key: cord-0039403-rr4yep41 authors: nan title: Bevölkerung date: 2005 journal: Humanökologie DOI: 10.1007/3-540-27207-0_2 sha: 4616cc56667fcae606a200c8cd277b2b4fb0de0d doc_id: 39403 cord_uid: rr4yep41 nan Gegen Ende des demographischen Überganges ist idealerweise die Geburtenrate ge nauso groß wie die Sterberate. Man bezeichnet diesen Populationszuwachs, der gerade den Verlust ausgleicht, als Ersatzfortpfl anzung. Die Populationsgröße wäre somit stabil. Erst seit kurzem haben einige Staaten diese Phase des demographischen Übergangs erreicht. Es zeigt sich aber bereits, dass die Geburtenrate unter die Sterberate fallen kann, d.h. die Ersatzfortpfl anzung unter schritten wird und die Population schrumpft. In der Pra xis wird dieser Effekt häufi g durch andere Parameter verschleiert, beispielsweise durch Einwanderung von Bevölkerungsgruppen, die eine höhere Geburtenrate haben. Betrachtet man den Stand des demographischen Überganges in den einzelnen Staa ten oder Regionen der Welt, stellt man fest, dass sie unterschiedlich weit im demographi schen Über gang vorangeschritten sind. In allen Großregionen der Erde ist die Ster berate bereits niedrig, kann jedoch in einzelnen Ländern dieser Re gionen noch vergleichsweise hoch sein. Die Gebur tenrate ist in Schwarzafrika noch extrem hoch, so dass es dort zu immensem Bevölkerungszuwachs kommt, in den meisten Bereichen Europas ist sie niedrig. Die übri gen Regio nen liegen zwi schen beiden Extremen. Wenn diese Momentaufnahme durch eine historische Analyse ergänzt wird, zeigt sich, dass diese Weltregionen sich im demographischen Übergang von einer frü hen Phase über eine mittlere in eine späte Phase bewegen. Bis heute haben sie unterschiedlich weit entwickelte Stadien er reicht und die Geschwindigkeit des Übergangs ist verschieden. Für die meisten Industrieländer zeichnet sich ein Beginn des demo graphischen Übergangs seit Mitte des 19. Jahrhunderts ab, für die Entwicklungs länder erst seit dem 20. Jahrhundert (Abb.2.3). Das Wachsen der Weltbevölkerung hängt also davon ab, wie schnell die Regionen der Welt den demographischen Übergang vollenden. Gelingt es einem Staat, ihn relativ schnell zu durchqueren, ist sein Bevölkerungsanstieg vergleichsweise gering. Benötigt er längere Zeit, fi ndet er sich gegen Ende des Übergangs mit einer viel höheren Bevölkerungszahl wieder. Wenn ein Staat eine geringe Sterberate aufweist, aber nicht in der Lage ist, Voraussetzungen für ein Absinken der Geburtenrate zu schaffen, verharrt der Staat in die sem Stadium des Übergangs. Dies bedeutet, dass seine Bevölkerung sozusagen ohne Brems mechanismus wächst, und wir bezeichnen diesen Zustand als demographische Falle. Da alle Res sourcen auf zunehmend mehr Köpfe verteilt werden müssen, ist die Katastrophe vorprogram miert. Einige Staaten der Welt bewegen sich heute in gefährli cher Weise in diese Richtung. Ernsthafte Störungen im Ablauf des demographischen Übergangs können sich aus tief greifenden Veränderungen der Bevölkerungsstruktur, etwa plötzlichen Veränderungen der Sterberate und der Geburtenrate, ergeben. Ursächlich können katastrophenartige Umweltver änderungen oder auch Krankheiten sein, unter denen AIDS heute an erster Stelle zu nennen ist (Kap. 2.2.2). In Abb. 2.4 ist der Stand des demogra phischen Übergangs der größeren Staaten für drei Zeit punkte von 1960 bis 2000 wiedergegeben. Während sich in Nordamerika und Europa keine we sentlichen Veränderungen mehr ergaben, erreich ten viele Staaten in diesem Zeit raum die nächste Phase des demographischen Übergangs. Gleichzeitig ergibt sich aus dieser Darstel lung auch, dass in den letzten Jahren viele Staaten in die zweite Phase wechselten bzw. dort verharrten, so dass sich heute ein großer Teil der bevölkerungsreichen Regionen der Welt in der Phase befi n den, in der das Wachstum am größten ist. Es gibt erst seit wenigen Jahren Staaten, deren Bevölkerungszahl effektiv abnimmt. Heute sind dies Deutschland und Italien sowie 14 osteuropäische Staaten bei Wachstumsraten zwischen -0,1 % und -0,8 %. In Schweden, Österreich, Polen, Slowakei und Griechenland beträgt das Wachstum derzeit 0,0 %. Viele der übrigen In du strieländer werden dieses Stadium in den nächsten Jahren erreichen. Der zur Zeit ablaufende demographische Übergang ist in dieser Form ein Novum in der Ent wicklungsgeschichte des Menschen. Zum ersten Mal dreht sich ein Bevölkerungstrend, der über Jahrmillionen fest auf Wachstum programmiert war, in sein Gegenteil um (vgl. jedoch die Diskus sion multipler demographischer Übergänge in Kap. 2.3.2) . Diese Trendumkehr stellt si cherlich "die bedeutendste Entwicklung in der jüngeren Evolutionsgeschichte des Menschen" dar (Hauser 1991). Die jahreszeitliche Verteilung der Geburten wird -wenn auch mit ab nehmender Intensität in Mitteleuropa immer noch durch eine traditionelle Häufung von einmalig wirken (Kondome, sper mizide Wirkstoffe), längerfristigen Schutz verschaffen (Spiralen, Pes sare, Depotinjek tio nen) oder permanent und irreversibel sind (Sterilisation). Als Spätmaßnahme einer Geburten kontrolle muss schließlich auch der Schwangerschaftsabbruch und die Kindstötung erwähnt werden. Alle Methoden sind heute weltweit verbreitet, wenngleich Einsatz und Akzeptanz unter schiedlich sind (Kap. 2.4) . Da sich in industrialisierten Staaten die gesellschaftli che Position der Frau in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat, muss auch angenommen werden, dass hier wesentliche Gründe für einen Geburten rückgang liegen. So hat die moderne Emanzipati onsbewegung der Frau in den 1960/70er Jahren nicht unwesentlich zum Sinken der Geburtenraten beigetragen. Beruf, Kar riere und Freizeit erhalten höheren Stellenwert als Kindererziehen und Haushaltsführung. Die Funktion als Mutter ist heute nur noch eine Funktion unter vielen und schließt andere nicht mehr aus. 1882 waren weniger als 10 % der Frauen nach ihrer Eheschließung noch berufstätig, 1930 berufstätig, bereits 30 % und 1980 berufstätig, rund 60 % (Bähr 1983 . Daneben wird die Tatsache, dass Kinder wich tige Kostenfaktoren sind, heute kritischer gesehen als vor 2 Generationen und die Alternative Kinder oder Karriere wird sachlich analysiert. Dieser Prozess ist in der industrialisierten Welt weit vorangeschritten, in der un terentwickelten Welt aber noch mehr oder weniger auf die oberen Schichten be schränkt (Abb. 2.8). In den letzten Jahrzehnten hat sich auch unsere Umwelt verändert. Moderne Großstädte sind nicht kinderfreundlich (kleine Wohnungen, wenig attraktive Spielplätze und Grünanlagen), und kinderreiche Familien werden in hoch entwickelten Gesellschaften häufi g diskriminiert. Kultur-und Zukunftspessimis mus ist weit verbreitet und viele Paare entscheiden sich bewusst gegen Kinder. Neben einer gezielten Reduktion der Geburtenrate nimmt in vielen Industriestaaten die ungewollte Sterili tät zu. Für die 1950er Jahre ging man davon aus, dass 8 % aller Paare steril waren, 1990 waren es schon 15 %. In nur 3-5 % der Fälle liegen orga nische Störungen vor, in 25 % werden psy chische Probleme (in einem weiten Sinn) als Ursache vermutet. Bei über zwei Dritteln aller Fälle von Sterilität ist die Ursache unbekannt. Vor allem Spermien sind anfällig ge genüber ver schiedenen Umweltgiften. Schwer metalle, Alkohol, Niko tin, Biozide, organische Chlorverbindungen, Ozon und weitere Sub stanzen reichern sich in der Spermafl üs sigkeit und in den Ei zellen an und führen ver mehrt zu Missbildungen. Eine Reduktion der Spermienzahl und ihrer Beweglichkeit konnte in vielen Fällen nachgewiesen werden (Abb. 2.9). Eine Fertilitätsbeeinträchtigung ist auch von vielen Medikamenten (wie Neuroleptika, Amphetaminen, Tranquilizern) und einigen Nahrungsmittelzu sätzen (z.B. Na tri umnitrit und Natriumglutamat) berichtet worden (Amdur et al. 1991) . Problematisch sind auch synthetische Östrogene, die mit der Antibabypille aufge nommen und mit dem Urin unverändert ausgeschieden werden. Sie werden in der Umwelt kaum abgebaut und können über das Grundwasser und das Trinkwasser wieder in den Körper gelangen. Parallel mit der Zunahme ungewollter Sterilität wurden Methoden der künstlichen Be fruch tung entwickelt. 1978 wurde das erste "Retortenbaby" in den USA geboren, d.h. die Befruch tung erfolgte in vitro und der sich entwickelnde Keim wurde in die Uterusschleimhaut der Mutter implantiert, wo er sich normal weiterentwickelte. 