key: cord-0039247-p5qqn0in authors: Sibrowski, W.; Krakowitzky, P. title: Ersatz von Blut und Blutkomponenten date: 2005 journal: Therapie innerer Krankheiten DOI: 10.1007/3-540-26504-x_71 sha: 879d488fbde6a85251ea17966511a283625fe24f doc_id: 39247 cord_uid: p5qqn0in Die Gabe von Blut und Blutprodukten bedarf einer strengen Indikationstellung. Es ist zu berücksichtigen, dass das verschreibungspflichtige Arzneimittel „Blut“ aus verschiedenen Anteilen besteht, deren Gabe zu vielfältigen Nebenwirkungen beim Patienten führen kann. Transfusionsgesetz. Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie). Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten der Bundesärztekammer; Die praktische Durchführung der Transfusion beginnt mit der sorgfältigen Identitätssicherung des Patienten und der korrekten Zuordnung des bereitgestellten Blutprodukts. Die Identitätssicherung umfasst die Kontrolle der entsprechenden Begleitdokumente hinsichtlich Patientenidentifikation, Konservennummer und -verfallsdatum sowie Gültigkeit der Kreuzprobe. Außerdem ist immer eine sorgfältige Prüfung der Blutbeutel auf Unversehrtheit, Hämolyse, Gerinnselbildung und Unterkühlung bzw. Überhitzung vorzunehmen. Das Ergebnis der Überprüfung sollte protokolliert werden. Der AB0-Identitätstest (Bedside-Test) sollte immer unmittelbar vor der Transfusion mit einer frisch entnommenen Blutprobe des Patienten persönlich vom Arzt oder unter seiner direkten Aufsicht mit zugelassenen Anti-A-und Anti-B-Testseren vorgenommen werden. Unklare Testergebnisse sollten mit dem serologischen Labor abgeklärt werden, um fehlerhaft ausgegebene bzw. vertauschte Blutpräparate unverzüglich zu erkennen. Die AB0-Testung der Erythrozytenkonzentrate ist zwar in den Richtlinien der Bundesärztekammer nicht vorgeschrieben, sollte aber aufgrund der hohen Verwechslungsgefahr bei Blutbereitstellung, Transport und Transfusionsvorbereitung dennoch durchgeführt werden. Die Eigenbluttransfusion, für die grundsätzlich keine serologische Verträglichkeitstestung vorgeschrieben ist, muss > > Aufgabe der Erythrozyten im Organismus ist die Aufnahme, der Transport und die Abgabe von Sauerstoff in der Lunge und im Gewebe. Die Indikation zur Erythrozytentransfusion sollte nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und immer unter Beachtung der gesamten klinischen Situation des Patienten erfolgen. Eine Anämie liegt definitionsgemäß dann vor, wenn die Erythrozytenzahl oder die Hämoglobinkonzentration unter die auf Geschlecht und Alter bezogenen Normalwerte erniedrigt ist. Untere Grenzwerte für die Hämoglobinkonzentration sind 12,5 g/dl beim Mann und 11,5 g/dl bei der Frau. Die alleinige Unterschreitung dieser Normalwerte ist noch keine Indikation für eine Bluttransfusion. Ein unterer Grenzwert für die Hämoglobinkonzentration (Hb-Wert) als Richtwert für die Indikation lässt sich nicht sicher angeben, da jeweils Dauer, Schwere und Ursache der Anämie im Zusammenhang mit klinischem Zustand, Alter und Geschlecht des Patienten in die Indikationsstellung zur Transfusion einbezogen werden müssen. So kann bei älteren und bei intensivbehandlungspflichtigen Patienten mit Herz-, Kreislauf-oder Atemwegserkrankungen die kritische Schwelle des Hb-Wertes schon bei 11-12 g/dl liegen. Bei chronischen Anämien hingegen hat der Organismus in der Regel Zeit, seinen Stoffwechsel an das verminderte Sauerstoffangebot zu adaptieren. Hb-Werte von 6-8 g/dl können im Einzelfall noch gut toleriert werden, sofern keine zusätzlichen ischämischen Organerkrankungen vorliegen (z. B. koronare Herzerkrankung, Erkrankung der Hirnarterien, arterielle Verschlusskrankheit). Ein Hb-Wert 5,0-4,5 g/dl kann als unterer kritischer Grenzwert