key: cord-0040861-1y3ogha0 authors: Dübel, Stefan; Breitling, Frank; Frenzel, André; Jostock, Thomas; Marschall, Andrea L. J.; Schirrmann, Thomas; Hust, Michael title: Anwendungsgebiete für rekombinante Antikörper date: 2019-10-09 journal: Rekombinante Antikörper DOI: 10.1007/978-3-662-50276-1_5 sha: b0e0adf9d7ec38afbfc4648f0fb30a3cec55b638 doc_id: 40861 cord_uid: 1y3ogha0 Antikörper werden seit Jahrzenten in zahlreichen unterschiedlichen Assays eingesetzt. Der wohl meistverbreitete Assay in der Forschung und Diagnostik ist der Immunblot, auch häufig als Westernblot bezeichnet. Hier werden zuerst Proteine mittels SDS-PAGE aufgetrennt, dann auf eine Nitrocellulose- oder PVDF-Membran übertragen und die nachzuweisenden Proteine mit Hilfe eines Detektionsantikörpers gefärbt. Bessere Werkzeuge für Forschung und Diagnostik Antikörper werden seit Jahrzenten in zahlreichen unterschiedlichen Assays eingesetzt. Der wohl meistverbreitete Assay in der Forschung und Diagnostik ist der Immunblot, auch häufig als Westernblot bezeichnet. Hier werden zuerst Proteine mittels SDS-PAGE aufgetrennt, dann auf eine Nitrocellulose-oder PVDF-Membran übertragen und die nachzuweisenden Proteine mit Hilfe eines Detektionsantikörpers gefärbt. Dazu wird ein Enzym wie die Alkalische Phosphatase (AP) oder die Meerrettich-Peroxidase (HRP) direkt oder über einen Zweitantikörper an den Detektionsantikörper gekoppelt. Der visuelle Nachweis erfolgt mit einem Farbsubstrat oder Chemilumineszenz (Burnette 1981; Schneppenheim und Rautenberg 1987) . Ein in der Diagnostik weit verbreiteter Assays ist der Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) (Engvall und Perlmann 1971) . Je nach Aufbau des ELISA ist das Antigen oder ein Antikörper auf einer Oberfläche in einer Mikrotiterplatte immobilisiert und das Antigen oder der Antikörper -meist Serum -wird nachgewiesen. Die Nachweismethoden sind hier sehr vielfältig, es können fluoreszenzmarkierte oder enzymkonjugierte Antikörper oder Antigene genutzt werden. Die Nachweismoleküle können biotinyliert sein und dann mittels Streptavidin nachgewiesen werden. ELISA werden in großer Vielfalt klinisch genutzt, z. B. für den Nachweis von Antikörpern gegen HIV, den Nachweis des Tuberkulose-Erregers, den Nachweis von Allergenen (Schubert-Ullrich et al. 2009 ) oder die Quantifizierung von Blutparametern wie C-reaktivem Protein (CRP) (Highton und Hessian 1984) . Die Immunfärbung von Zellen (Immuncytochemie, ICC, im Laboralltag auch oft Immunfluoreszenzfärbung genannt) und Geweben (Immunhistochemie, IHC) erlaubt Anwendungsgebiete für rekombinante Antikörper dagegen eine oft beindruckende visuelle Darstellung eines Proteins in einer Zelle (Beispiele: www.proteinatlas.org). Die Sichtbarmachung gebundener Antikörper erfolgt dabei ähnlich wie beim Immunblot enzymatisch (typisch bei Gewebeschnitten), oder wenn größere Auflösung gewünscht wird, durch Fluoreszenzfarbstoffe (meist bei Einzelzellbetrachtung). Die Methode, einen Fluoreszenzfarbstoff an Antikörper zu koppeln, wurde während des Zweiten Weltkriegs zum Nachweis von Pneumokokken entwickelt (Coons et al. 1941) . Der Lateral Flow Assay ist ein Nachweissystem, das vielen Lesern in der Form des Schwangerschaftstest bekannt ist. Bei diesem System wird das Probenauftragfeld des Teststreifens mit einer Flüssigkeit, z. B. Blut oder Urin, benetzt, und das Zielmolekül (Analyt) über ein Sandwich-Antikörper-Testsystem nachgewiesen, z. B. beim Schwangerschaftstest das humane Choriongonadotropin (hCG). Der erste Antikörper ist meist mit Gold markiert, bindet bereits im Probenauftragfeld an den Analyt und wird dann mit ihm zusammen über die Kapillarwirkung durch den Nitrocellulose-Teststreifen gezogen. Der zweite Antikörper auf dem Teststreifen ist immobilisiert und bindet an ein zweites Epitop des Analyts. Hierdurch wird der darin bindende Gold-markierte Antikörper gefangen und für das menschliche Auge sichtbar (Koczula und Gallotta 2016). Der Vorteil solcher Schnelltests ist es, dass sie außerhalb eines Labors, ohne trainiertes Personal und ohne technische Geräte, genutzt werden können (d. h. am Point-of-Care) . Beispiele für Lateral Flow Assays sind der Nachweis von Tuberkulose (Gonzalez et al. 2014) , Ebola-Virus (Phan et al. 2016) , Kryptokokken bei einer Meningitis (Bahr und Boulware 2014), die begleitende Diagnostik bei einer Therapie (Corstjens et al. 2013) oder der Nachweis von Drogen im Speichel (Barrett et al. 2001) . Rekombinante Antikörper sind natürlich mit all diesen klassischen Assays generell kompatibel, wobei einige in den letzten Jahren durch speziell angepasste rekombinante Antikörper verbessert werden konnten -hier besteht durch die Möglichkeit, biochemische Parameter der Antikörper in vitro durch Antikörper-Engineering gezielt zu verbessern und ggf. an bestimmte Assayformate anzupassen, noch viel Potenzial in der Zukunft (einige Beispiele siehe folgende Abschnitte). Die momentan in den Katalogen von Forschungsreagenzien aufgrund der preiswerten Herstellung immer noch vorherrschenden polyklonalen Antiseren sind Extrakte aus dem Blut immunisierter Tiere und haben damit drei wesentliche Nachteile. Zum einen sind sie nur begrenzt verfügbar -ist das Serum eines Tieres aufgebraucht, können die damit gemachten Experimente nie mehr reproduziert werden. Zum zweiten sind die enthaltenen Immunglobuline stets unbekannte Gemische, womit das Risiko unerwünschter Nebenreaktivitäten besteht. Im direkten Vergleich mit sequenzdefinierten Antikörpern wird dies deutlich -so können polyklonale Antiseren z. B. Reaktivitäten auch in Proben zeigen, welche genetisch negativ für das Antigen sind (Beispiel: Russo et al. 2018b) . Deshalb war die Entwicklung der Hybridomtechnologie (Abschn. 