1998 führte in der Schweiz die in-vitro-Fertilisation zu 1 % aller Ge burten. In der Regel handelt es sich um homologe Insemi nation, d.h. der soziale Vater des Kindes ist auch sein ge netischer. Daneben ist auch die heterologe Insemination weit verbreitet, bei der das Sperma von einem anonymen Spender stammt. Die in-vitro-Fertilisation ist vor allem wegen persönlicher Risiken und gesellschaftlicher Ne benwirkungen umstritten. Die Erfolgsquote lag 2000 bei etwa 20 % und kann durch wiederholte Behandlung auf 50-60 % gesteigert werden. Die Frauen gehen ein beträchtliches Risiko ein (Emboliegefahr, erhöhte Wahrscheinlichkeit von Mehrlings schwangerschaften und Kaiserschnitt). Die Kinder selbst sind oft untergewichtig, und angeborene Gesundheitsschäden kommen doppelt so häufi g vor. Im sozialen Umfeld sei die Problematik der Leihmütter erwähnt. Im wirt schaftlichen Umfeld ist neben den erhöhten Kosten für die Eltern ei ne wachsende Kommerzialisierung und Industriali sierung des Fortpfl anzungsvorganges festzustellen. So gibt es bereits Samen banken, die Spermien von Nobelpreisträgern und Olym piasiegern anbieten, Eizellen von Models werden im Internet meistbietend versteigert. Die Sterberate wird angegeben in Sterbefälle pro 1000 Einwohner und Jahr. Die Gesamt sterb lichkeit der Weltbevölkerung lag 2003 bei 9/1000 und unterschied sich nicht sehr zwischen in dustrialisier ter und unterentwickelter Welt (Tabelle 2.2). Regional oder auf Länderebene traten je doch be trächtliche Unterschiede auf. Die höchsten Ster beraten mit 22-28/1000 fi nden sich in einigen schwarzafrikanischen Staaten (Malawi, Lesotho, Mosambik, Botswana) . Die niedrigsten Sterberaten wei sen Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate (2/1000), sowie Bahrain und Brunei (3/1000) auf. Im Verlaufe eines Lebens ist die Sterberate nicht gleich. Ne ben einer erhöh ten Säuglings-und Kindersterblich keit und einer geringen Erwach senensterblichkeit wird eine Alters sterblichkeit unterschieden, die wieder hoch ist. Hier aus ergibt sich die Überlebenskur ve einer Population. Am Beispiel der Bevölkerung Österreichs zeigt sie an, dass die höchste Sterberate in der Al tersgruppe 75-85 Jahre auftritt und bis zum 50. Lebensjahr erst 10 % der Popula tion gestor ben sind (Abb. 2.10). Im Fall eines Entwicklungslandes mit hoher Säuglings-und Kindersterb lichkeit gibt es zudem ein Maximum in den ersten Lebensjahren. Welt (1898 Madagaskar, 1899 Japan, 1900 San Francisco, 1908 Honolulu, 1914 . Erst 1894 wurde der Pesterreger von Yersin entdeckt, 4 Jahre später wurde die Übertragung durch Flöhe er kannt. In den 1970er Jahren gab es welt weit nur noch 1000 -3000 Pesterkrankungen jährlich (überwiegend in Asien), an denen durch schnittlich je weils 100 Menschen starben. Heute haben moderne Antibiotika der Pest den Schrecken ge nommen. Es wird aber kaum möglich sein, sie auszurotten, denn in vielen Regionen der Welt ist es nicht möglich, die Rattenplage zu kontrollieren. Auch haben sich die Pestflöhe in Nordamerika in einheimischen Nagetierpopulationen ausgebreitet (Erdhörnchen, Präriehunde), aus denen es über Hauskatzen immer wieder zu Kontakten mit Menschen kommt. Weltweit kommt es daher regelmäßig zu Neuansteckungen und einzelnen Todesfällen. ▼ rund 80 % des Weltmedikamentenverbrauchs erfolgt durch die rund 19 % der Weltbevölkerung, die in den indu strialisier ten Staaten lebt. In den unterentwickelten Staaten wurden diese westlichen Maßnahmen "billig im portiert", d.h. die Sterberate konnte mit geringem Aufwand recht effektiv reduziert werden und der demographische Übergang wurde beschleunigt. Hierdurch wuchs aber gleichzeitig ihre Bevölkerung an, d.h. der Anteil junger Menschen mit einer alters spezifi sch niedrigen Sterberate erhöhte sich, so dass sich eine (Deutschland 1997) . Im europäischen Durchschnitt werden von den 15jährigen und Älteren 5-10 Zigaretten täglich geraucht, bei einem Raucheranteil von einem Drittel entspricht dies 15-30 Zigaretten pro Tag. Frauen rauchen inzwischen genauso viel wie Männer; mit zunehmendem Alter nimmt der Anteil der Raucher ab. Bauern, Techniker, Ärzte und Naturwissenschaftler rauchen besonders wenig, Bergleute, Metallar beiter, Berufsautofahrer und Putzleute besonders viel. Alkohol ist das am häufi gsten konsumierte Genussmittel in Deutschland. Im Durchschnitt wurden im Jahr 2000 pro Kopf 125 L Bier, 23 L Wein und 6 L Spirituosen getrunken, das entspricht 11 L reinem Alkohol. 16 % der Männer und 10 % der Frauen nehmen regelmäßig Alko hol in Übermaß zu sich, 5 % gelten als alkoholabhängig. In 2 % aller Todesfälle und bei fast 20 % der tödlich verlaufenden Verkehrsunfälle ist Alkohol im Spiel. Hierbei kamen 1,6 Mio. Men schen um. Dies sind pro Jahr durch schnittlich 80.000 Menschen oder ca. 0,2 % aller Todes fälle. Das vermutlich seit Jahrhunderten folgen schwerste Erdbeben ereignete sich 1976 in China und forderte über 240.000 (nach anderen Angaben 665.000) To desopfer. Wei tere schwere Erdbeben forderten 25.000 bis 50.000 Tote (1935 in Pakistan, 1970 in Peru, 1978 , 1990 und 2003 im Iran, 1988 in Armenien, 1993 . Eine gewaltige Überschwemmung des Hwang Ho in China forderte 1887 900.000 Tote, in Pakistan ertranken 1983 200.000 Menschen, Sturmfl uten in Bangladesch kostete 1970 300.000 und 1991 140.000 Leben. Keines dieser Ereig nisse hat die Be völkerungsentwicklung des betref fenden Landes wesentlich beeinfl usst. Hunger kann die Folge von politisch instabilen Verhältnissen sein (ungenügende Agrarpolitik der Regierung, Kriege, Willkür von Diktatoren). Maos "Großer Sprung nach vorne" verursachte in China 1959/61 Hungerkatastro phen, die mindestens 16,5 Mio., vermutlich aber 30 Mio. Menschenleben forderten (Smil 1986) . Durch unsinnige Maßnahmen ihrer Führer verhungerten in Kambodscha in den 1970er Jahren und in Nordkorea in den 1990er Jahren Millionen Menschen. Auch Naturkatastrophen wie Klimaschwankungen können Hunger auslösen: Eine lang anhaltende Dürre im Sahelgebiet Afrikas hat 1984 2-3 Mio. Tote gefordert. Trotz die ser erschreckend hohen Zahlen ist die tatsächliche Bedeutung von chronischem Hunger, meist durch strukturelle Armut bedingt, viel größer. Da in der Regel eine lange Unter-, Fehl-oder Mangel ernährung zu einem schlechten Allgemeinzu stand führt, sterben viele Bewohner Afri kas und Asiens schließlich an einer Infektions-oder Parasi ten krankheit (die dann auch in den Statisti ken erscheint), ob wohl letztlich Hunger ur sächlich war (Kap. 3.5.2). 1981 wurde in den USA zum ersten Mal AIDS (acquired immuno-defi ciency syndrom) diagno stiziert, eine tödlich verlaufende Erkrankung des Immunsystems, die auf eine Infektion durch HIV, das human immuno-defi ciency virus, zurückzuführen ist. 1983 konnte der Erreger durch Montagnier in Paris erst mals isoliert werden, ab 1984 standen Antikörpertests zur Verfügung, ab 1995 zunehmend Medikamente, welche die Vermehrung der Viren bremsen, aber AIDS nicht heilen und zudem bedeutende Nebenwirkungen haben. Rückwirkend konnte festgestellt werden, dass bereits 1971 über 1 % der Drogensüchtigen in den USA infi ziert war. Als Ursprung der Seuche gilt Zen tralafrika und der erste (rückwirkend belegte) sichere Nach weis stammt von 1959 aus Kinshasa / Zaire. Es gilt heute als sicher, dass sich HIV aus ähnlichen Viren (SIV) entwickelt hat, die in afrikanischen Affen vorkommen. In bislang 7 Affen und aus mehreren afrikani schen Pa tienten konnten HIV-ähnliche Viren isoliert werden, die zwischen Menschen-und Af fenvirus stehen. Die Sequenzierung hunderter ähnlicher HIV-und SIV-Varianten ergab ei nen Stammbaum von Viren, an dem die Affenviren neben anderen tierischen Lentiviren den jüng sten Seitenzweig darstellen. Der Wirtswechsel von Affen auf Men schen hat ver mutlich im tropischen Afrika bereits im 17. Jahrhundert stattgefunden, wegen der Isolation des Ge bietes breiteten sich die Erreger jedoch kaum aus. HIV wird durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, mehrfach benutzte Injektions kanülen, Blut konserven, Organtransplantationen, künstliche Befruchtung und von einer infi zierten Mutter auf ihr Kind übertragen. Risiko gruppen waren zuerst Homosexuelle, Drogenab hängige, Bluter und Pro stituierte. AIDS zeichnet sich durch eine lange Inkubationszeit von ca. 10 Jahren aus, in welcher der Träger bereits infektiös ist. Min destens die Hälfte, viel leicht drei Viertel oder mehr der Virusträger erkranken. Die heute verfügbaren Medikamente bestehen aus einer Mischung verschiedener Präparate, die lebenslänglich eingenommen werden müssen. Bei einigen Betroffenen wirken die Medikamente nicht bzw. haben zu starke Nebenwirkungen, bei der Mehrzahl lindern sie den Verlauf der Krankheit, können sie aber nicht heilen. Die Sterblichkeit an AIDS ist hierdurch in den Industriestaaten jedoch in den letzten Jahren stark zurückgegangen. In den Entwicklungsländern können sich die meisten HIV-Infi zierten die teuren Medikamente (in Europa kosten sie mindestens 1000 € monatlich) nicht leisten. Die Pa tien ten sterben nach vergleichsweise kurzer Infektionszeit an den Folgen der HIV-Infektion, nicht am Virus selbst, in Afrika oft an Tuberku lose, die weltweit wieder im Vormarsch ist (Sekundärinfektion). Schutz vor HIV ist eigentlich einfach. Nachdem erkannt war, dass es sich bei AIDS um eine überwiegend sexuell übertragene Viruskrankheit