bezeichnet werden, der in der Regel beim Vorliegen klinischer Zeichen eine unverzügliche Gabe von Erythrozytenkonzentraten erforderlich macht. Eine Transfusion sollte außerdem immer dann ernsthaft in Betracht gezogen werden, wenn bei akuten Blutungen ein Verlust von mehr als 20 % des Blutvolumens auftritt. Die Erythrozytengabe muss AB0-und möglichst auch Rhesus-D-verträglich erfolgen. Bei Transfusionen für Mädchen bzw. Frauen im gebärfähigen Alter sowie bei langfristig erforderlicher Erythrozytensubstitution sollten sowohl die weiteren Merkmale des Rhesus-Systems als auch die Merkmale des Kell-Systems berücksichtigt werden. Weitere Blutgruppensysteme müssen nur berücksichtigt werden, wenn klinisch bedeutende Antikörper nachgewiesen wurden (⊡ Tabelle 71-2). Für die Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten (EK) sind vorab verschiedene Informationen notwendig. Neben der AB0-Blutgruppe und dem Rhesus-Faktor D (ggf. den weiteren Rhesus-Merkmalen und dem Kell-Merkmal) muss ein Antikörpersuchtest aus dem Blut des Empfängers vorliegen. Ein positiver Antikörpersuchtest muss abgeklärt und die verursachenden erythrozytären Antikörper müssen bestimmt worden sein. Abhängig von klinischer Situation oder Grunderkrankung des Patienten sollte entschieden werden, ob eine Bestrahlung der Konserven erfolgen muss ( Tabelle 71-1). Weitere Einschränkungen ergeben sich durch die Lagerung der Konserven. Mit der Lagerungsdauer der Präparate steigt der Kaliumgehalt des Produkts. Daher sollten für pädiatrische Patienten mit sehr kleinen Blutvolumina und für Anwendungen bei extrakorporaler Zirkulation (Herz-Lungen-Maschine), bei der hohe mechanische Belastungen die Erythrozyten schädigen können, möglichst frische Konserven (nicht älter als 10-14 Tage Bei der Dosierung ist das Therapieziel, nämlich die beabsichtigte Anhebung des Hb-Wertes, zu beachten. Näherungsweise gilt bei normalgewichtigen Erwachsenen: 1 EK = Hb ≠ von 1-1,5 g/dl 1 EK = Hämatokrit ≠ von 3-4 % Zu Nebenwirkungen auch den Abschnitt "Transfusionsreaktionen und Risiken" und Tabelle 71-3. Die schwerste Nebenwirkung der Erythrozytengabe ist die hämolytische Transfusionsreaktion. Hämolytische Transfusionsreaktionen können als akute oder verzögerte Reaktionen auftreten. Ausgelöst werden sie meistens durch Alloantikörper (IgM-, seltener IgG-Antikörper) gegen spezifische Blutgruppenantigene. An der Entstehung einer akuten hämolytischen Reaktion ist das Komplementsystem beteiligt. Durch Aktivierung des Komplementsystems über die Komponente C3 hinaus, kann es zur intravasalen hämolytischen Schädigung der Erythrozytenmembran durch den C5b-9-Komplex kommen. Erfolgt die Komplementaktivierung nur bis C3, so kann eine antikörpervermittelte Phagozytose ("extravasale Hämolyse") stattfinden. Welcher dieser Abbaumechanismen im Einzelfall vorliegt, hängt wesentlich von den funktionellen Eigenschaften und der Konzentration des Antikörpers im Plasma sowie der Antigendichte auf der Zielzelle ab. Die Antikörper können von Fall zu Fall trotz gleicher Spezifität sehr verschiedene klinische Symptome verursachen. Sowohl die Herstellung als auch die Anwendung von Granulozyten findet derzeit ausschließlich im Rahmen klinischer Studien statt. Bei Patienten mit weniger als 500 neutrophilen Granulozyten/µl Blut kann bei dem Auftreten progredienter lebensbedrohlicher Infektionen die Gabe von Granulozytenkonzentraten indiziert sein. Die von gesunden Spendern nach Mobilisation durch G-CSF oder Corticosteroiden durch Apherese gewonnenen Granulozyten sollen in dem immungeschwächten Patienten durch Phagozytose Mikroorganismen eliminieren. Granulozytenpräparate enthalten einen recht hohen Anteil an Erythrozyten, daher