2.3) ein bedeutender Fortschritt. Ohne monoklonale Antikörper aus Hybridomen würde die heutige Immunologie nicht existieren, so wenig wie unzählige wichtige Beiträge zur Zellbiologie, Molekularbiologie, Entwicklungsbiologie und Biochemie. Mit dem Beginn der Nutzung rekombinanter Antikörper für die Therapie, getrieben von der Notwendigkeit, humane Antikörpersequenzen für eine bessere Verträglichkeit im Patienten zu generieren, begann man, Hybridome auch auf genetischer Ebene zu untersuchen. Seit dieser Zeit gab es immer wieder anekdotische Befunde und Publikationen, die über Heterogenität der Antikörper-mRNA in Hybridomen berichteten. Ein systematischer Vergleich der Antigenbindungssignale von Hybridom-Überständen monoklonaler Antikörper gegenüber der gleichen Konzentration von daraus mit Hilfe von Antikörper-DNA-Sequenzierung identifizierten rekombinant produzierten IgG erbrachte signifikante Unterschiede (Bradbury et al. 2018) . Die klonierten und rekombinanten Versionen hatten in allen getesteten Beispielen eine höhere Affinität und weniger störende Neben-Reaktivitäten, sie waren also sowohl affiner als auch spezifischer. Die Ursache dieses Phänomens erklärt die Beobachtung, dass ein erheblicher Anteil (ca. 50 %) der Hybridome Antikörper-mRNA mehrerer verschiedener IgG-Ketten enthält. Davon sind viele produktiv (in etwa 30 % der Hybridome), d. h. sie führen zur Produktion einer zusätzlichen unerwünschten Antikörperkette. Dann wird dementsprechend ein Gemisch von IgG sekretiert, welches entsprechend der kombinatorischen Variationsmöglichkeiten bei mehreren leichten und schweren Ketten (Abschn. 2.3.1) unterschiedliche Spezifitäten -zum Teil sogar innerhalb eines IgG-Moleküls -enthält. Dies hat bereits zu Problemen bei der medizinischen Nutzung von hybridombasierten monoklonalen Antikörpern geführt. Von 53 präklinischen Studien, welche jeweils als grundlegender Fortschritt in der Medizin angesehen wurden, erbrachte eine spätere Untersuchung lediglich eine Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bei sechs Studien, was die Autoren insbesondere auf undefinierte Antikörper zurückführten (Begley und Ellis 2012). Besonders kritisch sind solche undefinierten Reaktivitäten, wenn mit Hilfe von Antikörperassays klinische Behandlungsentscheidungen bei lebensbedrohenden Erkrankungen getroffen werden. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Maus-monoklonale Antikörper 8F1, der zur Quantifizierung des Tumormarkers excision repair cross-complementation group 1 protein (ERCC1) für die Stratifizierung von Krebspatienten vor der Anwendung einer adjuvanten Chemotherapie eingesetzt wurde (Vaezi et al. 2014) . Es zeigte sich, dass vor allem die Reaktion mit einem ganz anderen Antigen, der Cholinphosphat-Cytidylyltransferase, für die starke Reaktion im Tumorgewebe verantwortlich war. Eine Studie von 2008 beschreibt sogar, dass von 6000 untersuchten käuflichen Antikörpern weniger als 50 % ihr Traget spezifisch erkennen. Nur sequenzdefinierte rekombinante Antikörper werden 5.1 Bessere Werkzeuge für Forschung und Diagnostik deshalb die in naher Zukunft den erwarteten höheren Standards bei der Dokumentation der Identität eines Reagens in Diagnostik und Forschung erfüllen können (Bradbury und Plückthun 2015) . Sie erlauben erstmals eine unbegrenzte Reproduzierbarkeit der erzielten wissenschaftlichen Ergebnisse, da polyklonale Antikörper ja stets durch die entnommene Menge an Tierblut beschränkt sind und viele der bis heute in akademischen Projekten erzeugten Hybridomklone, welche monoklonale Antikörper produzieren, ebenfalls nicht mehr verfügbar sind, da ihre Aufbewahrung in flüssigem Stickstoff aufwendig und teuer ist. Ein wichtiger Aspekt ist zudem, dass auch Forschungsantikörper heute komplett tierversuchsfrei erzeugt werden können -so wurden in den letzten Jahren in internationalen akademischen Konsortien mehr als 2500 monoklonale rekombinante Forschungsantikörper mit Hilfe des Phagendisplays entwickelt. Insgesamt gehört deshalb den stets von Anfang an sequenzdefinierten Antikörpern auch in akademischen Forschungsprojekten eindeutig die Zukunft. Mittlerweile werden sogar von der Firma Abcalis "multi-monoklonale" Gemische von tierversuchsfrei hergestellten sequenzdefinierten Antikörpern als Ersatz für die als Zweitantikörper heute noch weitverbreiteten polyklonalen Tierseren angeboten. Solche multimonoklonale Gemische vereinen dadurch die Vorteile sequenzdefinierter Antikörper aus dem Phagendisplay mit dem Vorteil polyklonaler Antiseren, ihre Antigene an mehreren Epitopen (ergibt stärkeres Signal) und meist auch in mehr Zustandsformen/Assays zu erkennen. Bei allen therapeutischen Antikörpern gilt die Identitätsdefinition über die Primärsequenz bereits seit mehr als 20 Jahren als unverzichtbar und