handelt, besteht der effektivste Schutz in einem veränderten Sexualverhalten (Kondome, Meiden von Risiko gruppen). Beim Umgang mit Blut ist auf größtmögliche Hygiene zu achten, also einwandfreie Injektionskanülen, Blutkon serven usw. In vielen Entwicklungsländern wird allerdings jenseits jeder Logik der Infektions charakter von AIDS geleugnet. AIDS wird als Krankheit der Weißen, Homosexuellen oder Schwächlinge dargestellt, so dass eine sinnvolle Prophylaxe unterlaufen wird. Das oft sehr niedrige Bildungsniveau trägt daher wesentlich zur Ausbreitung von AIDS in der Dritten Welt bei. Anfang 1987 waren für die USA 40.000 Fälle gemeldet, 2004 über 1 Mio. Aus ganz Afrika waren 1990 hinge gen nur 81.000 Fälle gemeldet. In den Industriestaaten wurde dank massiver Förderung die Forschung intensiviert, gleichzeitig erfolgte fl ächendeckende Aufklärung der Bevölkerung über Krankheit und Prophylaxe. Lange Zeit wurde hingegen die heute dramatische Situation in den Entwicklungsländern unterschätzt. Hierzu haben sicherlich die mangelhaften Statistiken und eine Kultur des Verschweigens vieler Staaten beigetragen. Aufgrund unzureichender Finanzen sind die meisten Entwicklungsländer allerdings auch nicht in der Lage, eine entsprechende Aufklärung zu betreiben. Heute zeigt sich, dass durch Aufklärung und Prophylaxe in den meisten westlichen Staaten die Zunahme von AIDS gebremst werden konnte. Die moderne Medikation verhindert zudem einen stärkeren Anstieg der Todesfälle (Tabelle 2.6). In Deutschland, Österreich und der Schweiz stieg die Zahl der Neuerkrankungen in den 1980er Jahren stark an, sank jedoch seit Mitte der 1990er Jahre und stagniert auf mittlerem Niveau. Berücksichtigt man nicht die absoluten Zahlen, sondern die relativen Bevölkerungsanteile, so zeigt sich, dass AIDS in der westlichen Welt zu einer eher seltenen Krankheit wurde, die in Deutschland und der Schweiz nur etwa ein Promille zur Gesamtmortalität beiträgt. Bedrohlich ist jedoch das Potential von AIDS in einer Bevölkerung, die ein sehr tiefes Bildungsniveau hat und nicht über die nötigen Schutzmaßnahmen verfügt. Dies ist in vielen Entwicklungsländern der Fall, in denen AIDS daher einen anderen Verlauf nimmt. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit war dort in den 1980er Jahren nicht unbedingt schneller als in den westlichen Ländern, es zeichnet sich aber bis heute keine Abfl achung der Zuwachsrate ab, da Schutz maßnahmen weitgehend wirkungslos blieben. Somit kann in diesen Ländern AIDS zur vorherrschenden demographischen Kraft werden (Abb. 2.20). Im Unterschied zu den USA und Europa erfolgen in Afrika die meisten Infektionen heterosexuell. Immer mehr Frauen im gebärfähigen Alter haben AIDS, so dass immer mehr Kinder infi ziert werden. In Schwarzafrika waren 2003 rund 8 % der Bevölkerung HIV-infi ziert, in Staaten wie Botswana, Namibia, Simbabwe und Südafrika sind jedoch 20-40 % der 15-24jährigen Frauen und 10-20 % der jungen Männer infi ziert. In jedem Fall stellen die AIDS-Betroffenen meist auch den produktivsten Teil einer Volks wirtschaft dar. In Schwarzafrika muss daher mit einem drastischen Rückgang des Brutto sozialproduktes gerechnet werden. Schätzungen nehmen an, dass derzeit rund ein Viertel der Ar beitskräfte Schwarzafrikas aus dem Arbeitsleben ausscheiden wird. Die Staaten sind daher gezwun gen, bei sinkender Wirtschafts kraft mehr Mittel zur AIDS-Ein dämmung bzw. zur Pfl ege der Betroffenen in das Gesund heitswesen zu stecken. Diese Mittel werden gleich zeitig z.B. aus anderen Bereichen des Ge sund heitswesens oder des Erzie hungs sek tors ab gezogen werden müssen. In zentralafri kani schen Städten sind bereits bis zu 80 % aller Kran kenhaus patienten AIDS-Be troffene und die Aufwendungen betragen bis zum Neunfachen des Pro-Kopf-Bruttosozi-Abb. 2.20. Anteil der HIV-Infizierten in Prozent der Bevölkerung in 2001. Nach UNAIDS. 2.2 Elemente der Bevölkerungsdynamik alproduktes, d.h. 9 Er werbstätige müssen für einen solchen Fall arbeiten. In der Regel sind die Behand lungskosten daher für die Staaten un bezahlbar und AIDS-Patienten bleiben sich selbst überlassen. Es ist derzeit kaum möglich, die demographischen Auswirkungen von AIDS abzuschätzen. Sicherlich wird die durchschnittliche Lebenserwartung in einer stark AIDS-betroffenen Bevölkerung abnehmen. Schätzungen für Botswana oder Zimbabwe gehen von einer Reduktion der Lebenserwartung von über 70 Jahren ohne AIDS auf 27 bzw. 35 Jahre mit AIDS aus. Da hierdurch die reproduktiven Jahre kaum betroffen sind, ist es wahrscheinlich, dass die Zahl der Geburten nur unwesentlich sinken wird. Eine stark AIDS-betroffene Bevölkerung wird daher nur geringfügig reduziert, wenn wie im Fall von Südafrika die Geburtenrate bereits niedriger ist (23/1000 in 2003) oder trotz AIDS wachsen, wenn die Geburtenrate hoch ist, wie im Fall von Uganda (47/1000 in 2003) und den meisten anderen schwarzafrikanischen Staaten (Abb. 2.21). Für diese Staaten wäre dann der kaum begonnene demographische Übergang gestoppt und diese Populationen zeigen starkes Wachstum bei hoher Mortalität. Die Entwicklung in anderen Regionen der Welt ist von steigenden An steckungszahlen geprägt. Die Karibik weist derzeit nach Schwarzafrika den höchsten Infektionsgrad auf. Lateinamerika, Asien und Osteuropa werden vermutlich in den kommenden Jahren ebenfalls hohe Quoten erreichen. Vor allem aus den bevölkerungsreichen Staaten Indien und China werden derzeit noch sehr niedrige Zahlen gemeldet. Die Epi demie scheint also in Asien gerade erst zu beginnen. AIDS verändert unsere Gesellschaft. Zum einen gibt die ge sellschaftliche Ausgrenzung der Betroffenen Anlass zur Sorge. In Afrika zerbricht die Großfamilie und das bisher unbekannte Problem von Waisenkindern (bereits 10 Mio. Ende der 1990er Jahre) überrollt die Ge sell schaft. Zum andern wird speziell in Europa eine Phase der sexuellen Liberalisierung abrupt beendet. Nachdem Geschlechtskrankheiten praktisch bedeutungslos wurden, taucht mit AIDS eine besonders gefährliche und wegen der langen Latenzzeit heimtückische neue Das Geschlechtsverhältnis ist beim Menschen nicht ausgewogen, beträgt also nicht 100 Männer pro 100 Frauen, sondern es verändert sich mit dem Alter von einem Männerüberschuss zu einem Frauen über schuss. Man unterscheidet ein primäres, sekundäres und tertiäres Ge schlechts verhältnis. • Unter dem primären Geschlechtsverhältnis versteht man die Zahl der männlichen und weiblichen Zygoten unmittelbar nach der Be fruchtung. Methodisch bedingt schwanken die Angaben, meist fi ndet man bis 170 männ liche Zygoten pro 100 weibliche Zygoten. Was beeinfl usst das Geschlechtsverhältnis? Spermien, die ein Y-Chromosom haben (männlich determinierend), bewegen sich etwas schneller als Spermien, die ein X-Chromosom haben (weiblich determinierend), sind aber weniger langlebig. Männlich deter minierende Spermien haben also eine höhere Chance, eine Eizelle zu befruchten, wenn der Weg zur Eizelle kurz ist, d.h. zum Zeitpunkt des Eisprungs. Geschlechtsverkehr am Tag des Eisprungs führt daher mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Zeugung eines Jungen, zwei Tage vor dem Eisprung hingegen zu einem Mädchen, weil dann die männlich determinierenden Spermien bereits abgestorben sind. Theoretisch kann man so mit großer Wahrscheinlichkeit das Geschlecht eines zu zeugenden Kindes beeinfl ussen. In der Praxis ist es jedoch schwierig, einen Zeitpunkt "2 Tage vor dem Eisprung" exakt zu bestimmen. Einfacher geht es möglicherweise mit zwei 1989 ent wickelten Methoden: Männliche und weibliche Spermien werden entweder in einer Zentrifuge auf Grund des höheren Gewichtes oder in einem photooptischen System auf Grund des dreifach höheren DNA-Gehaltes der weiblich determinierenden Spermien getrennt (sperm sexing). Die Erfolgsquote liegt zwischen 70 und 90 %, die Kosten sind erheblich. Psychologische Aspekte spielen bei der Geschlechtsdetermination sicher eine Rolle. Wie kann man aber erklären, dass in Europa während der beiden Weltkriege mehr männliche Nach kommen gebo ren wurden als in Frie denszeiten, interessanterweise nicht nur in den Krieg füh renden, son dern auch in neutralen Staaten (Parkes 1963)? Häufig wird das Geschlechtsverhältnis bewusst manipuliert. Im China der Kaiserzeit war es ei ne Schande, keinen männlichen Erstgeborenen zu haben. Daher wurden neugeborene Mädchen umgebracht, bis es männlichen Nachwuchs gab. Im sozialistischen China wurde scharf gegen diese Unsitte angegangen, so dass sich das Geschlechtsver hältnis langsam normalisierte (Tabelle 2.7). Als in den 1980er Jahren verschärft für die 1-Kind-Ehe geworben wurde (Kap. 2.4.3), verschob sich das Geschlechtsverhältnis wieder zu gunsten männlicher Nachkommen, d.h. es gab wieder vermehrt Säuglingstö tungen. Moderne medizinische Methoden der Geschlechtsbestimmung erleichtern die selektive Abtreibung eines unerwünschten Geschlechtes: Bei der Chorionbiopsie wird in der 8.