ist wie bei der Erythrozytentransfusion eine ABO-und Rhesus-kompatible Gabe wichtig (⊡ Tabelle 71-4). Bei der Granulozytentransfusion sind für die Spenderauswahl die Kenntnis der Blutgruppe von Patient und potenziellem Spender, die Durchführung eines aktuellen Antikörpersuchtestes sowohl des Patienten als auch des potenziellen Spenders und eine Verträglichkeitstestung zwischen Patientenserum und Spendererythrozyten notwendig. Zu den im Rahmen der Spenderauswahl durchgeführten Untersuchungen gehört zudem ein Lymphotoxizitätstest (LCT) zwischen Patientenserum Blutprodukte als Arzneimittel unterliegen der Chargendokumentationspflicht ( Abschnitt 71.1.1). Die Transfusionsgeschwindigkeit ist dem klinischen Zustand des Patienten anzupassen. Eine Geschwindigkeit von 1 · 10 10 Leukozyten/h sollte nicht überschritten werden. Abgesehen von der klinischen Beurteilung der Wirksamkeit einer Granulozytentransfusion sollte eine Inkrementmessung der Granulozyten unmittelbar sowie 4-8 h nach Transfusion erfolgen. Sinnvoll ist die Transfusion von Granulozyten nur dann, wenn sie mindestens 3-mal pro Woche erfolgt,bis die Zahl der neutrophilen Granulozyten im peripheren Blut des Patienten > 500/µl beträgt. Pro Transfusion sollten 1,5-3,5 · 10 8 Granulozyten/ kgKG des Patienten übertragen werden. Zu Nebenwirkungen auch den Abschnitt: Transfusionsreaktionen und Risiken und Tabelle 71-5. Die häufigste Nebenwirkung ist die febrile nichthämolytische Transfusionsreaktion (FNHTR) mit einer Häufigkeit von 30 %.Während normalerweise jedes Auftreten einer Transfusionsreaktion zum sofortigen Abbruch der Transfusion führen sollte, ist hier ein sorgfältiges Abwägen notwendig. Es gibt keinen kurzfristigen Ersatz für ein Granulozytenpräparat. Eine genaue Ermittlung der Patientensymptome ist notwendig, um eine FNHTR sicher von einer hämoytischen Transfusionsreaktion abgrenzen zu können. Das Fortsetzen einer Granulozytentransfusion im Fall des Auftretens einer FNHTR kann durchaus gerechtfertigt sein. Ein Unterschied in der Rate der Alloimmunisierung gegen HLA-Antigene zwischen beiden Arten von Thrombozytenkonzentraten konnte nach Leukozytenreduktion nicht beobachtet werden. Thrombozyten tragen an ihrer Oberfläche AB0-Merkmale, daher sollte die Auswahl der TK blutgruppengleich im AB0-System erfolgen. Im Notfall oder bei Versorgungsengpässen ist eine AB0-majorkompatible Gabe möglich (⊡ Tabelle 71-6). Bei einer AB0-majorkompatiblen Transfusion kann die Minorunverträglichkeit des 0-Plasmas (enthält Anti-A und Anti-B) in Kauf genommen werden. Bei Erwachsenen ist bei der Gabe von bis zu 500 ml minorinkompatiblen TK keine klinische Symptomatik zu erwarten. Eine serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) ist vor TK-Transfusion nicht erforderlich. Der AB0-Identitätstest ist nicht vorgeschrieben. Der Rhesus-Faktor sollte nach Möglichkeit berücksichtigt werden, um eine Immunisierung Rh-negativer Patienten zu vermeiden. Mittels Apheresetechnik hergestellte Thrombozytenkonzentrate enthalten allerdings deutlich weniger als 0,4 ml Erythrozyten pro Einheit, sodass eine Anti-D-Bildung nur bei weniger als 8 % der Rh-negativen Empfänger auftreten sollte, wenn sie mehr als 100 Einheiten erhalten haben. Bei Frauen im gebärfähigen Alter und bei Kindern kann eine Anti-D-Prophy-laxe mit intravenöser Gabe von Anti-D erwogen werden, wenn Rh-negative Patienten im Notfall ein Rh-(D)-positives Thrombozytenkonzentrat erhalten haben. Die Immunisierungsprophylaxe sollte innerhalb der ersten 72 h mit einer Dosis von 300 µg i. v. Anti-D erfolgen (neutralisiert ca. 25-30 ml Erythrozyten). Thrombozytenkonzentrate werden über ein Standardtransfusionsbesteck transfundiert. Inzwischen