key: cord-0039843-y2olmq5v authors: Weigl, Josef title: Betrachtung der Pandemie Phase 3 – „mitigation“ – vom Endpunkt Hospitalisation her date: 2020-03-23 journal: nan DOI: 10.1007/s11553-020-00771-3 sha: 78db9df477d7bd7d063839e2da065f8ae821a932 doc_id: 39843 cord_uid: y2olmq5v BACKGROUND: The phase 3—“mitigation”—of the current pandemic by SARS-CoV‑2 is now imminent also in Germany. Given the high complexity many issues have to be taken into account. Simplification is urgently warranted not to loose focus of the important things to be done. METHODS: To look at phase 3 from the endpoint—in this case hospital admission—should facilitate the focus on key variables upstream. Based on a simplified model of approximated and plausible parameters for the overall attack rate (AR), the AR(hospitalization) and the AR(ICU admission), the resources needed are compared with the available resources i.e. number of beds available in general and beds in ICU in particular. The calculations are carried out population-based for Ploen County as well as regionally together with the Kiel metropolitan area. RESULTS: Since the ARs in the up do date available cohorts are overestimated, considerably lower AR(hospitalization) and AR(ICU) should be expected. An AR(hospitalization) of 10% could not be materialized in Ploen County; one with 5% could. In the regional analysis together with the University Hospital Kiel (UKSH) an AR(hospitalization) of up to 10% is feasible, as also an AR(ICU) of 3%. The kinetics of hospital admissions is, however, dependent from countermeasures in public health as well as admission habits of the family physicians. The available number of beds is determined by beds made available and by the mean duration of hospitalization. The latter depends from the age and underlying conditions of the patients. CONCLUSIONS: System failure has to be averted by clarity in regard to the key parameters and their independent variables. The regional management is crucial and should be coordinated by a so-called bed-coordinator. Close cooperation allover the health care system is needed in alliance with the local health departments. Einleitung DiederzeitigePandemiedurchdasSARS-CoV-2 Virus, vormals 2019-CoV Wuhan, hält die Welt, die Gesundheitssysteme und auch die Gesundheitsämter (GÄ) hierzulande in Atem. In der Überlegung, was mit der Phase 3 auf uns als lokal zuständiges Gesundheitsamt zukommt, kam miram 29.02.2020 die Idee, die ganze Sache vom Endpunkt her zu betrachten. Wenn die Einflussgrößen auf den Endpunkt, hier die Klinikaufnahme (Hospitalisation), klar würden, dann würde sich daraus auch ergeben, was flussaufwärts, das heißt jetzt, zu tun ist, in der Hoffnung, eine klare Sicht zu bewahren und die Komplexität deutlich reduzieren zu können. Dabei würden sich Variablen ergeben, die leichter zu beeinflussen sind als andere. Wegen der Bedeutung der Inhalte zögerte ich, diese unmittelbar zu publizieren. Allerdings ist ein Zurückhalten ebenso mit Gewissenkonflikten behaftet. Mit jedem Tag fällt aber der Neuigkeitswert dieser Analyse. Die Darstellungen hier können anderen Ämtern, der Ärzteschaft und Planern zugleich dienen, indem sie anhand des regionalen Beispiels den Sachverhalt illustrieren. Der Ansatz ist auf jedes Amt anwendbar. Auf der Basis mehrerer Annahmen entwickelte der Autor ein Modell auf Excel Basis. Da nunmehr die erste pandemische Welle unmittelbar bevorsteht, fokussierte ich die Betrachtung auf diese erste Welle; bisher in der Annahme, dass die erste Welle bezüglich der Infektionsrate (attack rate, AR) die stärkste Welle würde. . Tab. 1 fasst die Modellparameter zusammen. Die "herd immunity threshold" (HIT) berechnet sich nach HIT = 1 -1/R0 [3, 6] Die pandemischen Phasen sind nach "detection/containment, protection und mitigation" eingeteilt [17] . Der Autor verwendet aber für die Hauptphase "mitigation" simultan auch den Begriff der Phase 3, denn Phase 3 spielt auch in der Organisationsentwicklung, in der Produktentwicklung und der damit verbundenen Managementherausforderungen eine besondere Rolle, nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Komplexitätszunahme (VUCA). Aufgrund der Lokalisation des Gesundheitsamtes des Autors im Kreis Plön, dem Landkreis östlich und nordöstlich von Kiel mit seinen westlichen Anteilen im