key: cord-0039248-5okgevo2 authors: Müller, M. J.; Westenhöfer, J.; Löser, Chr.; Weimann, A.; Przyrembel, H. title: Ernährungsmedizinische Behandlung date: 2007 journal: Ernährungsmedizinische Praxis DOI: 10.1007/978-3-540-38231-7_2 sha: 35dc8e08d42beb8f83fa6c213415f84171456323 doc_id: 39248 cord_uid: 5okgevo2 nan Gesunde wir Kranke weisen die Verantwortung für ihre Gesundheit häufig den Therapeuten zu, was diese wiederum in der Regel akzeptieren. Um Eigenverantwortlichikeit herzustellen, muss dem Patienten und seinem Therapeuten zunächst klar werden, welchen Nutzen der Mensch aus dem ungesunden Lebensstil zieht. Essen, Rauchen, Alkoholgenuss und Inaktivität können durchaus zur Entspannung und zum geselligen Miteinander beitragen und so auch Lebensqualität bedeuten. Die Ambivalenz im Umgang mit Gesundheit und Ernährung muss mit dem Patienten zusammen herausgearbeitet werden. Erst nach dieser Klärung sind die möglichen Hindernisse gegenüber einem gesundheitsförderlichen Bei den Nährstoffempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und den deutschsprachigen Fachgesellschaften ( DACH) »handelt es sich mit Ausnahme der Richtwerte für die Energiezufuhr um Nährstoffmengen, von denen angenommen wird, dass sie nahezu alle Personen der jeweils angegebenen Alters-und Zielgruppen vor ernährungsbedingten Gesundheitsschäden schützen und die Voraussetzungen für volle Leistungsfähigkeit geben.« Der Nährstoffbedarf verschiedener Menschen zeigt aber eine nicht unbeträchtliche inter-aber auch intraindividuelle Varianz. Bei der Energiezufuhr wird in den Empfehlungen der durchschnittliche Bedarf der gesunden Bevölkerung angegeben. Demgegenüber liegt den Empfehlungen zu verschiedenen essentiellen Nährstoffen die Annahme einer Normalverteilung zugrunde. Dabei wird der durchschnittliche Bedarf (Median der Kurve) um 2 Standardabweichungen (oder 20-30%) erhöht und so der Bedarf von durchschnittlich 98% aller Personen dieser Population abgedeckt. Mit Ausnahme von Protein ist allerdings der Nährstoffaufnahme nicht normal verteilt. Bei einigen Nährstoffen wie Biotin, Pantothensäure und einigen Spurenelementen ist der genaue Bedarf nicht bekannt. Für diese gelten heute auch Schätzwerte, welche durch Experimente begründet, aber noch nicht abgesichert sind. Die zeigen die Nährstoffempfehlungen der DGE für Erwachsene und für Kinder und Jugendliche. ⊡ Tab. 2.5 enthält Angaben zur empfehlenswerten Höhe der Wasserzufuhr. Gesundheitliche Probleme bestehen bei Zufuhr größerer, d. h. den Bedarf überschreitenden Mengen z. B. durch toxische (Vitamin A und D) und pharmakologische Wirkungen (Vitamin B 6 , Nikotinsäure, Kochsalz, Fluorid, Selen etc.) einzelner Nährstoffe. Bei hoher Dosierung ist eine Abgrenzung der Nährstoffe von Arzneimitteln notwendig. Diese ergibt sich aus der jeweiligen Zweckbestimmung. Arzneimittel beeinflussen gezielt Körperfunktionen und dienen der Heilung von Erkrankungen, während Lebensmittel zum Zwecke der Ernährung und zum Genuss verzehrt werden. Die Einstufung eines Vitaminpräparates als Arzneimittel erfolgt allerdingd pragmatisch, wenn die Konzentrationen der Inhaltstoffe größer oder gleich dem 3-fachen der gegenwärtigen Empfehlungen sind. Wichtige Einflussgrößen des Nährstoffbedarfs wie die Genetik, die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen, der individuelle Lebensstil, der Beruf oder auch Umweltfaktoren (wie z. B. das Klima) werden durch die gegenwärtigen Nährstoffempfehlungen nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Nährstoffempfehlungen werden in Zukunft mehr auf Stoffwechseluntersuchungen, der Pathophysiologie oder auch den genetischen Charakteristika einzelner Menschen und Gruppen basieren. Die Nährstoffempfehlungen der DGE werden (z. B. durch die Regeln für eine vollwertige Ernährung) in praktisches Handeln umgesetzt. ⚉ Abwechslungsreiches Essen schmeckt und ist vollwertig. Je vielfältiger und sorgfältiger Sie Ihren Speiseplan zusammenstellen, desto besser lässt sich eine mangelhafte Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen oder eine Belastung durch unerwünschte Stoffe in der Nahrung vermeiden. Zur Energiezufuhr: Essen Sie gerade soviel, dass Sie kein Über-oder Untergewicht bekommen. Wiegen Sie sich regelmäßig. Neben der vollwertigen Ernährung nach den Regeln der DGE gibt es verschiedene sog. »alternative Ernährungsformen«. Diese sind wie folgt charakterisiert: ▬ Bevorzugter oder ausschließlicher Verzehr pflanzlicher Lebensmittel und von Produkten aus dem ökologischem Landbau, ▬ Vermeidung übermäßig verarbeiteter Lebensmittel, ▬ Vermeidung von Zusatzstoffen, ▬ Anspruch auf gesundheitlichen Wert, ▬ »Einbettung« in einer ganzheitlich orientierten Weltanschauung, ▬ aber: fraglicher wissenschaftlicher Wert. 1 mg RRR-á-Tocopherol-Äquivalent = 1,1 mg RRR-á-Tocopherylazetat = 2 mg RRR-ß-Tocopherol = 4 mg RRR-ã-Tocopherol = 100 mg RRR-ä-Tocopherol = 3,3 mg RRR-á-Tocotrienol = 1,49 mg all-rac-á-Tocopherylazetat. Sofern die Klärung der Ernährungssituation die Möglichkeit einer Optimierung oder die Notwendigkeit einer Veränderung ergibt, stellt sich die Frage, wie eine optimierte und angepasste Ernährung aussehen kann oder aussehen sollte. Die angestrebten Veränderungen reichen von quantitativen und qualitativen Aspekten der Lebensmittelauswahl (Was und wie viel soll gegessen werden?), über Fragen der Nahrungszubereitung bis zur Gestaltung der Verzehrssituation (Wann und wie oft soll gegessen werden? Was sind günstige Situationen, was ungünstige?). Häufig wird es nicht ausreichen, mit dem Patienten Veränderungsmöglichkeiten zu erarbeiten, sondern er wird weitere Unterstützung bei der Verwirklichung dieser Veränderungen benötigen. Eine solche Unterstützung kann notwendig werden, weil die wünschenswerten Veränderungen der Ernährung zur Beeinträchtigung von anderen psychosozialen Bedürfnissen (z. B. Genuss, soziale Einbindung und Anerkennung) führen oder weil seit langem praktizierte Gewohnheiten mit einer hohen Verhaltensstabilität verändert werden sollen. Kennzeichnend für eine Ernährungsberatung in diesem engeren Sinn ist die Dialogform zwischen Berater einerseits und Patient andererseits. Dieser Dialog kann verschiedene Formen annehmen. Klassisch sind die Einzelberatung, bei der lediglich der Berater und der betroffene Patient beteiligt sind, und die Gruppenberatung, bei der ein, gelegentlich auch zwei Berater mit einer Gruppe von Patienten in Interaktion treten. Daneben ist, insbesondere wenn es um Kinderernährung geht, die Familienberatung gebräuchlich, bei der zum Beispiel die Mutter hinsichtlich der Ernährung ihres Kindes beraten wird. Die Verbreitung des Internet als Kommunikationsmedium hat darüber hinaus die Internet-gestützte Ernährungsberatung als neue Spielart entstehen lassen. Von dieser dialogorientierten Ernährungsberatung im engeren Sinn sind Ernährungsaufklärung und Ernährungserziehung abzugrenzen. Ziel der Ernährungsaufklärung ist es, beim Verbraucher Interesse für Ernährungsfragen zu wecken, Problembewusstsein für die eigene Ernährungssituation zu schaffen oder Information über verschiedene Aspekte der Ernährung zu verbreiten. Da- bei richtet sie sich an alle Verbraucher oder zumindest an größere Gruppen von Verbrauchern. Entsprechend dieser Zielsetzung werden für Ernährungsaufklärung vor allem Methoden der Massenkommunikation wie Fernsehen, Internet-Seiten, Plakate, Vertrieb von Informationsschriften und Broschüren eingesetzt. Kennzeichnend für viele Maßnahmen der Ernährungsaufklärung ist, dass sie unabhängig von einer individuellen Nachfrage konzipiert sind und dass die verbreitete Information vielmehr aktiv an die Adressaten herangetragen wird. Ebenso sind solche Maßnahmen in der Regel als »Einweg-»Kommunikation konzipiert: Die Aufklärungsbotschaft wird an die Adressaten übermittelt, es findet jedoch kein Dialog mit dem Adressaten statt. Wenn der Adressat Nachfragen oder weitergehenden Informationsbedarf hat, muss er von sich aus auf aktive Informationssuche gehen. Als Ernährungserziehung werden pädagogische Maßnahmen zusammengefasst, durch die im Entwicklungsprozess eines Menschen geplant und absichtlich Ernährungswissen vermittelt und Ernährungsverhalten geprägt werden. Ernährungserziehung findet ganz wesentlich in der primären Sozialisationsinstanz Familie statt. Mit der Veränderung sozialer Strukturen bekommen aber auch die sekundären Sozialisationsinstanzen wie Kindergarten und Schule eine immer stärkere Bedeutung für die Ernährungserziehung. Ernährungserziehung sollte darauf abzielen, Menschen zu befähigen, sich zu einem mündigen Verbraucher mit einem gesundheitsförderlichen, sozial verantwortlichen und umweltgerechten Ernährungsverhalten zu entwickeln. Die Ernährungserziehung von Kindern hat eine zentrale Bedeutung in der Entwicklung und Stabilisierung eines günstigen Ernährungsverhaltens »von Anfang an« und ist damit ein zentraler Baustein der Gesundheitsförderung und Primärprävention. Für die Durchführung einer Ernährungsberatung im engeren Sinn können verschiedene Zielsetzungen systematisch unterschieden werden, die jeweils ein eigenes methodisches Vorgehen erfordern: Diagnostische Ziele. Sie bestimmen, welche Information benötigt wird, um den Beratungsprozess im weiteren Verlauf zu steuern und zu gestalten. Mögliche diagnostische Ziele sind die Beschreibung der Nahrungsaufnahme oder die Klärung sozialer und psychologischer Faktoren des Essverhaltens. Die verschiedenen Methoden zur Umsetzung diagnostischer Ziele sind im Kap. 1.2 beschrieben. Beim Einsatz solcher Methoden sollte berücksichtigt werden, dass aus einer diagnostischen Abklärung auch eine praktische therapeutische bzw. Beratungskonsequenz folgen sollte. Sofern die nachfolgenden Beratungsschritte unabhängig vom Ergebnis einer diagnostischen Klärung ablaufen, erscheint der Sinn einer solchen Diagnostik fragwürdig. Im Gegenzug muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass viele Patienten eine unzutreffende Selbsteinschätzung ihres eigenen Ernährungsverhaltens Sozioemotionale Lernziele. Sie beschreiben, welche gefühlsmäßige Bewertung und/oder soziale Beziehung der Patient durch den Beratungsprozess erwerben soll. Sozio-emotionale Lernziele können formuliert werden in der Form: »Am Ende der Beratung(seinheit) wird der Patient wünschen, gut finden, mögen, erlebt haben, ...« Eine positive gefühlsmäßige Bewertung von Handlungen oder Situationen kann sehr viel eher verhaltensbestimmend sein, als rein kognitives Wissen um günstige oder ungünstige Verhaltensalternativen. Wenn beispielsweise ein Patient Gemüse mag, wird er es sehr viel eher essen, als wenn er weiß, dass reichlicher Gemüseverzehr gesund ist, er aber gleichzeitig verschiedenste Gemüse nicht mag. Wenn es ein Patient nicht mag, im Stehen und in Hektik nebenbei zu essen, wird er sehr viel weniger zu unkontrolliertem zwischendurch essen neigen, als wenn er lediglich weiß, dass häufiges nebenbei essen eine ausgeglichene Energiebilanz erschwert. Gleichermaßen spielt die Bewertung von Handlungen durch das soziale Umfeld eines Patienten eine wichtige Rolle. Wenn beispielsweise im beruflichen Umfeld oder in einer Freizeitgruppe der Verzicht auf Alkoholkonsum als unmännlich angesehen wird und damit zum Außenseiter in der Gruppe macht, wird es dem Einzelnen sehr schwer fallen, in solchen Situationen entgegen der Erwartung der anderen auf Alkohol zu verzichten. Sie beschreiben, welche praktischen Handlungen der Patient nach der Beratung durchführen kann ( Verhaltenspotential) oder tatsächlich durchführen wird (realisiertes Verhalten). Beispiele für Lernziele zum Verhaltenspotential sind: Der Patient ist in der Lage, Gemüse schmackhaft zuzubereiten; der Patient kann sich in Frustrationssituationen anders trösten als durch Essen; der Patient kann dem Impuls, Erdnüsse beim Fernsehen zu knabbern, widerstehen. Beispiele für Lernziele zu realisiertem Verhalten sind: der Patient isst an mindestens fünf Tagen in der Woche eine warme Mahlzeit; der Patient isst pro Tag fünf Portionen Obst und Gemüse; der Patient; der Patient begrenzt seinen Konsum von Schokolade auf zwei Tafeln (je 100 g) pro Woche. Sofern sich die Ernährungsberatung nicht auf die Klärung der Ernährungssituation beschränken kann, ergeben sich zwangsläufig pragmatische und verhaltensorientierte Lernziele als die Ziele, die letztlich für den Beratungserfolg relevant sind. In der Regel werden Diagnostik, Wissensvermittlung und sozio-emotionale Lernziele dem Ziel eines veränderten Ess-und Ernährungsverhaltens untergeordnet sein müssen. Diese Prioritätssetzung kann nochmals am Beispiel des Gemüseverzehrs verdeutlicht werden. Ein typisches kognitives Lernziel wäre: »Der Patient weiß, dass Rohkost einen hohen Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen hat.« Ein sozio-emotionales Lernziel wäre: »Der Patient mag Rohkost.« Das letztlich relevante verhaltensorientierte Lernziel hierzu könnte lauten: »Der Patient isst regelmäßig Rohkost.« Es wird deutlich, dass das Wissen um die gesundheitlichen Vorteile von Rohkost 2.3 · Ernährungsberatung und selbst eine veränderte Präferenz keinen gesundheitlichen Vorteil für den Patienten bringt, sofern dieses nicht dem tatsächlichen Verzehr entspricht. Im Gegenteil: Über den Umweg eines schlechten Gewissens kann Wissen um gesunde Ernährung, das nicht in Verhalten umgesetzt wird, durchaus negative Auswirkungen auf die psychosoziale Befindlichkeit und damit auf die Gesundheit insgesamt haben. Die oben skizzierte Ausgangslage der dialog-orientierten Ernährungsberatung macht deutlich, dass sich Ernährungsberatung nicht auf das »Ratschlag geben« reduzieren lässt. Leider weckt der Begriff »Beratung« im Deutschen häufig die spontane Assoziation an ein asymmetrisches Beratungsverhältnis, bei dem ein Berater dem »Ratsuchenden« hilfreiche und unterstützende »Ratschläge« gibt. Ein solches Verständnis kann an vielen Stellen für den Beratungsprozess hinderlich sein, da es den Patienten in eine passive Empfängerrolle drängt, anstatt ihn zu aktiver Beteiligung zu motivieren. Dialog-orientierte Ernährungsberatung wird davon profitieren, wenn Beratung weniger im Sinn von »jemanden beraten« als vielmehr im Sinn von »miteinander beraten« verstanden wird. Dies bedeutet auch, dass der Berater nicht über vorgefertigte Lösungskonzepte verfügen muss, die dem Patienten angeboten oder sogar »übergestülpt« werden. Vielmehr stellt der Berater sein inhaltliches und methodisches Expertenwissen zur Verfügung, um mit dem Patienten geeignete Lösungswege zu erarbeiten. Eine wichtige Grundlage für das Beratungsgespräch ist die so genannte klientenzentrierte Gesprächsführung. Diese Art der Gesprächsführung beruht auf drei Grundvoraussetzungen, die der Berater gegenüber dem Patienten verwirklichen muss: ▬ Wertschätzung: Der Berater muss dem Patienten glaubhaft vermitteln, dass er ihn als Menschen ernst nimmt und wert schätzt. Wenn dies nicht der Fall ist, wird der Berater dem Patienten zwangsläufig nonverbal vermitteln, dass er ihn nur als »Nummer« wahrnimmt bzw. dass er ihn gering schätzt (»Schon wieder so ein Dicker!