selbstverständlich. Es wäre zu wünschen, dass zumindest auch die diagnostischen Tests in unserer Krankenversorgung in Zukunft durch sequenzdefinierte Antikörper besser reproduzierbar gemacht werden. Die technischen Voraussetzungen dafür bestehen heute bereits. Katalytische Aktivität ist von natürlich vorkommenden Antikörpern bekannt. So haben einige der für die Autoimmunkrankheit Systemischer Lupus erythematosus (SLE) typischen Anti-Nucleär-Antigen-(ANA-)Autoantikörper DNA-hydrolysierende Aktivität, und das mit einer Umsatzrate, die sich durchaus mit der von Restriktionsendonucleasen wie EcoRI messen kann (Shuster et al. 1992) . Andere natürlich vorkommende katalytische Antikörper hydrolysieren natürlich vorkommende Peptide (Paul et al. 1989; Li et al. 1995 Hat die gewünschte Reaktion nun stattgefunden, so sollte das Endprodukt den katalytischen Antikörper schnell verlassen können, damit der Reaktionszyklus mit einem neuen Molekül möglichst sofort wieder beginnen kann. Dieser Schritt bestimmt wesentlich die Umsatzrate der Reaktion. Wie findet man unter den vielen Milliarden verschiedenen Antikörpern diejenigen mit katalytischer Aktivität heraus? Die schon von Linus Pauling vorausgesagten Wirkprinzipien weisen dabei den Weg. Er postulierte, dass Antikörper mit katalytischer Aktivität den Übergangszustand einer Reaktion stabilisieren. Wenn es nun gelingt, ein möglichst genaues, stabiles Abbild des Übergangszustands zu synthetisieren, so müsste man eine Maus damit immunisieren können. Das Immunsystem der Maus bildet dann Antikörper gegen diesen Übergangszustand. Unter diesen Antikörpern wiederum sollten sich auch die gewünschten katalytischen Antikörper befinden (Lerner et al. 1991) . Eine Voraussetzung ist dabei natürlich, dass der Übergangszustand überhaupt bekannt ist und ein Analogon des Übergangszustands synthetisiert werden kann. Oft gibt die Natur dabei wieder einen Fingerzeig, denn man weiß heute, dass viele Inhibitoren von Enzymen dem Übergangszustand der katalysierten Reaktion ähneln. Das Enzym bindet mit hoher Affinität an den Inhibitor, der im Gegensatz zu dem Substrat nicht umgesetzt wird und damit die Enzymaktivität blockiert. Nachdem eine Maus mit einem Inhibitor des Enzym Ferrochelatase immunisiert wurde, bildete sie tatsächlich katalytische Antikörper mit Ferrochelatase-Aktivität (Cochran und Schultz 1990). Einer der dabei gewonnenen monoklonalen Antikörper hatte eine katalytische Aktivität, die sich durchaus mit dem entsprechenden Enzym messen kann. Auch bei den katalytischen Antikörpern hat die Technologie der rekombinanten Antikörper die Entwicklung beschleunigt (Gibbs et al. 1991) . So wurden z. B. Enzyme auf der Oberfläche von Phagen präsentiert und mit Hilfe eines Selbstmord-Inhibitors aufgrund ihrer katalytischen Aktivität angereichert (Soumillion et al. 1994) . In einem anderen Ansatz wurde nach Phagemidantikörpern gesucht, die über eine Disulfidbrücke mit dem Substrat verbunden waren. Eluiert wurden die Phagemidantikörper anschließend durch das reduzierende Agens DTT. Der Trick war nun, dass im Substrat eigentlich gar keine freie SH-Gruppe zur Verfügung stand, dazu musste erst eine im Substrat vorhandene Disulfidbrücke gespalten werden, d. h. es musste eine Katalyse stattfinden (Janda et al. 1994) . Noch wesentlich eleganter ist die Kombination der rekombinanten Antikörper mit einer positiven Selektion -der katalytische Antikörper verhilft den Bakterien oder Hefen zum Überleben. In der Hefe wurde ein katalytischer Antikörper im Cytoplasma exprimiert, der die Vorstufe Chorismat in Prephenat spaltet, das für die Biosynthese der aromatischen Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin benötigt wird. Der katalytische Antikörper übernimmt damit die Arbeit des in diesem Hefestamm defekten Enzyms Chorismatmutase (EC 5.4.99.5 (Wentworth et al. 1996) . Warum gibt es darüber hinaus ein so großes Interesse an katalytischen Antikörpern? Bestenfalls erreichen sie bisher Katalyseraten, die mit den entsprechenden Enzymen vergleichbar sind, doch wird es wohl selten gelingen, Enzyme zu übertreffen, die in Milliarden von Jahren durch Evolution optimiert wurden. Die Antwort liegt darin, dass die Evolution nur eine begrenzte Zahl von Katalysen "erfunden" hat, für viele interessante Reaktionswege gibt es daher keine Enzyme. Antikörper -insbesondere mit Hilfe der mannigfaltigen Möglichkeiten, sie außerhalb von lebenden Organismen rekombinant herzustellen -sollten auch neue und "unnatürliche" Reaktionswege katalysieren können. Die einzig wirkliche Beschränkung läge dann in der Synthese eines geeigneten Analogons des Übergangszustands. Die zukünftigen möglichen Nutzungen reichen deshalb von der Entsorgung in der Natur nicht vorkommender Abfallstoffe, wie z. B. Halogenide, bis zur Synthese organischer Verbindungen nach dem Ende der Erdöl-Zeit. Neue Ansätze, die nur mit rekombinanten Antikörpern möglich sind In den letzten Jahren ist nicht verborgen geblieben, dass rekombinante Antikörper auch den Verzicht auf die bisher zur Antikörpererzeugung notwendigen Tierversuche ermöglichen würde. Die Erklärung dafür ist einleuchtend, betrachtet man die Grundlagen der Antigenentstehung. Ein sozusagen automatisch eingebauter Faktor bei der Herstellung der für die in Tab. 5.2 