werden alle Thrombozytenkonzentrate leukozytendepletiert hergestellt; somit ist eine zusätzliche Bedside-Filtration über Leukozytenfilter nicht mehr erforderlich. Da leukozytendepletierte Blutprodukte als äquivalent zu CMV-negativen Blutprodukten angesehen werden, ist eine anwenderbedingte Leukozytenreduktion auch bei CMV-ungetesteten oder sicher CMV-positiven Produkten nicht notwendig. Beim Auftreten eines Refraktärzustandes nach Thrombozytengabe sollte der Patient auf Antikörper gegen HLA-Antigene der Klasse I und spezifische Thrombozytenantigene (HPA 1-5) serologisch untersucht werden.Beim Nachweis spezifischer Antikörper sollten möglichst serologisch verträgliche Präparate angewendet werden, um einen adäquaten Thrombozytenanstieg zu erzielen. Thrombozytenkonzentrate, die in geschlossenen Systemen hergestellt werden, dürfen in der Blutbank maximal 5 Tage bei 20-24°C gelagert werden. Hierbei werden sie ständig bewegt, um eine Sedimentation der Thrombozyten zu vermeiden. Es ist zu berücksichtigen, dass die Wirksamkeit der Präparate nach einer Lagerung von mehr als 2 Tagen erheblich reduziert sein kann (bis zu 50%). Bei einer Thrombozytopenie sollte immer auch an das Vorliegen einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT 2) gedacht werden. Hierbei kommt es zu einer Aktivierung der Thrombozyten durch heparininduzierte Antikörper.Folge der Aktivierung sind Thrombozytopenie und vermehrte Thrombinbildung mit der Folge von Gefäßverschlüssen. Eine HIT 2 tritt bei Verwendung von unfraktioniertem Heparin 10-mal häufiger auf als bei Verwendung von niedermolekularem Heparin. Nach größeren Operationen und bei Schlaganfallpatienten beträgt das HIT-Risiko bis zu 3%. Die Mortalität der HIT 2 liegt bei 6-7%. Zu Nebenwirkungen auch den Abschnitt: Transfusionsreaktionen und Risiken und ⊡ Tabelle 71-7. Bei der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten kann eine Alloimmunisierung gegen verschiedene thrombozytäre und HLA-Antigene auftreten mit Ausbleiben adäquater Plättcheninkremente nach Transfusion. Das Risiko einer HLA-Alloimmunisierung wird durch die Verwendung leukozytenarmer Thrombozytenpräparate deutlich verringert. Frischplasma kann aus einer Vollblutspende durch Fraktionierung oder durch Plasmapherese von Einzelspendern gewonnen werden. Es ist als gefrorenes Frischplasma (GFP) bei -30°C bis zu 1 Jahr lagerungsfähig. Im deutschen Sprachraum wird häufig auch die englische Bezeichnung FFP (fresh frozen plasma) benutzt. GFP enthält alle plasmatischen Gerinnungsfaktoren und deren Inaktivatoren, wobei 1 GFP etwa 200-250 IU jedes Gerinnungsfaktors enthält. Die Gabe von Frischplasma ist, ebenso wie die von Erythrozyten-und Thrombozytenkonzentraten, chargendokumentationspflichtig. Neben Quarantäneplasma von Einzelspendern wird auch ge-pooltes, virusinaktiviertes Plasma angeboten. Virusinaktiviertes Plasma wird aus bis zu 1000 Spenden hergestellt. Hierbei kann v. a. die Kontamination mit hüllenlosen Viren ein Problem darstellen ( Abschnitt "Transfusionsreaktionen und Risiken"). Es gibt nur wenige gesicherte Indikationen für die Gabe von Frischplasma. Zu den klinisch begründeten Indikationen gehören die Verlust-und/oder Verdünnungskoagulopathie,die Substitution bei Faktor-V-und Faktor-XI-Mangel, die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) und die Austauschtransfusion. Plasma muss ebenfalls AB0-kompatibel transfundiert werden (⊡ Tabelle 71-8). Bei der Kompatibilität von Plasmen sind die im Produkt vorhandenen Isoagglutinine (Anti-A, Anti-B) entscheidend. Plasma von AB-Spendern kann Empfängern jeder Blutgruppe transfundiert werden. Eine serologische Verträglichkeitstestung (Kreuzprobe) ist für Plasma nicht