« Die Schilderungen des Patienten kann der Berater zusammenfassen und sinngemäß wiederholen. Diese Technik, bei der der Berater lediglich das gesagte mit eigenen Worten umschreibt, wird als Paraphrasieren bezeichnet. Dies dient dazu, dass sich der Berater vergewissern kann, dass er wirklich alle wichtigen Aspekte, die der Patient geschildert hat, richtig aufgefasst hat. Gleichfalls wird sich der Patient, indem der Berater das Gesagte zutreffend paraphrasiert, verstanden fühlen. Dies trägt dazu bei, dass der Patient sich weiter öffnet und dass er weitere relevante Aspekte ansprechen kann. Wenn sich das Paraphrasieren des Beraters nicht auf die in der Patientenaussage enthaltene Sachinformation beschränkt, sondern wenn dabei vor allem auf das subjektive Empfinden des Patienten fokussiert wird, dann wird vom »Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte« gesprochen. Hierbei wiederholt und benennt der Berater also nicht nur, was passiert ist, sondern auch wie sich der Patient dabei gefühlt hat. Solche Berateräußerungen können, gerade zu Beginn, leicht realisiert werden, wenn der Berater seine Äußerung mit den Worten beginnt: »Wenn ich Sie richtig verstanden habe …« und wenn er dann schildert, was er meint verstanden zu haben, wobei er sich bemühen sollte, zumindest einen emotionalen Aspekt aus dem Erleben des Patienten aufzugreifen. Eine solche Gesprächsführung legt den Patienten nicht von vornherein auf bestimmte Themen und Aspekte fest, sondern ermöglicht es ihm, dass er nach und nach die Gesichtspunkte benennt, die für ihn selbst wichtig sind. Dies gilt auch und gerade dann, wenn ihm zu Beginn des Gesprächs vielleicht selbst noch nicht klar bewusst ist, welche Aspekte dies letztlich sind. Daher wird diese Art Gesprächsführung auch oft als non-direktiv bezeichnet. Mit der klienten-zentrierten Gesprächsführung wird der Patient also ermutigt, seine subjektive Sichtweise einer Situation oder Problematik zu schildern und er erhält vom Berater eine Rückmeldung darüber, wie der Berater ihn verstanden hat. Dies wird dazu betragen, dass sich der Patient verstanden fühlt Er kann dann im Gespräch über weitere Aspekte seiner Problematik nachdenken und möglicherweise sogar neue Sichtweise und Problemlösungen entwickeln. Wenn der Berater die Situation und das Erleben des Patienten verstanden hat, bietet dies für ihn die Grundlage zu weiteren Interventionen. Informations-und Wissensvermittlung ist in der Ernährungsberatung oft unerlässlich sein. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Qualität der Informationsvermittlung nicht dadurch bestimmt wird, wie viel Information vom Berater angeboten werden konnte, sondern davon, wie viel Information der Patient aufnehmen konnte bzw. wie viel er davon in ein verbessertes Ernährungsverhalten umsetzen konnte. Wie weit dargebotene Information von einem veränderten Verhalten entfernt sein kann, wird in den folgenden fünf allgemeinen Merksätzen treffend zusammengefasst: ▬ Gesagt heißt nicht gehört. ▬ Gehört heißt nicht verstanden. ▬ Verstanden heißt nicht einverstanden. ▬ Einverstanden heißt nicht angewendet. ▬ Angewendet heißt nicht beibehalten. Wichtige Prozesse der Informationsverarbeitung, die beim Patienten als Empfänger von Informationen ablaufen, können anhand eines Strukturmodells des Gedächtnisses veranschaulicht werden (siehe ⊡ Abb. 2.2). Alle Umweltreize und Informationen werden durch Sinnesorgane zunächst in Nervenimpulse umgewandet, die wiederum diese Information ans Gehirn übertragen. Dort werden diese Informationen für jede Sinnesmodalität wie »sehen« oder »hören« getrennt in einem sogenannten sensorischen Register oder Ultrakurzzeitgedächtnis zwischengespeichert. In diesem sensorischen Register werden die Umweltreize zunächst nahezu vollständig, allerdings nur für eine sehr kurze Zeit von etwa 0,5-2 s, gespeichert. Ohne weitere Verarbeitung zerfällt dann die gespeicherte Information. Allerdings findet in dieser Zeit bereits eine wichtige Vorverarbeitung der wahrgenommenen Umweltreize statt, die Mustererkennung: Visuelle Reize werden je nach dem als Buchstaben oder gar Wörter erkannt, als Gesichter von Personen oder als die Abbilder von Gegenständen; akustische Reize werden als Wörter oder Musik erkannt. Die solchermaßen aufbereitete Information gelangt dann entweder zur Weiterverarbeitung ins Arbeitsgedächtnis oder wird für immer gelöscht. Die Übertragung von Information aus dem sensorischen Register ins Arbeitsgedächtnis geschieht nur für einen kleinen, ausgewählten Teil der wahrgenommenen Reize. Dieser Mechanismus wird als selektive Wahrnehmung bezeichnet. Welche Reize und Informationen für die Übertragung ausgewählt werden, wird unter anderem durch Aufmerksamkeitsprozesse des Patienten gesteuert. Dies kann und sollte genutzt werden, um die wesentlichen Beratungsinhalte durch besondere Heraushebung und Betonung von erläuterndem Beiwerk zu unterscheiden und somit eine bevorzugte Weiterverarbeitung zu fördern. Das Arbeitsgedächtnis ist der Teil des Gedächtnisses in dem die aktive Informationsverarbeitung stattfindet. Dieser Gedächtnissspeicher wird auch häufig als Kurzzeitgedächtnis bezeichnet, da die Information hier nur für kurze Zeit gespeichert werden kann, ca. 5-20 s, wenn keine weitere Verarbeitung stattfindet. Durch aktive Verarbeitungsprozesse wie nachdenken oder wiederholen kann die Information jedoch auch beliebig länger gespeichert werden. Information die danach nicht ins Langzeitgedächtnis übertragen wird, wird einfach wieder vergessen. Neben der zeitlichen Begrenzung ist die begrenzte Kapazität hinsichtlich der speicher-und verarbeitbaren Informationsmenge ein herausragendes Merkmal des Arbeitsgedächtnisses. Es hat sich gezeigt, dass das Arbeitsgedächtnis gleichzeitig etwa 7 ± 2 also zwischen 5 und 9 Informationseinheiten gleichzeitig verarbeiten und speichern kann. Diese Informationseinheiten wurden Miller, dem Entdecker dieses Prinzips als abstrakt als chunks bezeichnet, weil der Umfang eines solchen chunks je nach den Umständen und Vorerfahrungen sehr unterschiedlich sein kann. Während zum Beispiel für einen erfahrenen Statistiker die Formel für die Berechnung der Varianz möglicherweise eine einzige Informationseinheit darstellt, stellt für den Studierenden in der ersten Statistik-Vorlesung wahr scheinlich jeder einzelne Bestandteil dieser Formel eine eigene Informationseinheit dar. Genauso stellen für den erfahrenen Ernährungsberater auch mittelmäßig komplexe Ernährungs zusammen hänge nur eine Informationseinheit dar, während für den Patienten solche Zusammen hänge nur als Verknüpfung mehrerer Informationseinheiten verarbeitbar sind. Hinzu kommt, dass der Berater nicht davon ausgehen kann, dass alle 7 ± 2 Informationseinheiten für die Verarbeitung von Sachinformation zur Verfügung stehen. Vielmehr werden auch Kontextinformationen vom Patienten parallel zur Sachinformation verarbeitet, zum Beispiel: Wie sympatisch oder freundlich ist der Berater? Wie fühle ich mich in der Situation (akzeptiert, ausgefragt, angeklagt)? Wie sieht der Berater aus (Gesichtsausdruck, Kleidung)? Wie sind die Räumlichkeiten? Im Allgemeinen sollte nicht davon ausgegangen werden, dass mehr als ca. 3 chunks für die Verarbeitung von Sachinformation zur Verfügung stehen. Sofern die vermittelte Information dann noch nicht ins Langzeitgedächtnis übertragen wurde, wird sie wieder vergessen. Wenn mehr Informationseinheiten dargeboten werden als verarbeitet werden können, dann werden am ehesten die zuletzt angebotenen Informationen erinnert, während frühere Information durch die neue Information verdrängt wird. Bei der Übertragung von Informationen aus dem Arbeitsgedächtnis in das Langzeitgedächtnis können mehrere Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Ein wesentlicher und häufig genutzter Prozess, der die Speicherung von Information im Langzeitgedächtnis erleichtert ist die Wiederholung. Dieser Mechanismus ist im Alltag durch solche Lernprozesse wie Vokabel-Lernen, Formel-Lernen, Auswendiglernen von Gedichten oder Memorieren von Telefonnummern allgemein bekannt. Auch in der Ernährungsberatung kann durch Wiederholung von Informationen die Chance erhöht werden, dass das vermittelte Wissen langfristig gespeichert wird. Weitere Mechanismen, die für die langfristige Speicherung wichtig sind, sind der Sinnzusammenhang und die persönliche Bedeutsamkeit von Information. Information, die vom Empfänger nicht in einen klaren Sinnzusammenhang eingeordnet werden kann, kann kaum ins Langezeitge-dächtnis übertragen werden. Auch erläuternde Bespiele, die einen neuen Zusammenhang anhand von bekannten Phänomenen darstellen, dienen der Herstellung von Sinnzusammenhängen. Wenn beispielsweise eine Patientin in der Ernährungsberatung darüber berichtet, dass sie immer wieder unter unwiderstehlichem Heißhunger auf Schokolade leidet, und der Berater daraufhin empfiehlt, dass die Patientin mehr Kohlenhydrate essen soll, so wird die Patientin diese Information kaum behalten. Wenn der Berater jedoch kurz erläutert, dass die Kohlenhydrate in der Schokolade möglicherweise den Gehirnstoffwechsel beeinflussen können, dass dies aber durch andere Kohlenhydrate genauso möglich ist, wird die Patientin die Empfehlung des Beraters eher in einen Sinnzusammenhang mit ihrem Problem einordnen können. Schließlich wird Information umso leichter ins Langzeitgedächtnis übertragen, je stärker ausgeprägt die persönliche Bedeutsamkeit der Information ist. Während sich die meisten Menschen mathematische oder chemische Formeln kaum ohne mehrfache Wiederholung merken können, gelingt dies mit dem Namen eines Menschen, den man kennen lernt und sympathisch findet, meistens auf Anhieb. Daher sollte versucht werden, bei der Vermittlung von Ernährungsinformation und -wissen die persönliche Bedeutung dieser Information für den Patienten herauszuarbeiten, also aufzuzeigen, welche konkreten Vorteile bzw. Nachteile sich aus einem bestimmten Sachverhalt ableiten lassen. Im Langzeitgedächtnis kann eine große Menge von Information für lange Zeit gespeichert werden. Nach heutigem Wissen wird ein Großteil dieser Information in Form von semantischen Netzwerken gespeichert. Man kann sich das so vorstellen, dass jede gespeicherte Information ein Knoten in einem sehr verstrickten Netz ist. Die Fäden des Netzes sind dann jeweils Verknüpfungen einer Information mit anderen Informationsknoten. Informationen werden also nie isoliert gespeichert, sondern immer in Verknüpfung zu anderer gespeicherter Information. Solche Verknüpfungen können begrifflich-systematisch sein (z. B. Zucker und Stärke [sind] Kohlenhydrate; Brötchen [gehört zu] den Getreideprodukte) aber auch andere Assoziationen beinhalten (z. B. Fett [macht] dick; Fett schmeckt gut; Fett [ist] ungesund). Häufig wird abstrakte Sachinformation auch mit Verknüpfungen zu persönlichen Erlebnissen gespeichert (z. B. Butter -gehört zu -Fett; Knoblauchbutter -ist -Butter; die Knoblauchbutter zu den gegrillten Garnelen im letzten Urlaub war köstlich). Wenn gespeicherte Information aus dem Langzeitgedächtnis erinnert oder abgerufen werden soll, dann muss der zutreffende Informationsknoten in diesem Netzwerk gefunden werden. Dies kann umso leichter gelingen, je vielfältiger eine Information mit anderer Information verknüpft ist. Daher sollte neue Ernährungsinformation anhand von Beispielen und persönlichen Erlebnissen des Patienten so gut wie möglich mit dem bereits vorhanden Wissen und den vorhandenen Erfahrungen verknüpft werden. Wenn gespeicherte Information nicht mehr erinnert oder abgerufen werden kann, liegt dies häufig daran, dass im gespeicherten Netzwerk kein geeigneter Zugangspfad zur Information gefunden werden kann. Manchmal ist dem Betroffen klar, dass er die Information gespeichert hat (»es liegt mir auf der Zunge«, »das war eine Abbildung auf einer Seite rechts oben«), und dennoch kann kein geeigneter Zugangsweg zur Information gefunden werden. Oder der Betroffene findet erst wieder Zugang zur gespeicherten Information, wenn sie ihm erneut präsentiert wird (»Ach ja, stimmt ja!«; Wiedererkennung). Prägnante Merksätze, Eselsbrücken, einprägsame Beispiele oder markante Grafiken können in solchen Fällen sehr gut die Funktion von leicht verfügbaren und auffindbaren Zugangswegen zur gespeicherten Information übernehmen. Letztlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass aufgenommene Information selten vollständig im Langzeitgedächtnis gespeichert ist. Vielmehr sind nur verschiedene Informationsanteile und Verknüpfungen gespeichert. Wenn solchermaßen unvollständig gespeicherte Information abgerufen wird, findet ein aktiver Rekonstruktionsprozess statt. Das bedeutet, dass die Informationslücken aufgefüllt werden, indem die nicht gespeicherte Information durch Inhalte ersetzt wird, die auf dem Hintergrund der eigenen Gesamterfahrung einigermaßen passend erscheinen. Wenn diese »frei erfundenen« Pseudoerinnerungen hinreichend plausibel sind, wird dem Betroffenen nicht einmal auffallen, dass er sich etwas ausgedacht hat, anstatt etwas zu erinnern. Auf dem Hintergrund dieser gedächtnispsychologischen Überlegungen gibt es die Beobachtung, dass verschiedene Informationskanäle oder die Kombination von Informationskanälen unterschiedliche Erinnerungsleistungen bewirken können (s. ⊡ Abb. 2.3). Dabei spielen sicherlich die unterschiedlichen Aufmerksamkeits-und Selektionsprozesse eine wichtige Rolle, aber auch die Anzahl und der Qualität der Verknüpfungen, mit denen die Information im Langzeitgedächtnis gespeichert wird. Zusammenfassend lassen sich aus den Überlegungen zur Informationsverarbeitung und -speicherung die folgenden Empfehlungen für die Ernährungsberatung geben: ▬ Beschränken Sie die dargebotene Information pro Beratungssitzung auf zwei bis drei Informationseinheiten. ▬ Nutzen Sie bei der Informationsvermittlung nach Möglichkeit mehrere Kanäle (zum Beispiel Sprache und Illustration). ▬ Wiederholen Sie die wichtigsten Informationen und machen Sie den Sinnzusammenhang und die persönliche Bedeutsamkeit klar. ▬ Lassen Sie den Patienten nochmals mit eigenen Worten zusammenfassen, was für ihn die wichtigsten Punkte waren. ▬ Geben Sie dem Patienten eine knappe, schriftliche Zusammenfassung der wichtigsten Punkte zur Unterstützung der Erinnerung mit. Das moderne Ess-und Ernährungsverhalten ist dadurch charakterisiert, dass sowohl hinsichtlich der Lebensmittelauswahl als auch hinsichtlich der Wahl der Verzehrssituation in der Regel eine Fülle von Möglichkeiten bestehen. Welche der jeweils verfügbaren Optionen gewählt wird. ist von einer Vielzahl von Faktoren und Motiven abhängig. Eine Reihe von Motiven, die das Ernährungsverhalten in unterschiedlichen Situationen bestimmen können, ist beispielhaft in ⊡ Tab. 2.8 dargestellt. Die Bedeutung solcher Motive kann von Mensch zu Mensch und von Situation zu Situation unterschiedlich sein. Meistens werden jedoch Menschen ihre Auswahlentscheidung so treffen, dass die für sie in der jeweiligen Situation wichtigsten Motive am besten abgedeckt werden. Sie treffen also eine subjektiv optimierte Ess-Entscheidung. Eine solche subjektiv optimierte Entscheidung muss jedoch keineswegs objektiv optimalen Ernährung entsprechen. Anders ausgedrückt: Psycho-soziale Bedürfnissen können zu einem Essverhalten führen, das nicht im Einklang mit dem physiologischen Bedarf des Organismus steht. Da der Bedarf des Organismus im Rahmen der Ernährungsberatung weitgehend unbeeinflussbar bleibt, muss Ernährungsberatung darauf abzielen die individuellen Bedürfnisse und Entscheidungsmotive zu verändern. Spätestens jetzt ist notwendig, dass das neue Verhalten auch konkret erlebbare positive Konsequenzen für den Patienten hat, da es sonst wieder aufgegeben wird. Sofern das neue Verhalten unmittelbar wahrnehmbare positive