genutzten Phagendisplaybibliotheken war die zufällige Kombinatorik von leichter und schwerer Kette, die durch die Mischung bei der Klonierung nach der PCR entsteht (Abb. 2.4). Dies stellt sozusagen die strukturelle Vielfalt des Ausgangszustands der B-Zellen in unserem Körper vor der Toleranzselektion wieder her, welche Anti-Human-Antikörper aussortiert. Auch jede Autoimmunerkrankung ist ein Beleg, dass unser Gen-Pool durchaus Anti-Human-Antikörper beinhaltet. Man kann sogar davon ausgehen, dass die in Jahrmillionen geformte Zahl und Zusammensetzung der V-, D-und J-Gene Resultat einer Optimierung unter starkem Selektionsdruck von zwei Seiten sind: zum einen auf die Fähigkeit, jegliche strukturell mögliche Antigenstruktur mit einer Fläche bis ca 800 Å 2 spezifisch binden zu können, dafür zum Zweiten jedoch nur eine minimale Zahl an Genen vorzuhalten, denn jede weitere Struktur erhöht neben der Genomgröße auch das Risiko autoimmuner Phänomene. Dass dies gelungen ist, belegt auch folgende Betrachtung: Wir haben lediglich je 83 Gensegmente für die leichten bzw. schweren Ketten (Tab. 1.1). In der Natur kann unser Immunsystem in kurzer Zeit aus dieser eigentlich erstaunlich geringen Zahl vorgegebener Gene effektiv bindende Antikörper gegen völlig neu entstandene Mutationen von Krankheitserregern herstellen, die in der vorherigen Evolution niemals aufgetreten sind. Sogar Antikörper gegen künstliche Stoffe, welche in der Natur nicht vorkommen, wie z. B. Buckminsterfullerene, können gebildet werden. Bakterien mutieren innerhalb von Stunden und können in dieser Zeit völlig neue Oberflächenmerkmale bilden. Die limitierte Gensammlung für Antikörper in unserem Körper bietet ganz offensichtlich ein ausreichend großes Strukturrepertoire, um selbst praktisch jedes mögliche neue Antigen zu binden -hätten wir das nicht, könnte kein Mensch 5000-mal länger leben als die Vermehrungs-und damit Mutationszeit von Bakterien. Ein Nebeneffekt der vermehrten Herstellung von rekombinanten Antikörpern im Vergleich zu bisherigen Methoden war die Erkenntnis, dass die vorhandenen Forschungsantikörper in aller Regel unzureichend charakterisiert sind -hier wurde versucht, verbesserte Minimalstandards zu schaffen (Bourbeillon et al. 2010; Gloriam et al. 2010) . Dennoch sind auch heute noch ein großer Teil der kommerziell erhältlichen Forschungsantikörper mit Qualitätsproblemen behaftet oder sogar gänzlich funktionslos (Bradbury und Plückthun 2015) . Zu lösen ist insbesondere das Problem der Klonidentität letztlich nur durch Sequenzierung und Veröffentlichung in entsprechenden Datenbanken für Antikörpersequenzen. Rekombinante Antikörper sind dagegen bereits per Definition sequenzdefiniert, und die Sequenz wird praktisch immer während der Herstellung ermittelt. Diese nun vorhandenen Möglichkeiten zur Erzeugung von großen Zahlen von Forschungsantikörpern, z. B. für die Herstellung von Antikörper-Arrays (Hoheisel et al. 2013) bieten zudem einen nicht zu vergessenden Vorteil: Es wird dafür im Gegensatz zu allen bisherigen Ansätzen keinerlei Versuchstier mehr geopfert. Antikörper-Arrays können auch für die Selektion von höherqualitativen Antikörpern aus einer größeren Anzahl von Kandidaten eingesetzt werden (Kibat et al. 2015) . Eine "unsterbliche" und unerschöpfliche Antikörper-Biobank aus rekombinanten Antikörpern gegen jedes menschliche Protein ist also bereits heute technisch machbar -und bietet neben der kompletten Vermeidung von Tierversuchen noch einen wichtigen Vorteil: Zu ihrer Aufbewahrung braucht man keinen teuren flüssigen Stickstoff wie bei Hybridomen -die E. coli-Klone brauchen nur einen Gefrierschrank, und die isolierte DNA jedes Klons kann als Backup auf Löschblattstückchen in einem Album getrocknet unbegrenzt aufbewahrt werden. Selbst wenn diese DNA-Klone verloren gingen, ermöglicht die im Computer gespeicherte DNA-Sequenz einen einfachen Nachbau jedes Klons und damit erstmals wirklich eine unbegrenzte Reproduzierbarkeit der entsprechenden Versuche. Im Licht all dieser Argumente ist es eigentlich unverständlich, dass die allgemein eingesetzten Forschungsantikörper nicht bereits sehr viel häufiger in vitro erzeugt werden -zumal dies auch die bisher nötigen Tierversuche komplett vermeiden würde. Die Gründe liegen wohl einerseits in der historischen Entwicklung der Technologie bevorzugt im stark patentregulierten Pharmabereich wie andererseits in der enormen Diversität der Anwendungsgebiete -für jedes einzelne muss ein Demonstrationsbeispiel gezeigt werden, um die Kollegen zu überzeugen. Immerhin sind in einer wachsenden Zahl von Katalogen mittlerweile tierversuchfrei hergestellte rekombinante Antikörper als Forschungsreagenzien zu finden -wenngleich manchmal gar nicht als solche ausgewiesen: offenbar haben einige Kunden hier immer noch Vorurteile. Es ist zu hoffen, dass sich dies zumindest aufgrund der sonstigen Vorteile sequenzdefinieter Antikörper (vergleiche auch Abschn. 