vorgeschrieben, ein Bedside-Test muss nicht erfolgen. Die akzidentelle Transfusion eines nichtkompatiblen Plasmas bleibt in der Regel ohne schwerwiegende Folgen, da eine Immunsierung des Empfängers nicht auftritt und die im Plasma enthaltenen Isoagglutinine des Spenders im Empfängerorganismus stark verdünnt werden. Hämolytische Transfusionsreaktionen sind jedoch in Einzelfällen möglich. Bei der GFP-Gabe ist auf eine ausreichende Dosierung zu achten, um überhaupt eine therapeutische Wirkung zu erzielen. Beim Erwachsenen sind initial mindestens 3-4 GFP-Einheiten erforderlich, um eine messbare Anhebung der Gerinnungsfaktoren zu bewirken. 1 ml GFP/kg KG = Faktoren-und Inaktivatoren ≠ von 1-2% Zu Nebenwirkungen auch den Abschnitt: Transfusionsreaktionen und Risiken und ⊡ Tabelle 71-9. Hier sind v.a. die Volumenbelastung, die Citratintoxikation und anaphylaktoide Reaktionen auf spezifische Plasmabestandteile zu bedenken. Daneben kann auch die transfusionsinduzierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI-Syndrom) durch granulozytenspezifische Antikörper oder HLA-Antikörper des Spenders eine Rolle spielen. Sie sind zusammengefasst in ⊡ Tabelle 71-11 dargestellt. Hämolytische Reaktionen vom Soforttyp sind selten und werden in der Regel im Zusammenhang mit AB0-inkompatiblen Transfusionen beobachtet, deren häufigste Ursache die Verwechslung von EK am Patientenbett ist. Das Risiko für eine tödliche hämolytische Transfusionsreaktion dürfte bei etwa 1 : 600.000 liegen. Der AB0-Transfusionszwischenfall zählt zu den gefährlichsten akuten Reaktionen nach Erythrozytengabe und erfordert die unverzügliche intensivmedizinische Behandlung und Überwachung des Patienten. Wenn der Verdacht auf eine AB0-Verwechslung besteht, ist es aus forensischen und medizinischen Gründen unerlässlich, dass Spender-und Empfängerblut blutgruppenserologisch nachuntersucht werden und der verdächtige Transfusionsbeutel sichergestellt wird. Entsprechende gesetzliche Meldepflichten nach dem Transfusionsgesetz sind zu beachten. Verzögerte hämolytische Reaktionen sind häufig ebenfalls antikörpervermittelt. Sie sind meist Ausdruck einer sekundären Immunantwort, bei der ein früher gebildeter und jetzt unter die Nachweisgrenze abgefallener Antikörper durch eine erneute Transfusion provoziert wird. Auch eine negative Kreuzprobe kann eine verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion zur Folge haben. Primäre Immunisierungen mit klinischer Symptomatik sind dagegen selten. Häufig sind die Antikörper nicht in der Lage, Komplement zu aktivieren. Die Ursachen für die Auslösung der Hämolyse sind ebenso wie die genauen Pathomechanismen der Zellzerstörung noch weitgehend ungeklärt, insbesondere wenn es sich um nichtkomplementaktivierende Antikörper handelt. Wahrscheinlich sind Antikörper gegen Antigene aller Blutgruppensysteme in der Lage, verzögerte hämolytische Reaktionen auszulösen. Kommt es während der Bluttransfusion zu einem Anstieg der Körpertemperatur um mehr als 1°C ohne Zeichen einer Hämolyse und hat der Temperaturanstieg keine andere Ursache, spricht man von einer febrilen nichthämolytischen Transfusionsreaktion (FNHTR). Ursachen für febrile nichthämolytische Reaktionen können Antikörper gegen HLA-Merkmale oder leukozytäre Antigene sein. Häufig können jedoch bei febrilen Reaktionen keine Antikörper nachgewiesen werden. Neuere Studien belegen, dass Zytokine aus den Leukozyten im Blutpräparat während der Lagerung freigesetzt werden. Den Zytokinen wird eine wichtige ätiologische Bedeutung für eine febrile Transfusionsreaktion zugeschrieben. Bei einer febrilen Reaktion sollte die Transfusion unterbrochen werden.Hämolytische oder septische Reaktionen