Ballungsraum Kiel, werden sowohl die Betrachtungen anhand des Landkreises als auch der Metropolregion Kiel angestellt [19] . Aufgrund der populationsbezogenen Betrachtung über die AR wird die AR(stationär) deutlich niedriger ausfallen als in den bisher betrachteten und publizierten Kohorten [4, 9] , denn diese unterliegen aufgrund ihrer Gene- Präv Gesundheitsf https://doi.org/10.1007/s11553-020-00771-3 © Springer-Verlag GmbH Germany, part of Springer Nature 2020 Hintergrund. Die Phase 3 -"mitigation"der jetzigen Pandemie durch das SARS-CoV-2 steht nun auch in Deutschland unmittelbar bevor. Da Attack rate · Bettenkoordinator · Bettenzahl · Hospitalisation · SARS-CoV-2 Background. The phase 3-"mitigation"-of the current pandemic by SARS-CoV-2 is now imminent also in Germany. Given the high complexity many issues have to be taken into account. Simplification is urgently warranted not to loose focus of the important things to be done. Methods. To look at phase 3 from the endpoint-in this case hospital admission-should facilitate the focus on key variables upstream. Based on a simplified model of approximated and plausible parameters for the overall attack rate (AR), the AR(hospitalization) and the AR(ICU admission), the resources needed are compared with the available resources i.e. number of beds available in general and beds in ICU in particular. The calculations are carried out population-based for Ploen County as well as regionally together with the Kiel metropolitan area. Results. Since the ARs in the up do date available cohorts are overestimated, considerably lower AR(hospitalization) and AR(ICU) should be expected. An AR(hospitalization) of 10% could not be materialized in Ploen County; one with 5% could. In the regional analysis together with the University Hospital Kiel (UKSH) an AR(hospitalization) of up to 10% is feasible, as also an AR(ICU) of 3%. The kinetics of hospital admissions is, however, dependent from countermeasures in public health as well as admission habits of the family physicians. The available number of beds is determined by beds made available and by the mean duration of hospitalization. The latter depends from the age and underlying conditions of the patients. System failure has to be averted by clarity in regard to the key parameters and their independent variables. The regional management is crucial and should be coordinated by a so-called bed-coordinator. Close cooperation allover the health care system is needed in alliance with the local health departments. Attack rate · Bed coordinator · Beds · Hospitalization · SARS-CoV-2 rierung einem ascertainment bias mit einer konsekutiven Überschätzung des populations-bezogenen Schweregrades. Die absoluten Zahlen steigen aber an, da der Nenner größer wird. Auch wenn momentan meines Wissens nach aus den Vorreitergebieten keine populations-bezogenen Daten vorliegen, ist das Modell dahingehend plastisch, da die verschieden Prozentsätze der AR(stationär) und der damit verbundenen n(stationär) mit den Bettenzahlen in der gelb unterleg-ten Matrix verglichen werden können (. Abb. 1 und 2 BeƩen parat 14 10 8 5 3 % 50 654 915 1144 1830 3050 20 7800 75 980 1373 1716 2745 4575 15 5850 100 1307 1830 2288 3660 6100 10 3900 150 1961 2745 3431 5490 9150 8 3120 200 2614 3660 4575 7320 12200 5 1950 3 1170 1 "All models are wrong, but they are helpful". Unter dieser Devise wage ich diese Publikation. Denn auch wenn die absoluten Zahlen in den Tabellen sicherlich nicht stimmen werden, da die bisherigen epidemiologischen Daten lückenhaft sind, und zudem das Modell nicht dynamisch, sondern statisch ist, zeigen die Überlegungen doch, auf was es in der jetzt anstehenden Phase ("mitigation"), der alles entscheidenden Phase, ankommen wird. Obwohl diese Art Überlegungen in allen Pandemieplänen thematisiert werden, hoffe ich dennoch, dass es zu keinen Verwerfungen mit der Leserschaft kommt. Eine Komplexitätsreduktion, sprich Vereinfachung, tut not, um mit der Komplexität der Phase 3 umgehen zu können (VUCA Prinzip). Phase 3 meint hier ausdrücklich nicht die Phasen der Pan- Interessanterweise treffen aber beide Herausforderungen zusammen, denn die "mitigation" Phase ist an sich die 3. Phase einer Pandemie, nach detection/ containment (Phase 1) und "protection" (Phase 2). So bezeichnet man als "Phase 