5.1.2.) bald ändert -es gibt sogar bereits versuchstierfrei hergestellte multimonoklonale Mischungen sequenzdefinierter Antikörper als Ersatz für die bisher fast ausnahmslos aus Tierseren gewonnenen Sekundärantikörper. Nach der Erzeugung eines rekombinanten Antikörpers steht sofort seine DNA zur Verfügung und kann unaufwendig in andere Formate umkloniert werden. Das komplette IgG-Molekül ist jedoch für das "Radio-Imaging" nicht optimal geeignet, dessen Ziel es ja ist, die Patienten nach der Erzeugung des Bildes möglichst schnell wieder von der Radioaktivität zu befreien. Die Verwendung kurzlebiger Radionuklide hilft natürlich dabei, jedoch fand man heraus, dass nur ein sehr geringer Anteil der injizierten Antikörper überhaupt ihr Ziel, den Tumor, erreichten. Ein Grund dafür ist das Recycling von IgG durch den FcRn-Rezeptor (Abb. 3.9), welcher zu einem sehr viel längerem Verbleib der IgG-Moleküle im Körper führt. Deshalb werden mittlerweile die ursprünglich für die in vivo-Diagnostik zugelassenen IgG-Konjugate kaum noch eingesetzt. Als Abhilfe wurde versucht, mit kleinen Fragmenten (scFv) ohne einen Fc-Teil diesem Nachteil beim "Radio-Imaging" zu begegnen. Solche kleinen Fragmente gingen aber sehr schnell aus dem Plasma in den Urin über, da ihre Größe unterhalb der Filtrationsgrenze von etwa 60 kDa lag, sodass sie nicht in der Niere zurückgehalten werden. Durch systematische Versuche wurde eine Größe etwa in der Mitte zwischen scFv-Fragmenten und IgG gefunden, welche die Bindung einer größeren Menge von Antikörpern am Tumor, ein besseres Verhältnis zwischen den Konzentrationen am Tumor und im Blut sowie eine schnellere Ausfiltration erlaubte. Die in initialen Studien verwendeten Antikörpervarianten wurden als Minibodies bezeichnet (Abb. 3.11) und bestanden aus zwei scFv-Fragmenten, welche von einem Paar dimerisierter konstanter (C H 3-)Domänen -also keinem kompletten Fc-Fragment -zusammengehalten wurden. Sie hatten die kompletten bivalenten Bindungseigenschaften des ursprünglichen IgG, keine FcRn-Bindung und bestanden nur aus sechs Domänen (statt der 12 eines IgG) (Hu et al. 1996) . Basierend auf diesen Erkenntnissen können heute rekombinante Antikörperkonstrukte für das "Radio-Imaging" gezielt für bestimmte pharmakokinetische Eigenschaften entwickelt werden (Tab. 5.3). Einen Überblick geben Freise und Wu (2015). Auch wurde durch die breitere Verfügbarkeit von PET (Positronenemissionstomographie)-Geräten in unseren Kliniken die Verwendung von Nukliden möglich, welche Positronen emittieren, wie z. B. Zirkon 89 Zr (Wu 2014). Sogar Fluoreszenzmarkierungen wurden für topische Anwendungen vorgeschlagen (Atreya et al. 2014). Die Kombination der mittlerweile ausgereiften Technologien zur Modulation der Serumhalbwertszeiten durch Mutationen und Größenanpassung mit neuen Bildgebungsprinzipien dürfte bald zu einer Renaissance der antikörpervermittelten in vivo-Bildgebung führen. Format Domänenzusammensetzung Der Begriff Intrabody bezeichnet einen Antikörper, welcher innerhalb einer Zelle gezielt in einer Weise produziert wird, dass er in dieser Zelle verbleibt und auch dort sein Antigen bindet. Im Gegensatz zu den natürlichen sekretierten oder membranständigen Immunglobulinen ist die Antigen-Bindungsspezifität also sozusagen "nach innen" gerichtet. Damit erschließt man sich eine enorme Vielfalt an neuen Möglichkeiten, welche die außerordentliche Spezifität der Antikörper-Antigen-Bindung zur Lokalisation und Funktionsanalyse von Proteinen im hochkomplexen Milieu einer lebenden Zelle nutzen. Die Idee, funktionelle Antikörper in lebenden Zellen einzusetzen, wurde bereits in den 1980er Jahren vorangetrieben. Es gelang der Nachweis, dass durch Mikroinjektion eingebrachte Immunglobuline an ihr Antigen in der Zelle binden konnten und dort über einige Zeit stabil waren. Es konnten so wichtige Erkenntnisse zur Organisation des Cytoskeletts gewonnen werden (Lin und Feramisco 1981; Warn et al. 1987) . Es stellt sich also die Frage, warum nicht weitaus mehr Arbeiten diese Methode verwenden. Zunächst trug dazu bei, dass die Mikroinjektion kaum für breitere biochemische oder zellbiologische Studien geeignet ist. Große Hoffnungen wurden deshalb auf Proteintransfektionsmethoden gesetzt, für die eine Vielzahl von Ansätzen vorgeschlagen wurde. Viele Studien wurden mit Hilfe von membrangängigen Peptiden oder Protein-Transfektionsreagenzien durchgeführt. Eine vergleichend-quantitative Analyse zeigte jedoch kürzlich, dass ein sehr großer Teil dieser Methoden zur Einschleusung einer quantitativ ausreichenden Menge von Antikörpern in eine lebende Zelle nicht geeignet und die Methoden sehr anfällig für Artefakte sind (Marschall et al. 2014b) . Dies zeigt sich auch darin, dass trotz zahlloser Publikationen, welche eine Proteintransfektion ("profection") mit intrazellulärer Antikörperwirkung postulieren, ein Nachweis der quantitativen Aufnahme selten demonstriert werden konnte. So gelang erst 25 Jahre nach der ersten Mikroinjektion von Antikörpern gegen Tubulin in lebenden Zellen mit einer anderen Methode wieder ein Nachweis des Einbringens von ausreichenden Mengen von Antikörpern zur mikroskopischen Darstellung der Mikrotubuli: Dabei wurden rekombinante single chain-Fv-Fc-Antikörper durch Elektroporation eingebracht, welche als einzige in der Lage war, angemessene Aufnahmeraten zu gewährleisten (Marschall et al. 2014b Gezeigt Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass das Antikörperfragment unter die Kontrolle von gewebespezifischen, induzierbaren Promotoren gestellt werden könnte. Dadurch würde das