Konsequenzen hat, kann es in dieser Phase ausreichend sein, wenn der Berater die Aufmerksamkeit des Patienten auf diese positiven Konsequenzen lenkt, also den Patienten in einer positiven Selbstbewertung unterstützt. Wenn positive Folgen nicht unmittelbar erlebbar sind, ist es sinnvoll, wenn der Berater den Patienten dabei unterstützt, positive Verhaltenskonsequenzen gezielt herzustellen. Dies kann durch ein gezieltes Selbstbeobachtungsund Selbstverstärkungsprogramm geschehen. Dabei legt der Patient für sich fest, wie häufig er das gewünschte Verhalten in einem bestimmten Zeitraum durchführen will ( Zielvereinbarung), protokolliert dann, wie häufig er das Verhalten tatsächlich durchführt (siehe Abschnitt Selbstbeobachtung weiter unten) und belohnt sich selbst mit etwas, was er sich wünscht oder was ihm angenehm ist (siehe Verstärkung weiter unten), wenn er das festgelegte Ziel erreicht hat. Selbstverständlich kann auch soziale Unterstützung und Anerkennung aus dem Umfeld des Patienten die Aufrechterhaltung der Veränderung unterstützen. Hierzu kann mit dem Patienten überlegt werden, welche Personen aus seinem Umfeld eine solche Unterstützung bieten können. Schließlich hat aber auch der Berater selbst eine wichtige verstärkende Funktion, indem er dem Patienten positive Rückmeldungen zu seinen Bemühungen und Erfolgen gibt. In dieser Phase der Verhaltensänderung muss das neue Verhalten immer wieder durch eine bewusste, kognitive Steuerung eingeleitet und aufrechterhalten werden, da es noch nicht als quasi-automatischer Handlungsablauf verinnerlicht ist. Erst wenn eine Handlung mehrfach durchgeführt wurde, bildet sich im Gedächtnis ein eigenes Erinnerungsmuster, das den Handlungsablauf zukünftig steuern kann. In der Gedächtnispsychologie wird auf dieses Phänomen mit der Unterscheidung verschiedener Bereiche oder Prozesse im Langzeitgedächtnis Bezug genommen. Auf der einen Seite gibt es das so genannte deklarative Gedächtnis, das für die Speicherung von Wissen und Gedächtnisinhalten zuständig ist, die im weitesten Sinn benannt, erzählt oder erklärt werden können. Hierzu zählen insbesondere das Sachwissen über Begriffe und die Zusammenhänge zwischen diesen Begriffen ( semantisches Gedächtnis) als auch die Erinnerung an eigene Erlebnisse mit biographischem Bezug ( episodisches Gedächtnis). Das Wissen über gesunde Ernährung, günstiges Essverhalten oder allgemein einen gesunden Lebensstil wäre somit dem deklarativen Gedächtnis bzw. dem Teil des semantischen Gedächtnisses zuzuordnen. Sofern eine Handlung aus dem deklarativen bzw. semantischen Gedächtnis gesteuert werden soll, ist ein erheblicher Denk-und Verhaltensaufwand notwendig. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn jemand ein neues, im bislang unvertrautes Elektrogerät anhand der Bedienungsanleitung in Betrieb nehmen will (Beispielsweise erste Programmierung eines neuen Videorekorders). In diesem Fall entspricht die Bedienungsanleitung dem semantischen Wissen, das eine Schritt für Schritt Anweisung hinsichtlich der durchzuführenden Handlungsschritte enthält. Diese werden dann langsam abgearbeitet, indem immer wieder nachgelesen wird, was als nächstes zu tun ist. Ähnlich verhält es sich, wenn jemand ein neues Rezept anhand eines Kochbuchs »nachkocht«. Ein solcher kognitiver »Steuerungsaufwand« ist jedoch psychologisch außerordentlich unökonomisch und belastend. Daher werden gewohnheitsmäßige Verhaltensmuster normalerweise nicht durch die schrittweise Abarbeitung von deklarativen Gedächtnisinhalten gesteuert. Hierfür ist vielmehr ein Teil des Langzeitgedächtnisses zuständig, der als prozedurales Gedächtnis bezeichnet wird. Im prozeduralen Gedächtnis werden komplette Handlungsabläufe, Verhaltensketten und psycho-motorische Fertigkeiten gespeichert. Der Unterschied zwischen Verhaltenssteuerung durch das deklarative Gedächtnis und das prozedurale Gedächtnis wird beispielsweise in der ersten praktischen Auto-Fahrstunde besonders augenfällig. In der Regel verfügt der Fahrschüler zu diesem Zeitpunkt bereits über ausreichendes Wissen über Verkehrsregeln, die Bedienelemente und -theoretisch -über das Wissen, wie er mit dem Auto anfahren kann. Oft werden jedoch bei den ersten Versuchen, dieses deklarative Wissen in eine Handlung umzusetzen, der Motor abgewürgt oder der Motor heult laut auf. Erst nach einiger Übungszeit wird das deklarative Wissen in eine prozedurale Fertigkeit übersetzt, die dann ohne bewussten, kognitiven Steuerungsaufwand abrufbar ist. Völlig analoges gilt, wenn es darum geht, eine neue Sportart oder das Spielen eines Musikinstruments zu erlernen. In der Tat gibt es viele Fertigkeiten, die im prozeduralen Gedächtnis gespeichert sind, für die überhaupt kein entsprechender deklarativer Gedächtnisinhalt mehr existiert (z. B: Fahrrad fahren: wie erklärt man jemanden, wie er das Gleichgewicht halten soll? Oder schwimmen: wie kann man das einem Nichtschwimmer erklären?). Praktische Übungsprozesse, also die mehrfache Durchführung einer Handlung, sind der einzige Weg, auf dem solche prozeduralen Steuerungsinhalte erworben werden können (s. ⊡ Abb. 2.7). Auf diesem Hintergrund kann also Ernährungsberatung in der Phase der Verhaltensänderung als Übungsoder Trainingsprozess beschrieben werden, in der der Ernährungsberater eine ähnliche Funktion hat wie der Für den Fall, dass es trotz aller Rückfallprophylaxe zu einem Ausrutscher kommt, sollte der Patient darauf eingestellt sein, dass ein einzelner Ausrutscher für sich genommen kein großes Problem darstellt. Entscheidend ist nicht, was bei einem Ausrutscher geschieht, sondern was nach einem Ausrutscher geschieht, wie also der Ausrutscher verarbeitet wird. Günstig ist es, wenn sich der Patient klar macht, dass der Ausrutscher als ein vorübergehendes Problem verstanden wird, das im Rahmen eines Lernprozesses auftreten kann. Ein solches Problem kann für den Lernprozess förderlich sein, wenn verstanden wird, was den Ausrutscher begünstigt hat und wenn der Patient aus dieser Erfahrung Konsequenzen für zukünftige, ähnliche Ereignisse ziehen kann (»Aus Fehlern lernen«). Wenig hilfreich ist es, wenn der Patient einen Ausrutscher einfach als unbedeutend verharmlost und nicht versucht, Konsequenzen daraus ziehen. Ebenso wenig ist es hilfreich, wenn der Patient stattdessen eine »jetzt ist es eh egal«-Reaktion zeigt. Vielmehr sollte er den Ausrutscher als eindeutigen Hinweis auf Schwierigkeiten verstehen und verarbeiten, die verstärkte Bewältigungsanstrengungen notwendig machen. Wenn es dem Patienten gelingt, Ausrutscher erfolgreich zu bewältigen, wird dies seine Selbstwirksamkeitserwartung bzw. seine Kompentenzerwartung stärken und dazu beitragen, dass er zukünftige Schwierigkeiten leichter meistern kann. Letztlich sollte mit dem Patienten aber auch angesprochen werden, dass es im Rahmen einer Verhaltensänderung vorkommen kann, dass er das neue Verhalten wieder dauerhaft aufgibt und in alte Gewohnheiten zurückfällt. Der Patient sollte ermutigt werden, in einem solchen Fall nicht mit unproduktiven Schuld-und Schamgefühlen zu reagieren, sondern stattdessen erneute Hilfe und Unterstützung durch eine erneute Beratung und/oder Therapie in Anspruch nehmen: Eine dauerhafte Verhaltensänderung wird durch die erfolgreiche Bewältigung von Rückfällen letztlich wahrscheinlicher gemacht. Für den Patienten wird der Schritt, erneut Hilfe in Anspruch zu nehmen, dadurch erheblich erleichtert, dass der Berater mit ihm klare Kriterien festlegt, wann eine erneute Beratung in Anspruch genommen werden sollte. Von vornherein vereinbarte Nachsorgetermine können auch dazu dienen, Rückfallsituationen zu erkennen und erneut zu intervenieren, falls der Patient nicht von sich aus mit dem Berater Kontakt aufgenommen hat. Naturgemäß wird eine Ernährungsberatung in Abhängigkeit von der Ausgangssituation des Patienten und von der damit verbundenen Zielsetzung sehr unterschiedlich verlaufen. Dennoch lässt sich ein allgemeines Rahmenmodell skizzieren, das den planmäßigen Aufbau und Ablauf der Ernährungsberatung strukturiert. Sinnvoll ist es dabei, die Ernährungsberatung als Prozess zu verstehen, dessen weiterer Verlauf vom bisherigen Verlauf abhängig ist. Die Grundstruktur für ein solches Prozessmodell ist in ⊡ Abb. 2.9 dargestellt. Zu Beginn einer Ernährungsberatung muss zunächst die zwischenmenschliche und kommunikative Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Patient und Berater geschaffen wird. Die Beziehung zwischen Patient und Berater kann als Arbeitsbündnis charakterisiert werden, das zum einen durch gegenseitige Wertschätzung charakterisiert ist, zum andern dadurch, dass es dem Berater gelingt, die Situation und Schwierigkeiten des Patienten einfühlsam zu verstehen und dem Patienten auch das Gefühl zu vermitteln, verstanden zu werden. Die Arbeit an der Aufrechterhaltung und am weiteren Ausbau dieses Arbeitsbündisses wird den weiteren Beratungsprozess begleiten. Neben diesem Beziehungsaspekt wird am Beginn der Beratung der erste Schwerpunkt darauf zu legen sein, die Ernährungssituation des Patienten zu klären und Veränderungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten zu erfassen. Dieser erste Schritt der Beratung kann als Verhaltensdiagnose umschrieben werden. In der Verhaltensdiagnose wird das relevante Ess-und Ernährungsverhalten beschrieben. Hierzu werden die im Kap Nicht alle Abweichungen des tatsächlichen Ernährungsverhaltens von gesundem und wünschenswertem Ernährungsverhalten müssen jedoch zwangsläufig Gegenstand der weiteren Ernährungsberatung werden. Auf der Grundlage der Verhaltensdiagnose müssen in einem weiteren Schritt der Zieldefinition zwischen Beratung und Patient gemeinsam die Ziele festgelegt werden, die im weiteren Beratungsprozess angestrebt werden. Hierbei sollten, kognitive, sozio-emotionale und pragmatisch-verhaltensorientierte Lernziele, wie in Kap Jede Folgesitzung muss dann -nach der Begrüßung und einleitenden Worten -damit beginnen, dass mit dem Patienten besprochen wird, welche Trainingsaufgaben erfolgreich umgesetzt werden konnten, beziehungsweise wo Schwierigkeiten aufgetreten sind und wie diese gegebenenfalls in Zukunft verringert werden können. Als Ergebnis einer solchen Evaluation (Bewertung) des Trainingserfolges legen Berater und Patient fest, ob ein bestimmter Verhaltensaspekt nochmals weitertrainiert werden soll, ob für ein bestimmtes Ziel eine weitere Verhaltensmaßnahme notwendig ist. Als Ergebnis der Evaluation kann sich aber auch ergeben, dass ein bestimmtes Beratungsziel nunmehr erfolgreich erreicht wurde. Dann wird anhand der früher aufgestellten Zielhierarchie das als nächstes zu erreichende Ziel ausgewählt und durch Maßnahmenplanung umgesetzt. Die Evaluation kann aber auch ergeben, dass eine ganze Reihe von Zielen nunmehr erfolgreich erreicht wurden und dass daher eine erneute Zieldefinition notwendig ist, oder dass eine erneute Verhaltensdiagnose sinnvoll ist, um festzustellen, ob und wo weitere Diskrepanzen zwischen Ist-und-Soll-Zustand bestehen. Auch können Patient und Berater im Rahmen einer solchen Evaluation zu dem Ergebnis kommen, dass keine weiteren Veränderungen mehr angestrebt werden sollen und den Beratungsprozess, eventuell nach der Vereinbarung von Nachsorgeterminen, beenden. Mit der Technik der kognitiven Umstrukturierung lernen die Patienten, negative und irrationale Gedanken und Einstellungen zu identifizieren, die ihr Verhalten steuern, diese Gedanken und Einstellungen zu hinterfragen und schließlich durch positive und rationalere Kognitionen zu ersetzen. Ein wichtiger Inhalt der kognitiven Umstrukturierung können unrealistische Erwartungen der Patienten an das Ausmaß und die Geschwindigkeit der erreichbaren Gewichtsabnahme sein. Foster und Kollegen fanden z. B. in einer Studie adipöser Patientinnen, dass diese eine Gewichtsabnahme von 17 kg in einem Jahr, die objektiv gesehen ein großer Erfolg ist, von den Patientinnen als enttäuschend erlebt wird. Es ist notwendig solche unrealistischen Erwartungen zu verändern, da sie sonst eine langfristige Stabilisierung des veränderten Verhaltens behindern. In den letzten Jahren hat das Internet als Kommunikationsmedium eine weite Verbreitung in vielen Bevölkerungsschichten erfahren und es kann damit gerechnet werden, dass sich dies weiter fortsetzen wird. Im Zuge diese Entwicklung haben sich auch eine Vielzahl von Angeboten der Ernährungsinformation und Ernährungsberatung im Internet etabliert. Der Funktionsumfang dieser Angebote kann grob in vier Gruppen gegliedert werden: Indikationen. Unspezifische Intoleranzen gegen bestimmte Speisen und Lebensmittel. Die leichte Vollkost ist auch bei »unkomplizierten« Leber-, Galle-, Magenund Darmerkrankungen sowie im Anschluss an einen Kostaufbau oder bei älteren oder geschwächten Patienten angezeigt. Für einen nachhaltigen (d. h. über 2-5 Jahre) Erfolg ist eine Weiterbetreuung der Patienten unerlässlich. Die Adipositastherapie ist für den Betroffenen und seinen Arzt meist eine lebenslange Behandlung. »Crash-Diäten« sind obsolet. Im Vergleich erscheinen kohlenhydratreiche und extrem fettarme Reduktionsdiäten (z. B. Ornish-Diät, s. unten) und fettreiche und kohlenhydratarme Reduktionsdiäten ( »low carb diets«, z. B. Atkins-Diät) zumindest mittelfristig (d. h.bis maximal zu 1 Jahr nachbeobachtet) im Hinblick auf den Erfolg ( =Gewichtsabnahme) vergleichbar. Bei »low carb diets« ist der Anstieg der Serum-Harnsäure-, Ketonkörper-und Serum-Harnstoffspiegel zu beachten und ein mögliches Abbruchkriterium. Bei Kalorienmengen unter 1200 kcal/ Tag ist eine bedarfsdeckende Ernährung unter Verwendung »normaler« Lebensmittel nicht mehr gewährleistet. »Crash-Diäten« dienen auch nicht dem notwendigen »Umlernprozess« der Patienten. Niedrigstkaloriendiäten (=»very low caloric diets«= VLCD oder »very low energy diets«= VLED) enthalten weniger Kalorien als eine konventionelle Reduktionskost (i.e. 400-800 kcal/Tag). Die Zusammensetzung der VLED's ist im §14a der Diätverordnung sowie gemäß Richtlinie 96/8/EG festgelegt (s. ⊡ Tab. 2.12). Die Zufuhr an Mikronährstoffen und Mineralstoffen entspricht den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine ausgewogene und isokalorische Ernährung. Genaue Bedarfszahlen für eine hypokalorische Ernährung sind nicht bekannt. VLED's dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht und nicht länger als 12 Wochen angewendet werden. Vor wiederholtem und unkontrolliertem Gebrauch wird gewarnt. Es ist auf eine ausreichende und kalorienfreie Flüssigkeitszufuhr (Kaffee, Tee, Mineralwasser) zu achten (>1,5/Tag). Obsolet sind Obst-und Reistage sowie eine Nulldiät oder das modifizierte Fasten. Für die Langzeitbehandlung ist eine fettarme Ernährung anzuraten. Gemessen an diesem »Kriterium« sind die »Erfolge« der Adipositasbehandlung begrenzt. Nachhaltig (über 1-5 Jahre) können nur 5-30% der behandleten Patienten ihr reduziertes Gewicht »halten« (Ausnahme: Gastroplastik). Die Höhe von GI und GL zeigt eine Beziehung zum Ernährungszustand zum mittleren Blutzuckerspiegel und zum Plasma-HDL-Spiegel. Die Ergebnisse epidemiologischer Studien lassen vermuten, dass ein niedriger GI/GL »präventiv« gegenüber Übergewicht, Typ-2-Diabetes und koronare Herzerkrankung ist. In der Praxis der Behandlung von Patienten mit einem Typ-2-Diabetes mellitus zeigt eine Diät mit niedrigem GI im Vergleich zu einer Diät mit einem hohen GI Effekte auf den Fruktosaminspiegel (-0,1 mmol/T), dem