-10. Schwangerschaftswoche Gewebe zur Geschlechtsbestimmung aus dem kindlichen Anteil der Plazenta entnommen. Die Fruchtwasserpunktion (Amniocentese) wird meist erst in der 16.-20. Schwangerschaftswoche eingesetzt. Am einfachsten ist jedoch eine Ultraschall untersuchung, die eine Geschlechtsbestimmung ab der 13. Schwangerschaftswoche ermöglicht. In Indien haben sich viele Ärzte darauf spezialisiert, mit einem tragbaren Ultraschallgerät über die Dörfer zu ziehen und dort Geschlechtsdiagnosen und bei Bedarf anschließend direkt eine Abtreibung vorzunehmen. Da meist weiblicher Nachwuchs unerwünscht ist, wird dieser selektiv abgetrieben (Box 2.5) und es zeichnet sich bereits ein deutlicher Frauenmangel ab. In Indien gibt es heute nur 94 Frauen pro 100 Männer, im Bundesstaat Haryana beträgt diese Rate sogar nur 86 : 100. Die Bevölkerung weist einen komplexen Aufbau aus Männern und Frauen, Säuglingen (bis zum ersten Milchzahn, ca. ½-¾ Jahr), Kleinkindern (bis zum ersten bleibenden Zahn, ca. 5 Jahre), Kindern (bis zur Geschlechtsreife), Heranwachsenden, Erwachsenen und alten Menschen auf. Die Altersgruppe von 15-64 Jahren wird als arbeitsfähige Bevölkerung bezeichnet. Die Geschlechtsreife tritt bei der Frau mit 11-13 Jahren ein, beim Mann mit 15-16 Jahren, kulturspezifi sch gibt es Abweichungen. Die psychi sch/soziale Reife erfolgt später, etwa im Alter zwischen 20 bis 25 Jahren, individuell auch später. Dieser langsamen Entwicklung wird vom Gesetzgeber Rechnung getragen durch die eingeführten Altersgrenzen bei der Strafmündigkeit oder dem aktiven und pas siven Wahlrecht. Die 1910, 1925, 1939, 1961 und 1983 . a erster Weltkrieg, b zweiter Weltkrieg, c Pillenknick. Kombiniert nach verschiedenen Quellen. Die Veränderung der Altersstruktur führt zu einer Abnahme des Anteiles der unter 15jährigen. Langfristig ist daher mit einem Mangel an Arbeitskräften zu rechnen. Parallel hierzu nimmt die Zahl der Rentner zu. In den mei sten europäischen Staaten sind heute 16-18 % der Bevölkerung älter als 64 Jahre. Dieser Anteil wird bis zum Jahr 2040 auf fast 30 % steigen, d.h. aus einer 3-Ge nerationen-Gesell schaft wird eine 4-Generationen-Gesellschaft. Hieraus resultiert eine starke Belastung der Gesundheits-und Rentensysteme, da immer weniger junge Menschen für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Das Pensionierungsalter beträgt aktuell in den meisten Staaten Europas 60 bis 65 Jahre. Das in einigen Staaten eingeführte um 3-5 Jahren niedrigere Pensionierungsalter von Frauen wurde mit gewissen Übergangsfristen in den letzten Jahren fast überall wieder rückgängig gemacht (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Großbritannien, Portugal). In Irland beträgt die Pensionierungsgrenze ohnehin 66 Jahre, in Norwegen und Dänemark 67 Jahre. Vermutlich wird man das Pensionierungsalter auch in den übrigen europäischen Staaten anheben müssen. Wenig beachtet wird, dass das Durchschnittsal ter beim Rentenbezug beträchtlich unter der gesetzlichen Altersgrenze liegt. In Deutschland und Österreich wird derzeit nur ein Viertel der Erwerbstäti gen beim Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze pensioniert. In den übrigen Fällen lag Frühpensionierung aus betriebswirtschaftlichen, gesundheitlichen oder sonstigen Gründen vor. Häufige Berufskrankheiten sind Hauterkrankungen, Rückenleiden, Lärmschwerhörigkeit sowie Neurosen und Psychopathien; Erkrankungen durch Lösungsmittel und Asbestschäden nehmen zu. Um das Sozialsystem noch bezahlen zu können, ist es daher besonders wichtig, Berufskrankheiten und Gründe für Frühpensionierung zu vermeiden und frühzeitig andere Arbeitsbereiche zu erschließen. Die Verteilung der Menschen auf der Erde ist extrem ungleich. Weite Bereiche der bewohnba ren Landfl äche können nur eine geringe Bevölke rungsdichte tragen (z.B. Hochgebirge, Wü sten, Sumpfge biete, Tropenwälder usw. Die kulturellen Folgen der Kolonisierung der Entwicklungsländer sind kaum ab sehbar. Alle Kulturen der Welt sind heute durch die europäischen Sprachen der ehemaligen Kolonialmächte (v.a. englisch, französisch, spanisch und portugiesisch) und deren Kultur geprägt. Obwohl die Kolonialzeit nach dem zweiten Welt krieg mit einer Welle der Neugründung von Nationalstaaten zu Ende ging, sind viele Eingeborenenvölker durch die westliche Lebens weise heute stärker bedroht als je zuvor. Zusätzliche Gefahren ergeben sich aus großräumiger Landschaftsvernichtung bei Rodungen, der Nutzung von Bodenschätzen, der Anlage von Deponien usw. Heute gelten nur noch 200-300 Mio. Menschen als Eingebo rene, weniger als 5 % der Weltbevölkerung. Sie gehören 6000 Völkern an, die Hälfte gilt als in ihrer Tradition bedroht und wird ver mutlich in den kommenden 100 Jahren aussterben (IUCN 1991) . Während 400 Jahren verliefen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts alle wesentlichen Bevölke rungs bewegungen von Europa weg in die Kolonien. Zwischen 1450-1800 hatten diese Auswanderungen nach Übersee von ca. 1 Mio. Auswanderern keinen großen Einfl uss auf das demographi sche Verhalten in Europa, sie waren jedoch von großer Bedeutung in den Kolonien selbst. Die neu eingewanderte weiße Bevölkerung konnte ihren Bevölkerungsanteil drastisch erhöhen, da ihre Sterblichkeit geringer als die der einheimischen Bevölkerung war. Neben einer relativen Immunität gegenüber vielen Krankheiten wies sie meist auch eine bessere Konstitution auf. Zum wirtschaftlichen Aufbau der Kolonien, der nach europäischen Vorstellungen betrieben wurde, konnte wegen der Dezimierung der einheimischen Bevölkerung nicht mehr auf vorhan dene, billige Arbeitskräfte zurückgegriffen werden und es wurden Arbeiter aus ande ren Kontinenten mit Versprechungen herbeigeholt oder gewaltsam verschleppt. Das bekannteste Beispiel ist der weltumfassende Sklaven handel, der die Aufgabe hatte, vor allem für die harte Plantagenarbeit in den subtropischen und tropischen Gebieten an das Klima angepasste, billige Arbeitskräfte zu be sorgen. Hierzu wurden von 1450 bis 1800 ca. 11-12 Mio. Schwarzafrikaner nach Amerika deportiert, zahlenmäßig zehnmal mehr Menschen, als gleichzeitig von Europa in die Kolonien gingen. Unbeab sichtigt wurden so auch Malaria und Gelbfi eber in die neue Welt gebracht. Da auf einen Sklaven, der lebend in Übersee ankam, mindestens 5 bis 6 kamen, die bei der Sklaven jagd oder beim Transport ums Leben kamen, betrug der Menschenverlust für Afrika vermutlich 60 bis 75 Mio. (Müller 1990 Die meisten Einwanderer in die USA und Kanada kommen heute nicht mehr aus Europa (bis in die 1960er Jahre über 50 %, 1990 nur 8 %). In den 1970er Jahren kamen viele Flüchtlinge aus Indonesien, später aus Vietnam, so dass Asien in den 1980er Jahren fast die Hälfte aller Ein wanderer stellte. Der größte Einwandererstrom mit mehr als 1 Mio. Menschen jährlich kommt derzeit aber überwiegend illegal aus dem lateinamerikanischen Raum. Die Grenze zu Me xiko wird daher seit 1990 mit Stahl wänden und Elektrozäunen ge schützt. Obwohl in den USA ca. 10 Mio. Illegale leben, betrachten sie sich nach wie vor als Einwanderungsland, versuchen die Einwanderung jedoch zu kontrollieren. Daher wurde in den 1990er Jahre die legale Ein wanderungsquote von 500.000 auf 700.000 pro Jahr angeho ben. Man versuchte, die Einwan de run gen von reichen Investoren zu fördern. So erhält man sofort ein Visum, wenn man 1 Mio. $ investiert und 10 Arbeitsplätze schafft (Kanada und Austra lien bieten ähnliches an). Auch werden Lot terien ver anstaltet, in denen man jährlich eine von 140.000 unbefristeten Arbeits-und Aufenthaltsgenehmigungen (Green Card) gewinnen kann. Die vielen Kriege in Indochina vertrieben vor allem in den 1970er und 1980er Jahren Millionen Menschen in Nachbarländer (z.B. Indonesien) oder nach Übersee (boat people Vietnams). Nach dem russischen Angriff auf Af gha nistan flohen in den 1980er Jahren Millionen Afghanen in das Nach barland Paki stan. Erst 1992 kam es zu ersten Rückwande rungen. Generell scheinen in Asien wirtschaftlich motivierte Wanderungen in neuester Zeit selten zu sein. Diese Situation könnte sich mit politischen Veränderungen in Nordkorea und China dramatisch än dern. Der fast menschenleere australische Kontinent vor den Toren Asiens, der be reits heute nur durch die rigorose Ein wanderungspolitik Australiens abgeschirmt werden kann, könnte Ziel neuer Wanderbewe gungen werden. ▼ passierte nach der Unabhängigkeit von Ruanda und Burundi, wo in den 1960er Jahren Spannungen zwischen den Tutsi und den Hutu dazu führten, dass über 100.000 Hutu getötet und große Teile der Bevölkerung in den jeweils anderen Staat vertrieben wurden. 