3 habit" im Management die grundsätzliche Einstellung in der Zusammenarbeit, dass jeder seinen Job so verrichtet, damit der andere optimal weiterarbeiten kann und gleichzeitig jeder Verantwortung für das Ganze mitübernimmt. Schnelles Denken ist gefragt. Wenn man durch die Endpunktbetrachtung verstanden hat, worauf es ankommt, kann man fokussierter und geordneter die anstehenden Aufgaben angehen und Entscheidungen treffen, die flussaufwärts jetzt unmittelbar notwen-dig sind oder zeitnah notwendig werden. Auch wenn die GÄ von Entspannung weiter weg sind denn je, kann oder sollte diese Betrachtung hilfreich sein, u. a. auch um sich nicht in Nebenschauplätze zu verzetteln. Die verschiedenen Einflussgrößen auf die Anzahl stationär Behandlungsbedürftiger n(stationär), die verfügbaren Betten und die Organisation werden entsprechend . Tab. 2 untergliedert. Die n(stationär) hängt ab von der AR(total), der AR(stationär), der AR(intensiv) und der Anflutungsgeschwindigkeit. Die AR(total) wurde aus Erkenntnissen der AR(Influenza) im Kontrollarm großer Wirksamkeitsstudien zu Grippe-Impfstoffen bei Kindern unter 3 bzw. 5 Jahren in einer Grippesaison extrapoliert. Kinder unter 3 bzw. 5 Jahren sind weitgehend Influenza-naiv, so dass es sich bei den meisten um sogenannte Primärinfektionen handelt wie bei der Gesamtpopulation in einer Pandemie mit einem neuen Erreger. Ob die unterschiedliche Ausprägung der Parameter R0 und Tg für beide Erreger bei einer späteren Modellierung zu einer unterschiedlichen Anflutungskinetik führt, muss offen bleiben. Noch dazu ist das abhängig von den Gegenmaßnahmen. Wie oben erwähnt erlaubt die längere Tg für SARS-CoV2 mehr Zeit für den Beginn von Interventionsmaßnamen. Die große Unbekannte "θ" für den neuen Erreger soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, aber auch hier könnten sich die Effekte zwischen Influenza und SARS-CoV2 aneinander annähern [1, 8] . Die Anflutungsgeschwindigkeit stationärer Aufnahmen kann zurzeit nur durch sogenannte nicht-pharmazeutische Interventionen (NPI) beeinflusst bzw. abgebremst werden: Schließungen von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Absagen/Untersagen von Großveranstaltungen ( § 28 IfSG), Quarantäne und Isolation ( § 30 IfSG), Tätigkeitsverbote (nach § 31 IfSG), Reisewarnungen und Appelle zur Kontaktreduktion. Zuständig diesbezüglich sind die Gesundheitsämter (GÄ) und die Landesministerien und in Sachen Veranstaltungsabsagen die jeweiligen Organisatoren. Die Anflutungsgeschwindigkeit unterliegt dem R0, der Generationszeit (Tg) oder auch Serienintervall und der Zunahme der sukzessiv Immunen nach überstandener Infektion [1, 2] . Ein besonders wichtiger Stakeholder in der anstehenden Phase, wie auch in den zurückliegenden Phasen, werden die niedergelassenen Ärzte (NÄ) sein, denn in der "mitigation Phase" steigt bei flächendeckender Übertragung ("community transmisson") der positive Vorhersagewert für klinische Diagnose einer Coronavirusinfektion rasch an. In der jetzt anstehenden Phase sollte es selbstverständlich sein, dass die Tatsache, positiv getestet worden zu sein, alleine kein hinreichender Grund für eine Hospitalisierung ist. Die jüngste Änderung im Flussdiagramm des Robert Koch-Institut vom 05.03.2020 bildet das nunmehr auch so ab [15] [16] . Da die Infektionskrankheit durch das SARS-CoV2 ansonsten bei den meisten gesunden und jüngeren Mitarbeitern überwiegend blande verläuft, könnte man sich im worst case bei zeitgleicher Exposition und Infektion einer großen Anzahl an HCW auch vorstellen, diese eben auf der Coronavirus-spezifischen Station einzusetzen, auch wenn sie das Virus noch ausscheiden. Eine klare Trennung müsste dann zwischen dem infizierten und nicht-infizierten Personal erfolgen. Bevor aber die Kliniken betriebsunfähig werden, sollte das im Stadium einer intensiven "community transmission" überlegt werden. Da HCW aber oft zugleich Eltern kleinerer Kinder oder Schulkinder sind, würden NPI durch Schließung von KITAs und Schulen HCW und schließlich die Anzahl betreibbarer Betten reduzieren. Aber auch eine Nichtschließung würde negative Auswirkungen auf die verfügbaren HCW haben, denn die community transmission würde angekurbelt werden. Deshalb gilt es schon jetzt, back-up Konzepte in seinem individuellen Umfeld zu planen, wie zum Beispiel