HbA1C-Wert (-0,27%) und dem Cholesterinspiegel im Plasma (-0,15 mmol/T). Demgegenüber fanden sich in einer iner Metaanalyse keine signifikanten Effekte auf LDLc, HDLc und Triglyceridwerte. Bei schwangeren Diabetikerinnen ist auf eine adäquate Gewichtszunahme zu achten. Diese beträgt bei einem »Ausgangs-BMI« <20 kg/m 2 , 12-18 kg, bei einem BMI von 20-25 kg/m 2 11,5-16 kg, bei einem BMI von 26-30 kg/m 2 7-11,5 kg und bei einem BMI >30 kg/m 2 <6 kg. In der Stillperiode besteht ein Mehrbedarf von +500 kcal/ Tag (zum Gestationsdiabetes s. Kap. 1). Übergewicht ↑↓ ↑ ↓ = Hyperglykämie ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ Insulinresistenz ↑- ↑- ↓ ↓ ? Hyperinsulinismus ↑ ↑ ↓ ↓ Triglyzeride ↓↑ - ↓ ↓ - Cholesterin =↓ = ↓ =↓ HDL-Cholesterin ↑ - =↑ = Hypertonie =↑ = = = Arteriosklerose ↑? ↑? ↓? ↓? ⊡ Indikationen. Fettstoffwechselstörungen, Atherosklerose. Definition. Fettarme (<30% der Energiezufuhr, Cholesterin <300 mg/Tag) oder fettmodifizierte (hoher Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren), ballaststoffreiche Diät. Ziele. Normalisierung der Plasmalipide (Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyzeride), Senkung des kardiovaskulären Risikos als Primär-oder Sekundärprävention der Atherosklerose. Anmerkung. ⊡ Abb. 2.12 gibt einen Überblick über die Nahrungsfette, ⊡ Tab Bei erhöhten Plasmacholesterinspiegeln werden eine Stufe-1-oder eine Stufe-2-Diät empfohlen. Die Stufen unterscheiden sich im Anteil der »gesättigten« Fette (Stufe 1: 8-10% der Energiezufuhr, Stufe 2: <7% der Energiezufuhr) und der Cholesterinmenge (Stufe 1: <300 mg/Tag; Stufe 2: <200 mg/Tag). Zur Lebensmittelauswahl einer fettarmen Ernährung nach den Empfehlungen der AHA und den Empfehlungen der Europäischen Atherosklerosegesellschaf s. ⊡ Tab Kokosnußöl Palmkernöl MCT-Öl (C 6 -C 12 ) ( ω 9 ) O Rapsöl livenöl Gesättigte FS Kakaobutter Milchfette Stearine Palmfett Talg Schweineschmalz LCT-Fette (C 14 -C 24 ) ( ω 6 ) Mehrfach ungesättigte FS ( ω 3 ) Linolsäure Sojabohnenöl Diestelöl Sonnenblumenöl γ -Linolensäure Borretschöl α -Linolensäure Fischöl Leinsamenöl ⊡ AbbReduktionskost ↓↓ ↓↓ = (↓) Fettarme Kost ↓ (↑) ↓↓ ↓ Cholesterinarm = = (↓) ( ↓) Fettaustausch ▬ Linolsäurereich ▬ Ölsäurereich ▬ LCT-MCT = = ↓ = = = ↓ ↓ = (↓) = (↑) ω 3 -Fettsäuren>5 g/Tag = ↓ (↓) = Ballaststoffreich = ↓ ↓ = Komplexe Kohlenhydrate ↑ = (↓) = = Alkoholkarenz ↓ ↓ = (↓)Fibrate ↓ ↓ ↑ ↔ HMG-CoA-Reduktasehemmer ↓ ↔ ↔, ↑ ↔ Resine ↓ ↑ ↔, ↑ ↔ Nikotinsäure ↓ ↓ ↑ (↓), ↑ Etetimib ↓ ↔ ↔ ↔ Indikationen. Schlechter Ernährungszustand (BMI <18,5 kg/m 2 ), Appetitlosigkeit, frühzeitiges Sättigungsgefühl, Chemotherapie, Immunschwäche. Definition. Energiereiche Kost mit weitgehend »normaler« Nährstoffrelation, der Fettanteil darf 40% der Gesamtkalorien betragen. Die Eiweißzufuhr beträgt 1,0-1,5 g/kgKG/Tag. Flüssigkeit. Die tägliche Flüssigkeitszufuhr darf 2 l/Tag nicht übersteigen. Geeignete Getränke sind Kaffee, Tee, Mineralwasser mit einem Natriumgehalt <20 mg/l. Wegen der blutdrucksenkenden Wirkung von essentiellen Fettsäuren sollte der P/S-Quotient >1,0 liegen. Indikationen. Pharmakoresistente cerebrale Anfallsleiden im Kindesalter ( Epilepsie), Glu T1-Defekt 3 , Pyruvatdehydrogenasemangel. Definiton. Kohlenhydratarme Ernährung mit einem Fett (g)/Kohlenhydrat(g)-Verhältnis von 3-4:1. Ziele. Linderung der Beschwerdesymptomatik, Reduktion der Zahl der Anfälle. Störungen der Synthese und der Verwertung von Ketonkörpern (z. B. Störungen der Fettsäureoxidation und Ketonkörperbildung, Defekte des Ketonkörperabbaus). Einzelne Antiepileptika (wie Valproat) hemmen die β-Oxidation und sind deshalb nicht in Kombination mit ketogenen Diäten anzuwenden. Ketogene Diäten bewirken eine Senkung des Urin-pH's und sind deshalb bei Steinleiden relativ kontrainduiziert. Flüssigkeit. Die Flüssigkeitsaufnahme muss hoch sein (Kinder mit einem Gewicht von 1-10 kg, 80 ml/kg/Tag, bei 10-20 kg, 800 ml+40 ml/kg/Tag, bei >20kg, 1200 ml+ 20 ml/kg/Tag). Durchführung. Die Diät wird nach einer Einleitungsphase (=1 Fastentag) stufenweise über 3-5 Tage eingeführt. Langfristig wird der »Erfolg« an der klinischen Symptomatik sowie der Ketonkörperausscheidung im Urin kontrolliert. Eine aus Sicht dieser Diät bzw. der Therapie »optimale« Ketonurie liegt zwischen 80 und 160 mmol β-Hydroxybutyrat im Spontanurin. Bei »Erfolg« wird die Diät über 2 Jahre durchgeführt. Ein »Ausschleichen« der Diät (z. B. Veränderung des Fett/Kohlenhydrat-Verhältnisses von 4:1 auf 3:1 bzw. 2:1) kann versucht werden. Modifikation einer ketogenen Diät ist die MCT-Diät. Dabei wird der MCT-Anteil auf z. B. 40% der Fettmenge erhöht. Nebeneffekte sind Unwohlsein und Übelkeit und Hyperurikämie. Eine ketogene Diät muss mit allen wasserlöslichen Vitaminen sowie Mengen-und Spurenelemente ergänzt werden. Die Aufnahme von Vitamin A, E und K ist demgegenüber hoch. Erfolg. Die Wahrscheinlichkeit mit einer solchen Diät eine vollständige Anfallsfreiheit zu erreichen liegt zwischen 6 und 30%. Eine Reduktion der Anfallshäufigkeit wurde demgegenüber bei bis zu 90% der Patienten beobachtet. Die Akzeptanz der Diät ist bei den Patienten und ihren Familien hoch, der Aufwand ist allerdings beträchlich. Indikationen. Ernährung bei immunsupprimierten Patienten (z. B. bei Patienten mit HIV-Infektion, unter medikamentöser Immunsuppresion nach Organtransplantation). Zusammensetzung einer leichten Vollkost, welche sterilisiert werden muss. Nach Aufhebung der Isolation muss das Essen nicht mehr sterilisiert werden. Die Patienten bekommen dann eine keimarme leichte Vollkost. Anmerkung. ⊡ Tab Indikationen. Hämosiderose, primäre oder sekundäre Hämochromatose. Definition. Vollkost mit einen Eisengehalt von <12 mg/ Tag. Anmerkung. Eine eisenarme Kost ist keine Therapie der Hämochromatose (sic: Aderlass). Eisen ist ubiquitär in Lebensmitteln enthalten. Ein hoher Eisengehalt findet sich in Innereien (10-20 mg/100 g), Vollkornbrot (4,6 mg/100 g), Spinat (4 mg/100 g), Hülsenfrüchte (6 mg/100 g) und Fleisch (2,5 mg/100 g). Eine eisenarme Kost ist laktovegetabil und vermeidet eisenreiche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Blattgemüse und Trockenfrüchte. Die Kost enthält Ballaststoffe in Form von phytat-(Vollkornerzeugnisse, Kleie) und pektinhaltigen (Äpfel, Karotten, Steinobst) Lebensmitteln. Schwarzer Tee (Tannine hemmen die Eisenresorption) sollte reichlich getrunken werden. Aufgrund der eingeschränkten Lebensmittelauswahl muss anhand des Kostplans und evtl. eines Ernährungsprotokolls die Nährstoffversorgung überprüft und ggf. korrigiert werden. Alkoholexzess steigert die Eisenresorption. Indikation. Morbus Wilson (hepatozerebrale Degeneration). Definition. Der Kupferanteil der Kost ist <1-1,5 mg/Tag. Anmerkung. In der Praxis handelt es sich um eine eher laktovegetabile Kost unter Ausschaltung kupferreicher Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Trockenobst, Nüsse, Emmentaler-und Edamerkäse, Innereien, Pilze, Kakao und Schokolade. Der Kupfergehalt einzelner Nahrungsmittel beträgt z. B. für Emmentaler Käse (bis zu 750 mg/100 g), Innereien (bis zu 6 g/100 g), Schalen-und Krustentiere (2,5 mg/100 g), Champignons (0,4 mg/100 g), Haferflocken (530 mg/100 g), eingelegte Gurken (90 mg/100 g), Grünkohl (90 mg/100 g), Nüsse (1,3 g/100 g), Schokolade (bis zu 2,5 g/100 g), Kaffee (bis zu 3 g/100 g). Kritische Nährstoffe sind die Vitamine der B-Gruppe, Eisen und Zink. Die Diät muss lebenslang durchgeführt werden. Es darf kein Kupfergeschirr verwendt werden. Bei Kupferrohren ist eine Überprüfung des Leitungswassers notwendig. Bei einem Kupfergehalt des Trinkwassers von >0,1 mg% muss demineralisiertes Wasser benutzt werden. Speisesalz, Pfeffer, Kaffee und schwarzer Tee können ebenfalls größere Mengen Kupfer enthalten und sollten gemieden werden. Zubereitung der Gerichte in Glas-, Porzellan-oder Chromagangeschirr. Weichspüler. Aminosäurentransportstörungen können sowohl die Darmschleimhaut wie den Nierentubulus betreffen. Im letzteren Falle kommt es zu einer Hyperaminoazidurie mit spezifischem Muster je nachdem, welches Transportsystem betroffen ist. Autosomal-rezessiv vererbte Störung des tubulären und intestinalen Transports von Cystin, Lysin, Arginin und Ornithin mit mindestens 3 allelen Mutationen. Die vermehrte Cystinkonzentration im Urin (≤100 mg/l) führt wegen dessen geringer Löslichkeit zur Bildung von Cystinsteinen. Abgesehen von einer hohen Wasserzufuhr, die sich nach der Cystinkonzentration in Tag-und Nachturinen richten muss, sind in der Regel keine ernährungstherapeutischen Maßnahmen notwendig. Eine Alkalisierung des Urins zur Verbesserung der Cystinlöslichkeit erfordert hohe Pufferdosen ( Urin-pH >7,5). Nur bei Säuglingen kann evtl. der intestinale Transportdefekt eine erhöhte Eiweißzufuhr rechtfertigen. Medikamentöse Behandlung. D-Penicillamin, N-Azetylpenicillamin, Mercaptopropionylglycin (Nebenwirkungen!) nur bei Versagen der konservativen Behandlung (s.oben). Die autosomal-rezessiv vererbte vermehrte Ausscheidung von den basischen Aminosäuren Lysin, Ornithin Bei den folgenden angeborenen Störungen des Kohlenhydrattransports handelt es sich entweder um Störungen des natriumabhängigen Transports von Monosacchariden oder um Störungen der im intestinalen Bürstensaum lokalisierten Disaccharidhydrolasen. Allen Störungen gemeinsam sind osmotische Durchfälle bei Zufuhr der betroffenen Zucker und niedrige pH-Werte im Stuhl, durch bakterielle Vergärung der nicht resorbierten Zucker im Dickdarm. Die Glukose-Galaktose-Malabsorption ist sehr selten. Neben dem Dünndarm kann auch der Nierentubulus betroffen sein (renale Glukosurie). Alle glukose-oder galaktosehaltigen Zucker werden vom 1. Lebenstag an nicht vertragen, so dass als einziges mögliches Kohlenhydrat Fruktose übrigbleibt. Die hiervon tolerierte Menge wird individuell ausgetestet. Mit zunehmendem Alter nimmt in der Regel die Verträglichkeit von Stärke zu. Autosomal-rezessiv und genetisch heterogen, geht er mit einer Intoleranz für Saccharose und isomaltosehaltige Stärken einher, die aus der Nahrung eliminiert werden müssen. Die Verträglichkeit von Stärke muss ausgetestet werden. Sie geht mit einer Hypokalzämie einher und wird bereits in den ersten Lebenswochen symptomatisch mit Übererregbarkeit, Nahrungsverweigerung, Tetanie und generalisierten Krampfanfällen. Typisch ist eine niedrige Magnesiumausscheidung im Urin. Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung ist die Prognose gut. Nach anfänglicher i.v.-Magnesiumzufuhr wird die orale Zufuhr verteilt auf 3-6 Dosen eingeführt (bis zu 5 mmol Magnesium/kgKG/Tag) unter Vermeidung von Durchfällen. Die Behandlung ist lebenslang notwendig. Kalzium, Vitamin D oder Parathormon beeinflussen die Hypokalzämie und die Symptome nicht. Familiäre Hypomagnesieämie als Folge eines genetischen Defekts in der renalen Magnesiumrückresorption kann im Kindesalter zu Tetanie führen, sie wird aber häufig erst im Erwachsenenalter erkannt. In 50% der Fälle besteht dann bereits eine Nephrokalzinose, seltener eine Chondrokalzinose oder Osteochondrose. Die erhöhte Magnesiumausscheidung bei Hypomagnesiämie kann von anderen tubulären Funktionsstörungen begleitet sein: tubuläre Azidose, Glukosurie, Hyperaminoazidurie, Hyperkalziurie und Hyperkaliurie. Eine Magnesiumsubstitution ist nur in der Hälfte der Fälle erfolgreich. Ursache ist eine intestinale Zinkabsorptionsstörung mit niedrigen Plasmazinkspiegeln und erniedrigter Aktivität zinkhaltiger Metalloenzyme. Typisch sind periorale und akrale Hautveränderungen sowie Schleimhautveränderungen mit Anorexie, Durchfällen und Gedeihstörungen, beginnend im frühen Säuglingsalter bei Formulafütterung bzw. nach Abstillen. Bei frühzeitiger und ausreichender Behandlung mit Zinksalzen (Anpassung während Pubertät und insbesondere während Schwangerschaft und Stillzeit) ist die Prognose gut. Die Ursache dieser autosomal-rezessiven Störung der Kupferhomöostase mit Kupferablagerung in verschiedenen Organen, sind unterschiedliche Mutationen im ATP7B-Gen, das für eine kupfertransportierende ATPase kodiert. Typisch sind erhöhte Kupferkonzentrationen in der Leber, eine erhöhte Kupferausscheidung im Urin und erniedrigte Plasmacoeruloplasminspiegel (s. Kap. 1.6.11). Die Symptomatologie im Kindesalter (>7 Jahre) betreffen vorwiegend die Leberfunktion oder eine akute hämolytische Anämie. Die für das Erwachsenenalter typischen neurologischen Symptome (extrapyramidale Bewegungsstörungen, Verhaltensstörungen bzw. Psychosen) werden in der Regel vor der Pubertät nicht gesehen oder aber als Folge einer hepatischen Enzephalopathie (mit sehr schlechter Prognose, falls akut keine Lebertransplantation möglich ist). Ein Kayser-Fleischer-Ring wurde frühestens im Schulalter beobachtet. Das Behandlungsziel ist die Verringerung des Körpergesamtkupfers, entweder durch D-Penicillamin unter gleichzeitiger Supplementierung von Vitamin B 6 , durch Zinksulfat bzw. -azetat oder durch Trientindihydrochlorid. Unter der medikamentösen Behandlung nimmt zunächst die Kupferausscheidung stark zu. Anfangs sollte eine kupferarme Diät (<1,5-2 mg Kupfer/Tag) durch Auswahl geeigneter kupferarmer Lebensmittel und unter Berücksichtigung der Kupferkonzentration im Trinkwasser (anstreben <0,1 mg/l) gegeben werden. Hypophosphatämische X-chromosomale Vitamin-Dresistente Rachitis (sog. Phosphatdiabetes). Sie beruht auf einer verminderten Phosphatrückresorption im proximalen Nierentubulus und führt bei den betroffenen Jungen (heterozygote Mädchen zeigen mildere Symptome) trotz üblicher Rachitisprophylaxe zu einer Symptomatik mit dysproportioniertem Minderwuchs, Hypophosphatämie, Hyperphosphaturie und Hyperphosphatasie. Die Behandlung besteht in der Anhebung des Serumphosphats auf annähernd normale Werte durch Phosphatsubstitution, möglichst auf 6 Dosen gleichmäßig über Tag und Nacht verteilt, der Gabe von 1,25-Dihydroxycholecalciferol bis zu 1 mg/Tag und einer reduzierten Natriumzufuhr mit der Nahrung. Die Calcitriolbehandlung kann nach vollendetem Wachstum abgesetzt werden. Es handelt sich um eine Transportstörung für Chloridionen aufgrund eines autosomal-rezessiv vererbten Defektes des »Zystische«-Fibrose-Transmembran-Conduction-Regulators (CFTR). Die häufigste Mutation ∆F508 resultiert in einem abnormalen Eiweiß, das seinen Wirkungsort in der apikalen Plasmamembran nicht erreicht. Betroffen sind die Ausführungsgänge aller exokrinen Drüsen, die durch zähes Sekret verstopft sind (Atemwege, Pankreas). Die Chloridkonzentration im Schweiß ist erhöht (>60; normal <25 mmol/l). Die Krankheit führt zu chronischen Atemwegserkrankungen, Durchfällen im Säuglingsalter, Malabsorption durch Pankreasinsuffizienz, Leberzirrhose und Diabetes mellitus durch Pankreasfibrose. In der Behandlung sind neben Kochsalzsupplementierung, insbesondere im Säuglingsalter, eine ausreichend hohe Substitution mit Pankreasenzymen und eine energiereiche (ca. 120% des altersentsprechenden Bedarfs) und eiweißreiche Kost sowie eine konsequente medikamentöse und physiotherapeutische Behandlung von Atemwegsinfektionen entscheidend. Bei ausreichender Pankreasenzymsubstitution besteht kein Grund zu einer Fettreduktion in der Ernährung. Auf die ausreichende Versorgung mit essentiellen Fettsäuren, fettlöslichen Vitaminen (auch wasserlösliche Vitamine ggf. substituieren!), Mineralstoffen und Spurenelementen ist sorgfältig zu achten. Für anorektische Patienten hat sich eine nächtliche unterstützende Ernährungsbehandlung