Zielantigen nur in bestimmten Geweben im ER zurückgehalten und in seiner Funktion gehemmt. Auch die Verwendung von außen induzierbarer Promotoren ist möglich. Der Vorteil gegenüber genetischen Knock-out-Mutanten tritt dann vor allem zutage, wenn Genprodukte für die Ontogenese wichtig sind, sie können dann erst im adulten Tier "abgeschaltet" werden. Zusammengefasst versprechen die Verbesserungen bei der in vitro-Antikörperherstellung eine starke Vereinfachung und höhere Erfolgschancen für zukünftige Intrabody-Experimente, und die Entwicklung der Intrabody-basierten Protein-Knock-down Mäuse eröffnet ganz neue experimentelle Möglichkeiten in der biologischen Forschung -von verbesserten Krankheitsmodellen bis langfristig sogar zu ganz neuen therapeutischen Ansätzen, die Tumorzellen "von innen" heraus mit Antikörpern beseitigen. Antikörper wären für viele biologische Produkte ein ideales Material für deren technische Aufreinigung -sie sind hoch spezifisch und hochaffin, könnten somit Anreicherungsfaktoren erreichen, die mit den typischen chromatographischen Materialien unerreichbar sind. Die Vorteile affinitätschromatographischer Reinigung wurden in Abschn. 4.4.2.3 (Protein A/G) bereits dargestellt. Die große Affinität der Antikörper hat aber dazu geführt, dass es entsprechende Verfahren praktisch kaum gibt, denn sie führt dazu, dass die zu reinigenden Stoffe zu fest gebunden werden. Um sie vom Chromatographiematerial wieder abzulösen, bedarf es in der Regel einer sehr starken Änderung des biochemischen Milieus -typischerweise sehr großer Änderungen in pH, Salzkonzentration oder sogar dem Zusatz chaotroper oder sonstiger denaturierender Reagenzien. Damit wird der Nachteil deutlich: Solche harschen Elutionsbedingungen beeinträchtigen in den meisten Fällen die Qualität des eluierten Biomoleküls, z. B. indem sie seine natürliche Konformation zerstören. Um dennoch in den Genuss der Vorteile affinitätschromatographischer Reinigung mit Antikörpern zu kommen, werden seit einigen Jahren Antikörpervarianten entwickelt, welche ihre Affinität in Abhängigkeit von einer dritten Substanz ändern -also durch Zugabe dieser Substanz "schaltbar" werden. Erste Ansätze beruhen auf dem Einbau von Aminosäureseitenketten nahe des Paratops, welche aufgrund ihrer Ladungseigenschaften Ionen binden können. So konnten mit Hilfe entsprechend entworfener Phagendisplay-Panning-Strategien Antikörper gefunden werden, welche nur in Gegenwart von Calciumionen an ihr Antigen banden (Hironiwa et al. 2016 Solche Ansätze haben aber den Nachteil, dass sie stets eine aufwendige individuelle Veränderung eines bestimmten Antikörpers erfordern. Eine Alternative dazu wäre, wenn es gelänge, einen "universellen" Schalter abseits der Antigenbindungsstellen in das Antikörpergerüst einzubauen, welcher eine Affinitätsänderung über allosterische Effekte bewirkt. Der Vorteil eines solchen allosterischen Schalters wäre die leichte Übertragung des Schaltereffektes auf Antikörper beliebiger Spezifitäten, da weder die CDR noch die FR-Regionen -dabei modifiziert werden müssen. Ein Ansatzpunkt dafür wäre eine Konformationsänderung im Linker-Peptid zwischen den V H -und V L -Regionen eines scFv-Fragmentes, welches die Orientierung dieser beiden Domänen zueinander verändert. Solche unterschiedlichen Winkel sind aus Kristallstrukturen von Antikörpern durchaus bekannt. So gelang es, nach Ersetzen des (G 4 S) 3 -Linkers eines Anti-Fluorescein-Antikörpers durch Elastin-ähnliche Peptide, welche ihre Konformation temperaturabhängig verändern, eine leichte Veränderung der Affinitäten bei Temperaturerhöhung im Vergleich zum ursprünglichen Linker zu messen (Megeed et al. 2006 Die Weltgesundheitsorganisation hat ein System von eindeutigen Bezeichnungen entwickelt, mit denen alle Wirkstoffe in Medikamenten benannt werden, sobald sie in die Gezeigt sind in der EU und den USA zugelassene Medikamente, deren Wirkmechanismen über die Wirkungsweise von natürlichen IgG hinausgehen. Grün: Antigenspezifität Anwendung kommen. Bis zur Einführung dieser Nomenklatur wurden oft von verschiedenen Labors für die gleichen Wirkstoffe unterschiedliche Synonyme, Abkürzungen oder laborinterne Klonbezeichnungen verwendet, sodass eine Nachvollziehbarkeit der Versuche oft schwer war. Bei Antikörpern ist seit Mai 2017 eine Nomenklaturversion anzuwenden, die gegenüber den seit den frühen 1990er Jahren verwendeten INNs stark vereinfacht wurde. Alle INN von monoklonalen Antikörpern enden auf -mab, die Silben davor geben Auskunft über weitere Eigenschaften des Wirkstoffs (Tab. 5.4). Nur die erste Silbe kann vom Wirkstoffhersteller frei gewählt werden. Ursprünglich wurden in den INN von Antikörpern neben dem Anwendungsgebiet bzw. Antigen (Subsystem A) auch die Ursprungsorganismen der monoklonalen Antikörper indiziert (Subsystem B), mit der Absicht, dem Kliniker Hinweise auf eine mögliche Immunogenität zu geben. Diese einfache Einordnung wurde aber schnell von den Entwicklungen des Antibody Engineering überholt (Jones et al. 2016) . Heute ist durch in silico-Optimierung, transgene Tiere, synthetische Bibliotheken und vielfältige andere Verbesserungsmethoden die Spezies-Information obsolet. Nach einem kurzen Intermezzo, indem versucht wurde, die Herkunft anhand der effektiven