müssen sicher ausgeschlossen werden. Bei Vorliegen von zellspezifischen Antikörpern sollten speziell ausgetestete Blutpräparate verwendet werden (Thrombozytenhochkonzentrate, ggf. HLA-oder thrombozytenantigenkompatibel, oben). Die Posttransfusionspurpura (PTP) ist eine sehr seltene, jedoch gefährliche transfusionsassoziierte Reaktion. Sie wird durch Alloantikörper verursacht, die gegen thrombozytenspezifische Antigene gerichtet sind. Obwohl die Antikörper zunächst gegen transfundierte Fremdantigene gebildet werden, führen sie aufgrund einer Kreuzreaktivität zur Zerstörung von patienteneigenen Thrombozyten. Der häufigste Alloantikörper ist Anti-HPA-(Human-Platelet-Antigen-)1a (Alte Bezeichnungen: Anti-Zw a ,-Pl A1 ). Antikörper gegen andere plättchenspezifische Antigene sind weitaus seltener. HLA-Antikörper scheinen ätiologisch keine Bedeutung zu haben. Von der Erkrankung sind in mehr als 90 % der Fälle Frauen betroffen. Etwa 5-10 Tage nach Transfusion von plättchenhaltigen Blutprodukten kommt es zu einem Abfall der Thrombozyten, der klinisch mit starker Blutungsneigung verbunden sein und lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Diagnostisch lassen sich thrombozytenspezifische Alloantikörper nachweisen, häufig kombiniert mit HLA-Antikörpern. In Die allergische Transfusionsreaktion entsteht in erster Linie nach Gabe von plasmahaltigen Blutprodukten aufgrund einer Unverträglichkeit des Empfängers gegen spezielle Plasmasubstanzen.Im transfundierten Blutplasma finden sich ebenfalls Alloantigene, gegen die sich ein Empfänger sensibilisieren kann. Eine typische Ursache für allergische Transfusionsreaktionen ist der angeborene IgA-Mangel mit einer Häufigkeit von etwa 1 : 700. Patienten mit nachgewiesenem IgA-Mangel müssen IgA-freie Blutprodukte erhalten, sofern die Reaktionen medikamentös nicht zu beherrschen sind. Auch andere Substanzen, insbesondere Medikamente, können zu einer Sensibilisierung führen. Die schwerste Form der allergischen Reaktion ist dabei die anaphylaktische Transfusionsreaktion.Sie beginnt schlagartig nach Einleitung der Transfusion. Neben der allergischen Transfusionsreaktion gegen die einzelnen Blutbestandteile können auch allergische Reaktionen gegen das Blutbeutelmaterial auftreten. Insbesondere Weichmacher, die während der Lagerung aus dem Beutelmaterial in das Blutpräparat diffundieren, können allergische Symptome auslösen. Bakterielle Kontaminationen kommen bei fachgerechter Lagerung und Anwendung der Blutpräparate nur noch äußerst selten vor (Risiko etwa 1 : 1 Mio.). Klinisch bedeutsam für die Erythrozytentransfusion sind v. a. Kontaminationen mit gramnegativen Keimen (Pseudomonas, Citrobacter, Escherichia coli, Yersinia). Dagegen findet man in Thrombozytenkonzentraten eher bakterielle Kontaminationen mit grampositiven Keimen (Staphylokokken), vermutlich begünstigt durch die Lagerung der Präparate bei Raumtemperatur. Zu den transfusionsmedizinisch wichtigen Viruserkrankungen gehören aufgrund ihrer schweren Krankheitsverläufe die Infektion mit HIV-1 und HIV-2, Hepatitis B (HBV) oder Hepatitis C (HCV). Das derzeitige Risiko für Virusübertragungen wird in den Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten der Bundesärztekammer mit < 1 : 10 6 für HIV und HCV und mit 1 : 10 5 -1 : 10 6 für HBV angegeben. Seit Oktober 1985 ist die Durchführung des HIV-Antikörper-Tests vorgeschrieben. Damit konnte das Risiko einer HIV-Infektion schlagartig verringert werden. In den Jahren zuvor war als Schutzmaßnahme nur der Ausschluss bekannter Risikogruppen von der Blutspende möglich. Dies führte in Deutschland vor 1985 wahrscheinlich zu mehr als 160 HIV-Infektionen durch Blutkonserven. Besonders tragisch