eine Kinderbetreuung durch Großeltern oder bei Mangel an Großfamilien die klassische Renaissance der Nachbarschaftshilfe und ähnliche Ideen. Um die Bettenkapazität aufrecht erhalten zu können, sollte die Liegedauer in den Akutklinken limitiert und Patienten, sobald als sie stabilisiert sind, in nachgeordnete Strukturen, wie zum Beispiel Kliniken mit weniger akutem Patientengut, verlegt werden (Patienten-abfluss-Konzepte). Die Lokalstrukturen sind dabei maßgeblich. Eine besondere Herausforderung sind Patienten, bei denen von vorne herein mit einer überlangen Liegedauer aufgrund von hohem Alter und Komorbiditäten zu rechnen ist. Sie können durch Zufallsereignisse insbesondere in der kritischen Anfangsphase des logarithmischen Anstiegs von n(stationär), das System in Bedrängnis bringen. Epidemiology, transmission dynamics and control of SARS: the 2002-2003 epidemic Infectious diseases of humans: dynamics and control Directly transmitted infectious diseases: control by vaccination Epidemiological and clinical characteristics of 99 cases of 2019 novel coronavirus pneumonia in Wuhan, China: a descriptive study Epidemiology and burden of influenza in healthy children aged 6 to 35 months: analysis of data from the placebo arm of a phase III efficacy trial Herd immunity: history, theory, practice coronavirus transmission dynamics Factors that make an infectious disease outbreak controllable Clinical characteristics of coronavirus disease 2019 in China Transmissibility of 2019-nCoV. WHO Collaborating Centre for Infectious Disease Modelling. MRC Centre for Global Infectious Disease Analysis Natural attack rate of influenza in unvaccinated children and adults: a metaregression analysis Early transmission dynamics in Wuhan, China, of novel coronavirusinfectedpneumonia Early estimation of epidemiological parameters and epidemic predictions Institut Flussschema vom 5.3.2020, geändert auf häusliche Isolierung, weg von empfohlener stationärer Aufnahme Krisenpläne. Nationaler Pandemieplan Teil 1 und Tel 2. Vom 2.3.2017 bzw. 30.1.2026 und Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan -COVID-19 Estimating the annual attack rate of seasonal influenza among unvaccinated individuals: a systematic review and meta-analysis PID-ARI.net-a pediatric infectious diseases network on acute respiratory infections and added value of a multi-level research network Bei einer Pandemie werden alle Systeme bis an ihre Grenzen gebracht, sowohl das Gesundheitssystem als auch Wirtschaft und Finanzen. In der stationären Versorgung innerhalbder"mitigation" Phase sind die besonders kritischen Punkte Zufallsereignisse wie Ausbrüche in Altenpflegeheimen, die zu einer Füllung der Kliniken mit Langliegern zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt führen könnten, und dann die Anflutungskinetik an stationär Versorgungsbedürftigen an sich. Gerade um hier ein Systemversagen möglichst abzuwenden, wird ein Bettenkoordinator dringend gebraucht. Die Fragestellungen rund um die Versorgung sind komplex, von HCW Management, über verfügbare PSA bis hin zu anderen Medizinprodukten und Medikamenten. Die Krankenhaushygiene und die klinische Infektiologie inklusive das "antibiotic stewardship" werden im ganz besonderen Maße gefordert werden. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die meisten in der Betrachtung stehenden Systeme geschlossene Systeme sind und Änderungen an einer Variablen Folgewirkungen auf andere Variablen haben.Wie Prof. C. Drosten am 27.02.2020 in der Diskussion bei Maybrit Illner anmerkte, ist jetzt nicht die Zeit, sich zu zerfleischenodereinanderzutadeln,sondern zusammenzustehen und hilfreiche Konzepte nach vorne zu bringen. Ich hoffe, das ist mir mit dieser Arbeit gelungen, obwohl der Grad ausgesprochen schmal ist. Ich hoffe, das Überstehen der sogenannten Russischen Grippe 1889/1890, dem ebenfalls eine Coronavirus zugrunde lag, gibt uns Zuversicht, die anstehenden Aufgaben zu schaffen, so wie dies auch durch unsere Vorfahren vor 130 Jahren geschehen ist.Noch ein Wort an eventuelle Kritiker: Ist es schlechter, es publiziert zu haben, und es war Schrott, inklusive dem damit verbundenen Shitstorm, oder ist es schlechter, es nicht publiziert zu haben und es hätte vielen helfen können?Lassen Sie uns alle zusammenstehen, denn "es kommt auf jeden an".