key: cord-0040055-dazf55h1 authors: Schmitt, Caroline title: COVID-19: Soziale Arbeit auf der Suche nach ihrem Auftrag im Katastrophenfall date: 2020-04-01 journal: nan DOI: 10.1007/s12054-020-00284-5 sha: c8d5a14aeb84a92d5bcfe22b89ba863e534d1554 doc_id: 40055 cord_uid: dazf55h1 COVID-19 stellt die Soziale Arbeit vor neue und alte Herausforderungen. Die Pandemie macht den Ausschluss marginalisierter Personengruppen und globale Ungleichheiten besonders sichtbar. Der Beitrag versteht die Corona-Pandemie als „Katastrophe“ und stellt erste Überlegungen dazu an, wie Soziale Arbeit ihren gesellschaftlichen Auftrag angesichts von COVID-19 ausgestalten und sich nachhaltig in der Katastrophenhilfe verankern kann. In den Medien häufen sich die Meldungen zu solidarischer Unterstützung in einer gesellschaftlichen Problemlage, die im öffentlichen Diskurs mit dem Schlagwort "Corona-Krise" bezeichnet wird. Eine solidarische Verbundenheit der Bevölkerung zeigt sich in dieser Krise an vielen Beispielen. Ähnlich wie in Spanien und Italien applaudierten auch in Deutschland am 18. März 2020 vielerorts Menschen auf ihren Balkonen und an ihren Fenstern. Sie drücken ihren Dank an Ärzt_innen, Mitarbeitende im Einzelhandel und das Pflegepersonal in Heimen aus, die eine medizinische Versorgung und den Verkauf von Lebensmitteln am Laufen halten. Nachbarschaftshilfen organisieren Hundeausgeh-Services und Einkäufe für lebensältere Menschen (MDR 2020) und in den sozialen Medien teilen Menschen die Aufforderung, zu Hause zu bleiben, um die Ansteckung durch das Virus für alle einzudämmen. In Berlin hat der Schüler Noah Adler das Bürger_innenportal "Coronaport" (https://www.coronaport.net/) ins Leben gerufen. Die Plattform versteht sich als Schnittstelle. Sie koordiniert Angebot und Bedarf an Unterstützung und bringt Helfer_innen mit Menschen mit Unterstützungsbedarf zusammen. In den Supermärkten werden mancherorts Einkaufszeiten für lebensältere Menschen eingerichtet, damit sie möglichst wenig in Kontakt mit anderen kommen. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte in ihrer Fernsehansprache an die Solidarität der Menschen, sich rücksichtsvoll zu verhalten und im Sinne aller die sozialen Kontakte einzuschränken (Braun 2020) . Was drücken diese exemplarischen Beispiele solidarischen Handelns aus? Der Soziologe Heinz Bude formuliert dies in einem Interview mit Christian Bangel folgendermaßen: COVID-19 schaffe eine kollektive Erfahrung von Verwundbarkeit. Hieraus ergebe sich "ein Gefühl wechselseitiger Sorge" und "Verantwortung" (Bangel 2020, o.S.) , das uns noch länger beschäftigen werde. Zeitgleich zu Erfahrungen von Solidarität macht die Corona-Krise alte und neue Exklusionsmechanismen deutlich: Für die Menschen in Geflüchtetenlagern -ob auf der Insel Lesbos oder in den großen Unterkünften in Deutschland -ist bisher keine systematische Änderung der Lebensumstände in Sicht. In Lagern und Großunterkünften ist eine physische Distanzhaltung aufgrund der räumlichen Enge nicht oder kaum umsetzbar. Die hygienischen Umstände sind schwierig. In improvisierten Camps weltweit sind häufig keine sanitären Anlagen vorhanden. Auch in Wohngegenden, die im öffentlichen Diskurs als "Slums" bezeichnet sind, stellen die Enge des Zusammenlebens und -wohnens und ein häufig nur unzureichender Zugang zu sauberem Wasser und Seife ein großes Risiko im sozialen Miteinander dar. In Krankenhäusern und Altenpflegeheimen sollen Besuchsverbote lebensältere Menschen vor einer Infektion mit dem Virus schützen. Aufgrund von Personalknappheit und der Ökonomisierung des Gesundheitswesens drohen soziale Sorge und Kommunikation in einer besonders schweren Zeit für die betreffenden Menschen noch weiter zu schwinden. Von Armut bedrohte Menschen sehen sich mit der Verschärfung eines ohnehin schon herausfordernden Lebensalltags konfrontiert: Die "Tafeln" haben zu Teilen in Deutschland geschlossen. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist mehrheitlich auf einen Konsum der benötigten Produkte in den noch geöffneten Supermärkten beschränkt. Was bedeutet eine längerfristige Auseinandersetzung mit der Corona-Pandemie, wie sie Bude in dieser Gemengelage von Solidarität und Benachteiligung fordert, für die Soziale Arbeit? Die angeführten Beispiele machen eines deutlich: Die Ausbreitung des Virus stellt Vulnerabilitäten von Menschen in schwierigen Lebenssituationen und ausschließende gesellschaftliche Strukturen besonders deutlich heraus -und verschärft sie noch. Welche Herausforderungen gilt es angesichts sich verschärfender Exklusionen aufzugreifen? Welche Potentiale kann die Soziale Arbeit hierbei nutzen? Und welche Lobby hat sie in diesen schwierigen Zeiten? COVID-19 fungiert für die Soziale Arbeit -so die These des Beitrags -als reflexive Vergegenwärtigung unserer gesellschaftlichen Lage, der wir uns aus der Krise heraus (neu) nähern können. Die Soziale Arbeit darf angesichts der Gefahr, dass sich die Lebenssituationen aller, jedoch mancher im Besonderen, durch die Krise verschärfen, nicht schweigen. Was kann Soziale Arbeit also tun? Hierzu kann ein globaler Blick hilfreich und wegweisend sein und ein Verständnis von COVID-19 nicht nur als gesundheitliche und wirtschaftliche, sondern als grundlegend gesellschaftliche "Katastrophe". Zum Umgang mit Katastrophen haben die Vereinten Nationen im Jahr 2000 das "United Nations Office for Disaster Risk Reduction" (UNDRR) eingerichtet. Es wurde geschaffen, um das damals auf den Weg gebrachte internationale Rahmenprogramm "United Nations International Strategy for Disaster Reduction (UNISDR)" zur Reduzierung von Katastrophenrisiken umzusetzen (BMZ 2015, S. 19 A serious disruption of the functioning of a community or a society causing widespread human, material, economic or environmental losses which exceed the ability of the affected community or society to cope using its own resources. A disaster is a function of the risk process. It results from the combination of hazards, conditions of vulnerability and insufficient capacity or measures to reduce the potential negative consequences of risk (UNISDR 2004, S. 1 Wie kann eine solche Verankerung aussehen? Die Wellen an Solidarität, die sich in diesen Tagen zeigen, können hierbei zum einen Inspiration, zum anderen Gegenstandsfeld einer Sozialen Arbeit als Katastrophenhilfe sein. Soziale Arbeit kann dabei unterstützen, Infrastrukturen solidarischer Hilfe mit zu gestalten, wenn sie an dieser Stelle gebraucht wird. Solidarische Formate wie die Onlineplattform "Coronaport" können gar als Vorbild dienen, um auch Angebote Sozialer Arbeit in Zeiten, in denen Menschen ihr soziales Leben vor der eigenen Haustüre einschränken müssen, auf digitalem Wege verfügbar zu machen. Menschen in besonders großer Sorge, die etwa unter einer Angststörung leiden, Men-schen, die in Pflegeheimen oder in der "Solo-Quarantäne" zu vereinsamen drohen sowie Menschen ohne Versorgung mit Medikamenten und ohne Zugang zu sauberem Wasser und Seife werden in Zeiten der Krise besonders vulnerabel gemacht. Diese ausgrenzenden Lebenslagen gilt es im Fall von Katastrophen (und darüber hinaus) ganz zentral auf die Agenda zu setzen und an einer grundlegenden Verbesserung dieser Lebenslagen gemeinsam mit den Betreffenden auch jenseits der Katastrophe zu arbeiten. Gestärkte Communities -so lässt sich folgern -können in Krisenzeiten besser auf eine Pandemie und andere Katastrophen wie Naturkatastrophen reagieren. Vor dem Hintergrund von Leerstellen der Versorgung ist die Corona-Pandemie Anlass genug, darüber nachzudenken, wie eine mobile Soziale Arbeit Menschen in Notlagen gut erreichen kann, ob virtuell oder konkret physisch. Eine Weiterentwicklung digitaler Formate translokalen Sorgens ist auch "jenseits der Krise" von hoher Relevanz. gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformati Katastrophen-Management -eine Perspektive für die Soziale Arbeit in Deutschland? Katastrophenhilfe -eine Herausforderung für die Soziale Arbeit Als hätten viele noch nicht kapiert, worum es geht Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (2015). Katastrophenrisikomanagement. Ansatz und Beiträge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit Große Solidarität während der Corona-Pandemie. Videobeitrag des Magazins "Brisant Vom beruflichen Doppel-zum professionellen Tripelmandat. Wissenschaft und Menschenrechte als Begründungsbasis der Profession Soziale Arbeit Katastrophenhilfe und Humanitäre Hilfe Terminology: basic terms of disaster risk reduction United Nations Office for Disaster Risk Reduction (UNDRR Sendai framework for disaster risk reduction