key: cord-0039407-qk8wan88 authors: Just, H. -M.; Ziegler, R. title: Isolierungsmaßnahmen date: 2006 journal: Praktische Krankenhaushygiene und Umweltschutz DOI: 10.1007/3-540-34525-6_13 sha: afba4e8fda1cc3b21e3b7a0ee0d19c46059cc2a5 doc_id: 39407 cord_uid: qk8wan88 Isolierungsmaßnahmen hatten in der Medizin seit jeher zum Ziel, eine Weiterverbreitung von Krankheiten zu verhindern. Je weniger man von Ursache und Verbreitungsweg einer Erkrankung wusste, desto rigoroser waren die ergriffenen Absonderungsmaßnahmen (»Aussätzige«). Erst die Entdeckung der Mikroorganismen als Auslöser infektiöser Erkrankungen eröffnete die Möglichkeit einer genaueren Erforschung auch der Übertragungswege. Die Kenntnis des infektionsspezifischen Übertragungsweges einer Erkrankung ist aber die entscheidende Voraussetzung zur Festlegung sinnvoller, d. h. effektiver Isolierungsrichtlinien. Die in der Vergangenheit empfohlenen pauschalen Maßnahmen, die diesen Sachverhalt nicht berücksichtigten, resultierten oftmals in erkennbarer Überisolierung, mit der Folge, dass in der täglichen Praxis auch notwendige Isolierungsmaßnahmen eher lax gehandhabt wurden. Die Konsequenzen waren die Zunahme nosokomialer Infektionen und die endemische Ausbreitung multiresistenter Bakterien in Kliniken. In der modernen Medizin werden Isoliermaßnahmen eingesetzt, um einerseits eine Weiterverbreitung von Mikroorganismen auf andere Personen (Patienten wie Personal) zu verhindern (»aktive« Isolierung), andererseits um gefährdete (abwehrgeschwächte) Personen vor infektiösen Mikroorganismen zu schützen (»passive« oder »protektive« Isolierung). Letztere ist als eigene Kategorie in Frage zu stellen, zumal Studien die Wirksamkeit bei immunsupprimierten Patienten nicht sicher belegen konnten. Aber auch für die »aktive Isolierung« als Summe mehrerer einzelner Maßnahmen erlauben die publizierten Studien nur selten eine Aussage über die Effektivität einer Einzelmaßnahme. Viele dieser Maßnahmen behindern die Patientenversorgung in der täglichen Routine und binden Personal, sind materialaufwendig und somit teuer. Eine unterlassene notwendige Isolierung verschlingt andererseits aber enorme Kosten, wenn es zu einem Ausbruch kommt, Patienten an zusätzlichen Infektionen erkranken und kostenintensiv behandelt werden müssen. Der Kostendruck mit Einführung der »Diagnosis Related Groups« (DRGs), aber auch die gesetzliche Verpflichtung zur Qualitätssicherung zwingen die Kliniken einerseits, vermeidbare Komplikationen zu verhindern, und andererseits, kostenintensive Maßnahmen nur dann anzuwenden, wenn sie in ihrer Wirksamkeit bewiesen sind. Seit Jahren geben daher amerikanische Guidelines wie auch die neueren Empfehlungen der »Richtlinie für Kranken-Die Effektivität einer Isolierungsmaßnahme hängt ab von Erreger, Übertragungsweg, Infektionslokalisation wie auch den diagnostischen oder therapeutischen Handlungen. Die Ausrichtung früherer Guidelines nach Organsystemen oder Körperflüssigkeiten hat sich als nicht praxisgerecht erwiesen und führte zu Überisolierung und unnötigen Kosten. Deshalb unterscheidet die WHO in ihren im Dezember 2003 veröffentlichten »Practical Guidelines for Infection Control in Health Care Facilities« nur noch zwischen Standardmaßnahmen (allgemeinene Basis maßnahmen) und Zusatzmaßnahmen (abhängig vom Übertragungsweg). Die Empfehlungen sind jedoch sehr pauschal gehalten und nicht mit Evidenzkriterien versehen, was für ihre Anwendung in der Praxis infektiologisches Wissen voraussetzt. > Ausschlaggebend für die Entscheidung, ob und mit welchen Maßnahmen eine Isolierung durchgeführt werden muss, ist die situationsbezogene Risikoanalyse durch einen Krankenhaushygieniker oder Infektiologen unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte. Die im folgenden wiedergegebenen Anhaltspunkte zur Zusammenstellung sinnvoller Empfehlungen sind mit Evidenzkriterien versehen, sofern sich in der Literatur entsprechende Hinweise finden ließen (Garner 1996; RKI 2003; Saunders Infection Control Reference Service 2001; WHO 2003) . Die derzeit umfassendste Quelle kategorisierter Empfehlungen zum Thema Isolierung stellt die noch als Entwurf vorliegende Neufassung der HICPAC-Guidelines