretclearance, sodass eine diesbezügliche Prüfung und ggf. eine spezielle erapie in Form von assistiven Hustentechniken notwendig sind. Insofern ist bei Patienten mit NME die Wahl des Beatmungsverfahrens und Zugangs (NIV oder invasiv) neben dem individuellen Patientenwunsch in besonderem Maße abhängig von -dem Ausmaß der Muskelschwäche im oropharyngealen Bereich und Mundschluss, Patterns of home mechanical ventilation use in Europe: results from the Eurovent survey Explosive Zunahme der häuslichen Krankenpflege bei Beatmeten und Tracheotomierten Ausserklinische Beatmung in Deutschland Positionspapier zur aufwendigen ambulanten Versorgung tracheotomierter Patienten mit und ohne Beatmung nach Langzeit-Intensivtherapie Epidemiologische Entwicklung der außerklinischen Beatmung: Eine rasant zunehmende Herausforderung für die ambulante und stationäre Patientenversorgung Quality of life and life satisfaction are severely impaired in patients with longterm invasive ventilation following ICU treatment and unsuccessful weaning S2k-Leitlinie: Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz -Revision WeanNet: Das Netzwerk von Weaning-Einheiten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) S2k-Leitlinie prolongiertes Weaning Non-invasive positive pressure ventilation for the treatment of severe stable chronic obstructive pulmonary disease: a prospective, multicentre, randomised, controlled clinical trial Effect of home noninvasive ventilation with oxygen therapy vs. oxygen therapy alone on hospital readmission or death after an acute COPD exacerba tion. A randomized clinical trial SpringerMedizin.de/CME