mit hochkalorischen bilanzierten Diäten (eiweißreich, nicht fettarm) über eine perkutan gelegte, endoskopisch geführt platzierte Gastrostomiesonde (=PEG) bewährt. Sie ist ein seltenes Krankheitsbild und Folge eines Transportdefekts für Monoglutamatfolsäure an der Dünndarmschleimhaut und am choroidalen Plexus. Frühzeitige Gedeihstörungen mit Durchfällen, Mundschleimhautläsionen, eine megaloblastäre Anämie, geistige Retardierung und neurologische Auffälligkeiten sind die Folge. Behandlung mit Folsäure, Folinsäure (oral oder parenteral) und Methyltetrahydrofolsäure (bis 100 mg/ Tag) heilt die Anämie und normalisiert die Folatspiegel im Serum, nicht jedoch in allen Fällen die Folatspiegel im Liquor. Mit erniedrigten Vitamin-B 12 -Spiegeln im Serum, megaloblastärer Anämie und neurodegenerativen Symptomen kann sie die Folge eines genetisch bedingten Mangels an Intrinsic-factor sein (ohne Magenschleimhauterkrankung) oder Folge eines intrinsic factor-Rezeptor (Cubilin)-Mangels (Imerslund-Gräsbeck-Syndrom), bei dem typischerweise eine Proteinurie beobachtet wird. Beide Arten von Defekten sprechen in bezug auf die Anämie gut auf parenterale Vitamin-B 12 -Gaben an (1-5 lg/Tag). Das Manifestationsalter ist das 2. Lebensjahr bis Ende des 4. Lebensjahres. Dieser wird autosomal-rezessiv vererbt und führt wegen mangelnden Transports und demzufolge rezeptorvermittelter zellulärer Vitamin-B 12 -Aufnahme zu einem intrazellulären Cobalaminmangel mit megaloblastärer Anämie oder Panzytopenie, schweren neurodegenerativen Störungen und Immunschwäche, manifest bereits im 1. und 2. Lebensmonat. Diese Patienten benötigen sehr viel höhere Vitamin-B 12 -Dosen (1 mg Hydroxocobalamin/Tag initial). Alle Formen des Vitamin-B 12 -Mangels können mit einer mäßigen Methylmalonazidurie und (seltener) Homocystinurie einhergehen. Autosomal rezessiv vererbt beruht sie auf einem Rezeptordefekt für 1,25-Dihydroxycholecalciferol, dessen Serumspiegel erhöht sind. Die Krankheit zeigt alle Symptome der Vitamin-D-Mangelrachitis plus typisch eine Alopezie und kann sich im Säuglings-bzw. Erwachsenenalter erstmals manifestieren. Die Behandlung erfolgt mit hohen Dosen Calcitriol (10-50 mg/Tag) und Kalziumsupplementierung. Angeborene Störungen der Glykosylierung sind erbliche Multisystemerkrankungen, die wegen der verkürzten oder fehlenden Kohlenhydratseitenketten von Glykoproteinen und -lipiden in der isoelektrischen Fokussierung von z. B. Serumtransferrin abnormale Muster aufweisen. Der Typ Ib unterscheidet sich von den zehn anderen bisher bekannten Typen, die alle mit schwerem geistigen und motorischen Rückstand, Blutgerinnungsstörungen und schlaganfallähnlichen Episoden einhergehen, durch die fehlende Retardierung und die Manifestation als Eiweißverlustenteropathie mit Durchfall, Erbrechen, Hypoglykämie und Leberfibrose. Durch den Enzymdefekt ist die Umsetzung von Fruktose-6-Phosphat in Mannose-6-Phosphat gestört, das aber für die meisten Glykosylierungsreaktionen im Körper benötigt wird. Da die Mannoseaufnahme mit der Nahrung nur gering ist und bei Störung der endogenen Synthese unzureichend ist, bot sich eine orale Supplementierung mit Mannose an (0,5-1,0 g/kgKG/Tag, verteilt auf fünf Dosen). Unter der Behandlung verschwinden die Symptome und normalisieren sich die Serumproteine, die Blutgerinnung, die Blutglukose und langfristig das Muster des Transferrins in der isoelektrischen Fokussierung. Bei Überdosierung treten osmotische Durchfälle und erhöhte HbA 1 C-Spiegel auf. Dazu werden in diesem Kapitel sowohl die Störungen gezählt, die zu spezifischen Hyperaminoazidämien führen, weil der Defekt die ersten Stufen des Ab-oder Umbaus betrifft, als auch diejenigen, die mit einer typischen Metabolitenausscheidung im Urin (organische Azidurien) und nicht oder unregelmäßig einer Hyperaminoazidämie einhergehen, weil der Defekt späte Stufen des Abbaus der jeweiligen Aminosäure betrifft. Störungen des Abbaus unverzichtbarer Aminosäuren lassen sich, durch Reduktion ihrer Zufuhr bzw. Förderung der Ausscheidung ihrer Metaboliten, grundsätzlich erfolgreicher behandeln als Störungen im Stoffwechsel verzichtbarer (=nicht essentieller) Aminosäuren , die bei letzteren die endogenen Synthese (Beispiel: nicht-ketotische Hyperglyzinämie) nicht kontrollierbar ist. In der Behandlung von Abbaustörungen essentieller Aminosäuren muss selbstverständlich der individuelle Bedarf für die jeweils betroffene(n) Aminosäure(n) gedeckt werden, der sich zusammensetzt aus dem Erhaltungsbedarf, ggf. dem Wachstumsbedarf und dem Ersatz obligatorischer Verluste über Urin, Stuhl und Schweiß. Diese sog. »Toleranz« für eine essentielle Aminosäure, deren früher Abbau vollständig gestört ist, entspricht dem minimalen Bedarf, der eine ausgeglichene bzw. positive Stickstoffbilanz ermöglicht. Diese Aminosäurenstoffwechseldefekte bieten so auch eine Möglichkeit, die mit anderen Methoden ermittelten Bedarfsberechnungen für unverzichtbare und bedingt unverzichtbare Aminosäuren zu validieren. Daraus ergibt sich, dass eine sog. »eiweißreduzierte« Kost in der Behandlung von Aminosäurenstoffwechseldefekten nur gegenüber unkontrollierten Ernährungsformen »reduziert« ist, jedoch immer den Bedarf an Gesamtstickstoff und einzelnen essentiellen Aminosäuren decken muss. Dabei kann man sich an den Werten für die sog. »sichere« Eiweißaufnahme orientieren. Die errechnete Eiweißmenge muss aber immer korrigiert werden unter Verwendung des errechneten Aminosäurenscore im Vergleich zum sog. Referenzprotein (Frauenmilchprotein für das 1. Lebensjahr, danach Referenzprotein für das 2.-5. Lebensjahr der FAO/ WHO) und der Verdaulichkeit des verwendeten Proteins. Diese Korrektur ist unerlässlich, da in sog. »eiweißreduzierten« Diäten oft pflanzliche Proteine niedriger biologischer Qualität und geringer Verdaulichkeit benutzt werden.Defekte im Abbau der aus Aminosäuren entstandenen organischen Säuren sind grundsätzlich weniger durch eine Reduktion der Zufuhr der betroffenen Aminosäure(n) bzw. des Eiweißes in der Nahrung zu beeinflussen als die »frühen« Defekte mit spezifischer Hyperaminoazidämie. Während bei den letzteren eine Titration der Zufuhr gegen den Blutspiegel der Aminosäure erfolgen kann, ist bei den ersteren die Höhe der Metabolite in Plasma und Urin meist kein guter Parameter bzw. nicht der entscheidende Parameter, an dem die Qualität der diätetischen Behandlung gemessen werden kann. Wenn mit der o.g. »eiweißreduzierten« Kost keine ausreichende Versorgung mit Stickstoff und allen essentiellen Aminosäuren sicher erreicht werden kann, müssen Eiweißersatzprodukte eingesetzt werden, die alle (bis auf die betroffene(n)), Aminosäure (n) Die klassische Phenylketonurie (PKU) mit praktisch fehlender Aktivität der Phenylalaninhydroxylase und Phenylalaninspiegeln vor bzw. ohne Behandlung >1200 μmol/l führt unbehandelt zu irreversiblen Entwicklungsstörungen ( Debilität bis Idiotie), deren sichtbares Korrelat eine gestörte Myelinisierung ist, zu Pigmentarmut, häufig auch zu Ekzem und Psychosen mit Autoaggression. Im Urin wird vermehrt Phenylbrenztraubensäure ausgeschieden ( »Phenylbrenztraubensäureschwachsinn«, »Imbecillitas phenylpyruvica«). Eine Vielzahl von verschiedenen Genmutationen ist als Ursache beschrieben worden. Die exakte molekulargenetische Diagnose lässt Aussagen über die Schwere des Enzymdefekts zu, neuerdings auch eine Voraussage, ob das mutierte Enzym in seiner Aktivität durch BH 4 stimuliert werden kann. Wegen der Vielzahl der möglichen Mutationen sind die meisten Patienten gemischt heterozygot, da sie von den beiden Elternteilen unterschiedliche Mutationen vererbt bekommen haben. Mildere Formen der Krankheit, milde Phenylketonurie (Phenylalanin im Plasma 600-1200 mmol/l) und Hyperphenylalaninämie (HPA) ( Nicht-PKU-HPA) (Phenylalanin <600 mmol/l unter normaler Ernährung)) zeichnen sich durch höhere Restaktivität der Phenylalaninhydroxylase und dementsprechend höhere (bis »normale«) Toleranz für Nahrungsphenylalanin aus. Alle Patienten mit Phenylalaninspiegeln von >600 μmol/ l unter freier Kost müssen durch Reduktion der Phenylalaninzufuhr behandelt werden, gegebenenfalls ersatzweise oder zusätzlich durch Gabe von BH 4 . Behandlungsziel sind Phenylalaninspiegel zwischen 40 und 240 μmol/l, die eine normale Entwicklung gewährleisten. Die Behandlung muss so früh wie möglich begonnen und lebensbegleitend sein. In Deutschland wird empfohlen, bis zum Alter von 10 Jahren die o.g. Spiegel anzustreben, zwischen 11 und 15 Jahren den Phenylalaninspiegel unter 900 μmol/l und danach unter 1200 μmol/l zu halten, da sich gezeigt hat, dass auch nach guter Diätführung in den ersten 10 Lebensjahren und trotz normaler Intelligenz erhöhte Phenylalaninspiegel zu reversiblen neuropsychologischen Störungen führen können. Bei der genannten geringen Toleranz für Phenylalanin müssen Patienten mit klassischer Phenylketonurie 60-90% ihres Eiweißbedarfs durch phenylalaninfreie Eiweißersatzpräparate decken, der Prozentsatz steigt mit zunehmendem Alter. Zur Deckung des Phenylalaninbedarfs wird in der frühen Säuglingszeit Muttermilch oder Die drei diätetisch behandelbaren angeborenen Tyrosinstoffwechselstörungen sind in ⊡ Abb. 2.21 als Defekte 3-5 eingezeichnet. Sie beruht auf einem Defekt der Fumarylazetoazetase. Sie geht mit einer erhöhten Ausscheidung von Succzinylazeton und 5-Aminolaevulinsäure einher, gelegentlich, insbesondere bei jungen Kindern, mit einer Hypermethioninämie durch sekundäre Hemmung der Methioninadenosyltransferase. Klinisch kommt es zu einer progredienten Leberschädigung mit Zirrhose und Hepatombildung (Erhöhung von α-Fetoprotein), zu einer Tubulopathie mit allen Zeichen des DeToni-Debré-Fanconi-Syndroms, bei einzelnen Patienten zu Symptomen wie bei akuter intermittierender Porphyrie und bei akuten Verlaufsformen beinahe gesetzmäßig zu hypertrophischen linksventrikulären Kardiomyopathien. Chronische Verläufe mit ersten Symptomen jenseits des 1. Lebensjahrs, wobei die Tubulopathie und Rachitis im Vordergrund stehen, sind möglich.Eine kurative Behandlung ist zur Zeit nur durch eine Lebertransplantation möglich. Deren Zeitpunkt sollte vor dem Auftreten von Hepatomen liegen und ist daher frühzeitig zu planen. Alternativ zu der diätetischen Behandlung (s. unten), die zwar die Nieren-und Leberfunktion günstig beeinflusst, die Hepatombildung jedoch nicht verhindert, und zur Transplantation können mit dem 4-Hydroxyphenylpyruvatdioxygenase-Hemmer 2-(2-Nitro-4-Trifluoromethylbenzoyl)-1,3-Zyklohexandion (NTBC) (0,1-0,6 mg/ kg/d oral) sowohl die biochemischen Veränderungen als auch die Leber-und Nierenfunktion günstig beeinflusst und computertomographisch sichtbare Leberveränderungen (nicht jedoch bereits maligne Hepatome) zur Rückbildung gebracht werden. Diese beruht auf einem Defekt der zytosolischen Tyrosinaminotransferase und führt zu einer Keratitis, später Korneatrübung und Glaukom. Hautveränderungen in Form von schmerzhaften Blasen oder Erosionen an Handflächen und Fußsohlen mit nachfolgender Hy-perkeratose treten nach den Augenveränderungen auf. Einzelne Patienten waren geistig retardiert. Die Tyrosinspiegel sind anfangs höher als beim Typ I und höher als bei der transienten Neugeborenentyrosinämie. Die Störung spricht gut auf eine diätetische Behandlung an (s. unten). Sie beruht auf einem Defekt der 4-Hydroxyphenylpyruvatdioxygenase in der Leber mit gelegentlich intermittierender Ataxie oder geringer geistiger Retardierung, jedoch ohne Leberfunktionsstörungen. Diätetik. Die diätetische Behandlung aller 3 Störungen besteht in der Reduktion der Zufuhr von Phenylalanin und Tyrosin, so dass der Tyrosinspiegel zwischen 100 und 220 μmol/l liegt, der Phenylalaninspiegel nicht unter 60 μmol/l absinkt. Der altersentsprechende Eiweißbedarf wird teilweise durch ein phenylalanin-und tyrosinfreies Eiweißersatzprodukt gedeckt. Bei zusätzlicher Hypermethioninämie kann ein zusätzlich methioninfreies Eiweißersatzprodukt verwendet werden. Ein bestehendes DeToni-Debré-Fanconi-Syndom wird symptomatisch, wie bei Cystinose bzw. hypophosphatämischer Rachitis beschrieben, behandelt. Es gelten dieselben allgemeinen Regeln für die Durchführung der Diät wie bei der Phenylketonurie beschrieben. Hier sollen Störungen des Glykogen-, Fruktose-und Galaktosestoffwechsels besprochen werden. Von den Störungen des Pyruvatstoffwechsels wird nur der Defekt der Pyruvatdehydrogenase als möglicherweise diätetisch beEinflussbar erwähnt. In der Regel führen sie zu Glykogenspeicherung in verschiedenen Organen, von manchen wird jedoch auch der Glykogensynthasemangel als »Glykogenose O« bezeichnet. Da Sehr selten und eigentlich keine Glykogenose. Die Patienten weisen eine schwere Fastenhypoglykämie und Ketose sowie eine postprandiale Hyperlaktatämie auf. Behandlung: Häufige eiweißreiche Mahlzeiten sollen diese Störungen vermeiden. In der Regel stehen die Symptome von seiten der Leber im Vordergrund ( Hepato(spleno)megalie, Hyperlipidämie, Ikterus, Hepatopathie bis Zirrhose, Minderwuchs, unterschiedlich stark ausgeprägte Hypoglykämieneigung und Ketose), einzelne Patienten jedoch zeigen bei geringer hepatischer Beteiligung eine langsam progrediente Myopathie mit Atrophie, manchmal linksventrikuläre Hypertrophie und Kardiomyopathie. Behandlung. Sie folgt denselben Prinzipien wie die der Glykogenose I, nur dass auf die Beschränkung der Laktose-und Saccharose-(Fruktose-) Zufuhr verzichtet werden und reichlich Eiweiß gegeben werden kann. Ob eine enterale Ernährung über Nacht oder ungekochte Stärke erforderlich sind, muss individuell entschieden werden. Mit Eintritt der Pubertät oder kurz danach normalisieren sich die biochemische und klinische Abnormalitäten in der Regel spontan. Die Symptome ( Hepatomegalie, Hypotonie, Minderwuchs, Hypercholesterinämie, Hypoglykämie und Ketose) ähneln denen der Glykogenose III. Der Verlauf ist jedoch insgesamt milder. Galaktose aus der Nahrung wird in 3 enzymatischen Schritten in Glukose ungewandelt (Nr. 1, 2 und 3 in ⊡ Abb. 2.27). Defekte sind bei allen drei Enzymen bekannt und führen zu einer Galaktoseerhöhung in Blut und Urin: »Galaktosämie«. Üblicherweise wird jedoch unter »Galaktosämie« die mit einem Defekt der Galaktose-1-Phosphaturidyltransferase einhergehende Krankheit bezeichnet. Die Entdeckung aller 3 Defekte im Neugeborenenscreening mit einem Test, der Galaktose nachweist, ist nur möglich, wenn das Kind mit der Nahrung Laktose (Galaktose) erhält. Für Galaktosämiepati- Cholesterinester werden hydrolysiert und hemmen die Cholesterinneusynthese über 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-CoA(HMGCoA)-Reduktase, die Rezeptorsynthese wird stimuliert, ebenso wie die Aktivität der AcylCholesterin-Acyltransferase (ACAT). Ein ursächlicher genetischer Defekt ist nicht bekannt, aber mehrere Genloci wurden identifiziert. Die Vererbung ist autosomal-dominant. Die Triglyzeridsynthese in der Leber ist erhöht, so dass der Lipidanteil in den VLDL relativ gegenüber dem Apo-B-Gehalt erhöht ist. Gleichzeitig ist der Abbau vermindert. Häufig bestehen keinerlei Symptome und wird die Triglyzeriderhöhung zufällig erkannt. Nur in Einzelfällen mit schwerer Triglyzeridämie und zusätzlicher Chylomikronämie kann es zu Bauchschmerzattacken und Pankreatitis kommen, außerdem treten eruptiven Xanthomen, Xanthelasmen, Arcus corneae und Lipaemia retinalis auf. Ursachen einer sekundären Hypertriglyzeridämie wie Diabetes mellitus, Hypothyreose, Alkoholismus