Homologie der Sequenzen zu humanen Genen zu bestimmen, was aber oft nicht eindeutig gelang, wurde die entsprechende Silbe (Subsystem B) komplett gestrichen und das Nomenklatursystem -und die Aussprechbarkeit der Namen -dadurch stark vereinfacht (Tab. 5.5). Bei den bis heute zugelassenen Antikörpern (Tab. 5.4) ist dies aber noch nicht zu erkennen, da ihre INN schon vor vielen Jahren vor Beginn der klinischen Studien für deren Zulassung vergeben wurden. Diese folgen deshalb noch alle dem alten Schema "Prefix (frei wählbare Silbe) + Subsystem A (Antigen/Indikation) + Subsystem B (Herkunft) + Stamm (-mab)". Die meisten der heute für die Therapie verwendeten Antikörper sind für die Krebstherapie zugelassen. Um Krebs zu behandeln, ist es wichtig, ein Zielprotein zu finden, das im Idealfall nur auf den Krebszellen vorkommt. Die Realität ist jedoch komplexer. Die bisher von therapeutischen Antikörpern adressierten Tumor-assoziierten Proteine (Fan et al. 2015) . Aktuell sind nur diese beiden bispezifischen Antikörper zugelassen. Andere bispezifische Antikörper-Formate, die sich auch in der klinischen Erprobung befinden, werden in Abschn. 3.6.1 ebenfalls vorgestellt. Eine neuere Strategie sind Antikörper gegen sogenannte Checkpoint-Inhibitorenin ihrer großen Relevanz auch gewürdigt durch den Nobelpreis für Medizin 2018 für James Allison und Tasuku Honjo. Tumoren wirken immunsupprimierend auf Ihre Umgebung und verhindern damit u. a. die Aktivität von cytotoxischen T-Zellen. Wenn eine cytotoxische T-Zelle mit dem T-Zell-Rezeptor fremde, auf MHC1 präsentierte Proteinfragmente erkennt, gibt es eine Reihe von positiven und negativen Regulatoren der Aktivierung. Tumorzellen können die Aktivierung der T-Zellen verhindern, indem Inhibitoren wie PD-L1 oder B7 überexprimiert werden (Abb. 5.5). Der Antikörper Nivolumab ist gegen den Rezeptor PD1 auf T-Zellen gerichtet und verhindert die Bindung von PD-L1 und damit die Inaktivierung. Ähnlich wirkt der Antikörper Ipilimumab, der an CTLA-4 auf T-Zellen bindet, die Bindung von B7 verhindert und damit gleichfalls einen inaktivierenden Rezeptor blockiert (Drake et al. 2014; Shih et al. 2014) . Da die einzelnen antikörperbasierten Therapien nicht bei allen Patienten wirken, liegt die Zukunft in der Kombination von Antikörpern, z. B. einen Anti-Checkpoint-Inhibitor-Antikörper mit einem Anti-Tumortarget-Antikörper. Auch die Kombination von drei Wirkstoffen ist denkbar. Insgesamt ist eine starke Zunahme von klinischen Studien mit neuen therapeutischen Antikörpern zu sehen (Tab. 5.6): Im Jahr 2018 wurden mit rekombinanten Antikörpern insgesamt 121 klinische Studien der ersten Phase neu begonnen oder die dafür notwendige Genehmigung beantragt (IND), davon 97 Studien für die Tumortherapie. Bei einer insgesamt 2,6-fachen Steigerung im Bereich Krebstherapie in den letzten fünf Jahren (entsprechend einem jährlichen Wachstum von mehr als 20 %) verzeichneten die Checkpoint-Inhibitoren das rasanteste Wachstum: Die klinischen Studien haben sich mehr als verzehnfacht. Während Neuentwicklungen bei Antikörper-drug-Konjugaten (ADC) eher stagnieren, hat sich die Zahl klinischer Studien mit bispezifischen Antikörpern vervierfacht. Insgesamt ist dieses Wachstum rasant, und da die 2018 begonnenen Studien frühestens in einigen Jahren zu ersten Zulassungen führen dürften, kann erwartet werden, dass auch die Wachstumsraten bei Neuzulassungen von Antikörpermedikamenten mindestens für die nächsten fünf Jahre entsprechend stark zunehmen. Die ersten therapeutischen Antikörperseren wurden gegen Diphtherie entwickelt (Abschn. Cytotoxische T-Zellen (CD8 + T-Zellen) sind nicht nur wichtig für die Zerstörung von virusinfizierten Zellen, sondern können auch Krebszellen töten, wenn sie diese Peptide von Neoantigenen mittels MHC-Klasse-I präsentieren (Bolhuis und Braakman 1988 Neben cytotoxischen T-Zellen sind NK-Zellen für die Bekämpfung von Tumorzellen und virusinfizierten Zellen wichtig. Bei der "normalen" Antikörpertherapie binden Antikörper an den Tumor, und NK-Zellen binden über den FcγRezeptor an die gebundenen Antikörper und töten die Zielzelle ab. Wenn die NK-Zellen den Antikörper gleich auf der Oberfläche tragen würden, könnten sie direkt die Tumorzellen spezifisch abtöten. Dies wird mit CAR auf NK-Zellen erreicht. Auch dieser Ansatz befindet sich in zahlreichen klinischen Leukämiestudien (Rezvani und Rouce 2015). Bei NK-Zellen ist die Entwicklung der Generierung von patientenspezifischen CAR schon weiter fortgeschritten als bei CAR-T-Zellen und es gibt Ansätze zur Nutzung einer Zelllinie. Basierend auf der Zelllinie NK-92 wurden bisher zahlreiche CAR-Konstrukte für unterschiedliche Tumortargets hergestellt (Hermanson und Kaufman 2015) . Welche Therapieform -CAR-T-Zellen, CAR-NK-Zellen, personalisierter Ansatz oder Zelllinie -am besten geeignet ist, kann zurzeit nicht gesagt werden und wird auch sehr von der individuellen Tumorart abhängen. Mit Lokivetmab wurde erstmals ein therapeutischer Antikörper für die Verwendung in der Veterinärmedizin eingeführt (Michels et al. 2016) . Lokivetmab ist ein monoklonaler Antikörper, der "caninisiert", also analog zu einer Humanisierung an die natürliche IgG-Sequenz von Hunden angepasst wurde, um ihn besser verträglich zu