dar (Siegel et al. 2004 ). Für die im Folgenden genannten Maßnahmen muss seitens der medizinischen Einrichtung sichergestellt werden, dass die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die Mitarbeiter müssen nicht nur in den wichtigsten Aspekten der Infektionsvermeidung ausgebildet sein, sondern in Abhängigkeit des zu erwartenden Infektionsrisikos der Patienten auch in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Die SENIC-Studie (Haley et al. 1985) hat gezeigt, dass als personelle Voraussetzung für eine kosteneffiziente Infektionsvermeidung neben einem entsprechend ausgebildeten Arzt eine Hygienefachkraft pro 250 Betten erforderlich und kosteneffizient ist. Während entsprechend dieser Erkenntnis in der alten Fassung der RKI-Empfehlung noch eine Hygienefachkraft pro 300 Betten als Voraussetzung genannt wurde, ist diese Feststellung in der Neufassung der Richtlinie leider (aus politischen Gründen) nicht mehr enthalten. Es ist nur schwer nachvollziehbar, dass man einerseits zwar Handlungsempfehlungen für eine Infektionsprävention niederschreibt, bei der wichtigsten Vo-13.2 · Organisationsvoraussetzungen II raussetzung aber, der Vorhaltung des dafür notwendigen Personals, auf die Zuständigkeit anderer Stellen, hier der Länder, verweist. Die derzeit noch im Entwurf vorliegende Neufassung der HICPAC-Guidelines zu Isolierungsmaßnahmen (Siegel et al. 2004) ist hier konsequenter und fordert wenigstens eine Hygienefachkraft pro 250 Akutbetten -und zwar als Kategorie IB! Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass die Vermeidung einer Infektionsübertragung ein besonderer Schwerpunkt der Aufgaben dieses Personals sein muss (ebenfalls Kategorie IB). Ein weiteres, in der SENIC-Studie ebenfalls als wichtig erkanntes Mittel zur Vermeidung von Infektionsübertragungen ist der regelmäßige Bericht über erfolgte Infektionen bzw. Übertragungen. Ein Vorläufer dieser inzwischen als Surveillance etablierten Methode (s. unten) ist die in vielen Kliniken seit Jahren übliche »Keim-und Resistenzstatistik«. Derartige Berichte sind Bestandteil eines effektiven Infektionsmanagements und werden ebenfalls in die Kategorie IB eingestuft (Siegel et al. 2004 ). Die CDC-Standardempfehlungen umfassen eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen im Umgang mit allen Patienten. Dabei wird betont, dass es die Aufgabe des Hygieneverantwortlichen eines Krankenhauses oder einer Praxis ist festzulegen, welche Maßnahmen an welchen Arbeitsplätzen bzw. bei welchen (Verdachts-)Diagnosen erforderlich sind. Die individuelle Situation wird also in den Mittelpunkt der Entscheidung gerückt und der erforderliche Aufwand und die damit verbundenen Kosten mit der Erfolgswahrscheinlichkeit und dem Ausmaß der zu erwartenden Effektivität verglichen. Ein solches Vorgehen entspricht auch den Anforderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), das in § 36 Abs. 1 die Erstellung eines Hygieneplans fordert, der nicht vergleichbar ist mit den früher üblichen abteilungsspezifischen »Hygieneplänen« (7 Kap. 1). In den Erläuterungen werden explizit die einzelnen Schritte zur sachgerechten Erstellung dargestellt, wobei als erster Schritt die Analyse der Infektionsgefahren und als zweiter Schritt die Bewertung der Risiken genannt sind. Erst danach können sinnvoll Maßnahmen zur Risikominimierung ergriffen werden (Bales u. Baumann 2001) . Als wichtiger erster Schritt hin zu einer situationsgerechten Risikoanalyse hat sich die Durchführung einer Infektionssurveillance erwiesen, wie sie im § 23 IfSG gefordert wird. Die in Deutschland mittlerweile etablierte KISS-Methode liefert einerseits standardisierte Erfassungen und ermöglicht so jeder teilnehmenden Einheit neben der Bestimmung der eigenen Ausgangssituation auch eine fortlaufende Effizienzbeurteilung der ergriffenen Maßnahmen durch Abgleich der eigenen Daten mit den Vergleichsdaten des nationalen Referenzpools (Gastmeier 2004; 7 Kap. 11 (Meyer et al. 2004 ) ist der Beginn einer Datenbasis für eine resistenzpräventive Antibiotikasurveillance (Shlaes et al. 1997) . Deshalb ist eine enge Kooperation mit dem mikrobiologischen Labor für die Vermeidung von Übertragungen von