war die HIV-Infektion von mehr als 50 % der auf ständige Substitution mit Gerinnungsfaktoren angewiesenen Hämophilen. Sie wurde v. a. durch importiertes Plasma und Gerinnungsfaktoren verursacht. Seit Einführung des HIV-Antikörper-Tests sind in Deutschland bei etwa 38 Mio. Blutübertragungen und Verwendung von weiteren Millionen Gerinnungspräparaten im Zeitraum von 9 Jahren nur 23 transfusionsassoziierte Infektionen mit dem HI-Virus bekannt geworden. Das entspricht einem Durchschnittsrisiko einer HIV-Infektion von 1 : 1,5 Mio.Transfusionen.Diese Infektionsfälle lassen sich zum größten Teil durch die immer noch unvermeidbare diagnostische Lücke (11-22 Tage) zwischen Virämie und Antikörperproduktion beim Blutspender sowie durch eine HIV-kontaminierte Charge Prothrombinkomplex (11 HIV-Fälle) aus dem Jahre 1990 erklären. Zwei HIV-Fälle wurden 1993 durch möglicherweise nicht korrekt getestete Frischplasmapräparate verursacht. Mit Einführung des virusspezifischen HBs-Antigen-Tests stand 1970 erstmals ein serologisches Nachweisverfahren zur Verfügung, das mit relativ hoher Spezifität und Sensitivität HBV-infizierte Blutkonserven aufdeckte. Durch zwischenzeitliche Weiterentwicklung können HBs-Antigen-Tests heute weniger als 0,5 ng/ml Antigen im Serum nachweisen. Trotz dieser extremen Empfindlichkeit werden nicht alle potenziell infektiösen Spender entdeckt. In der Literatur werden sog. Low-Level-Carrier beschrieben, die vermutlich noch durch geringste Viruskonzentrationen in der Blutspende Hepatitis-B-Infektionen übertragen können. Außerdem gibt es auch für die Hepatitis-B-Infektion nach Eintritt des Virus in den Organismus ein diagnostische Fenster von ca. 1-7 Wochen. Die Durchseuchung von Erstblutspendern mit dem Hepatitis-B-Antigen liegt in Deutschland bei etwa 0,3 %. Nach Einführung des HBs-Antigen-Tests zeigte sich, dass nur etwa 10 % der Posttransfusionshepatitiden durch das Hepatitis-B-Virus übertragen wurden. Die meisten Fälle waren Non-A-Non-B-Hepatitiden (NANBH). Seit 1988 ist bekannt, dass der wichtigste Erreger der NANBH das Hepatitis-C-Virus ist. Anti-HCV-Tests stehen seit 1990 zur Verfügung: Die heute verfügbaren HCV-Tests der 3. Generation weisen durch Verwendung eines breiten Antigenspektrums (Core, Hülle, nichtstrukturelle Antigene) eine noch größere Sensitivität auf. Seit dem 01. 04. 1999 ist zusätzlich zur serologischen Untersuchung des Spenders ein direkter Test des Spenderblutes auf Viruspartikel durch Nukleinsäureamplifikationstechniken (z. B. PCR) vorgeschrieben. Diese Maßnahme soll das diagnostische Fenster verkleinern und das derzeitige Risiko einer HCV-Infektion nochmals annähernd halbieren. Die transfusionsmedizinische Bedeutung der Hepatitis C als Risikofaktor zeigt sich auch am klinischen Verlauf: 40-60% der Hepatitis-C-Fälle werden chronisch und können zu Leberzirrhose und Leberzellkarzinom führen. Neuformulierungen und Kommentare 2001 zu den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) Arbeitskreis Blut: Parvovirus B 19. Stellungnahme S3 vom 2. 12 Prophylaxis of cytomegalovirus infection A comparison of filtered leukocyte-reduced and cytomegalovirus (CMV) seronegative blood products for the prevention of tranfsuion-associated CMV infection after marrow transplant Preliminary results of the multicenter study "treatment of blood donors with recombinat G-CSF for granulocyte apheresis Leitlinien für die Substitutionstherapie mit Thrombozyten Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz. Diagnosesicherung durch den Nachweis granulozytärer Antikörper Transfusion to the wrong patient likely to be most important tranfusion risk Consensus Conference (1985) Fresh Frozen Plasma, Indications and Risks