machen. Lokivetmab neutralisiert das pro-inflammatorische Cytokin Interleukin-31 (Il-31). Dieses spielt eine Schlüsselrolle bei der allergischen Reaktion, die zur atopischen Dermatitis bei Hunden führt, welche bei 10-15 % der Haushunde auftritt und diese durch intensiven Juckreiz stark belastet. In den USA wurde das entsprechende Antikörperpräparat im Jahr 2016, in der EU 2017 zugelassen. Es bietet gegenüber den bei dieser Erkrankung bisher verwendeten breit wirkenden Immunsuppressiva den Vorteil, dass eine allgemeine Immunreaktion gegen Infektionen nicht negativ beeinflusst wird. Auch die Produktion der Antikörper als Wirkstoff könnte umgangen werden. Mit Hilfe der Gabe reiner DNA, analog zur DNA-Vakzinierung, würde lediglich die DNA-Information zum Bau eines Pathogen-neutralisierenden Antikörpers gespritztder Patient baut sich daraus den Wirkstoff im eigenen Körper selbst. Dies wäre dann eine somatische Gentherapie, ähnlich den bereits zugelassenen Therapien wie etwa mit CAR-T-Zellen. Auch sind DNA-Impfstoffe in der Veterinärmedizin bereits in der Anwendung. Dieser Ansatz würde eine wesentlich schnellere Reaktion z. B. auf tödliche 5.5 Antikörperentwicklung und Antikörpertherapie in der Zukunfte Epidemien erlauben -es fallen ja die zeitraubende Entwicklung der Produktionszelllinie für den Antikörper sowie die kostenintensiven Schritte der Proteinaufreinigung komplett weg. Im Downstream-Prozess dürfte weitere Zeit gespart werden: Die verschiedenen DNA-Präparate unterschiedlicher Antikörper könnten wahrscheinlich alle mit dem gleichen Prozess produziert, charakterisiert und gereinigt werden. Dies würde außerdem eine einfache Kombination verschiedener monoklonaler Antikörper ermöglichen, um im Patienten definierte Gemische von Antikörpern zu produzieren, welche die Vorteile tierbasierter polyklonaler Antiseren aufweisen, ohne deren Nachteile zu besitzen. Sollte sich dieser Weg als gangbar erweisen, könnte er auch eine dramatische Verringerung der Kosten für die Behandlung mit therapeutischen Antikörpern bewirken. DNA-Plasmide herzustellen ist um Größenordnungen preiswerter als die Produktion des entsprechenden Proteins, außerdem ist DNA im Vergleich zu Antikörperlösungen extrem stabil -so stabil, dass wir die Erbsubstanz von Neandertaler und Mammut sequenzieren konnten, nachdem diese Zehntausende von Jahren im Boden lag. Vergleichbare DNA-Vektoren werden in akademischen Projekten meist eingetrocknet auf Löschblättchen per Brief verschickt -eine Kühlkette wäre deshalb für diesen neuen Medikamententyp nicht mehr erforderlich, womit er auch für Gesundheitssysteme in Regionen unserer Welt nutzbar würde, die sich teure Proteinmedikamente bisher nicht leisten können. Alternativ kannanalog zur mRNA-Vakzinierung nur eine mRNA eingesetzt werden, welche für einen Antikörper codiert. Deren Vorteil ist zum einen, dass die Antikörperproduktion im Patienten sehr schnell startet -wichtig bei akut lebensbedrohlichen Zuständen. Außerdem kann durch die kurze Halbwertszeit der mRNA die Menge der produzierten Antikörper geregelt werden, und nach Ende der Gabe der mRNA wird auch recht schnell nichts mehr produziert. Auch werden keine zusätzlichen Gene eingebracht, welche z. B. in den Shuttle-Vektoren für die DNA-Vaccinierung nötig sind. In Kombination mit der schnellen Identifikation von Antikörpern durch in vitro-Display bestünden so schon heute die technischen Möglichkeiten, innerhalb von ein bis zwei Wochen einen Passivimpfstoff oder ein Antitoxin gegen neue, heute noch unbekannte tödliche Infektionserkrankungen zu entwickeln. Die Autoren sind jedenfalls sehr gespannt, was bei der nächsten Auflage dieses Buches zu all diesen vielversprechenden Zukunftsperspektiven zu berichten sein wird. Die meisten bakteriellen Erreger können heute noch mit Antibiotika bekämpft werden, es gibt jedoch immer mehr multiresistente Stämme, z. B. die MRSA-Stämme von Staphylococcus aureus, bei denen nur noch einzelne oder gar keine Antibiotika mehr wirken (Collignon Krankenhauskeim") S. aureus werden aktuell zahlreiche Antikörper gegen verschiedene Zielstrukturen auf der Bakterienoberfläche sowie gegen Toxine (Abschn. 5.4.5) entwickelt, um für den Fall, dass kein Antibiotikum mehr wirkt, alternative Medikamente zur Verfügung zu haben Hier wird ein bispezifischer Antikörper (Abschn. 3.6.1) (MEDI3902) entwickelt, der an ein Exopolysaccharid und an ein Sekretionsprotein von P. aeruginosa binden kann MERS-CoV Oberfläche von cytotoxischen T-Zellen bringt, die Aktivierung der T-Zellen mit der Bindung an das Tumortarget verknüpft und somit diese Effektorzellen direkt gegen den Tumor richtet. Der Rezeptor auf der Oberfläche wird als chimärer Antigenrezeptor bezeichnet, da er aus unterschiedlichen Proteindomänen zusammengesetzt ist. Der eigentliche Rezeptor ist ein scFv, daran schließt sich eine Linker an (auch als hinge bezeichnet), dieser Linker kann z. B. vom CD8-Molekül stammen, dann kommt eine Transmembrandomäne, z. B. auch vom CD8-Molekül, intrazellulär schließt sich daran bei CAR der sogenannten zweiten Generation eine CD28-oder 4-1BB-Signaldomäne an (bei CAR der dritten Generation sind es zwei Signaldomänen) Somit ist die Therapie patientenspezifisch und sehr teuer (Kosten 2018 in Europa: 320.000 € pro Patient)