1990/94 eska lierte die Si tuation erneut in einem Bürgerkrieg mit 1 Mio. Toten und noch mehr Flüchtlingen. In Ostafrika ereignete sich eine Serie von Bürgerkriegen vom Sudan über Uganda und Äthiopien bis nach Mosambik, deren Auswirkungen z.T. noch anhalten. Ursächlich sind ethnische, rassi stische (schwarz gegen weiß), religiöse (christlich gegen islamisch), ideologische (sozialistisch gegen westlich orien tiert) und territoriale Gründe (willkürliche Grenzziehung durch die Kolo nialmächte) stark vermischt. Da gleichzeitig in diesem Teil Afrikas ein gewalti ges Bevölke rungswachstum bei chronischer Unterversorgung der Bevölke rung stattfi ndet, wurden hier durch die bisher größten Flüchtlingsströme der Welt verursacht. Im Rahmen eines gesamteu ropäischen Kon zeptes versucht man, innerhalb der EU eine Schließung der Gren zen nach außen (Schengen-Staaten). Asylanten werden wieder in Transit länder zurückgewiesen und eine europäische Asylantendatenbank soll weitgehende Kontrollen erlauben. Viele Staaten sehen sich in dieser Politik bestätigt, da nur ei ne Minderheit der Asylan ten wegen politischer Verfolgung fl ie hen und 90 % der Asyl suchenden abgelehnt werden. Bei der Prognose der zukünftigen Entwicklung des Wachstums der Weltbevölkerung sind wir auf Hochrechnungen angewiesen. Vor al lem wegen teil weise unzulänglichen Datenma terials aus einigen Entwicklungsländern liegen Fehlerquellen vor, die sich beträchtlich summie ren können, je weiter in die Zukunft die Voraussagen gerichtet sind. So ist es nicht er staun lich, dass ältere Prognosen für die maximale Größe der Weltbevölkerung ziemlich unge nau waren. Andererseits sind die Voraus sagen in den letzten Jahrzehnten durch methodi sche Verbesserungen immer zuverläs siger geworden. Offi zielle Schätzungen durch die UNO gin gen 1951 von einer Weltbevöl ke rung von 4 Mrd. Menschen für das Jahr 2000 aus. 1963 wurden 6,25 Mrd. geschätzt, 1980 6,5 Milliarden, 1990 als Wechsel von einer präindustriellen zu einer post industriellen Gesellschaft verstehen. Das Bevölkerungswachstum erfolgte demnach in der Vergangenheit nicht gleichmäßig, son dern wies lineare und exponentielle Phasen auf. Solche linearen Phasen waren die Perioden des Jagens und Sammelns, von Ackerbau und Viehzucht sowie die noch vor uns liegende der post industriellen Gesellschaft. Die exponentiellen Phasen haben die Perioden miteinander verbun den und sind gekennzeichnet durch die Erfi ndung von Ackerbau und Viehzucht sowie durch den zurzeit ablaufenden Vorgang der Industrialisierung. Diese Zeiträume wären somit als de mographische Übergänge zu verstehen (Abb. 2.31). Ähnlich wie heute ist der frühere demogra phi sche Übergang weltweit nicht synchron verlaufen, sondern es gab ent wickelte Ge biete, Nachzügler und auch Rückschläge. Für Frankreich wurde die Bevölkerung zur Zeit der Jäger und Sammler auf 10.000-50.000 geschätzt. Mit der Sesshaftigkeit sank die Sterberate bei gleich bleibend hoher Geburtenrate, so dass die französische Bevölkerung für 3000 v. Chr. bereits auf ca. 5 Mio. geschätzt wird. Erst die neuere Entwicklung führt mit einem weiteren demogra phischen Übergang zu ca. 65 Mio. Men schen beim Stillstand des Bevölke rungswachstums zwischen 2025 und 2050. Bemer kenswert ist, dass der letzte demo graphische Übergang etwas mehr als eine Verzehnfachung der Bevölkerung er brachte, der Übergang zuvor jedoch eine Ver hundertfachung. Er war also mit Si cherheit mit größeren Veränderungen für die Bevölkerung verbunden. Die Vorstellung von mehreren demographischen Übergängen unterschätzt jedoch die Dy namik, die in einem Populationswachstum liegen kann, vor allem ignoriert sie die Mög lichkeit einer längerfristigen Bevölkerungsabnahme. Die Bevölkerungsentwicklung von Ägypten in den letzten 2500 Jahren, die in China über 1500 Jahre und die in Ir land über 300 Jahre zeigen Beispiele hierfür auf. Ägypten erlebte 3 Phasen großer Bevöl ke rungsdichte, wobei die Maxima um 500 v. Chr. und 500 n. Chr. beinahe in der Größenordnung der heutigen hohen Bevölkerungsdichte lagen. In China war das kontinuierliche An wachsen der Bevölkerung immer wieder von Zusam menbrüchen gekennzeichnet. Ir land hatte um 1820 ei ne Bevölkerungsdichte, die sogar über der heutigen lag (Abb. 2.32). Diesen Beispielen ist ge meinsam, dass die Bevölkerungs dichte auch über längere Zeiträume nicht konti nuierlich ansteigen muss, ja sogar über viele hundert Jahre kontinuierlich rückläufi g sein kann. Bevölke rungseinbrüche in einer Größenordnung von 50 % muss man sogar als normal bezeichnen, der Bevölkerungs rückgang in Ägypten von 500 bis 1800 betrug immerhin 90 %. Eine Extrapolation des Bevölkerungswachstums über das Ende des derzeitigen de mographi schen Übergangs hinaus ist schwierig. Meist wird an genommen, dass mit einer Stabilisierung des Bevölkerungswachstums irgendwann nach der Jahrtausendwende auch eine Reduktion möglich ist (Kap. 2.1). Hierbei mag auch der Wunsch nach Ende der Be völkerungsexplosion und nach Abnahme der daraus resultierenden Umwelt probleme Grund für diese Annahme sein. Staaten wie China haben eine Bevölkerungsreduktion aus drücklich in ihr Programm der Bevölkerungsplanung aufgenommen (Kap. 2.4.3) und in weit entwickelten Industriestaaten fi ndet ein Bevölkerungsrückgang schon statt. Dennoch deutet nichts in einem Modell mehrerer demographischer Über gänge darauf hin, dass nach Abschluss des derzeitigen Übergangs ein Ende dieser Entwicklung kommen muss. Wir können uns lediglich zurzeit nicht vorstellen, wie angesichts einer überbesiedelten Welt weiteres Wachstum stattfi nden soll. Grundlegend neue und global eingesetzte Techni ken, die Eng pässe im Nahrungs-, Energie-, Rohstoffund Abfallsektor beseiti gen, könnten weiteres Wachstum ermöglichen, das auch außerhalb der Erde stattfi nden könnte. Solche "weit entfernten Möglichkeiten" (Kahn u. Wiener 1971) sind aller dings zurzeit nicht realistisch und werden auch durch die Dis kussion der NASA, analog zur Mondlandung in den nächsten Jahrzehnten ein Projekt durchzu führen, das die Besiedlung des Mars er möglicht, nicht konkreter. Demographische Parameter sind auf komplexe Weise gesellschaftlich verknüpft, das kom plette Interagieren der wesentlichen Fakto ren ist aber meist schwer abzuschätzen. Es liegen jedoch Modelle und Annahmen vor, wie sich der demographische Übergang und die veränderte Bevölkerungs dichte in Industriestaaten und Entwicklungsländern kausal aus gewirkt haben bzw. mög licherweise noch auswirken werden. Stellvertretend wer den hier die Grundzüge eines einfachen Modells vorgestellt, das in Anlehnung an Frede riksen (1969) modifi ziert wurde. In den industrialisierten Ländern führt die Erhöhung der Pro-Kopf-Produktivität von einem ursprünglichen Zustand niedriger Produktion und geringem Verbrauch bei hohen Geburten-und Sterberaten zu einem langsamen Anstieg des Lebensstan dards. Die stete Entwicklung bzw. Einbeziehung neuer Technologien ermöglicht zuerst Kapitalbildung und Kapi talzuwachs, dann höhere Produktivität. Hiervon profi tiert auch die All gemeinheit, da durch verbesserte Hygieneumstände und Gesund heitsvorsorge die Le bensbedin gungen besser werden. Zuerst sinkt die Sterberate, später auch die Ge burtenrate: Die Bevölkerung nimmt zu. Dieser Pro zess verteilt sich in Mitteleuropa aber auf 100-200 Jahre, so dass Kapitalzuwachs und Produktion steigen und einen wachsenden Lebensstandard sichern. Die langsame Senkung der Geburtenrate reduziert zudem die Kosten der Allgemeinheit für Erziehung, Wohnung, Gesundheit und Infrastruktur, so dass mehr Investitionen im wirtschaftlichen Sektor getätigt werden können. Da die Erwerbsbevölkerung langsam zunimmt, erhöht sich die produktive Verwendung der Investitionen, die Produktivität pro Arbeiter ist hoch und Vollbeschäftigung ist weitgehend möglich. Nach dem demographischen Übergang sichern hohe Produktion und Kapitalzuwachs einen mittelhohen Verbrauch für eine Bevölkerung mit ausgeglichenen, niedrigen Geburten-und Sterberaten. In den Entwicklungsländern ist die Ausgangssituation ähnlich: Geburtenund Sterberaten sind hoch, Produktion und Verbrauch niedrig. Im Unter schied zu den industrialisier ten Ländern werden jedoch keine wesentlichen Techniken selbst entwickelt, sondern importiert. Da gleichzeitig keine Kapitalbildung erfolgt, sondern auch die Finanzmittel im portiert (d.h. ausgeliehen) werden und Gewinne exportiert werden, kön nen die entsprechenden Vorgänge schneller als in den Industriestaaten ablaufen. Die Verwendung fremder Technologie führt zu einer von außen gesteu erten Erhö hung der Produktivität und allgemein zu einer Abhängigkeit. Be trächtliche Mittel werden in die Ge sundheitsund Bildungssysteme in vestiert, so dass der Lebens standard schneller ansteigen kann. Wegen des schnellen Abfalls der Sterberate bei zunächst gleich bleibend hoher Geburtenrate wird der wachsende Le bens standard aber von einem schnellen Bevölkerungswachstum beglei tet. Wenn es nun gelingt, die Geburtenrate zu senken, kann dieses Entwicklungsland den demographischen Übergang zu einem