etc. müssen ausgeschlossen werden. Die Behandlung ist dieselbe wie bei Lipoproteinlipase-und Apolipoprotein C II-Mangel. Genetisch unterschiedliche LDL-Rezeptordefekte existieren in homozygoter und heterozygoter Form. Bei der homozygoten Form wird unterschieden zwischen »Rezeptornegativen« (<2% der normalen Aktivität) und »Rezeptordefekten« (zwischen 2 und 30% der normalen Aktivität) Formen.Die Diagnose wird in der Regel bereits im Kleinkindesalter gestellt wegen kutaner Xanthome, zunächst am Gesäß, später über großen Gelenken. Ein Arcus corneae tritt oft vor dem Alter von 10 Jahren auf. Rezeptornegative Patienten haben zu 60% bereits vor Erreichen des 10. Lebensjahres Zeichen einer koronaren Herzkrankheit, 26% sterben daran im Alter von 10-12 Jahren. Bei Rezeptordefekten ist der Verlauf etwas günstiger. Das Plasmacholesterin ist in der Regel höher als 16 mmol/l, praktisch ausschließlich LDL-Cholesterin. Dem entspricht auch eine massive Apo-B100-Erhöhung. Definitionsgemäß müssen beide Elternteile heterozygot sein. Behandlung. Eine diätetische Behandlung ist erfolglos. Eine medikamentöse Behandlung bei Rezeptor-negativen Patienten ebenfalls. Trotzdem sollte sie zusammen mit LDL-Apherese eingesetzt werden. Medikamente in der Reihenfolge ihres Effekts sind: ▬ HMG-CoA-Reduktasehemmer, ▬ Gallensäurebindende Harze, ▬ Nikotinsäure in sehr hohen Dosen. Sie können in Kombination günstiger sein als einzeln. Lebertransplantationen führten zu praktisch normalen LDL-Konzentrationen. Heterozygote für die familiäre Hypercholesterinämie haben ungefähr 50% der normalen LDL-Rezeptoraktivität mit 2-bis 3fach höheren LDL-Cholesteringehalten (8-12 mmol/l) im Plasma als normal. In der Regel sind sie bis ins Erwachsenenalter symptomlos, nur 10-15% der Patienten zwischen 10 und 19 Jahren zeigen Achillessehnenverdickungen, Tendinitis oder Xanthome. Das erste Symptom in den anderen Fällen ist die koronare Herzkrankheit, die in 5% im Alter von 30 Jahren, in 20% mit 40 Jahren und 50-75% mit 50 bzw. 60 Jahren besteht. Die diätetische Behandlung sollte sowohl Kindern (über 2 Jahren) als auch Erwachsenen verordnet werden: Für die medikamentöse Behandlung gilt: ▬ Ionenaustauscherharze: bei Kindern etwa ab 6 Jahren einzusetzen, wenn durch Diät eine LDL-Erniedrigung unter 4,3 mmol/l nicht zu erreichen ist, ▬ HMG-CoA-Reduktasehemmer: sind in ihrem Nutzen bei Kindern nicht gut untersucht. Es gibt eine Vielzahl von Defekten (s. ⊡ Tab Er kommt am häufigsten vor und kann in den meisten Fällen auf eine bestimmte Mutation des Gens auf Chromosom 1 zurückgeführt werden. Die Patienten werden regelmäßig erst auffällig, wenn von der häufigen Fütterung im frühen Säuglingsalter auf weniger Mahlzeiten Peroxisomen erfüllen wichtige Funktionen im Stoffwechsel: u.a. Biosynthese von Etherphospholipiden, β-Oxidation von Fettsäuren, insbesondere von großer Kettenlänge (>24 C-Atome), Gallensäuresynthese, Pipecolinsäureoxidation, Glyoxalatabbau. Bei Störungen der Biogenese von Peroxisomen sind alle oder mehrere dieser Funktionen gleichzeitig gestört, was sich u.a. in einer Erhöhung der Plasmaspiegel an sehr langkettigen Fettsäuren und von Phytansäure äußert. Behandlung. Eine diätetische Behandlung solcher komplexer Defekte (z. B. Zellweger-Syndrom oder infantile Refsum-Krankheit) ist zwar versucht worden, ist aber von vornherein zum Scheitern verurteilt, da diese Kinder bereits mit schweren morphologischen Defekten und funktionellen Störungen zur Welt kommen. Bei faserreichen Diäten muss mehr Flüssigkeit zugeführt werden. Der Flüssigkeitsbedarf eines normalgewichtigen Erwachsenen schwankt zwischen 2,5 und 4,0 l/Tag. Die Flüssigkeitsbilanz des enteral ernährten Patienten muss deshalb regelmäßig kontrolliert werden. Selbst zubereitete Sondenkosten sind heute obsolet. In einer den Nährstoffempfehlungen entsprechenden Zusammensetzung erfüllen sie nicht die für filiformen Sonden erforderlichen Fließeigenschaften. Sie können lokal bei Gastrostomie oder nach Erbrechen und Aspiration als Aspirationspneumonie auftreten. Dehydration, Hyper-und Hypoglykämie und Elektrolytentgleisungen ( Hyponatriämie, Hyper-und Hypokaliämie, Hypophosphatämie). Bei längerer und hochkalorischer Ernährung können insbesondere bei kachektischen Patienten ein »overloading syndrome« und Ödeme beobachtet werden. Von diesem Syndrom ist das »Tube-feeding-Syndrom« zu unterscheiden, welches bei hyperosmolarer Sondenkost, osmotischen Diarrhoen und gleichzeitig zu geringer Flüssigkeitszufuhr auftreten kann. Es ist durch die zunehmende und ausgeprägte Exsikkose (bis hin zu einem prärenalen Nierenversagen) charakterisiert. Laborchemisch sind die Natrium-, Harnstoff-und Kreatininspiegel im Serum erhöht. Das Risiko einer Dehydratation ist bei älteren Menschen, intensivmedizinisch behandelten Patienten ( Trauma, Sepsis) und bei Patienten mit Gehirntumoren erfahrungsgemäß erhöht. Die Behandlung ist die vorsichtige, bilanzierte und ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Die Ernährung wird gleichzeitig mit einer nährstoffdefinierten Diät niedriger Osmolarität fortgesetzt. Dieses ist die schwerste Komplikation einer enteralen Ernährung. Ein gastraler Reflux >1000 ml/Tag bzw. Erbrechen während einer enteralen Ernährung müssen sehr ernst genommen werden. Eine gute Prävention ist. Keine Ernährung über gastral liegende Sonden bei bewusstseinsgetrübten bzw. nicht kooperativen Patienten durchführen. Bei Verdacht auf eine Sondendislokation ist zunächst radiologisch die Sondenlage zu überprüfen. Diese sollte postpylorisch und sicher duodenal liegen. Bei Fehllage ist eine Lagekorrektur durch Einführen eines Führungsdrahtes anzustreben. Der Oberkörper des Patienten muss während der Ernährung um 30° hochgelagert werden. Als Volumenersatz werden in der Intensivmedizin natürliche ( Plasmapräparate, Humanalbumin) oder hypertone (Osmolarität >1000 mosmol/l) und hypertonhyperonkotische Lösungen verwendet (Osmolarität bis 2400 mosmol/l). Bei einer Hypovolämie dienen sie der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des intravasalen Volumens, der Optimierung der kapillären Perfusion bzw. Reperfusion, der Verbesserung der Sauerstofftransportkapazität, der Verminderung der Mediatoraktivierung, der Verbesserung der Flusseigenschaften sowie indirekt dem Ausgleich des Säure-Basenhaushalts. Nachteile der Lösungen sind möglicherweise unerwünschte Beeinflussung des Blutgerinnungssystems, das Auftreten von Unverträglichkeitsreaktionen (»anaphylaktoide« Reaktion bei Dextranen, s. unten), eine vermehrte Histaminfreisetzung (Gelatine) oder die fragliche Ablagerung kolloidaler Makromoleküle im retikuloendothelialen System. Die Häufigkeit von Unverträglichkeitsreaktionen beträgt bei HES bis zu 2,7%, bei Dextranen bis zu 4.7% und bei Gelatine bis zu 21,3%. Die Inzidenz anaphylaktoider Reaktionen auf Dextran konnte durch die Einführung einer Haptenprophylaxe (Abbinden präformierter Antikörper gegen Dextran durch Infusion von 20 ml eines monovalenten Dextrans mit einem Molekulargewicht von 1000 (z. B. Promit) über einen Zeitraum von 3-10 min) deutlich gesenkt werden. Präformierte Antikörper gegen Dextrane können bei bis zu 70% der Patienten beobachtet werden. Aufgrund der möglichen Gefahren ist der Patient während der ersten 10 min zu beobachten und die Bereitstellung von Notfallmedikamenten sicherzustellen. Sofortmaßnahmen bei Unverträglichkeit sind die Gabe von Kortikosteroiden (z. B. 100 mg Prednisolon i.v. bei Tachykardie, Übelkeit und Erbrechen bzw. 250-1000 mg und Sauerstoffgabe und evtl. Adrenalin bei Schock und Dyspnoe). Bei den geringsten Auffälligkeiten ist die Infusion sofort zu beenden und ein anderes Volumenersatzmittel zu infundieren. Die Infusion von Albumin wird bei Patienten mit einer Hypoalbuminämie diskutiert. Erniedrigte Serumalbuminspiegel (<3,5 g/l) bedeuten prospektiv für den Krankheitsverlauf eine schlechte Prognose, sie sind mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert. Randomisierte Studien belegen, dass die i.v.-Gabe von Albumin zwar den Serumalbuminspiegel verbessert, den klinischen Verlauf aber nicht zu beeinflussen vermag. Da niedrige Serumalbuminspiegel nicht eindeutig eine Depletion der körpereigenen Proteinspeicher anzeigen, sondern eher Ergebnis der bei schweren Erkrankungen regelhaften Akutphasereaktion sind, ist eine routinemäßige Gabe von Albumin nicht gerechtfertigt. Ein als Zeichen der Fehlernährung erniedrigter Serumalbuminspiegel wird sinnvollerweise durch eine bedarfsdeckende und vorzugsweise enterale Ernährung angehoben. Unter parenteraler Ernährung kommt es zu keiner Veränderung der Albuminkonzentration. Gefahren einer i.v.-Albumingabe sind Koagulopathien, eine gestörte renale Wasser-und Natriumausscheidung, eine Hyperammonämie (Albuminlösungen enthalten Ammoniak) und seltene allergische Reaktionen (1:10000). Humane Albuminpräparate sind teuer. Mögliche Probleme der parenteralen Ernährung betreffen den Katheter (Komplikationen bei der Punktion (s. oben), Fehllagen, Verschluss und Materialbruch, Katheterembolie, Luftembolie bei undichten Verbindungen oder während eines Katheterwechsels), die Blutgefäße (Thrombosen und Verletzungen in den punktierten Blutgefäßen), lokale und systemische Infektionen ( Kathetersepsis), Störungen der Flüssigkeitsbilanz und der Stoffwechselhomöostase ( Hyper-und Hypoglykämie, Hypophosphatämie, Elektrolytverschiebungen, hohe Harnstoffproduktion), Lungenfunktionsstörungen (hohe CO2-Produktion und Hyperkapnie bei hoher Kohlenhydratzufuhr) und bei längerem Verlauf Organstörungen ( Fettleber, hepato-biliäre Komplikationen, metabolische Knochenerkrankung) und Mangelzustände (Vitamine, Spurenelemente, essentielle Fettsäuren). Bei längerfristiger parenteraler Ernährung kann ein Vitaminmangel trotz (nach Berechnung) »vollständiger« parenteraler Substitution auftreten. Innerhalb von 30 Tagen zeigen z. B. bis zu 80% der Patienten niedrige Plasma-Vitamin C-und B 6 -Spiegel. Etwa 40% der parenteral ernährten Patienten haben erniedrigte Vitamin A-und E-Konzentrationen. 10% zeigen einen Thiaminmangel. Bei einer Laktatazidose (pH<7,2, Plasmalaktatspiegel >8 mmol/l) ist an die Möglichkeit eines Thiaminmangels zu denken. In diesem Fall ist eine hochdosierte Gabe von Vitamin B 1 (initiale Dosierung 100-400 mg/Tag, dann 50 mg/Tag bis zur Besserung des klinischen Bildes) indiziert. Ursache des Vitaminmangels sind die unausgewogene und fehlerhafte Komposition der kommerziellen Vitaminpräparate, aber auch deren mangelnde Stabilität in Mischlösungen. Die Gefahr einer Vitaminüberdosierung ist gering. Sie betrifft einzelne Vitamine, z. B. Vitamin A (klinisches Zeichen: toxischer Leberschaden, erhöhter Hirndruck), D ( Hyperkalzämie) oder das Niacin (vermehrte Histaminfreisetzung). thetischen oder exkretorischen Leistungen der Leber besteht. Deshalb darf ein entsprechender Befund ohne den tatsächlichen Nachweis einer Leberschädigung nicht mit einem signifikanten Verlust der Leberfunktion gleichgesetzt werden. Entsprechend dieser Einschätzung ergeben sich bei auffälligem biochemischem Befund für ursprünglich »lebergesunde« Patienten nicht automatisch diätetische Empfehlungen, welche denen für chronisch Leberkranke mit eingeschränkter Leberfunktion entsprechen. So besteht für diese Situation keine Indikation für die Gabe leberadaptierter Aminosäurelösungen. Bei sonographischem Nachweis von sludge oder Gallensteinen ist eine frühzeitige enterale Ernährung anzustreben. Therapeutisch kann das Problem durch die Senkung der hohen Cholesterinsättigung der Galleflüssigkeit durch orale Gabe von Ursodesoxycholsäure (10 mg/ kgKG/Tag), oder durch Verminderung der Mukoglukoproteinbildung z. B. durch Azetylsalizylsäure oder nichtsteroidale Antiphlogistika angegangen werden. Bei unklaren Temperaturen (>38,5°C) und Verdacht auf Kathetersepsis sollte die Infusion zunächst abgebrochen werden. Blutkulturen müssen gleichzeitig aus dem Infusionskatheter und einer peripheren Vene abgenommen und auf Bakterien und Pilze untersucht werden. Der Katheter und das Infusionssystem werden gewechselt. Sowohl die Katheterspitze als auch die verbliebene Infusionslösung werden zu weiteren bakteriologischen Untersuchungen eingesandt, um einen Keimnachweis zu führen. Sodann wird unter aseptischen Bedingungen ein neuer venöser Zugang gelegt und die parenteraler Ernährung mit neuem Konzept (bei Temperaturerhöhung eher hypokalorisch) fortgeführt. Auch in dieser Situation darf der Katheter ausschließlich für die Infusion von Nährlösungen benutzt werden. Der Nachweis einer Kathetersepsis ergibt sich durch den Vergleich der Ergebnisse der Blutkulturen (die Keimzahl ist in der »Katheterkultur« 5fach höher als in der peripheren Blutkultur) sowie dem Keimnachweis an Klinisch »stabile« Zirrhosepatienten können konventionelle Aminosäurelösungen problemlos verwerten. Liegen klinische Zeichen einer hepatischen Enzephalopathie bzw. Zeichen einer Aminosäureverwertungsstörung vor, kann die Indikation für spezielle Aminosäuregemische mit erhöhter Konzentration verzweigtkettiger Aminosäuren oder aber sogar eine Kontraindikation für die Infusion von Aminosäuren gegeben sein. Der gezielte Einsatz von an das veränderte Plasmaaminogramm adaptierten Aminosäurelösungen oder von lediglich verzweigtkettige Aminosäuren enthaltenden »Komalösungen« ist von dem Nachweis einer Aminosäureverwertungsstörung abhängig. Bei erhöhten Gesamtaminosäurekonzentrationen (>3-4 mmol/l) oder einer Differenzosmolalität >15 mosmol/kg H 2 O sollten kurzfristig entweder keine Aminosäuren oder abhängig vom klinischen Bild vorübergehend (bis zu 48 h, maximale Dosierung 40 g/Tag) nur verzweigtkettige Aminosäuren enthaltende Komalösungen infundiert werden. In der kritischen Phase sind die Pa-tienten zumeist überhaupt nicht »ernährbar«. Allenfalls wird eine hypokalorische Energiezufuhr (z. B. 20 kcal/ kgKG/Tag) »toleriert«. Sogenannte »Komalösungen« haben keinen nutritiven Wert. Zur Vermeidung einer länger bestehenden katabolen Stoffwechsellage sollte nach Erholung der Leberfunktion baldmöglich eine Lösung mit »vollständigem« Aminosäuremuster verwendet werden. Diese Lösungen werden in einer Dosierung von 0,4-1,0 g Aminosäuren/kgKG/Tag infundiert. Eine ausgeglichen Stickstoffbilanz wird bei klinisch stabilen Patienten erst ab 0,8 g/kgKG/Tag erreicht. Eine sicher positive Bilanz wird ab einer Zufuhrrate von >1,2 g/kgKG/Tag beobachtet. Gleichzeitig sollte auch wieder mit dem enteralen Kostaufbau begonnen werden. Der klinische Wert spezieller, für Zirrhosekranke konzipierte Aminosäurelösungen oder auch mit verzweigtkettigen Aminosäuren angereicherter Formuladiäten ist strittig. Die Abgrenzung von Aminosäureverwertungsstörung und Hyperammonämie als mögliche Ursachen der Enzephalopathie ist wichtig für den sinnvollen Einsatz von verzweigtkettigen Aminosäuren. Bei Hyperammonämie muss vorrangig eine Entgiftung des Darms (mit Laktulose und Neomycin) zur Verminderung der Ammoniakbildung durchgeführt werden. Gleichzeitig kann eine Verbesserung der endogenen Entgiftung durch parenterale Gabe von Ornitinaspartat versucht werden. Das Überleben von Patienten mit einem akuten Nierenversagen ist eng mit deren Energie-und Proteinbilanz assoziiert. Früher wurden Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen fettfrei mit hypertonen Glukoselösungen und essentiellen Aminosäuren parenteral ernährt. Ein solches Regime ist unausgewogen und führt z. B. zu einer Verarmung an essentiellen Fettsäuren, Vitaminen, Spurenelementen und verschiedenen nicht-essentiellen Aminosäuren (wie Arginin, Ornithin). Ergebnis ist häufig eine niedrige Harnstoffproduktion (erwünscht) bei gleichzeitiger Hyperammonämie (unerwünscht), welche mit der schlechten Entgiftung durch den Harnstoffzyklus erklärt wird. Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen und auch mit akutem Nierenversagen müssen ausgewogen und (wenn aus klinischer Sicht möglich) bedarfsdeckend ernährt werden. Die Indikation für eine künstliche Ernährung besteht bei Malnutrition und/oder Hyperkatabolismus. Die Aminosäurezufuhr sollte bei 0,8 g/kgKG/ Tag liegen und kann bei einer Nierenersatztherapie auf 1,2 g/kg/Tag gesteigert werden. Eine den Kalorienbedarf deckende enterale Ernährung sollte bei allen Patienten angestrebt werden. Der gastrale Reflux und die bei Nierenkranken häufig gestörte intestinale Peristaltik erschweren eine enterale Ernährung und müssen deshalb besonders überwacht werden. Aufgrund des hohen Eiweiß-, Kaliumund Phosphatgehalts finden Standardformuladiäten häufig keine Anwendung. Es wurden deshalb für Nierenkranke spezielle enterale Sondenkostformen entwickelt, die durch einen niedrigeren Gehalt an hochwertigem Eiweiß in Form von Oligopeptiden und Aminosäuren sowie einer Begrenzung der Elektrolytmenge charakterisiert sind. Für die parenterale Ernährung des Nierenkranken stehen spezielle Aminosäurelösungen zur Verfügung. Für Patienten an der Dialyse kann der Einsatz dieser Lösungen kritisch diskutiert werden. Entgegen früheren und heute korrigierten Annahmen enthalten die parenteralen Nephrolösungen essentielle und auch nicht-essentielle Aminosäuren. Zusätzlich enthält eine kommerzielle Infusionslösung das Dipeptid Glycyltyrosin, welches eine adäquate Bereitstellung von Tyrosin gewährleistet. Ziele der künstlichen Ernährung sind eine Normalisierung des Plasmaaminosäuremusters, eine verbesserte Stickstoffretention sowie eine Steigerung der Proteinsynthese. Eine Indikation für speziell auf das Nierenversagen abgestimmte Nährlösungen besteht bei einem Abfall der Nierenfunktion auf <30% des Normalwerts (i.e. »Kreatininclearance« <30 ml/min × 1,73 m 2 oder Serumkreatinin >2,5-3,0 mg/100 ml). Da Spurenelemente wie z. B. Chrom, Selen, Zink und Elektrolyte bzw. Mineralien wie Phosphate und Magnesium über die Niere ausgeschieden werden, ist eine vorsichtige und kontrollierte Zufuhr notwendig. Aufgrund der häufig notwendigen Flüssigkeitsbeschränkung werden hochkonzentrierte Lösungen (z. B. 70%-Glukoselösungen) gegeben. Dieses kann bei Mischinfusionslösungen zu Kompatibilitätsproblemen führen, was vor Infusion ausgeschlossen werden muss. Pragmatisch können 200-350 g Glukose, 50-100 g Fette und bis zu 50 g Aminosäuren infundiert werden. In der Praxis ist diese Menge mit dem rechnerischen Nährstoff-Bedarf zu vergleichen. Da viele Nierenkranke untergewichtig sind, besteht die Gefahr einer Hyperalimentation, welche in der Akutsituation nicht anzustreben ist. Bei Patienten mit akutem Nierenversagen unter Dialysetherapie werden täglich die wasserlöslichen Vitamine, jeweils 2-mal/Woche die fettlöslichen Vitamine und Spurenelemente sowie Elektrolyte und Flüssigkeit nach Bedarf bzw. Bilanz substituiert. Eine Hyperalimentierung sollte in jedem Fall vermieden werden. Spezielle ernährungsmedizinische Probleme Lungenkranker ergeben sich aus dem gestörten Gasaustausch (z. B. bei obstruktiven Lungenerkrankungen), der hohen Atemarbeit bei akuten Erkrankungen, der gestörten Atemmechanik und eingeschränkten Atemarbeit (z. B. bei der bei chronischen Lungenerkrankungen regelhaften Kachexie oder bei neurologischen Erkrankungen wie dem Guillain-Barré-Syndrom). Die alveoläre Ventilation ist zu der CO 2 -Produktion proportional. Eine niedrige CO 2 -Produktion und damit eine Verminderung der Atemarbeit kann durch die Reduktion des Kohlenhydratanteils (auf <50% der Kalorien) bei gleichzeitiger Steigerung der Fettzufuhr (auf bis zu 50% der Kalorien) erreicht werden. Ein entsprechendes Ernährungsregime muss individuell konzipiert und kontrolliert durchgeführt werden. Bei Patienten mit einer CO 2 -Retention sollte die Ernährung vorzugsweise isokalorisch sein. In der Regel ist auch bei Lungenkranken eine ausgewogene, möglichst enterale Ernährung ggf. mit Anlage einer PEG anzustreben. Die parenterale Ernährung hat ihre Indikation vorwiegend in der Intensivmedizin oder schwerer Infektexazerbation. Der Wert von Fettemulsionen ist aus ernährungsmedizinischer Sicht (d. h. im Hinblick auf den Ernährungszustand und die zu leistende Atemarbeit) unstrittig. Eine Beeinflussung des Gasaustausches ist bei Patienten mit akuten und schweren Lungenerkrankungen (z. B. beim ARDS) durch Einsatz von Omega-3-Fettsäuren) möglich. In der Annahme,dass eine enterale Ernährung eine Stimulierung der exkretorischen Pankreasfunktion bedeuten könnte, war eine parenterale Ernährung zur Ruhigstellung des Organs über Jahrzehnte die Praxis. Heute steht auch hier die frühzeitige enterale, unter Umständen auch nur minimale Substratzufuhr zum Erhalt der Darmmukosabarriere und zur Vermeidung einer bakteriellen Translokation im Vordergrund. Die parenterale Ernährung hat ihre Indikation allenfalls in Kombination mit einer enteralen Zufuhr für Patienten mit schweren Verlauf einer nekrotisierenden Pankreatitis. Bei »leichten« und ggf. »mittelschweren« klinischen Verlaufsformen (i.e. maximale initiale Serumamylase <500 U/ml) kann häufig auf eine künstliche Ernährung verzichtet werden. Wichtig ist in jedem Fall eine adäquate Schmerztherapie (z. B. über einen Periduralkatheter). Besondere Ernährungsprobleme ergeben sich bei »produktiven« Fisteln, welche eine exakte Bilanzierung notwendig machen. Es gibt keine Einschränkungen für die Gabe von Lipidemulsionen. Ausnahmen sind Fettverwertungsstörungen, welche durch Plasmatriglyzeridkonzentrationen >5 mmol/l und deren Anstieg unter Infusion um mehr als das 3fache des Ausgangswerts gekennzeichnet sind. Die Gefahr einer hyperlipidämieinduzierten Schädigung der Bauchspeicheldrüse besteht bei Triglyzeridkonzentrationen zwischen 10 und 15 mmol/l. Der therapeutische Einfluss einer Ernährung ist beim akuten Schub einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung der medikamentösen Therapie nachgeordnet. Dennoch kann durch eine kurzfristige parenterale, aber vor allem auch durch eine enterale Ernährung mit Nährstoff-oder ggf. Chemisch-definierten Diäten bei Patienten mit akuten Schub eines Morbus Crohn in 60-80% der Fälle ohne gleichzeitige medikamentöse Behandlung eine Remission erreicht werden. Im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie tritt die Remission unter künstlicher Ernährung aber erst später (>10tägige Behandlung) ein. Eine künstliche, oftmals parenterale Ernährung ist bei produktiven und besonders bei prästenotischen Fisteln aus ernährungsmedizinischer Sicht notwendig, aber therapeutisch ohne Effekt (z. B. auf den Fistelverschluss). Bei schweren Komplikationen ( Fisteln, Stenose, Stuhlfre-quenz>10 Stühle/Tag) und ausgeprägter Malnutrition ist die künstliche Ernährung als kontrollierte heimenterale Ernährung über mindestens 3 Monate zu planen. Der Energiebedarf von Patienten mit einem Morbus Crohn ist nicht wesentlich erhöht, der Eiweißbedarf kann bei schwerer Malassimilation oder auch dem Vorliegen einer exsudativen Enteropathie (ca. 1/3 der Patienten sind betroffen) erhöht sein. Da der Bedarf einzelner Nährstoffe (z. B. Zink, Eisen) bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen von dem Gesunder abweicht und die kommerziell angebotenen Formuladiäten deshalb teilweise inadäquat sind, muss eine längerfristige enterale oder parenterale Ernährung kontrolliert durchgeführt werden (Cave: Vitamin-und Spurenelementmangel; 1/3 der Patienten entwickeln innerhalb von 4-8 Wochen unter künstlicher Ernährung mit einer Chemisch-definierten Diät einen Eisenmangel). Der therapeutische Erfolg einer künstlichen Ernährung ist bei Patienten mit einer Colitis ulcerosa nicht belegt, eine parenterale Ernährung lediglich ernährungsmedizinisch indiziert und schwerwiegenden klinischen Situationen (wie z. B. schweren Blutungen und einem toxischen Megacolon) vorbehalten. Für Spezielle Probleme ergeben sich bei Patienten mit einer Jejunostomie: Die Verluste über das Stoma können im Extremfall bis zu 8 l bzw. kg/Tag betragen; die Na-Konzentrationen betragen 60-120 mmol/kg. Diese Probleme erfordern eine individuelle Bilanzierung von Wasser und Elektrolyten. Unterschreitet die resorptive Kapazität als Kurz-oder Restdarm 2/3 der normalen Verdauungsleistung, so besteht eine in der Regel sichere Indikation für eine längerfristige (heimparenterale) Ernährung. Auch hier ist eine enterale Ernährung anzustreben. Nur bei Unverträglichkeit einer nährstoffdefinierten Diät sollte eine chemisch definierte Diät zum Einsatz kommen. Mit einer länger dauernden Adaptation ist zu rechnen. Häufig muss kombiniert ernährt werden. Obwohl sich eine funktionelle Adaptation in Einzelfällen über einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren erstrecken kann, muss bei Kindern mit einer Restdarmlänge von 20 cm bei erhaltener bzw. 40 cm bei fehlender Ileozökalklappe bzw. bei Erwachsenen mit einem Restdarm von 50 cm bei erhaltener und 100 cm bei Verlust der Ileozökalklappe davon ausgegangen werden, dass eine ausreichende enterale Ernährung langfristig nicht möglich ist. Ziele der künstlichen Ernährung sind der Erhalt des Ernährungszustands sowie die Vermeidung von Elektrolytstoffwechselstörungen bzw. einer Dehydration. Die künstliche Ernährung muss exakt berechnet, vollständig ( Vitamin B 12 !) und bedarfsdeckend sein. Spezielle Probleme ergeben sich vor allem aus den häufig auftretenden septischen Katheterkomplikationen und der cholestatischen Leberschädigung bis hin zum Leberversagen. Hierbei ist der Verlust von Gallensäuren von Bedeutung. Bei Patienten mit erhaltenenem Kolon ist die Hyperoxalurie mit Bildung von Nierensteinen ein Problem. Bei hoher renaler Oxalsäureausscheidung und Bildung von Oxalsäuresteinen werden eine fett-und oxalsäurearme Ernährung und die orale Gabe von Kalzium empfohlen. Die Serumspiegel von Kalium, Magnesium und Zink werden engmaschig kontrolliert. Wird die spontane orale Ernährung unverändert fortgesetzt, kann es bei vermehrter Bildung von D-Laktat durch bakterielle Fermentation der Kohlenhydrate zu neurologischen Symptomen (verwaschene Sprache, Bewusstseinsveränderungen) kommen. Therapie ist die Verminderung der oralen Kohlenhydratzufuhr und eventuell der Einsatz eines nicht resorbierbaren Antibiotikum (z. B. Metronidazol oder Colistinsulfat). Eine künstliche Ernährung sollte frühzeitig bei Verdacht auf Malnutrition ( Anorexie, chronische Diarrhoen, nicht behandelbare Malassimilation, Gewichtsverlust >5% in 3 Monaten, BMI <20kg/m 2 , zerebraler Toxoplasmose und Demenz, Endstadium der Erkrankung) begonnen werden. Die Indikation muss einfühlsam und unter Berücksichtigung der Prognose gestellt werden. Besteht eine Indikation, sollte von vornherein eine längerfristige künstliche Ernährung ( PEG-, Portanlage) geplant werden. Die zugrundeliegende Ursache des Gewichtsverlustes muss gesucht werden. Der Nährstoffbedarf (Energie-/Eiweißbedarf) weicht bei Aids-Patienten nicht wesentlich von den Normalwerten ab. Es kann deshalb auch in dieser Patientengruppe mit Standardkonzepten unter Beobachtung des individuellen Verlaufs gearbeitet werden. Die Häufigkeit von Komplikationen ist bei künstlicher Ernährung von HIV-Patienten nicht höher als bei anderen Patienten. Besonderer Wert ist auf Sicherheit, Hygiene (Sondenkost) und Asepsis zu legen. Zu bevorzugen ist auch hier die enterale Ernährung z. B. über PEG. Sowohl eine heimenterale als auch eine heimparenterale Ernährung sind effiziente Maßnahmen zum Erhalt oder zur Verbesserung des Ernährungszustands und auch der Lebensqualität. Der Gewichtsverlust des Tumorpatienten hat im Rahmen des »Kachexie-Anorexie-Syndroms« verschiedene Ursachen. Bei kachektischen Tumorpatienten und auch bei nicht-kachektischen Patienten mit epithelialen Tumoren im Gastrointestinaltrakt (=hohes Risiko eines Gewichtsverlustes) sollte eine ernährungsmedizinische Beratung mit einer möglichen zur Indikation einer künstlichen Ernährung Teil des Behandlungskonzepts sein. Dies dient der Prävention und Therapie der Malnutrition Bei bestehender Indikation wird diese vorzugsweise enteral z. B. über eine PEG durchgeführt. Die vorübergehende Gabe von oralen Supplementen ist oftmals wenig effektiv (Anorexie) und kann aus ernährungsmedizinischer Sicht einen Zeitverlust bedeuten. Gastrointestinale Tumoren führen häufiger als z. B. hämatologische Tumorerkrankungen zu einer Kachexie, so dass bei ihnen bereits ein geringer Gewichtsverlust (>5% des Ausgangsgewichts innerhalb von 3 Monaten), Untergewicht (<90% des idealen Körpergewichts) sowie Inappetenz und Anorexie Indikationen für eine künstliche Ernährung darstellen. Mechanische Ernährungsprobleme finden sich häufiger in späten Tumorstadien, können aber auch früh im Verlauf der Erkrankung z. B. Ösophaguskarzinom auftreten. Bei einer frühzeitigen Ernährung sind die Prävention der Malnutrition und auch der Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit möglich. Bei kachektischen Tumorpatienten kann der Ernährungszustand in der Regel verbessert werden. Ein therapeutischer Effekt oder Einfluss auf Erfolg und Toleranz einer onkologischen Behandlung konnte aber bisher nicht gezeigt werden. Zur Beeinflussung des Verdauungssystem durch die Chemotherapie und zum Einsatz von Antiemetika (s. ⊡ Tab. 2.83 und ⊡ Tab. 2.84). Bei allen Tumorpatienten muss eine ausreichende Schmerztherapie (WHO-Stufenschema) gewährleistet sein. Eine totale parenterale Ernährung ist bei Tumorkranken nur bei fortgeschrittenen Peritonealkarzinose indiziert. Die Häufigkeit von Komplikationen ist bei künstlicher Ernährung von Tumorpatienten nicht höher als bei anderen Patienten. Es gibt bisher keinen klinischen Anhalt dafür, dass durch intensivierte ernährungsmedizinische Maßnahmen das Tumorwachstum oder die Metastasierung des Tumors gefördert werden. Störungen des Glukosestoffwechsels werden häufig bei Schwerkranken und im Rahmen einer künstlichen Ernährung beobachtet. Sie betreffen nicht nur Patienten mit einem primären Diabetes mellitus. Die Probleme des Kohlenhydratstoffwechsels ergeben sich durch die bei schweren Krankheiten regelhaft vorhandene Insulinresistenz, die »unphysiologische« und kontinuierliche 2.8 · Künstliche Ernährung über einen Perfusor indiziert. Der Zusatz von Altinsulin zu den Mischlösungen ist obsolet (unklare »Dosierung« wegen Adhäsion an der Mischbeutelwand, mangelnde Flexibilität in der Dosisanpassung, unklare Stabilität und Kompatibilität). Bei einem Insulinbedarf >100-120 IE/Tag liegt eine schwere Insulinresistenz vor. In diesem Fall sollte die Insulindosis nicht weiter gesteigert, sondern eine Klärung der Ursachen ( Kathetersepsis, Flüssigkeitszufuhr) und eine vorübergehende Reduktion der Glukosezufuhr mit erneutem Kostaufbau oder ein Wechsel des Ernährungsregimes (z. B. zyklische anstatt kontinuierliche Ernährung) durchgeführt werden. Bei primärem und sekundärem Diabetes ist während einer künstlichen Ernährung eine engmaschige Überwachung der Homöostase notwendig. Sie umfasst die Messung des Blutzuckers (4-bis 6-mal täglich), der Plasmalaktat-, -harnstoff-und -kreatininspiegel (einmal täglich), der