entscheidender Bedeutung (Boyce et al. 2004 ). Eine Isolierung von Patienten mit der Diagnose »Tuberkulose« ist dann gerechtfertigt, wenn eine kontinuierliche Gefahr einer Übertragung auf andere Personen besteht (7 Kap. 15 Anders verhält es sich allerdings beim Nachweis multiresistenter Erregerstämme. In solchen Fällen muss gemeinsam mit dem zuständigen Gesundheitsamt im Einzelfall entschieden werden, welche Präventivmaßnahmen erforderlich sind, um einer Ausbreitung vorzubeugen. Nicht nur veränderte Antibiotikaresistenzen, sondern mehr noch veränderte Virulenzeigenschaften (SARS, »Vogelgrippe«) und nach dem »11. September« auch die Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge (7 Kap. 46) erfordern Überlegungen zum rationalen Umgang mit Personen, die mit solchen Mikroorganismen kontaminiert oder infiziert sind bzw. sein könnten. »Hochpathogene Erreger«: Die Erfahrungen mit SARS haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, bei Anzeichen einer unbekannten, vor allem aber einer möglicherweise neuartigen infektiösen Erkrankung umfassende Isolierungsmaßnahmen so lange strikt einzuhalten, bis diagnostische Ergebnisse eine Risikoeinstufung ermöglichen. Das RKI stellt hierzu auf seiner Homepage entsprechende Informationen zum Download bereit, die von einem Expertenteam den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden (http://www.rki.de). In solchen Verdachtsfällen ist eine Meldung an die zuständige Gesundheitsbehörde gesetzlich vorgeschrieben, die entsprechende Maßnahmen koordiniert und veranlasst. Handelt es sich um »lebensbedrohliche importierte Erkrankungen« mit Erregern der Kategorie 4 nach Bio-stoffVO (meist Erreger des viralen hämorrhagischen Fiebers, VHF), dann sind die entsprechenden nationalen Regelungen zu beachten, die auch Vorgaben zur Isolierung enthalten. Diagnostik wie auch stationäre Behandlung sollten den ausgewiesenen Kompetenzzentren überlassen werden (http://www.rki.de/cln_011/nn_226928/DE/Content/ Infekt/ Biosicherheit/Seuchenalarm/alarm,templateId=raw,property= publicationFile.pdf/alarm). In unklaren Verdachtsfällen müssen immer die unter 7 13.4 genannten drei wichtigsten Übertragungswege bei einer Isolierung berücksichtigt werden: 1. über die Luft (aerogen), 2. über Tröpfchen, 3. über direkten Kontakt Nach schnellstmöglicher klinischer und mikrobiologischer Abklärung sollten die getroffenen Maßnahmen angepasst werden Do infection control measures work for methicillin-resistant Staphylococcus aureus? Isolation measures in the hospital management of methicillin resistant Staphylococcus aureus (MRSA): systematic review of the literature Rapidly rising prevalence of nosocomial multi-resistant, gram-negative bacilli: a 9-year surveillance study Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose. Empfehlungen zur Anwendung von Atemschutzmasken bei Tuberkulose Principles and practice of infectious diseases Guidelines for isolation precautions in hospitals Nosocomial infection surveillance and control policies To isolate or not to isolate? Analysis of data from the German Nosocomial Infection Surveillance System regarding the placement of patients with methicillin-resistant Staphylococcus aureus in private rooms in intensive care units The efficacy of infection surveillance and control programs in preventing nosocomial infections in US hospitals Control of communicable diseases manual, 18th edn Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-(MRSA-)Stämmen in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen Robert Koch-Institut: Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention The Experts' Guide to the Guidelines Society for Healthcare Epidemiology of America and Infectious Diseases Society of America Joint Committee on the Prevention of Antimicrobial Resistance. Guidelines for the prevention of antimicrobial resistance in hospitals Draft guideline for isolation precautions: preventing transmission of infectious agents in healthcare settings Safety of patients isolated for infection control WHO (2003) Practical guidelines for infection control in health care facilities Konsequente Hygiene zahlt sich aus: Zehn Jahre MRSA-Erfahrung an einem Großklinikum