Platelet transfusion therapy Cytokine roles in hemolytic and nonhemolytic transfusion reactions Persistent hepatitis G virus (HGV) infection in chronic hemodialysis patients and non-B, non-C chronic hepatitis GB virus C/hepatitis G virus Prevalence of and risk factors for hepatitis G (HGV) infection in haemodialysis patients: a multicentre study The clearance mechanism of chilled blood platelets Don't bug me: The problem of bacterial contamination of blood components -challenges and solutions Transfusion errors: Causes and effects Possible transmission of variant Creutzfeldt-Jakob disease by blood transfusion Blood transfusion in clinical medicine Single-donor platelets reduce the risk of septic platelet transfusion reactions Transfusiontransmitted cytomegalovirus infection after receipt of leukoreduced blood products Phase I/II trial of neutrophil transfusions from donors stimulated with G-CSF and dexamethasone for treatment of patients with infections in hematopoietic stem cell transplantation Bericht der Arbeitsgruppe "Gesamtstrategie Blutversorgung angesichts vCJK TRALI after the transfusion of cross-matchpositive granulocytes Delayed hemolytic transfusion reactions Prevention of primary transfusion-associated cytomegalovirus infection in bone marrow transplant recipients by the removal of white cells from blood components with highaffinity filters Technical manual, 13th edn. American Association of Blood Banks A study on pathogenicity of hepatitis G virus Das Hepatitis-G-Virus (HGV) ist mit Blutprodukten übertragbar. Die Durchseuchung liegt bei 1-29 % der Spender. Über die klinische Bedeutung einer HGV-Infektion herrscht jedoch noch Unklarheit. Epidemiologische und kürzlich veröffentlichte klinische Daten sprechen nicht für eine ätiologische Bedeutung dieses Erregers für die Entwicklung transfusionsassoziierter Hepatitiden. Die Gefahr einer Übertragung der Zytomegalieviren durch zelluläre Blutpräparate besteht bei CMV-negativen Patienten mit gestörter Immunfunktion. In diese Patientengruppe gehören insbesondere Frühgeborene, Patienten nach Organtransplantation (Niere, Leber, Herz, hämatopoetische Stammzellen), CMV-negative schwangere Frauen, CMV-negative, HIV-infizierte Patienten, Patienten mit Immundefekt und Feten. Diese Patienten sollten Anti-CMV-negative oder leukozytendepletierte zelluläre Blutpräparate erhalten. Die Arbeit von Nichols et al. (2003) gibt Hinweise darauf, dass bei besonders gefährdeten Patientengruppen die Versorgung mit Anti-CMV-negativen Blutprodukten derjenigen mit leukozytendepletierten Produktion vorzuziehen ist. Da seit Oktober 2001 alle zellulären Blutpräparate in Deutschland leukozytendepletiert hergestellt werden, stellt die Versorgung dieser Patienten kein Problem mehr da. Als medikamentöse CMV-Prophylaxe bei den Risikopatienten wird derzeit die Gabe von antiviral wirksamen Substanzen wie Ganciclovir, Cidofovir oder Foscarnet-Natrium und ggf. i. v.-Immunglobulin diskutiert. Die Studienergebnisse bei CMVnegativen Organempfängern sprechen für eine hohe Wirksamkeit dieser Maßnahme. Auf weitere Viren werden Blutspender in der Regel nicht getestet. Als zusätzlicher Beitrag zur Sicherheit bleibt nur der Ausschluss von Spendern mit unklaren anamnestischen Angaben und mit akuten Krankheitssymptomen. In den letzten Jahren wurde ganz vereinzelt über die Übertragung von Hepatitis-A-Virus und Parvovirus B19 berichtet. Wegen der hohen Durchseuchung (bis zu 60%) ist eine Bereitstellung von Parvovirus-B19-negativen Blutpräparaten nicht einfach möglich. Darüber hinaus stellt der Erreger der harmlosen "Ringelröteln" nur für einen kleinen Prozentsatz der Patienten eine wirkliche Gefährdung dar.Risikogruppen