Serumelektrolyte, inklusive Phosphat die Beurteilung des Säure-Basenhaushalts ( Blutgasanalyse 2-bis 3mal täglich) und die tägliche Erfassung der Flüssigkeitsbilanz. Die Stoffwechselprobleme des Zuckerkranken betreffen nicht nur den Kohlenhydratstoffwechsel, so dass bei der Planung einer künstlichen Ernährung auch der Aminosäure-( Azotämie, hohe Harnstoffproduktionsrate und verschlechterte Nierenfunktion bei hoher Infusionsrate) und Fettstoffwechsel (verschlechterte Triglyzeridklärrate, mögliche Ketonämie) zu beachten sind. Schwere Blutzuckerentgleisungen/ Diabetische Ketoazidose. Eine diabetische Ketoazidose ist eine Kontraindikation für eine künstliche Ernährung. Bei Blut-zuckerentgleisung werden die Glukose-und Energiezufuhr reduziert, die Flüssigkeitszufuhr gesteigert und die Elektrolytgabe (Kalium, Phosphat) kontrolliert. In dieser Situation ist die kontinuierliche Infusion von Altinsulin über einen Perfusor indiziert. Bei schweren Dekompensationen (eine Ketoazidose liegt vor, wenn der Blutzuckerspiegel >350 mg% und der Ketonkörpernachweis im Urin ++/+++ ist) wird unter Kontrolle der Blutzucker-und Serumelektrolytspiegel, der Flüssigkeitsbilanz sowie der Kenngrößen des Säure-Basenhaushalts Insulin in einer Dosierung von 0,05-0,10 IE/kgKG/h infundiert. Ziel der Behandlung ist eine langsame Normalisierung der Homöostase. Eine rasche oder gar abrupte Normalisierung der Blutzuckerspiegel ist unerwünscht und für den Patienten schädlich. Zu den Standardaminosäurelösungen kann bei Trauma und Sepsis z. B. Glutamin (5-10 g/100 g Aminosäuren) in Form von Dipeptidlösung (z. B. als Alanylglutamin oder Glycylglutamin) supplementiert werden, um den Abbau von Muskelproteinen und die Proteinsynthese des Intestinums, immunkompetenter Zellen und auch des Muskels gezielt zu beeinflussen. Dipeptide mit C-teminalen Glutaminresten haben eine hohe Wasserlöslichkeit. Darüber hinaus sind sie hitzestabil und können auch über längere Zeit gelagert werden Das Glutamin steht somit schnell dem Energie-und Proteinstoffwechsel zur Verfügung. Indikationen für die Supplementierung mit Dipeptiden bestehen bei intestinalen Erkrankungen (z. B. bei einer Strahlenenteritis), Immunsuppression (z. B. nach Knochenmarkstransplantation) oder auch schwer katabolen Zuständen (z. B. bei ausgedehnten Verbrennungen) Da der Aminosäurebedarf bei Kindern von dem Erwachsener abweicht (z. B. ist Taurin hier essentiell) und darüber hinaus zahlreiche Erkrankungen mit Störungen des Aminosäurestoffwechsels einhergehen, werden für Kinder und auch für Schwerkranke, Niereninsuffizienz und bei Sepsis und Trauma spezielle Aminosäurelösungen angeboten. Diese unterscheiden sich in der Relation von essentiellen und nicht-essentiellen Aminosäuren und auch im Gehalt an verzweigtkettigen Aminosäuren, Phenylalanin, Methionin und Arginin. Infusionslösungen für Neugeborene enthalten insbesondere Cystein und Taurin. Bei Neugeborenen und insbesondere unreifen Säuglingen sind auch die Aminosäuren Taurin, Histidin, Cystein, Tyrosin, Prolin und Arginin essentiell oder semiessentiell. Darüber hinaus ist der Bedarf an essentiellen Aminosäuren bei Neugeborenen höher als bei Erwachsenen. Da die Gewichtsproportionen von Leber, Niere, Gehirn und Muskulatur bei Säuglingen und Erwachsenen unterschiedlich sind, weichen auch der Aminosäurestoffwechsel und -bedarf voneinander ab. Im 1. Lebensjahr werden Zufuhrraten zwischen 1,5-2,5 g/kgKG/Tag, vom 2.-5. Lebensjahr 1,5 g/kgKG/Tag und später 1 g/kgKG/Tag empfohlen Vollelektrolytlösungen haben eine dem Plasma gleiche Zusammensetzung und dienen auch dem Ersatz von Extrazellulärflüssigkeit. Substratlösungen sind normalerweise elektrolytfrei, es gibt aber auch »teilsupplementierte« Kohlenhydrat-und Aminosäurelösungen. Voll-und Halbelektrolytlösungen enthalten kein Phosphat. Elektrolytkonzentrate sind Natriumchlorid Verluste durch Sekrete und Ausscheidungen können einen Verlust an Natrium von 60-100 mmol/l, an Kalium von 5-20 mmol/l und Chlorid von 45-100 mmol/l Sekret betragen. Bei Mischlösungen sind mögliche Inkompatibilitäten zwischen einzelnen Lösungsbestandteilen auszuschließen welche zu einer zeitlich begrenzten Erhöhung der Plasmaosmolarität führen. Der durch den Anstieg der Plasmaosmolarität aufgebaute Konzentrationsgradient zwischen dem intravasalen und dem interstitiellen bzw. intrazellulärem Raum bewirkt eine Mobilisierung von Flüssigkeit. Hyperton-hyperonkotische Lösungen enthalten zusätzlich ein Kolloid, welches den Gradienten unterstützt. Bei den Kolloiden handelt es sich um Gelatine, Dextran Die Wasserbindungskapazität beträgt 10-14 ml/g Stärke. Die Dosis wird maximal auf 1,5 g Kolloid/kgKG/Tag begrenzt Infusionslösungen sind hypertonen Lösungen in der klinischen Situation überlegen Wirkmechanismen hypertoner-hyperonkotischer Infusionslösungen sind die rasche Mobilisierung extravasaler Flüssigkeit, der positiv-inotrope Effekt, die Vasodilatation, die Verbesserung der Fluidität, neurale Reflexmechanismen sowie eine Stimulierung des Vasomotorenzentrums. Im Hinblick auf die rasche Stabilisierung der hämodynamischen Verhältnisse (in der Regel nach Infusion von 500-1500 ml) und dem in der Gesamtbilanz des Infusionsregimes verminderten Flüssigkeitsbedarfs sind hyperton-hyperonkotische Lösungen bei Hypovolämie (z. B. bei Trauma, Verbrennung, Sepsis), Hypotonie Eine Einschränkung der Verwendung hyperton-hyperonkotischer Infusionslösung ergibt sich durch die Verschiebungen der Serumelektrolyte bei schneller Infusionsrate und Störungen der Blut-Hirnschranke und länger erhöhtem intrakranialem Druck (z. B. bei Schädel-Hirn-Trauma). Andererseits kommt es unter Infusion ▬ Flüssigkeitssubstitution (Cave: Blutdruck, Urinausscheidung) 5-10 IE i.v., danach 0,1 IE/kg/Std. Die Insulindosis wird nach dem Abfall der Blutzuckerspiegel (nicht unter 15 mmol/l) sowie dem Anstieg des pH-Werts angepasst 20 mmol/h i.v.) bei einem Serumkalium <5 mmol/l und einer ausreichenden Nierenfunktion Kontrolle des »base excess«=BE Die Osmolarität sollte während der ersten 24 h >285 mosmol/l liegen. Bei Natriumspiegeln >150 mmol kann die Gabe einer hypoosmolaren Lösung -15 mmol/l) wird die i.v.-Insulingabe bis zur Normalisierung des Blut-pH (>7,35) und einem negativen Ketonkörpernachweis fortgeführt. Bei Phosphatspiegeln <2,0 mg/dl kann Phosphat substituiert werden. Nach Normalisierung der Parameter und stabiler Hämodynamik wird eine s 2.86. Bedeutung immunonutritiv und pharmakologisch wirksamer Nährstoffe Funktion Klinische Wirkung/Indikation Energiesubstrat für schnell replizierende Zellen (z. B. Enterozyten); Austausch von Stickstoff zwischen verschiedenden Organen (Muskel, Darm, Immunsystem); verbesserte Stickstoffbilanz Prävention der Muskelatropie Möglicher Wert nach KM-Transplantation Arginin Stimuliert T-Lymphozyten; verbesserte Stickstoffbilanz; hämodynamischer Effekt Immunsupprimierte Patienten; Patienten mit hohem Infektionsrisiko Kurzkettige Fettsäuren Energiesubstrat der Colonozyten; Stimulierung der Na + -Resorption im Kolon HIV-Infektion?, Colitis ulcerosa?, Rheumatische Erkrankungen Antioxidantien Schutz vor Schädigung durch Radikale Prävention einer ischämischen Organschädigung Literatur Board of Directors: Guidelines for the use of parenteral and enteral nutrition Ernährungsstörungen im Kindesalter, Pathophysiologie und Leitlinien der Flüssigkeits-, Elektrolyt-und Ernährungstherapie für Studium und Praxis Compendium Kindergeneeskunde Protein and energy requirementt: effect of clinical state Supplementation of trace elements in parenteral nutrition The Human Nutrition Textbook Series, Blackwell Science Stuttgart The Maternal Phenylketonuria International Study Stuttgart Marginson G, Hark L (1999) Medical Nutrition Disease Clinical Pediatric Diatetics, 2 nd Ed Modern Nutrition in Health and Disease Heidelberg Stump SE (1998) Nutrition and diagnose-related care, 4 th Ed Glycin Glycocholsäure Phospholipide Natriumhydroxid Sojabohnenöl 1g/l g Phosphatidylcholin Glycerin Natriumhydroxid und Antioxidanzien ( Vitamine C und E, Selen) in der künstlichen Ernährung Schwerkranker wird intensiv diskutiert. Ziele sind bei dem Erhalt der intestinalen Barriere immunstimulierende und antiinflammatorische Effekte im Rahmen der Akutphasenreaktion der krankheitsbedingten Immunsuppression. Nach einer aktuellen Metaanalyse kann die Supplementierung der parenteralen Ernährung für ausschließlich parenteral ernährte Patienten empfohlen werden. Ob dies auch für enteral ernährte Patienten gilt, ist offen. Auch die Vorteile einer enteralen Glutaminzufuhr müssen durch weitere Studien bestätigt werden. Die enterale Gabe einer Kombination von Arginin, Omega-3-Fettsäuren und Ribonukleotiden kann derzeit für den kritisch Kranken nicht allgemein empfohlen werden, da hier in einigen Studien eine erhöhte Letalität beobachtet worden ist. Diskutiert werden hierbei schädliche Auswirkungen der durch Arginin vermehrten NO-Bildung sowie eine Verstärkung der Immunsuppression durch die antiinflammatorischen Omega-3-Fettsäuren. Im ARDS hat sich die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren als vorteilhaft für die Erholung der Lungenfunktion erwiesen. Günstige Daten für eine hochdosierte Vitamin C und und E Zufuhr bedürfen der weiteren Verstärkung. Für die Selenzufuhr hat eine Metaanalyse bereits günstige Auswirkungen gezeigt. Der Wert einer prä-und kurzfristig postoperativen Ernährung ist unsicher und ohne Einfluss auf die Morbidität und Letalität. Demgegenüber ist möglicherweise die Zahl der Infektionen in der parenteral ernährten Gruppe höher als bei enteraler Ernährung. Ziel ist heute der frühest mögliche orale bzw. enterale Kostaufbau. EineIn lebensbedrohlichen Notfällen kann eine künstliche Ernährung bei nicht willensfähigen Patienten unter dem Gesichtspunkt der »Geschäftsführung ohne Auftrag« oder unter dem Gesichtspunkt des »rechtfertigenden Notstands« durchgeführt werden, wobei die künstliche Ernährung gegenüber der Fixation das höherwertige Rechtsgut darstellt.Spezielle ernährungsmedizinische Probleme alter Menschen ergeben sich regelhaft aus gleichzeitig vorbestehenden chronischen Erkrankungen, dem häufig schlechten Ernährungszustand und der Dehydratation. Die künstliche Ernährung sollte möglichst enteral durchgeführt werden und den Nährstoff-und Flüssigkeitsbedarf unter Berücksichtigung der bestehenden Erkrankungen decken. Bei der Berechnung sind alterskorrigierte Referenzwerte zu berücksichtigen. Wenn keine Kontraindikationen bestehen, wird eine ballaststoffreiche Formuladiät bei gleichzeitig ausreichender Flüssigkeitszufuhr gewählt. Dabei sind die möglichen Wechselwirkungen mit Medikamenten zu beachten. Eine frühzeitige Entlassung des Patienten wird angestrebt. Die künstliche Ernährung wird unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Patienten und seiner individuellen Wünsche als heimenterale Ernährung geplant und durchgeführt. Bei den im Alter häufig eingeschränkten Kompensationsmechanismen ist eine engmaschige Überwachung des Patienten durch den Klinikarzt sowie später durch den Hausarzt obligat. Eine zwingende Indikation für eine vollständige künstliche Ernährung besteht bei einem Körpergewicht <40 kg oder einem BMI <16kg/m 2 . Obwohl Digestion und Absorption meist nicht beeinträchtigt sind, muss zur Adaptation und im Hinblick auf die Vermeidung eines »overloading« und »refeeding syndroms« vorsichtig und stufenweise aufbauend ernährt werden (beginnend mit etwa 50% des errechneten Energiebedarfs). Bei einem Körpergewicht von <40 kg wird je eine Hälfte des errechneten Nährstoff-und Flüssigkeitsbedarfs parenteral und die andere Hälfte enteral verabreicht, liegt das Gewicht >40 kg wird ausschließlich enteral ernährt. Der Patient wird zusätzlich ermuntert, spontan zu essen. Ab Körpergewichten zwischen 45 und 50 kg ist eine psychiatrische Intervention möglich. Diese Zahlen werden von einigen Psychiatern flexibel betrachtet. Aus medizinischen Gründen ist die künstliche Ernährung von Patienten mit Essstörungen engmaschig zu überwachen (täglich Gewicht, Elektrolyte, wöchentlich Körperzusammensetzung, Harnstoffproduktion, Albumin, Ketonkörper im Urin), auch um mögliche Täuschungen der Patienten zu erkennen. Bei der Entscheidung über Einsatz oder Abbruch einer künstlichen Ernährung muss neben der ernährungsmedizinischen Indikation der Nutzen für den Patienten kritisch und ernsthaft erwogen werden. Grundsätzlich gelten dieselben Argumente, welche z. B. im Hinblick auf eine medikamentöse Behandlung mit Antibiotika oder Chemotherapeutika diskutiert werden. Bei schweren Erkrankungen sind Erfolg oder Misserfolg einer Behandlung häufig nicht vorhersehbar. In unklaren Situationen ist es deshalb gerechtfertigt, mit den Betroffenen zusammen eine zeitlich begrenzte Entscheidung zu fällen, um den möglichen subjektiven (i.e. aus Sicht des Patienten) und objektiven (i.e. aus Sicht des Arztes) Nutzen der künstlichen Ernährung festzustellen.Die Frage der im Einzelfall angemessenen Behandlung ist nicht allgemein zu beantworten. Wenn für den Patienten keinerlei Behandlungsperspektive besteht (z. B. bei Komapatienten, die das Bewusstsein aller Voraussicht nach nicht wiedererlangen werden) und auch die übrige Therapie mit Ausnahme der Sauerstoffgabe, der Schmerzmedikation und der Flüssigkeitszufuhr abgebrochen wird, muss auch die künstliche Ernährung beendet werden. Künstliche Ernährung ist keine symbolische Behandlung bei infauster Prognose einer schweren Grunderkrankung.Eine künstliche Ernährung ist eher der Therapie zuzuordnen und der medikamentösen Behandlung vergleichbar. Wird die Ernährung andererseits zu den Grundbedürfnissen eines Menschen gerechnet, wäre eine künstliche Ernährung auch Teil der Grundpflege, welche die Sauerstoffgabe, die Analgesie und die Flüssigkeitszufuhr umfasst. Nach dieser Einschätzung müsste die künstliche Ernährung auch bei infauster Prognose bis zum Lebensende fortgeführt werden.Der Nutzen einer Behandlung ist eine wichtige Entscheidungshilfe. Lebenserhalt, Schmerztherapie und Behandlung der Grunderkrankung nutzen dem Patienten. Demgegenüber müssen jedweder Schaden und mögliche Komplikationen vermieden oder abgewendet werden. Ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium ist der Erhalt der Autonomie. Der Patient und/oder seine Angehörigen müssen vollständig informiert und in die Entscheidung über die künstliche Ernährung miteingebunden werden. Das Wissen um die Würde und die Integrität des Menschen sowie die Liebe zum Menschen sind die Basis der Entscheidung. Lehnt der Patient aus subjektiven Gründen eine medizinisch indizierte künstliche Ernährung ab, so ist der »Nicht-Einsatz« oder Abbruch gerechtfertigt.In lebensbedrohlichen Situationen (einem Körpergewicht unter 40 kg z. B. bei Patienten mit Anorexia nervosa oder während eines z. B. politisch motivierten Hungerstreiks) muss der Arzt die Entscheidung für eine künstliche Ernährung im Sinne des Lebenserhalts und der Abwendung weiteren Schadens für den Patienten treffen. Lehnt umgekehrt der Arzt eine von dem Patienten gewünschte künstliche Ernährung ab, so sollte er den Patienten umgehend einem anderen Arzt vorstellen. Wenn der Patient seinen Willen nicht äußern kann, er keine entsprechenden Verhaltensmaßregeln vor seiner Erkrankung festgelegt hat und auch keine Angehörigen oder Freunde vorhanden oder erreichbar sind, ist die Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne des Patienten zu