stabilen Zustand ähnlich wie ein Industrieland beenden. In manchen Entwicklungsländern ist es jedoch nicht einfach, den Wechsel zum westlichen Le bensstil mit den alten Tradi tionen und gesellschaftlichen Überlieferungen zu harmonisieren. Die bedeutend langsamere und verzögert einsetzende Abnahme der Geburtenrate lässt die Be völkerungszahl noch lange ansteigen, so dass Pro-Kopf-Produktivi tät und schließlich auch Lebensstandard sinken. Da weiterhin in die Gesundheitssysteme (z.T. auch mit Hilfe von außen) investiert wird, bleibt die Sterbe rate niedrig und es fi ndet noch Bevölkerungszuwachs statt. Mit weiterem Sinken der Pro-Kopf-Produktivität sinkt schließlich aber die Qualität der Gesundheitssysteme und des Lebensstandards, so dass die Sterberate wieder steigt. Wie im Fall von AIDS kann diese Entwicklung durch eine neue Krankheit beschleunigt werden. Trotz hoher Sterberate bleibt wegen der noch höheren Geburtenrate das Bevölkerungswachstum hoch. Bei schlechten Lebensumständen, niedriger Produktion und niedrigem Verbrauch ist dann fast wieder der Ausgangspunkt der Entwicklung bei einer allerdings erhöhten Bevölkerungsdichte erreicht. Die Situation für die Menschen im Entwicklungsland hat sich durch den Import westlicher Techniken ver schlechtert und die Bevölkerung ist von einem stabilen Niveau des demographischen Übergangs weiter ent fernt denn je zuvor. Dieses Modell ist in einigen Zügen stark vereinfacht, in anderen aber zutreffend, denn es ist durchaus ein Bevölkerungs wachstum denkbar, das nicht auf das stabile Niveau von niedriger Geburten-und Sterberate des klassischen demographischen Übergangs führt, sondern nach einem kreisförmigen Bewegungsmuster bei ungünstigerer Ausgangslage wieder von vorne beginnt, also in einer Spiralform abläuft. Da je doch der demographische Übergang auf das Niveau einer Ersatzfortpfl anzung in vielen Teilen der Welt tatsächlich stattfi ndet, kann aus einem solchen Modell nur geschlossen wer den, dass sich unsere Welt demo graphisch aufspaltet in einen Teil mit stagnierendem Wachstum (später auch abnehmender Bevölkerungsgröße bis auf ein niedrigeres Gleichgewicht) und einen Teil mit nach wie vor starkem Bevölkerungswachstum. Der zögerliche Fortschritt, den manche Staaten im demographischen Übergang machen, könnte in diese Richtung deuten. Es gibt aus der Vergangenheit viele Belege für eine ge zielte Geburtenkon trolle, die auf Empfängnisverhütung, auf Abtreibung oder auf eine "nachgeburtliche Regelung", d.h. Kindstötung, hinausliefen. Nach Grabfunden wird geschätzt, dass in der Frühzeit ca. 15-50 % der Neuge borenen getötet wurden, und bei Naturvölkern war es vor kurzem vermutlich noch ähnlich. Im antiken Griechenland und Rom war nach zeitge nössischen Berichten Kindstötung ver breitet und die meisten Familien waren daher klein. In Griechenland war weiblicher Nachwuchs so selten, dass homosexuelle Praktiken gesellschaftlich toleriert waren (deMause 1974). Einige gesellschaftliche Strukturen der Vergangenheit hatten eindeutig eine bevölkerungsre gulierende Nebenwirkung, etwa Mönchsorden und Klöster, da hierdurch Teile der Bevölkerung gezielt von der Reproduktion ausgeschlossen wur den. In Mitteleuropa war es während vieler Jahrhunderte üblich, dass Knechte und Mägde nie heirateten, bzw. dass eine Heiratser laubnis an eine eigenständige berufliche Existenz oder Grundbesitz gebunden war. Mit beginnender Christianisierung wurde die Kindstötung offi ziell als Mord deklariert, gleichzeitig erfolgte eine Differenzierung zwischen Töten und Aussetzen des Kindes, wenngleich das Ergebnis für das Kind dasselbe war. Kinder aussetzen wurde zunehmend legalisiert und führte wegen der großen Zahl ausgesetzter Kinder in den Städten zu einer Gründungswelle von Findelheimen. Napoleon ordnete 1811 an, dass in jedem Departement hospital ein Drehschalter zur anonymen Babyabgabe einzurichten sei. Daraufhin wurden allein 1830 164.000 Babys abgegeben, so dass angesichts der Kosten diese Institution in den nächsten Jahrzehnten wieder abgeschafft wurde. In England war die Situation ähnlich, so dass 1803 ein Gesetz erlassen wurde, das die Kindestötung de facto legalisierte. Erst 1872 wurde diese Praxis durch Gesetzesänderung beendet (Langer 1974 Seit der weltweiten Ein führung kontrazeptiver Mittel auf Hormonbasis (die "Pille") ab den 1960er Jahren ist Empfängnisverhütung noch nie so einfach gewesen und ihre Akzeptanz ist heute weltweit groß (Box 2.8). Ge sundheitli che Nebenwirkungen wie eine erhöhte Krebsrate bei langfristiger Ein nahme werden durch eine um fassende, weltweite Studie der WHO eindeutig ausgeschlossen (UNFPA 1991), und psychische Nebenwirkungen sind bei modernen Präparaten selten. Im Rahmen ihrer Ausbildung haben Studenten je rund 80 ihrer Altersklasse (junge Generation, Jahrgang 1975 -1985 , Paare der Altersklasse ihrer Eltern (mittlere Generation, 1950 (mittlere Generation, -1960 sowie Paare aus der Altersklasse ihrer Großeltern (alte Generation, 1920 -1940 Besonders ungünstig wirkt sich die negative Einstellung der katholi schen Kirche zu jeglicher Art von Gebur tenbeschränkung und Bevölkerungskontrolle aus. Das in die heuti ge Zeit falsch übertragene Bibelzitat "Macht euch die Erde untertan" und die nur aus ihrer Zeit heraus verständliche Parole "Seid fruchtbar und mehret euch" sind in den überbevölkerten und von Umweltkrisen getroffenen Ländern der Dritten Welt fehl am Platz. Es wäre recht ein fach, zu behaupten, die päpstliche Aufforderung zur ungebremsten Vermeh rung wäre weltfremd und würde ohnehin ungehört verhallen. Gerade in Afrika und Lateinamerika ist der Einfluss Roms aber stark und hier finden wir auch die ex tremen Beispiele von Überbevölkerung und unzulänglicher Bevölke rungsplanung. Ein Eintreten der Amtskirche für eine Gebur tenkontrolle könnte hingegen die Be mühung um eine Bevölkerungsplanung vor Ort unterstüt zen und aufwerten. Leider werden durch die fundamenta listische Haltung des Papstes Gläubige vor al lem in der Dritten Welt in einem perma nenten Gewissenskonflikt gehalten. Der zentrale Ansatz für eine langfristige Ver besserung ihrer Si tuation wird ihnen also durch die unmoralische und menschenver achtende Haltung der Amts kirche verwehrt. Ausnahmen von der Ein-Kind-Familie erfolgen selten, z.B., wenn das erste Kind missgebildet ist. Gegenüber nationalen Minderheiten (6-7 % sind Nicht-Han-Chi nesen, gehören also Minderheiten an) hatte Peking eine gewisse Toleranz gezeigt, ab den 1990er Jahren begann man aber beispielsweise in Tibet die Zwei-Kind-Familie durchzusetzen. Es gibt jedoch noch eine Fülle von Ausnahmen. So sind Hochseefi scher, Bergwerksarbeiter und rückkehrende Übersee-Chine sen von diesen Maßnahmen ausgenommen. Die gesell schaftlich bedeu tende Gruppe der Bauern wurde ebenfalls differenziert behandelt, da bei dem gerin gen Mechanisierungsgrad der chinesischen Landwirtschaft Kinder als Ar beitskräfte nötigt sind. Seit 1987 sind daher den Bauern wieder zwei Kin der erlaubt, d.h. das Ein-Kind-Programm stand in Wider spruch zur Er höhung der landwirt schaftlichen Produktion. Mit einset zender Me chanisierung der Landwirt schaft sinkt aber der Arbeits kräftebedarf, so dass kleinere Familien auch bei Bauern möglich werden. Gemäß der in China vorherrschenden konfu zianischen Vorstellung galt es früh zu hei raten, viele Söhne zu haben und die Ahnen zu ehren. Die Unterbrechung der Ah nenreihe, also keine Kinder zu haben, war ein Verbrechen. Söhne erhöhten das An sehen des Vaters ("Glück ist ein Haus voller Söhne"). In diesem Umfeld für Ge burtenbeschränkung zu werben, kam also einem Bruch mit der Tradition gleich. Durch diese Bevölkerungspolitik verändert sich die demogra phi sche Struktur Chinas in den nächsten Jahrzehnten. Die Befürch tung, dass solche Änderungen zu groß sein könnten, führte in den letzten Jahren auch zu Lockerungen der ursprünglich recht rigiden Ein-Kind-Kampagne. So ist absehbar, dass die Zahl der Pensionierten pro Erwerbstäti gem zu nehmen wird. Wenn man keine wirt schaftliche Verschlechte rung für die alten Men schen will, muss man die Pensionierungsgrenze her aufsetzen. Ein Modell sieht vor, dass es von 60 Jahren (1990) auf 62 Jahre (2000), dann auf 67 (2020) und sogar auf 73 Jahre (2040) erhöht werden müsste, um dann wieder gesenkt werden zu können. Die Ein-Kind-Familie schafft die für China neue Struktur der Kleinfamilie, in der Kinder weni ger Bezugspersonen haben. Diese kleinen Fa milien bieten auch den Ehepartnern weniger Rückhalt, weil soziale Zwänge geringer sind, so dass die Scheidungsrate steigt. Frauen haben, obwohl viele Repressalien der Kampagnen zur Bevölkerungskontrolle auf sie abzielen, von den Veränderungen der chinesischen Ge sellschaft besonders profi tiert. Vor Gründung des heutigen China waren Frauen nur ein Anhängsel des Mannes ohne gesell schaft lichen Status. Scheidung war ihnen verwehrt, so dass in ausweglosen Situationen nur Suizid blieb. Heute ist die Frau formell dem Mann gleichgestellt und Mädchen unter liegen der generellen Schulpfl icht, die 1987 immerhin 96 % aller Kinder erfass te. 1990 war aber immer noch ein Viertel aller Frauen Analphabeten und trotz eines Zusatzprogramms für 16-40jährige betrug die Analphabetenrate der Frauen über 15 Jahre 2003 immer noch 22 %. Eine wirksame Bevölkerungspolitik ist nur sinnvoll, wenn sie von ei nem Ausbau des Ge sund heits-und Erziehungssystems begleitet wird. Schließlich muss ga ran tiert sein, dass das einzige Kind überlebt. Eine gute Schulbildung erhöht die An sprechbarkeit der Frauen und macht sie für die Argumentation der Kampagnen empfäng licher. Dieser Zu sammenhang wird durch folgende Zahlen aus den frühen 1980er Jahren unterstrichen: Unter den 50jährigen Frauen haben Analphabeten durchschnitt lich 5,9 Kinder, Frauen mit Grundschulbildung für den fehlenden Nachwuchs und die sich aufl ösende Großfamilie übernahm der chinesische Staat 5 Garantien für alle Bürger: gesi cherte Ernährung, Wohnung und Bekleidung, medi zini sche Ver sorgung, Altersversorgung und ein ehrbares Begräbnis. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Bevölkerungsprogramm mit der Öffnung Chinas nach Westen entwickeln wird. Mit zunehmender Bevölkerungsdichte nehmen alle pro Kopf der Bevöl kerung ver fügbaren Ressourcen ab. Diese Konzentra tionseffek te sind in Städten besonders aus geprägt. Neben den materiellen Problemen sind hier auch die psychischen und sozialen Auswirkungen sowie die Umweltprobleme deutlich. Da Städte auf ein großes Einzugsgebiet zu ihrer Versorgung angewiesen sind, erstrecken sich die Auswirkungen der Ver städterung über weite Gebiete (Autobahnen zwischen Ballungsräu men, Städte als Ursache der Verschmutzung von Flüssen, Abholzungen weiter Land striche zur Versorgung der Städte mit Brennholz, Grundwasserabsenkungen für die Trinkwasserver sor gung usw.). Der durchschnittliche Tagesverbrauch in einer großen Stadt liegt bei mindestens 300 L Wasser pro Einwohner (amerikanische Großstädte doppelt so viel), anschließend muss es als Abwasser entsorgt werden. Pro Bewohner muss mit 1,5 kg Nahrung und 2,5 kg fossilen Brennstoffen gerechnet werden, gleichzeitig fallen 1 kg fester Müll und 6 kg Luft schadstoffe an (Fritsch 1993) . Für eine Stadt wie Mexiko-City bedeutet dies, dass auf einer Fläche von 1200 km 2 jährlich 44 Mio. t Luftschadstoffe und über 7 Mio. t Abfall entstehen. Die Verstädterung (Urbanisierung) ist ein al ter demographi scher Trend, denn mit zunehmender Bevölkerungsdichte entstanden größere Ansiedlun gen. Jericho, die erste Stadt der Erde, hatte um 7000 v. Chr. 3000 Einwohner. Babylon hatte während des 6. Jahrhunderts v. Chr. 350.000 Einwohner, Konstan tinopel unter Justinian ca. 700.000, Rom unter Augustus rund 1 Mio., schrumpfte jedoch nach der Völkerwanderung 800 n. Chr. auf 40.000 Einwohner. Große Städte waren im 10. Jahr hundert Bagdad und Cordoba im islamischen Raum, zwischen 900 und 1100 Angkor in Kam bodscha und zwi schen 800 und 1300 Sian, Hangzhou und Peking in China. Die aus unserer Sicht wichtigen Städte des europäischen Raumes hatten nur einige zehntausend Einwoh ner (im 14. Jahrhundert Köln 35.000, Lü beck, Augsburg, Nürnberg, Ulm, Wien, Prag und Straßburg 15.000-25.000). Mit fortschreiten der Industrialisierung und Bevölkerungszunahme stieg der Grad der Verstäd terung jedoch ste tig. Um 1800 lebten in England 20 % der Bevölkerung in Städten von über 100.000 Einwohner, 1810 war London die erste (neuzeitliche) europäische Millio nenstadt, 1976 lebten bereits 80 % der englischen Bevölkerung in Großstädten. Diese Entwicklung verläuft in allen Staaten ungefähr gleich, setzte jedoch in den USA 70-80 Jahre später ein als in England, in Ent wicklungsländern wie Indien ist sie um ca. 100 Jahre verzögert (Abb. 2.37). In den Industriestaaten nahm die Stadtbe völke rung 1950-1960 um 25 % zu, in den Entwicklungsländern um 55 %, d.h. die Verstädterung läuft dort schneller. Global hat sich der urbane Bevölkerungsanteil stetig erhöht und von 1960 (34 %) bis 2000 (60 %) fast verdoppelt (Abb. 2.38). Heute gibt es weltweit statt der 17 Millio nenstädte von 1900 oder der 100 von 1950 über 1000 Millionen städte. Städte, die über 10 Mio. Einwohner haben, gibt es erst seit den 1930er Jahren (New York), 2000 waren es aber schon 21, 17 davon in der Dritten Welt. Die Ein wohnerzahlen der 10 größten Städte der Erde sind für verschiedene Zeiten in Tabelle 2.17 aufgeführt. Es fällt auf, dass sie zu Be ginn dieses Jahrhun derts ausschließlich in den In dustriena tionen, 100 Jahre später aber fast ausschließlich in Entwicklungsländern lagen. Im 21. Jahrhun dert liegen 6 der 10 bevölkerungsreichsten Städte in Indien, Bangla desch und China, keine mehr in Europa 1 Mio. (1982) gesenkt. In Industrieländern wird mit fortschreitender Urbanisierung eine Umkehr des Verstädterungstrends vom Zentrum zur Peri pherie festge stellt. Denn mit zunehmender Größe einer Stadt wird ihr Zentrum durch die Verkehrsdichte und das Vor herrschen von Hochhäu sern unwohn licher. Nach 1945 ist dieser Effekt zum ersten Mal in den USA beobachtet wor den. Inzwischen gibt es auch in Europa Ballungszentren, in denen sich Zu-und Wegzug die Waage halten oder sogar der Wegzug überwiegt. Da die Wegziehenden sich außerhalb der Stadt, aber dennoch in ih rem Einzugsgebiet, niederlassen, ergibt sich eine Aus weitung der urbanen Flä che. Im Zentrum einer typischen Großstadt herr schen Bürohochhäuser vor, begrenzt durch einen Ring wenig privilegierter Wohngebiete, z.T. auch Elendsvierteln. Dieser Kernbereich der ehemaligen Stadt sieht sich einem ständigen Wegzug aus seinem Zentrum, steigenden sozialen Problemen und sinkendem Steueraufkommen gegen übergestellt. In der Altstadt von London wohnten 1800 11 % der Bevölkerung von Groß-London, 150 Jahre später nur 0,1 %. In der Altstadt von Kiel wohnten 1871 28 % der Bevöl kerung, 100 Jahre später nur 0,3 % (Stewig 1983). Außerhalb der Stadt grenzen ent stehen wohl habende Vorstädte, deren Be wohner ledig lich im al ten Zentrum arbeiten, so wie Industriegebiete, wel che die Grenzen zur nächsten Stadt un scharf werden lassen. Praktisch alle großen europäi schen Städte weisen daher zugunsten des Umlandes sinkende Einwohnerzahlen auf, Paris seit 1910, Amsterdam und Rotterdam seit 1960, Frankfurt seit 1964 (Köck 1992). Das Stadtzentrum verödet außerhalb der Hauptarbeitszeit, die Peri pherie wird zur Schlaf stadt. Pendlerströme aus den Vor städten in das Zentrum und aus der Peripherie in entfernte In dustriegebiete zeigen die Ar beitsteilung zwischen diesen Zonen. Typische Beispiele solcher Ballungszentren sind das Gebiet von Tokio -Nagoya -Osaka (70 Mio. Ein wohner), der Bereich um Boston, New York und Washington (Bosnywash ge nannt, 40 Mio. Einwohner) oder das Ruhrge biet in Deutschland (6 Mio. Einwohner). Ein interessanter Gegentrend ist seit einigen Jahren zu beobachten: Städte modernisieren zentrale, verkommene Gebiete, etwa ehemalige Hafen-oder Industrieareale, zu modernen Wohnvierteln für gehobene Ansprüche. Auf diese Weise wird das Zentrum deutlich attraktiver. Beispiele finden sich in vielen US-Großstädten und in den ehemaligen Londoner Docks. Der Wegzug aus Ballungsräumen in ländli che Bezirke kann heute auch mit den Strukturelementen moderner In dustrialisierung erklärt werden. Heutige Transportsysteme und ein ausgebautes Ver kehrsnetz binden periphere Standorte gut an Zentren an. Elektronische Kommunikations systeme machen Distanzen sogar bedeutungslos. Da moderne Ferti gungsverfahren wenig Personal benötigen, kann dies auch in dünn be siedeltem Gebiet gefunden werden. Schließlich entfallen an peripheren Stand orten viele negative Faktoren der Zentren: begrenzte Grundstücksfl ä chen, hohe Bodenpreise, hohe Löhne, star ker Gewerkschaftseinfl uss, hohes Verkehrsauf kommen, hohe Versicherungsbeiträge, Um weltverschmut zung und 100). Dem entsprechend gibt es in den USA über 400 Strafgefangene pro 100.000 Einwohner, in den meisten Industriestaaten unter 200, in der Schweiz knapp 80 und in Holland nur 40. Grosse Städte in Entwicklungsländern fangen den Bevölkerungsüberschuss des Landes auf, wodurch sich Armut, Hunger, Krankheiten und Kri minalität konzen trieren. Vor allem Kinder leiden unter diesen Lebensumständen und sind oft ge zwungen, als Straßenkinder für sich zu sorgen. Es wird geschätzt, dass weltweit 100 Mio. Straßenkinder in den Großstädten der Dritten Welt leben, fast die Hälfte da von in Lateiname rika. Auf Grund der tradi tionell starken Familienbande war diese Entwick lung in Afrika lange unbe kannt, nimmt aber seit den 1980er Jahren durch die vielen Kriege, die Flüchtlingsproblematik sowie AIDS zu. Die Straßenkinder leben von Betteln, Diebstahl und Prostitution, die vor al lem durch den Sextourismus massiv gefördert wird. Man schätzt, dass in Bangkok über 30.000 weibliche Prostituierte unter 16 Jahren (sowie eine große Zahl von Zuhältern, Hotelbesitzern und Syndi katchefs) vom Sextouris mus leben. In Thailand sollen 800.000 Kinder zwi schen 6 und 13 Jahren durch Händlerringe oder auch durch ihre Eltern gezwungen sein, sich an Sextouristen zu verkaufen. Eng mit dem sozialen Elend in den Slums sind Drogenprobleme verbunden, welche die meisten Kinder früh kennen lernen. Gegen Hunger und Angst und zur Betäu bung werden oft organische Lösungsmittel in haliert (Aceton, Klebstoffe, Benzin) und Kokain oder Heroin konsumiert. Die organischen Lö sungsmittel zer stören die Ge hirnzellen und Atemwege und führen in Verbindung mit den all gemein widrigen Lebensumständen zum Tod. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Straßenmädchen von Lateinamerika wird auf 21 Jahre geschätzt. Auch in den Industriestaaten gab es früher vergleichbare Entwicklungen, wie z.B. die Romane von Charles Dickens aus der Zeit der industriellen Revolution berichten. Im Turin des 19. Jahrhunderts veranlasste das Elend der Arbeiterkinder Don Bosco Wohn heime und den Salesianerorden zu gründen. In der Sowjetunion führte der Bürgerkrieg nach 1917 und eine schwere Hungersnot dazu, dass 7 Mio. Kinder in Ban den rau bend durch das Land zogen. In europäischen und nordamerikani schen Großstädten gibt es heute auch wieder Straßenkinder. Viele dieser Obdachlosen, Ausreißer, Punks, Skinheads, Junkies und Prostituierten leben aber we nigstens zeitweise von dem bei uns gut funktionierenden Sozialsystem und fallen weniger auf. Ein Teil der sozialen Probleme städtischer Verdichtungsräume resultiert aus der Bauweise von Straßen und Stadtvierteln, die häufi g mehr von ökonomischen als von zwi schenmenschlichen Aspekten geprägt ist. Als eines der markantesten Beispiele modernen Städtebaus kann das Märkische Viertel in Berlin betrachtet werden. Es fi nden sich je doch in fast allen Städten Parallelen hierzu. Schließlich zeigen der soge nannte sozialistische Wohnungsbau mit seinen Plattenbauten und viele Neubauviertel in der Dritten Welt, dass Gigantomanien beim Städtebau nicht auf westliche In dustriestaaten beschränkt sein müssen. Das Märkische Viertel, 1975 in Berlin fertig gestellt, umfasst auf knapp 400 ha eine Wohnanlage von 17.000 Wohnun gen für 47.000 Bewohner und war das größte Wohnungsbauprojekt Deutschlands. Bis zu 60 m hoch erheben sich die 20geschossigen Hochhäuser. Bezogen auf die von Wohngebäuden bedeckte Fläche (Nettowohnbaufl äche) erreichte das Märkische Viertel Einwohnerdichten Sie erstellen eine Rechnung, demzufolge der Mehrgewinn durch diese zusätzlichen Arbeitskräfte in einer Zeit sich langsam wieder öff nen der Privat märkte größer ist als die Strafen. Daneben gibt es aber auch breite Bevölke rungs schichten, die wegen dieser Strafen ihre Kinder vor der staatlichen Erfassung verstecken. Be sonders seit Beginn der 1980er Jahre, als die Reformpolitik Deng Xiaopings begann, kam es zu einer wach senden Zahl von nicht behördlich registrierten Men schen. Diese "fl ießende Be völkerung", so die entsprechende chinesische Bezeichnung, wird heute auf mindestens 80 Mio. geschätzt. In den 1980er Jahren heirateten 20 % aller Paare vor dem gesetzli chen Mindestalter und 50 % al ler geborenen Kinder waren keine Erstgeborene. Dennoch hat China be achtliche Erfolge vorzuwei sen. Bis 1989 wurden durch die Geburtenkontrolle 200 Mio. Menschen we ni ger gebo ren, die durchschnittliche Familiengröße wurde halbiert. Dies verschob den Tag des 1,1-milliardsten Chine sen um 5 Jahre und den des 5-milliardsten Erdenbürgers um 2 Jahre. Im Jahr 2005 wird die chinesische Bevölkerung ca. 1,3 Mrd. Menschen umfassen, ohne Gebur tenkon trolle hätten es 2 Mrd. sein können. Hätte jede chinesische Frau in den 1980er Jahren 2 Kin der bekommen, ergäbe sich erst bei 1,8 Mrd. Men schen ein Wachstumsstop. Bei einem Kind pro Familie könnte 1,5 Mrd. ein re alistischer Wert für die maximale Populationsgröße Chinas sein. Je höher der Anteil von Ein-Kind-Fami lien ist, desto eher kann im späten 21. Jahrhundert die Milliardengrenze wieder unterschritten werden. Das chinesische Modell gilt als das erfolgreichste in einem großen Ent wicklungsland. Dies ist u.a. auf eine Planung zu rückzuführen, die bevöl ke rungspolitischen Zielen Priorität einräumte, so dass auch der Le bensstandard verbes sert wird. Eine lückenlose Infrastruktur ermög lichte die Erziehung und Kontrolle aller Einwohner. Rund 80 % aller Paare nehmen re gelmäßig Kontrazeptiva. Der Ausbau des Erzie hungssystems, eine allgemeine Schulpfl icht und die Alphabetisierung der Frauen führten zu einer Verbesserung ihrer gesellschaftli chen Stellung, so dass sie be sonders moti viert werden konnten. Auch als Kompensation oder Nordamerika. Der Bevölkerungszuwachs bringt den größten Städ ten der Erde zwischen 1950 und 2000 eine Verdreifachung und Vervierfa chung der Einwohnerzahl. Das Wachstum ist offen sichtlich ungebremst und hat zwei wesentliche Ursachen: die hohe Geburtenrate und Land fl ucht in die Städte. Wenn für den Bevölkerungsüberschuss des ländlichen Gebie tes Ar beitsplätze fehlen, ziehen die Menschen in die Städte. Der zunehmende Mangel an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und die Mechanisierung und Automatisierung der Landwirtschaft verstärken diesen Effekt (vom Land weg) genauso wie die In du striali sierung der städtischen Regionen (zur Stadt hin) Umge kehrt kann durch Ver besserung der Infrastruktur auf dem Lande die Verstädterung wirkungsvoll gebremst werden. Dies kann am Beispiel Havan nas illustriert werden Um weltbelastung usw. auf (Kap. 2.5.2) und es ist aus westlicher Sicht kaum vorstellbar, dass sie Anreiz für Landfl ucht sein sollen. Weltweit leben 1 Mrd. Menschen in Slums, dies entspricht einem Sechstel der Weltbevölkerung oder einem Drittel aller Städter Daher blieb die relative Einwohner zahl so ziale Spannungen. Dementsprechend werden sich auf Kosten der bestehenden Bal lungsräume in den nächsten Jahrzehnten Randlagen besonders entwickeln. Städte sind in der Regel Zentren der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung. Die Verstädterung för dert also diese Ent wicklung. Der demographische Übergang verläuft in Städten im Vergleich zum umgebenden Land beschleunigt, allerdings nicht in den Slums. Welt weit ist die Geburtenrate in Städten 10-20 % niedriger als im umliegenden ländlichen Raum, in Slums deutlich höher. Minderheiten können sich in der Anony mität der Städte meist leichter halten als in dörfl ich strukturiertem Ge biet, andererseits fördert die städtische Lebensweise aber auch ein Ver schmelzen mehrerer Kulturen, so dass eine Einheits kultur entstehen kann (American way of life), aus der heraus als Protestbe wegung markante Sub-oder Gegenkulturen entstehen können. Menschen in Städten sind meist besser organisiert, Kommunikation und Information sind gut, so dass sich ein regelrechter informeller Sektor entwickelt. Viele innovative Anstöße kommen aus dem kleinindustriellen Sektor der Städte, so dass neue Arbeits plätze ent stehen. Die Entwicklung des tertiären Sektors einer Volkswirtschaft, der Dienstlei stungen Bad in der Menge" einen allgemeinen Zustand des Wohlbefi ndens. Andererseits sind Menschen bei höherer Dichte leichter reizbar, reagieren weniger rational und die Intoleranz nimmt zu. Wachsender sozialer Stress äußert sich in Verhaltens störungen, gelegentlich als "Innenstadt syn drom" be zeichnet. Die Kriminalitätsquote steigt in Innenstädten an und wird durch die anonyme Struktur der Hochhausbereiche auch in den städtischen Randzonen ge fördert Generell nimmt auch mit der Stadtgröße die Verbrechensrate zu. Alkoholmiss brauch und Drogenszene sind ty pisch für Großstädte. Es gibt Hinweise, dass die Schei dungsrate, die Zahl von psychischen Erkran kungen und die Häufi gkeit von Suiziden im Zentrum von Ballungsgebieten erhöht sind Vergleicht man die Häufi gkeiten verschiedener Verbrechen, die sich weitgehend auf urbane Bereiche konzentrieren, so schneiden vor allem Städte in den USA besonders ungünstig ab Bezieht man die Geschäfte, Straßen, Spielplätze, Sportanlagen und Grünanlagen mit ein (Bruttowohnbaufl äche), ergibt sich mit einer Dichte von 14.000 Ein wohnern/km 2 immer noch eine Dichte, die über der der meisten Innenstädte liegt. Zu den ne gativen Auswirkungen solch verdichtet gebauter Stadtteile gehören neben unerwarteten bauphysikalischen Auswirkungen (Verkehrslärm, der von den Häuserschluchten refl ektiert wird und Windturbulenzen, welche die Benutzung der oberen Balkone verhindern) vor allem sozia le Auswirkungen (anonyme Lebensweise, fehlende Identifi kation mit dem Wohnumfeld, Vandalismus, erhöhte Kriminalitätsrate). Die langfristig anfallenden sozialen Folgekosten sind daher höher als die einmalige Bodenpreisersparnis durch verdichtete Bauweise